27.11.2023

Nach Rekord-Exit: has.to.be-Founder entwickelt neue OKR-Alternative

Mit seinem neuen Startup GrowthSquare launcht Martin Klässner nur zwei Jahre nach dem größten bekannten Startup-Exit in Österreich eine OKR-Alternative.
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Martin Klässner | Foto: © has.to.be

Rund zwei Jahre nach dem bis dato höchsten bekannten Startup-Exit in Österreich launcht Ex-has.to.be-CEO Martin Klässner sein neues Projekt GrowthSquare. Mit has.to.be entwickelte Klässner einen europäischen E-Mobilitätssoftwareanbieter, der von einem Startup mit 40 Mitarbeitenden in zwei Jahren zu einem Scaleup mit über 150 Personen heranwuchs.

Im Juli 2021 wurde has.to.be aus Radstadt vom US-Unternehmen ChargePoint um 250 Millionen Euro übernommen (brutkasten berichtete). Den Erfolg des Salzburger Startups bezieht Martin Klässner auf seine eigens entwickelte Methode zur Strategieumsetzung – womit er nun sein neues Startup GrowthSquare gründete.

GrowthSquare setzt Erfolgskonzept von has.to.be um

Martin Klässner und sein Co-Founder Jerolim Filippi entwickeln seit Juli die Methodologie zur Strategieumsetzung in Unternehmen – namentlich “Art of Acceleration” (AOA). Die Methode soll es bereits Klässners früherem Startup has.to.be ermöglicht haben, sich gegen seine Marktkonkurrenz durchzusetzen. Die von GrowthSquare entwickelte Methode AOA dient als Alternative zu den bereits bekannten OKRs (Objectives and Key Results). AOA soll Unternehmen dabei unterstützen, ihre Strategien schnell und effizient umzusetzen.

Mitarbeitende im Mittelpunkt

Das Salzburger Startup stellt mit AOA den Menschen als “wesentlichen Faktor für den Erfolg eines Unternehmens in den Mittelpunkt”. Die angebotenen Services beziehen sich auf Methodologie, Software und Coaching – und werden in Kooperation mit “einem erfahrenen Expertenteam und ehemaligen has.to.be-Wegbegleitern” zur Verfügung gestellt. Ergänzt werde die Methodologie von einer cloudbasierten AOA Management-Plattform.

Basis für AOA sei “das menschliche Gehirn”

Martin Klässner erklärt dem brutkasten, dass AOA “auf den Grundlagen des menschlichen Gehirns” basiert und “kontinuierlich an aktuelle Veränderungen und Herausforderungen in der Arbeitswelt angepasst” wird. Die Einführung von AOA sei “der Anfang einer Transformation in Unternehmen und ermöglicht eine erfolgreiche Zusammenarbeit und Weiterentwicklung.”

Klässner setzt den Erfolg eines Unternehmens in direkte Relation zur Ermächtigung der Mitarbeitenden, “Entscheidungen selbst zu treffen und konstruktives Denken zu fördern”. Co-Founder FIlippi führt weiter aus: „Der Beitrag der Mitarbeiter:innen und die Art und Weise, wie sie zusammenarbeiten, sind der Schlüsselfaktor für den Erfolg eines Unternehmens.”

OKRs führten bei has.to.be zu “ständigen Diskussionen”

„Als has.to.be anfing zu wachsen, haben wir nach einem Weg gesucht, Mitarbeiter:innen erfolgreich zu führen das Richtige zu tun, den Fortschritt im Auge zu behalten und Ziele messbar zu machen“, so Filippi. Zu Beginn habe das Team mit dem durch Google bekannt gewordenen OKR-Framework gearbeitet, erklärt der Co-Founder.

Die Methode funktionierte im damaligen has.to.be-Team allerdings nicht. “Wir haben Schulungen besucht und uns intensiv mit der Integration von OKR beschäftigt. Allerdings haben wir kein positives Feedback von unserem Team erhalten. Die Definition von geeigneten Zielen und die Festlegung der richtigen Ergebnisse waren schwierig und führten zu ständigen Diskussionen. Es war schwer zu bestimmen, auf welcher Ebene die Ziele liegen sollten. Wir waren besorgt, dass diese Schwierigkeiten nur zunehmen würden, wenn wir 200 Mitarbeiter hätten”, erzählt Klässner von dem Versuch einer OKR-Anwendung bei has.to.be.

Eigenständig entscheiden mit AOA

Die Tatsache, dass OKRs keinen strukturierten Wissensaustausch oder das Begreifen von Realitäten und Bereitstellung von relevanten Daten im Sinne einer effektiven Bottom-up-Handlungserstellung unterstütze, habe nicht den Vorstellungen von has.to.be entsprochen, heißt es vonseiten der Gründer.

Demnach habe man nach einer Methode gesucht, die es Mitarbeitenden ermögliche, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Die Co-Founder haben sich schließlich dazu entschieden, “unseren eigenen Ansatz zu entwickeln, der einen stärkeren Fokus auf die Mitarbeiter legt.” Die Entwicklung der AOA-Methodik erfolgte auf Basis einer umfangreichen Literatur- und Forschungsanalyse sowie nach praktischer Anwendung, erklärt Co-Founder Klässner.

