08.10.2021

Hansi Hansmann zu Regierungen: “Das war mehr oder weniger nichts”

Hansi Hansmann hat die österreichische Startup-Szene wie kaum ein anderer geprägt. Nun ist die Investor-Ikone 70, weist einen düsteren Ausblick auf die nächsten Jahre auf und spart dabei nicht mit Kritik an der Politik.
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Hansi Hansmann auf der invest austria von aaia und AVCO © brutkasten/schauer-burkart
Hansi Hansmann auf der invest austria von aaia und AVCO © brutkasten/schauer-burkart

Du begleitest die Startup-Szene in Österreich seit Beginn – wie hat sich aus deiner Sicht der Zugang zu Risikokapital verändert?

Da gab es eine große Veränderung. In den Anfangsjahren meiner Investmenttätigkeit, 2010 bis 2016, hieß es immer, dass es so schwer ist, nach Seed und Early Stage Geld aufzustellen. Bei zwei bis drei Millionen-Runden ist es nicht so drastisch, das geht leicht, aber es ist dann kein österreichisches Kapital. Es gibt weltweit viel davon und das hat einen großen Investitionsdruck. Das kommt sogar nach Österreich, wenn es die richtigen Startups gibt – siehe die zwei Unicorns. Das Kapital ist halt dann aus den USA oder aus Asien. Ein Startup, das skalierbar ist, hat überhaupt kein Problem, Geld aufzustellen – das kommt bloß nicht von Österreichern.

Nimmt man die Unicorns aus der Statistik, nehmen die Investments in Startups von Anzahl der Runden und vom Volumen her ab. Wir brauchen mehr Geld für Startups, aber wo soll das herkommen?

Heuer haben wir auch neben den beiden Unicorns eine Menge Series-A-Runden. Grundsätzlich denke ich schon, dass deutlich mehr Geld investiert wird. In der Frühphase, also Seed und Pre-Seed, waren wir immer schon gut aufgestellt. Das ist auch bedingt durch die gute staatliche Unterstützung der aws. Business Angels haben wir auch viele. Schlecht schneiden wir nur ab, wenn man uns mit anderen europäischen Ökosystemen vergleicht. Die haben in den letzten zehn Jahren deutlich mehr zugelegt als wir.

Die Regierung hat die Steuerreform präsentiert – kann die Startup- und Investoren-Szene zufrieden sein?

Da muss ich etwas wiederholen, was ich schon seit elf Jahren sage: Die Forderungen an die Politik sind auch mit dem, was da zuletzt präsentiert wurde, nicht erfüllt worden. Es ist der Politik leider nicht klar, dass es sich bei Startups nicht um eine kleine Nische handelt. Genau dort passiert Innovation und das hat schon heute einen viel größeren Einfluss auf unsere Wirtschaft – morgen und übermorgen erst recht. Dass wir das bei der steuerlichen Incentivierung so sträflich vernachlässigen, wird uns in den nächsten Jahren auf den Kopf fallen. Da wird wahrscheinlich nichts mehr daran zu ändern sein – selbst wenn nächstes Jahr der große Wurf kommt. Es ist viel zu spät.

Die Regierung soll bald ein Gründer:innen-Paket präsentieren – was muss deiner Meinung nach drinstehen?

Ich bin schwer enttäuscht, was die Regierungen in den letzten fünf Jahren auf die Wege gebracht haben. Das war mehr oder weniger nichts. Also erwarte ich mir auch jetzt nicht viel. Was die Gründer brauchen: Es geht zunächst um eine neue Rechtsform – nur so lässt sich eine Mitarbeiterbeteiligung richtig gut lösen. Wenn wir das nicht schaffen, haben wir international einen enormen Nachteil. Es wird für uns sehr, sehr schwer, teure Mitarbeiter zu halten. Denen können Startups keine Marktgehälter zahlen, sie müssen ihnen Anteile geben. Die Anteile, die man ihnen jetzt gibt, sind in Österreich steuerlich sehr benachteiligt. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Rot-Weiß-Rot-Karte. Dieses Thema haben wir schon tausendmal durchgenudelt – es ist mir wirklich peinlich, dass ich über die Rot-Weiß-Rot-Karte reden muss. Das ist so grauslich geregelt, das ist unglaublich. Sehr gute Startups, die sehr gute Leute aus dem nicht-europäischen Ausland holen wollen, können das nicht, obwohl sie ihnen jedes Gehalt zahlen würden. Aber die Rot-Weiß-Rot-Karte dauert so lange, dass der Kandidat oder die Kandidatin sich für etwas anderes entscheidet und nicht mehr verfügbar ist. Das ist ein ganz schwerer Standort-Nachteil. Das sind die wichtigsten zwei Punkte – was das Geld betrifft, wäre es gut, wenn man es Privatinvestoren nicht so schwer machen würde, in Startups zu investieren. Dass jene ihre Verluste nicht mit ihren Gewinnen kompensieren können, ist auch ein ganz schwerer Nachteil.

