10.12.2024
INTERVIEW

Henrietta Egerth: “Mehr Risikobereitschaft, um radikale Innovationen zu fördern”

Was brauchen Österreich und die EU, um wirtschaftlich wieder vorwärts zu kommen und welche Rolle spielen dabei Forschung und Spin-offs? FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth im Interview.
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FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth | (c) FFG/EINZENBERGER
FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth | (c) FFG/EINZENBERGER

Die neue EU-Kommission steht. In Österreich laufen indessen Regierungsverhandlungen mit ungewissem Ausgang. Und das, während der das Land weiterhin nicht aus der Rezession kommt und auch die Prognosen düster bleiben. Begleitet wird dieses Szenario – wie sollte es anders sein – von dramatischen Appellen und der Forderung nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Mit FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth besprachen wir im Interview unter anderem, wie die Forschungs- und Spin-off-Politik auf nationaler und EU-Ebene dazu beitragen kann, die Situation zu verbessern und was dafür konkret umgesetzt werden muss.


brutkasten: Negativ-Nachrichten und drastische Appelle dominieren aktuell die Wirtschaftsberichterstattung. Ist die Situation wirklich so dramatisch?

Henrietta Egerth: Es stimmt, dass wir uns in herausfordernden Zeiten befinden, die viele Unternehmen unter Druck setzen. Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass Österreichs Forschungslandschaft international sehr gut dasteht. Die aktuellen Herausforderungen sollten uns als Ansporn dienen, gezielt in Innovation und Zukunftstechnologien zu investieren. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig langfristige Strategien und stabile Rahmenbedingungen sind, um wirtschaftliche Resilienz zu stärken.

Nicht nur der vielzitierte Draghi-Report besagt: Europa muss aktiv Maßnahmen setzen, um technologisch nicht komplett den Anschluss an die USA und China zu verlieren. Was braucht es am dringendsten?

Wir müssen vor allem die Geschwindigkeit erhöhen: von der Grundlagenforschung bis zur Marktreife. Ein zentrales Element ist die stärkere Verzahnung von Forschung und Wirtschaft, damit Innovationen auch wirtschaftlich genutzt werden. Wir brauchen zudem mehr Risikobereitschaft, um radikale Innovationen zu fördern und klare Prioritäten bei Schlüsseltechnologien wie Quantenforschung und Künstlicher Intelligenz.

Was muss im Bereich Forschung und Entwicklung konkret auf EU-Ebene rasch passieren?

Europa benötigt ein deutlich höheres Budget für Forschungs- und Innovationsprogramme wie Horizon Europe. Wir sprechen hier von einer Verdopplung des FP10-Gesamtbudgets (Anm. der Redaktion: 10. EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation) auf über 200 Milliarden Euro. Der Bedarf ist da: Es gibt viele exzellente Projekte, die aufgrund knapper Mittel nicht gefördert werden können. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass die Ergebnisse der europäischen Forschung auch hier in Wertschöpfung umgemünzt werden – das gelingt nur durch mehr Fokus auf Transfermaßnahmen und eine stärkere Industriebeteiligung.

Und was sind die dringendsten Maßnahmen, die von der kommenden österreichischen Bundesregierung umgesetzt werden sollten?

Österreich braucht eine mutige Standortpolitik, die Forschung und Innovation ins Zentrum stellt. Dazu gehört die Erhöhung der Forschungsquote auf vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – das bedeutet eine Erhöhung der Fördermittel von derzeit 5,2 Milliarden Euro auf 6,8 Milliarden, die Reduktion von bürokratischen Hürden und eine gezielte Förderung von Schlüsseltechnologien. Gleichzeitig müssen wir mehr Fachkräfte gewinnen, auch aus dem Ausland – hier wäre ein Fast-Track-Verfahren bei der Vergabe der Rot-Weiß-Rot-Karte für Spitzenforschende ein entscheidender Hebel.

Universitäre Spin-offs gelten in dem Zusammenhang als besonders entscheidend. Was braucht es, um sie noch besser zu fördern?

Spin-offs spielen eine Schlüsselrolle beim Transfer von Wissen in die Wirtschaft. Um die jungen Forschenden besser zu fördern, brauchen wir einerseits finanzielle Unterstützung in den frühen Phasen, andererseits auch mehr Beratungsangebote, die Gründende durch die komplexen Prozesse begleiten. Unser nationales Programm, das universitäre Ausgründungen gezielt fördert und dabei auch die Hochschulen einbindet, ist hier ein wichtiger Baustein am Weg zum Erfolg.

