21.06.2017

Hilfe, die FinTechs kommen! Vermessung der neuen und der alten Bankenwelt

Startups in der Finanzbranche sind kapitalintensiver als andere. Das liegt an der aufwendigen rechtlichen Beratung und den Customer Acquisition Costs. Den etablierten Banken ist das genauso bewusst, wie den FinTechs selbst. Jetzt sind die Gesetzgeber und die Finanzmarktaufsicht am Zug.
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Wie innovativ ist die Finanzbranche? fragte der SPÖ-Parlamentsklub bei seiner Enquete zum Thema „FinTechs unter der Lupe“. Innovation macht vor nichts halt, weder vor der Architektur des Parlaments – es ist eine der letzten Veranstaltungen hier vor der dreijährigen Umbauphase – noch vor der Finanzbranche, die „in die Jahre gekommen“ sei, vergleicht Klubobmann Andreas Schieder.

Die Abgeordnete zum Nationalrat, Elisabeth Hackel, kuratierte die Enquete entlang der Fragen: Warum sind gewisse FinTechs nach Deutschland gegangen? Wie kann man den FinTech-Markt in Österreich ankurbeln? Können Banken und FinTechs voneinander lernen?

„Wir sind keine Bankenkonkurrenz“

Die Bankendichte ist im EU-Vergleich in Österreich besonders hoch. Von der anderen Seite kommt die Financial Technology. Als Vertreter dafür sind Lorenz Jüngling von N26 und Daniel Striedner, Cashpresso-CEO, am Panel. „Wir sind keine Bankenkonkurrenz, sondern versuchen, sie an der Hand zu nehmen. Ohne Banken könnten wir ja nicht arbeiten. Wir haben keine Lizenz, um unseren Kredit zu vergeben“, meint er. Dennoch: FinTechs hätten die besseren IT-Systeme und könnten Entscheidungen schneller treffen. Dem würde hier wohl kaum jemand widersprechen. Ohne das entsprechende Biotop könnten die neuen Player am Finanzsektor aber nicht existieren. Gerade das sei ihr Vorteil, meint Sebastian Erich, Mitglied des Vorstands bei AVCO, Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation. „Deswegen hat es keinen Sinn sie aufzukaufen, aber sie bewegen den Markt.“ Gleichzeitig hoffen die Banken, dass der Regulator lockert, „weil wenn du deinen regulierten Banken immer mehr Prügel in den Weg legst, wird der Markt tot sein. Dann wird es die Banken  – FinTechs hin oder her – nicht mehr geben.“

Das richtige steuerliche Umfeld für Startups

Ohne dem richtigen Steuerumfeld werden sich FinTechs – genauso wie Startups in allen Branchen – verabschieden aus Österreich, meint Erich. „Sie finden das Kapital nicht. Das ist in fast allen anderen europäischen Ländern besser“, sagt er. „Der Kapitalmangel muss politisch schnell angegriffen werden“. Das Biotop müsse vorbereiten werden. Dann könne man im Besten Fall auch vom sich auflösenden Zentrum in London (Die Brexit-Verhandlungen haben gestern begonnen) profitieren.

Von dort eingeflogen ist Matthias Bauer von der Financial Contact Authority, einer Art Finanzmarktaufsicht. Dort versucht er im Innovation Hub Herangehensweisen zu ändern. Innovative Firmen kommen zur Beratung, hauptsächlich geht es um Konzessionsrechtliches. Seit Ende 2014 gibt es die „Regulatory Sandbox“. Sie ermöglicht es Unternehmen, innovative Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und Liefermechanismen auf dem realen Markt mit echten Verbrauchern zu testen. Das Ganze geschieht aber in geschütztem Rahmen. „Das ist keine Deregulierung, sondern Testen unter strenger Aufsicht“, erklärt Bauer. Bisher gab es circa 700 Anfragen. Der FCA nutzt es: Sie lernt innovative Geschäftsmodelle kennen und kann schon im Aufbauprozess versuchen, Services für den Konsumenten sicher zu machen.

FinTechs haben die Softwareentwickler, die Banken haben die Kunden

Mit der Sandkiste auch etablierte Banken angesprochen. Und auch aus dieser Ecke sitzt natürlich jemand mit in der Diskussion. Peter Bosek von der Erste Bank prognostiziert in seiner Keynote, dass viele FinTechs die zweite und dritte Runde nicht überleben werden, weil sie davon ausgehen, dass die Kundenakquisition nix kostet. Nichtsdestotrotz gebe es einige gute und sie hätten hervorragende Softwareentwickler – das sei eher ein blinder Fleck bei den traditionellen Bankhäusern.

