28.10.2019

Höhle der Löwen: Marketing-Experte über die Startups aus Folge 9

Marketingexperte und Präsident der Österreichischen Marketing-Gesellschaft Alexander Oswald beleuchtet die fünf Startups aus "Die Höhle der Löwen" Folge neun aus strategischer Perspektive und bewertet das Marketingpotenzial der Produkte schon vorab.
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Höhle der Löwen, Marketing Experten, Alexander Oswald, Marketing, Futura, ÖMG
(c) TVNOW / Frank W. Hempel - Laut Marketing-Experten Alexander Oswald gibt es für die heutige Sendung einige Favoriten, wie Plantbreak, auf Investments.

Vergangene Woche nahm Marketingexperte und Vorstandsmitglied der Österreichischen Marketing-Gesellschaft Jan Gorfer die Teilnehmer von “Die Höhle der Löwen” unter die Lupe.

+++ DHDL: “Für Null Euro 15 Prozent”-Beteiligung +++

Diese Woche bewertet Marketingexperte Alexander Oswald, Präsident der Österreichischen Marketing-Gesellschaft und Geschäftsführer von Futura, für uns die Startups aus Folge neun aus strategischer Perspektive.

1. Drive Dressy

Drive Dressy tritt bei “Die Höhle der Löwen” mit Sitzbezügen für Autositze an. Mithilfe eines 3D-Konfigurators können diese für jedes Auto individuell gestaltet werden.

Die Einschätzung des Experten

Stylischer Look fürs Auto? Kein Problem dank Drive Dressy und ihren sogenannten Fashion-Seat-Covern. Die speziell dafür entwickelte Baumwoll-Komposition ist freundlich für die Haut und birgt durch eine integrierte Airbag-Naht keinerlei Risiken in puncto Sicherheit. Mit einem 3D-Konfigurator können Nutzer mit nur wenigen Klicks die Bezüge nach individuellen Wünschen gestalten – ganz egal ob ein ganzes Set oder nur einzelne Teile, beispielsweise Kopfstützen. Ein nächstes Feature ist bereits in Planung: Nutzer sollen eigene Designs hochladen und so die modischen It-Pieces fürs Auto komplett frei gestalten können.

Die Produktion ist nachhaltig und regional. So positiv das klingt, stellt sich die Frage nach der Gesamtkalkulation. Denn die Produktpreise können sich gut mit der Konkurrenz messen, sodass eine Aufschlüsselung der Produktionskosten sicher interessant wäre.

Verhaltene Reaktionen

Blickt man auf den digitalen Auftritt mittels Website und Social Media-Kanälen zeichnet sich ein durchgehend sehr werblicher Tonfall ab. Damit fokussieren sich die beiden Brüder aus München auf eine dafür empfängliche Zielgruppe, was sie zudem von vergleichbaren Anbietern unterscheidet. Vielleicht lassen sich dadurch auch die vergleichsweise verhaltenen Reaktionen auf Social Media erklären – auf Instagram kommen die Beiträge kaum über eine Anzahl von 40 Likes hinaus.

Marketing-Tipp

Kampagnen dienen nicht immer ausschließlich der Bekanntmachung von Produkten, oft bieten sie auch Potenzial für kleinere Marktforschungen. Durch Interaktionen von Usern lassen sich viele Informationen über die Zielgruppe sammeln und so ließe sich beispielsweise auch eine Bestätigung für den reinen Fokus auf weibliche Kundinnen einholen. Außerdem erscheint die Modellauswahl der Fahrzeuge, für die es Bezüge gibt, mit einem reinen Fokus auf Kleinwagen und Transporter auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehbar.

2. Drillstamp

Drillstamp möchte als Hilfsmittel die Markierung von Bohrlöchern vereinfachen, wodurch Bilder schnell und gerade aufgehängt werden sollen.

Die Einschätzung des Experten

“Meine Erfindung ist so eine große Hilfe im Alltag, dass sie in keinem Haushalt fehlen sollte”, ist sich Gründer Alexander Jentzmyk bei “Die Höhle der Löwen” sicher. Er bietet eine Idee für punktgenaue Bohrungen in den eigenen vier Wänden. Denn jeder, der schon mal ein Bild, Regal oder eine Lampe anbringen wollte, kennt das Problem mit dem umständlichen Markieren der Bohrlöcher. Einfach Drillstamp in die Aufhängeösen einschieben, positionieren und durch leichten Druck gegen die Wand die entsprechende Markierung auftragen. Das war’s.