Auf der “Spin-off Austria”-Konferenz wurden zuletzt auch die Interessenskonflikte zwischen Ausgründungen und Unis bzw. FHs beim Thema Anteile und Bewertung diskutiert. Was ist Ihre Position dazu und wie könnte man das lösen?

Es ist verständlich, dass Hochschulen ihren Beitrag zur Entstehung eines Spin-offs honoriert sehen wollen. Gleichzeitig darf dies nicht dazu führen, dass Spin-offs durch zu hohe Anforderungen belastet werden. Eine Lösung könnte in standardisierten Rahmenbedingungen liegen, die für beide Seiten fair sind – etwa durch klare Leitlinien zur Bewertung und Anteilsstruktur, die von der Politik unterstützt werden.

Die FFG leistet in Österreich einen erheblichen Anteil zur Finanzierung von Spin-offs – vor allem in der Frühphase. Wie könnte man noch weiteres Kapital hebeln?

Ein Schlüssel wäre, private Investoren stärker einzubinden, beispielsweise durch Co-Investment-Modelle. Auch steuerliche Anreize für Risikokapital könnten dazu beitragen, die Finanzierungslücke in der Frühphase zu schließen. Zusätzlich sollten Förderprogramme mit EU-Initiativen wie dem European Innovation Council besser vernetzt werden, um zusätzliche Mittel zu mobilisieren.

Zum Abschluss: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden: Was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Im Worst-Case-Szenario bleibt Europa in den bestehenden Strukturen verhaftet, was dazu führen könnte, dass wir technologisch und wirtschaftlich den Anschluss verlieren. Im Best-Case-Szenario nutzt Europa die aktuellen Herausforderungen als Chance, mutige Reformen umzusetzen, stärker in Forschung und Innovation zu investieren und eine Vorreiterrolle in den Schlüsselbereichen einzunehmen.

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WeBorn-Gründerinnen Katharina Fojtl (l.) und Jessica Halper (r.) (c) WeBorn

“Dieses Jahr will ich mehr auf mich selbst achten“ – wer von euch hat sich das vorgenommen? Ob Meditation, Spa-Tage, Yoga oder Eisbaden: Der globale Wellbeing-Markt wächst seit Jahren kontinuierlich. Mentale Gesundheit und eine ausgewogene Work-Life-Balance gewinnen zunehmend an Bedeutung – und das aus gutem Grund. Der Self-Care-Trend ist unübersehbar: Immer mehr Menschen nehmen ihre Gesundheit ernst und investieren bewusst in ihr Wohlbefinden.

Ein Wiener Unternehmen möchte genau hier ansetzen und zu mehr Gesundheitsbewusstsein und Entspannung in unserer Gesellschaft sorgen. WeBorn entwickelte ein Erholungskonzept, das mit Sauna und Eisbaden die körperliche und geistige Gesundheit fördern soll. Wie das konkret aussieht und welchen Mehrwert es bietet, erklärt WeBorn-Gründerin Katharina Fojtl im Gespräch mit brutkasten.

WeBorn will Resilienz stärken und mentale Gesundheit fördern

WeBorn setzt auf ein Konzept aus Hitze- und Kältetraining, das von medizinisch geschulten Guides begleitet wird. Diese Übungen sollen laut Unternehmen Resilienz stärken, Entspannung fördern und die Regeneration unterstützen. Durch die intensiven Temperaturen während der Klassen wird gezielt die mentale Gesundheit gefördert. Ergänzt wird das Programm durch Atemtechniken, Meditation und Dehnübungen.

Mit diesem Ansatz sieht sich WeBorn als erstes Studio in Wien, das sich auf die Kombination aus mentaler Fitness und körperlicher Erholung spezialisiert hat – ganz nach ihrem Motto: „Sauna. Ice Bath. Guided.” Durch die gemeinschaftliche Atmosphäre und die immersive Erfahrung soll nicht nur die persönliche Regeneration, sondern auch das soziale Wohlbefinden gestärkt werden, so das Unternehmen.

Inward- und Outward-Klassen

WeBorn bietet zwei unterschiedliche Arten von Klassen an: Inward und Outward. Die Inward-Klassen richten den Fokus nach innen und laden dazu ein, sich ganz auf das Selbst zu konzentrieren. Ziel ist es, „in sich hineinzuschauen und das Inner-Self wahrzunehmen”. Dabei stehen Meditationen, Affirmationen, Atemübungen und Body Scans im Mittelpunkt.

Die Outward-Klassen hingegen stellen das Gemeinschaftserlebnis in den Vordergrund. Hier geht es um „Socializing“ – Musik, Party, Partner- und Gruppenübungen. Aktivitäten wie Schneeball- oder Eisballwerfen in der Sauna sorgen für eine gemeinschaftliche Atmosphäre. „Egal, welche der beiden Klassen du wählst, das Ziel ist immer das dasselbe und zwar, dass du dich nachher erholt und mental gestärkt hast“, erklärt Gründerin Fojtl.