Innovationen sind in großen etablierten Unternehmen oft eine zarte Pflanze, die Gefahr läuft, schnell zertrampelt zu werden. Deswegen entstand das Online-Banking George in einem Extra-Hub. Und „dort sind wir komplett offen für die Kooperation mit FinTechs“, meint Bosek. Während die Bank 16 Millionen Kunden mitbringt, können FinTechs mit innovativen Softwarelösungen punkten. Beteiligen würde er sich als Bank nicht an Startups, weil er sie einerseits für überbewertet hält und andererseits zu viel Nähe eines großen Unternehmens das Startup erdrücken würde. Bosek spricht von unterschiedlichen Schrittgeschwindigkeiten und ist für Kooperation auf Augenhöhe.

Als Bank auftreten, aber das Startup-Umfeld behalten

N26, dessen COO Lorenz Jüngling als nächster spricht, hält er für eines der wenigen erstzunehmenden FinTechs. Gegründet 2013 von zwei Wienern in Österreich, ist das Unternehmen nach Berlin gewechselt und hat mittlerweile eine eigene Banklizenz. Es gäbe mittlerweile 220 Mitarbeiter, aber „keine Filialen und kein IT-System, das 30 Jahre alt ist und auf Relaunch wartet“.

Redaktionstipps

Die Organisationsform sei die eines Technologieunternehmens. „Gleichzeitig treten wir auf der Seite des Regulators als Bank auf, aber unser Umfeld bleibt dynamisch und flexibel, um wie ein Startup zu funktionieren“. Es beschränkt sich auf B2C und setzt den Fokus auf allem, was online und am Handy möglich ist. Jüngling geht es nicht um klassische Anlageprodukte. N26 vermittelt zwischen User und der Finanzdienstleistung, sieht die Transaktionssysteme der Leute und ihre Versicherungsdaten und kann sie auswerten: Was sind die Bedürfnisse des Users? Wie kann man daraus einen Wert generieren, der sich monetarisieren lässt?

Bosek ist das zu intransparent: „Eure Kooperationspartner check ich gar nicht“, sagt er. Das bringe die Kohle von großen Banken zu solchen, die keine Regeln haben.

Kritik an der Finanzmarktaufsicht

Mit konkreter Erfahrung meldet sich auch ein Teilnehmer zu Wort. Er betont den Austausch bevor es zum Regulator geht. Als er 2012 selbst zur Finanzmarktaufsicht (FMA) gegangen ist, hat er gemerkt, dass es nicht gewollt war, dass er die Zahlungslizenz bekommt. Er schätzt den Ansatz der Londoner FCA, die sich fragt: Was braucht der Kunde? und über den Ombudsmann rasch reagiert. In seinem FinTech-Unternehmen hätten die Anwälte viel abgefangen. Es geht nicht im Vorhinein zu entwickeln, was der Kunde vielleicht möchte, sondern um den flexiblen Austausch im Frühstadium. Das würde mehr helfen.

Europa punktet mit Rechtssicherheit

In punkto Rechtssicherheit hätte Europa übrigens einen Vorsprung, meint Matthias Bauer. Es sei sehr viel einfacher, verglichen mit den USA, wo man 50 verschiedene Lizenzen braucht. Da stimmt ihm der Cashpresso-Gründer Striedner zu: „Man kann darüber diskutieren, ob etwas zu viel reguliert ist, aber zumindest ist es rechtssicher.“ Das Startup möchte bewusst in Österreich verwurzelt bleiben. Er lobt die Webentwickler aus Universitäten und Fachhochschulen, sieht aber, dass die FinTech-Nische sehr kapitalintensiv ist, im Vergleich zu anderen Startups. Und das liegt gerade an der rechtlichen Beratung und den Custumer Acquisition Costs. Die Baustellen sind also schon einmal klar absteckt nach dieser Enquete.

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Das Wiener Startup PowerBot automatisiert den physischen Stromhandel an Strombörsen. Damit leistet es einen Beitrag zur Energiewende. CEO Helmut Spindler hat uns vergangenen April mehr über die Technologie erzählt.