Potential verschwendet

Die grundsätzliche Idee hinter seinem Produkt ist klar, jedoch ist die Produkterklärung auf der Website eher schwer verständlich. Ein Bild mag mehr als 1000 Worte sagen, aber ein 30-sekündiges Video könnte gleich mehr als 720.000 Worte sagen. Zwar gibt es auf YouTube bereits Erklärvideos, doch sind diese – zumindest auf den ersten Blick – nicht auf der Drillstamp-Website zu finden. Und hier beginnt die Customer-Journey – nicht auf YouTube. Aufgrund dessen geht deshalb für ein solches Produkt hier leider viel Potenzial verloren.

Dennoch ist die Idee ein guter Problemlöser und weckt sicher das Interesse der “Höhle der Löwen”-Investoren. Speziell denken wir da an eine Spezialistin aus dem Teleshopping-Bereich.

Marketing-Tipp

“Seeing is believing”. Wenn man bereits Videos produziert hat, warum dann nicht überall zeigen? Bei solch einem erklärungswürdigen Produkt kann der Mut zum Bewegtbild wahre Wunder bewirken. Der Drillstamp lebt außerdem von Reichweite und Nutzererfahrungen – und im besten Fall spielen beide Faktoren gut zusammen. Warum also präsentiert man keine Erfahrungswerte auf der eigenen Website? Umzusetzen wäre dies sicher relativ leicht.

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(c) APA/ Ludwig Schedl – Präsident der Österreichischen Marketinggesellschaft (ÖMG) Alexander Oswald teilt seine Einsichten über die heutigen DHDL-Kandidaten.

3. Convercycle

Convercycle tritt bei “Die Höhle der Löwen” mit einem klappbaren “optionalen Lasten-Fahrrad” an, welches Lasten von bis zu 60 Kilogramm transportieren kann.

Die Einschätzung der Experten

Luftverschmutzung, Parkplatzmangel, Stau – es gibt viele Gründe, über Auto-Alternativen nachzudenken. Eine der beliebtesten und naheliegendsten Alternativen ist sicherlich das Fahrrad. Aber wenn man größere Dinge zu transportieren hat, wird es schwierig. Und einen Anhänger hat man auch nicht immer dabei. Also warum nicht am Auto orientieren und einfach ein Fahrrad mit Kofferraum konzipieren?

2 in 1-Fahrradkonzept

Convercycle, ein 2 in 1-Fahrradkonzept, das ein Citybike mit einem Lastenfahrrad kombiniert, bietet also die einmalige Lösung. Zusammengeklappt ist es als Citybike einfach in der Handhabung, als Lastenfahrrad hat es eine Ladefläche hinterm Sitz, mit der man bis zu 60 Kilogramm transportieren kann. Der Umbau erfolgt durch Auf- und Zuklappen mit einer Hand.

Das ist eine echt schlaue Idee. Und sieht man sich das Interesse auf YouTube, Instagram und der Kampagne auf Indiegogo an, so gibt es dafür definitiv Interessenten und einen potenziellen Markt. Eine tolle Idee mit viel Potenzial. Eine E-Bike Version gibt es übrigens auch.

Marketing-Tipp

Cooles Produkt und ihr beweist das Interesse am Markt durch eure Indiegogo Kampagne und die Views auf YouTube. Pinterest (ohne Pins) und Twitter sind uns allerdings zu “nischige” Kanäle, auch wenn Facebook nicht cool ist – Reichweite würde es jede Menge bringen.

4. WeeDo

Das Unternehmen stellt besondere mitwachsende Schneeanzüge für Kinder mit Tiermotiven her. Kinder können zwischen unterschiedlichen Tierarten und Fabelwesen wählen.

Die Einschätzung des Experten

Ein “Mitwachssystem” für Kinder-Schneeanzüge – alle Eltern nicken jetzt mit dem Kopf und erinnern sich, wie viele solcher Anzüge man gekauft und wieder weggegeben hat. Intelligent und nachhaltig, die Idee gefällt uns.