Hitze- und Kältetraining für mehr Wohlbefinden

Das Training bei WeBorn basiert nach eigenen Angaben auf wissenschaftlichen Grundlagen. Die Klassen zielen darauf ab, das Immunsystem zu stärken und das Nervensystem bewusst zu regulieren. Gleichzeitig sollen die Klassen auch helfen, mentale Stärke aufzubauen, die Atemkapazität zu verbessern und das allgemeine Wohlbefinden nachhaltig zu fördern.

WeBorn und sein Team möchten den Teilnehmenden dabei helfen, neue Energie zu tanken, innere Balance zu finden und den oft belastenden „Brainfog“ zu reduzieren. Besonders das Hitzetraining spielt eine zentrale Rolle: Es regt die Freisetzung sogenannter „Hitzeschockproteine“ an, die sowohl die körperliche als auch die mentale Regeneration unterstützen.

Laut WeBorn bietet das Konzept konkrete Vorteile für den (Arbeits-)Alltag: bessere Konzentration, gesteigerte Aufnahmefähigkeit und ein souveräner Umgang mit Stress und neuen Herausforderungen.

Auch das Kältetraining soll zahlreiche mentale und körperliche Vorteile bieten. Es wirke wie ein “Immunbooster, weil es die Entzündungen lockert und auflöst“. Zusätzlich steigert es laut Unternehmen die Dopaminausschüttung im Körper um 250 Prozent und das Noradrenalin um 530 Prozent – ein Effekt, der zu einer deutlich verbesserten Grundstimmung beitragen soll.

Leidenschaft für Sport und Gesundheit

Das Unternehmen WeBorn wurde im November 2023 von Katharina Fojtl und Jessica Halper in Wien gegründet. Die beiden Gründerinnen bringen nicht nur wirtschaftliches Know-how aus ihrem Studium mit, sondern verfügen auch über Zertifikate in Meditation und Breathwork. Ihre gemeinsame Leidenschaft für Sport und Gesundheit war der Antrieb, WeBorn ins Leben zu rufen. „In Österreich, vor allem in Wien, fehlt etwas, das die Erholung ganzheitlich fördert“, erklären sie.

Unterstützt wird das WeBorn-Team von externen Guides, die die verschiedenen Klassen leiten. Aktuell zählen sechs Guides zum Team, die auf Honorarbasis arbeiten. Zusätzlich bildet WeBorn derzeit fünf Weitere aus – in einer zweiwöchigen Ausbildung, die Themen wie Hitze- und Kältetraining, Atemübungen und Erste Hilfe umfasst.

WeBorn-Gründerin: “Es war sehr, sehr challenging”

Die Gründungsphase von WeBorn war alles andere als einfach. „Es war sehr, sehr challenging – und es ist es immer noch sehr, sehr challenging“, sagt Fojtl. In den ersten Monaten erhielte das Gründer-Duo Unterstützung vom AMS durch das Unternehmensgründungsprogramm (UGP), das ihnen ein monatliches Grundeinkommen sicherte.

WeBorn wurde zu 60–65 Prozent aus Eigenmitteln finanziert. Darüber hinaus erhielt das Unternehmen eine Förderung von der Wirtschaftsagentur Wien. „Da wurden uns zwei abgesagt mit der Begründung, dass es unrealistisch erscheint, was wir alles in der kurzen Zeit schaffen wollen“, erzählt Fojtl. Durch die Förderung „Nahversorgung Energie“ konnte WeBorn schließlich das erste Studio eröffnen.

Derzeit trägt sich das Unternehmen noch nicht allein durch die Mitgliedsbeiträge. Die Hoffnung der Gründerinnen ist, dass dies im kommenden Jahr möglich wird.

Expansion nach Deutschland geplant

Das Jungunternehmen WeBorn hat ambitionierte Pläne für die Zukunft: „Wir sind ein neues Unternehmen, das sehr auf Wachstum aus ist“, betonen die Gründerinnen. Bereits Ende 2025 soll die Expansion nach Deutschland starten. Für 2026 ist die Eröffnung einer zweiten deutschen Location geplant.

Sollte alles nach Plan verlaufen, wollen die Gründerinnen das Konzept weiter ausbauen und auf ein Franchise-Modell setzen. Besonders die nordischen Länder würden sich hierfür anbieten. Das Ziel sei es, mit lokalen Partner:innen zusammenzuarbeiten, um künftig mehrere WeBorn-Studios zu eröffnen.

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