Zu viel Zeit und Aufwand: Darum scheitern OKRs in Unternehmen

Die Erkenntnis, warum OKRs in vielen Organisationen zum Scheitern verurteilt sind, kam den beiden has.to.be-Foundern erst nach dem Exit: “Nachdem wir bei has.to.be die Methodologie weiterentwickelt und in allen Bereichen des Unternehmens integriert haben – darunter Legal, Finanzen, Personalwesen, Marketing und Vertrieb – haben wir uns nach unserem erfolgreichen Exit gefragt: Was machen wir jetzt? Wir begannen Gespräche mit Seed- und Pre-Seed-Startups zu führen und stellten uns die Frage: Kann AOA auch für andere Unternehmen funktionieren? War AOA bei has.to.be nur ein Glücksgriff oder kann es auch für andere Unternehmen erfolgreich sein?”

Nach Gesprächen mit zahlreichen Unternehmen stellte sich für die Gründer heraus, dass viele Unternehmen mit der Definition und Umsetzung ihrer OKRs nach drei bis zwölf Monaten aufhörten. Der häufige Grund: Es brauchte viel Zeit und Aufwand, bis Teams mit den OKRs arbeiten konnten – “bis die Mitarbeiter sie verstehen und in ihrer Denkweise und ihrem Format denken können”, erklärt Klässner im brutkasten-Interview.

“Zum Beispiel steht das Denken in Ergebnissen, das die OKRs fokussieren, im Widerspruch zur intuitiven Art des Denkens”, führt Klässner weiter aus. 80 bis 90 Prozent derjenigen, mit denen Klässner im Gespräch war, haben ihre OKRs aus diesen Gründen aufgegeben – und fortan nach einer besseren Alternative gesucht.

AOA versus OKR: Das ist der Unterschied

Bei AOA geht es darum, zu verstehen, was Menschen in Organisationen, Strukturen und Prozessen benötigen, um hervorragende Leistungen zu erbringen. Mit dem people-centric Ansatz werden Menschen mit der Strategie in Einklang gebracht.

Martin Klässner, Co-Founder von GrowthSquare

Der Hauptunterschied zwischen AOA und OKR liegt im Ansatz selbst, erklärt Klässner: “Bei AOA geht es darum, zu verstehen, was Menschen in Organisationen, Strukturen und Prozessen benötigen, um hervorragende Leistungen zu erbringen. Mit dem people-centric Ansatz werden Menschen mit der Strategie in Einklang gebracht.”

Im Gegensatz dazu geht es bei OKRs darum, “die Strategie auf die Menschen auszurichten”, so Klässner. Dem Innovator zufolge sei AOA einfach intuitiv anzuwenden, was bei der Definition und Umsetzung von OKRs fehlen würde. “AOA bringt viel Kontext, der für den notwendigen Informations- und Wissenstransfer innerhalb der Methode von großer Bedeutung ist”, führt Klässner weiter aus.

“Deutlich erhöhte intrinsische Motivation”

Die Strategieumsetzung mit Art of Acceleration (AOA) habe sich positiv auf das Mitarbeiterengagement ausgewirkt. „Es gab eine deutlich erhöhte intrinsische Motivation im gesamten Unternehmen, um alle Quartalsziele in kurzer Zeit zu erreichen“, erzählt Klässner von der Entwicklung bei has.to.be. Zum Zeitpunkt des Verkaufs an den US-Ladelösungsanbieter ChargePoint soll has.to.be einen Marktanteil von 30 Prozent am europäischen Mobilitätsmarkt gehabt haben.

Art of Acceleration soll Zeit und Konflikte sowie Unklarheiten und Missverständnisse in Teams vorbeugen. “Wir haben beobachtet, dass die Produktivität innerhalb der Teams um bis zu 40 Prozent steigt, wenn AOA angewendet wird”, berichtet Gründer Klässner. Zudem beobachtete GrowthSquare im Zuge der AOA Umsetzung effektivere Entscheidungsprozesse und damit einen Anstieg des positiven Outputs.

Klässner und Filippi haben darüber hinaus festgestellt, dass Mitarbeitende durch die Anwendung von AOA viel eher dazu in der Lage sind, eigenständige Entscheidungen zu treffen. “Das hat großen Einfluss auf die Unternehmenskultur”, ergänzt Klässner. “Silos werden aufgebrochen, die Zusammenarbeit zwischen Teams wird verbessert und Unterstützung wird leichter geleistet.”

Schnelle Lösungen in schnelllebigem Umfeld

Mit AOA richtet sich das Startup GrowthSquare an Unternehmen in einem schnelllebigen Wirtschaftsumfeld, heißt es. Ziel sei es, mithilfe der Art of Acceleration den Unternehmenserfolg zu stärken und internationales Wachstumspotential auszuschöpfen. AOA sei in unabhängig von Geschäftsmodell, Industrie und Betriebsgröße anwendbar. Martin Klässner hebt indes die Wirkung von AOA auf einzelne Mitarbeitende hervor: “Jeder Mitarbeiter kann sehen, wie sein Beitrag im Team zur Gesamtstrategie und zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. Es wird deutlich, welchen individuellen Beitrag jeder einzelne zur Erfolgsgeschichte des Unternehmens leistet.”

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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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