Sucht man im Web nach dem Patent, so findet man sehr viel und ausnahmslos positives Feedback. Ärmel und Beine in der Länge regulieren, sodass der Schneeanzug immer richtig gut passt und über mehrere Winter getragen werden kann. Der Taillenzipper ermöglicht einen schnellen Toilettenstopp, ohne gleich den ganzen Schneeanzug ausziehen zu müssen. Die Handschuhe gehen nicht verloren, weil sie am Anzug befestigt sind und die verstellbaren Kapuzen können auch über dem Helm getragen werden. Nutzer auf diversen Plattformen sind begeistert. Alles richtig gemacht mit dem Produkt.

Und sogar neue Produkte lassen nicht lang auf sich warten. Auch Kuschelanzüge für daheim und Lösungen für regnerische Tage soll es bald geben – wir sind begeistert!

Marketing-Tipp

Euer Targeting ist simpel, die Botschaft klar, das Produkt toll, da muss man nur mehr eine Kampagne umsetzen. Mit Videos ließen sich beispielsweise die Vorzüge eurer Produkte noch besser erklären. Allerdings sind und bleiben wir von der Idee begeistert und wünschen viel Erfolg!

5. Plantbreak

Hierbei handelt es sich um einen DIY-Fitnessriegel als Backmischung für den eigenen Gebrauch, der in der neunten Folge von “Die Höhle der Löwen” vorgestellt wird.

Die Einschätzung des Experten

Ein Mann und seine Mission. Max Rongen gründete mit 17 Jahren sein Unternehmen und möchte dafür sorgen, dass sich Deutschland gesund ernährt. Dafür hat er Backmischungen für vegane, kalorienarme Fitness-Riegel erfunden, die ganz ohne Süßungsmittel und Zusatzstoffe auskommen.

Online präsentiert er seine Idee sehr solide und erklärt alle relevanten Fakten zum Produkt. Daneben betreibt er soziale Kanäle wie Facebook, Instagram, Twitter und YouTube – das volle Programm. Auf Instagram erzielt er momentan die besten Reaktionswerte und sollte sich deshalb auf diesen Kanal fokussieren, da hier seine Zielgruppe am aktivsten scheint.

Kein vergleichbares Produkt

Uns überraschte nach kurzer Recherche, dass es scheinbar keine Fertigbackmischungen außer Plantbreak gibt. Gesunde Fitness-Riegel gibt es genug, doch Backmischungen nicht – eine echte Lücke also. Und das Feedback auf diversen Seiten stellt sich als durchaus positiv heraus. Vor allem die Möglichkeit gegenüber dem Kauf fertiger Riegel Geld zu sparen, fällt vielen Nutzern positiv auf.

Marketing-Tipp

Grundsätzlich ist alles da, was ein erfolgreiches Startup benötigt. Ein motivierter Gründer, ein tolles Produkt und positives Feedback aus dem Markt. Soziale Netzwerke sind super, doch braucht man nicht immer auf allen vertreten sein. Manchmal ist es hilfreicher, die Kapazitäten zu bündeln und beispielsweise auf Twitter zu verzichten und dafür lieber mehr Facebook-Ads zu schalten. Das würde in diesem Fall sicher die Reichweite und Bekanntheit erhöhen. Zudem ist es bei einem solchen Produkt immer sinnvoll, das positive Feedback zu sammeln und über die gewählten Kanäle auszuspielen.

Persönlicher Favorit für Folge 9/2019 von “Die Höhle der Löwen”

Eigentlich alle. Ohne Kalkulationen oder Verkaufszahlen zu kennen, ist es diese Woche wirklich schwer, einen klaren Favoriten zu nennen. Im Grunde ist nämlich für jeden Löwen dieses Mal etwas dabei. Convercycle, WeeDo und teilweise Plantbreak können zudem viel positives Feedback aus dem Netz in die Pitch-Schlacht werfen.


⇒ Drive Dressy

⇒ Drillstamp

⇒ Convercycle

⇒ WeeDo

⇒ Plantbreak

⇒ Futura

⇒ ÖMG

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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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