Das SaaS-Unternehmen wurde im Jahr 2020 von Felix Diwok, Manuel Giselbrecht und Helmut Spindler gegründet. Mit dem Ziel, Handelsabläufe an den europäischen Strombörsen zu automatisieren und zu verbessern. Und damit die Energiewende voranzutreiben. CEO Spindler war jahrelang als Berater für Energiemarktfragen tätig. Als Spin-off der Energiemarktberatung Inercomp GmbH entstand dann 2020 PowerBot.

Exit an norwegischen Tech-Konzern

Am gestrigen Mittwoch verkündete das Wiener Startup, vom “europäischen Marktführer für Energiesoftware, Volue, offiziell übernommen” worden zu sein. Eine konkrete Summe wird nicht genannt. Gemeinsam habe man sich das Ziel gesetzt, den Markt “im algorithmischen kurzfristigen Stromhandel” anzuführen.

Das Käufer-Unternehmen Volue positioniert sich als Technologielieferant grüner Energie. Das norwegische Unternehmen arbeitet an Lösungen zur Optimierung von Produktion, Handel, Verteilung und Verbrauch von Energie.

Co-Founder Diwok hielt bislang 37,5 Prozent, Spindler und Giselbrecht je 18,74 Prozent. Auch das Partnerunternehmen der Armstrong Consulting GmbH unter Geschäftsführer Roger Armstrong hielt bislang 25,01 Prozent der Firmenanteile.

Schrittweise Integration

Mit dem Kauf des Wiener Energy-Startups soll das bestehende Portfolio von Volue erweitert werden. Die Integration soll Schrittweise erfolgen, ab Jänner 2025 sei die PowerBot-Lösung vollständig in das Volue-Portfolio integriert.

Volue-CEO Trond Straume wird in einem LinkedIn-Post von PowerBot zitiert: „Diese Übernahme ist ein entscheidender Schritt auf unserem Weg, bis 2030 der führende SaaS-Anbieter für das globale Energiesystem zu werden. Die hochmoderne Plattform von PowerBot ergänzt den Volue Algo Trader perfekt, indem sie Quants befähigt und unsere Expansion über Westeuropa hinaus beschleunigt.“

Das Wiener Energy-Startup soll fortan die bestehende Lösung des Käufers – namentlich “Volue Algo Trader Power” ergänzen. Dabei handelt es sich um eine SaaS-Lösungen für den kurzfristigen Stromhandel, kurz für “Intraday”-Stromhandel.

“Keinen besseren Partner”

Wie PowerBot weiter vermeldet, soll die Integration die Entwicklung von traderfreundlichen Benutzeroberflächen und Lösungen für Unternehmen begünstigen. PowerBot wird dabei eng mit dem Team rund um die SaaS-Lösung Volue Algo Trader Power zusammenarbeiten.

Für das PowerBot-Team sei der Exit “nur der nächste wichtige Schritt auf dem Weg des Wachstums”, heißt es. Auch weiterhin soll das bestehende PowerBot-Team, darunter Helmut Spindler, Maximilian Kiessler und Jakob Ahrer, “die Entwicklung des Produkts weiter vorantreiben und für Kontinuität und Innovation sorgen”. Das Startup will indes bereits baldige neue Produkte auf dem Markt verkünden.

Helmut Spindler, CEO von PowerBot, kommentiert: „Wir haben in den letzten Jahren ein unglaubliches Wachstum erlebt, und um weiter zu skalieren und zu internationalisieren, brauchten wir einen starken Partner. Volue ist aufgrund seiner umfassenden Branchenkenntnisse und seiner gemeinsamen Vision die perfekte Wahl. Ich könnte mir keinen besseren Partner vorstellen“.

Stärken kombinieren

Mittlerweile soll das Wiener Energy-Startup über 85 Kunden in 26 Ländern vorweisen. Handeln soll es derzeit an neun Börsen. Das Team sei 25-köpfig und in Wien sitzend. Auch die Zertifizierungen ISO 27001 und SOC2 Typ 2 – beides Zertifizierungen für Cybersicherheit und Datenschutz – weise man vor.

Roland Peetz, SVP von Volue Energy Software, fügt hinzu: „Indem wir unsere Stärken kombinieren, schaffen wir ein unübertroffenes Angebot, das den Anforderungen des sich schnell verändernden Stromhandelsmarktes gerecht wird.“

Aus dem Archiv: PowerBot-CEO Helmut Spindler im Studio

Der PowerBot-CEO und Mitgründer Helmut Spindler war zu Gast im brutkasten Studio.

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