Du sagst, du investierst nicht mehr – dann passiert es aber doch. Ist der Dealflow in Österreich einfach so gut?

Der Dealflow in Österreich ist jetzt nicht so besonders gut, aber er ist okay. Man findet Startups, in die man investieren kann. Warum ist er nicht besonders gut? Wenn man sich entscheidet, Startup-Gründer zu sein, hat das oft auch mit mangelnden Alternativen zu tun. In den Ländern, wo es nicht so viele Möglichkeiten gibt – etwa im CEE – sind in den letzten Jahren unglaublich viele Startups entstanden. Die sind nicht so saturiert wie hier in Österreich. Hier war es in den letzten Jahren so, dass ein guter Hochschul-Absolvent einen Top-Job bei einem Consultant bekommen hat und wenn er nicht so gut war, dann halt irgendeinen Corporate-Job. Die wenigen, die Gründen wollten, haben das nicht aus Mangel an Alternativen gemacht. Österreich hat herausragende Gründer – es wäre aber toll, wenn es zehn oder zwanzig Mal mehr gäbe.

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Analyser, CSRD, EU-Taxonomie
(c) - PwC Österreich -Das Konsortium des Projekts "Analyser" beim Kick-Off.

Die Regeln der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in den kommenden Jahren sukzessive schlagend werden, bedeuten für zahlreiche österreichische Unternehmen eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Bei vielen von diesen – auch jene, die freiwillig schon früher als erforderlich mit der Umsetzung starten – werden Schwierigkeiten erwartet, die Anforderungen zu erfüllen, da insbesondere KMU nicht über ausreichend Kapazitäten für interne Nachhaltigkeitsabteilungen verfügen würden.

CSRD und Taxonomie

Dies gilt im Besonderen für die EU-Taxonomie, die ergänzend zur CSRD anzuwenden ist. Gemäß ihr müssen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens als nachhaltig oder nicht-nachhaltig deklariert werden.

Die Verordnung umfasst umfangreiche und detaillierte Kriterien, die für Ungeübte nicht leicht zu verstehen sind. Deshalb will in einem kürzlich gestarteten Forschungsprojekt namens “AI Enabled Sustainability Jurisdiction Demonstrator” (Analyser) ein Forschungskonsortium KI-basierte Module entwickeln. Die sollen es auch ungeschulten Anwenderinnen und Anwendern ermöglichen, die gesetzlichen Meldepflichten zu erfüllen. So soll eine Erleichterung für Unternehmen erzielt werden.

“Das oberste Ziel unseres Projekts ist es, die Zahl der KMU zu erhöhen, die selbstständig in der Lage sind, die EU-Taxonomie in guter Qualität zu berichten”, erklärt Maximilian Nowak, der das Projekt bei Fraunhofer Austria leitet.

Das Konsortium

Das Konsortium, bestehend aus Fraunhofer Austria, Universität Innsbruck, Technischer Universität (TU) Wien, Leiwand AI, PwC Wirtschaftsprüfgesellschaft, der Wirtschaftsagentur Niederösterreich ecoplus, Murexin und Lithoz wird dafür Teile des Prozesses mithilfe von Künstlicher Intelligenz automatisieren. Ein Chatbot, der auf einem eigens kreierten Sprachmodell beruht, soll mit den Anwenderinnen und Anwendern im Dialog stehen und sicherstellen, dass alle benötigten Dokumente vorliegen.

Es sind nämlich viele Fragen im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu klären: Welche wirtschaftlichen Aktivitäten gibt es im Unternehmen? Wie umfangreich sind diese? Welche davon sind taxonomiefähig, können also überhaupt nach den Kriterien bewertet werden?

Josef Baumüller, der von Seiten der TU Wien an dem Projekt beteiligt ist, sagt: “Es ist vielen noch nicht bewusst, wie komplex die Anforderungen zunächst an die Datenerhebung und anschließend an die Klassifizierung sind. Die Prozesslandschaft im Unternehmen muss erfasst und auf die Vorgaben der EU-Taxonomie übergeleitet werden, darüber hinaus gilt es, relevante Datenbedarfe zu identifizieren und im Sinne der Effizienz v.a. bereits vorhandene Datenbestände zu nützen.”

CSRD-Berichterstattung eine Herausforderung

Dass eine Unterstützung der Unternehmen unumgänglich ist, sagt auch Stefan Merl von der PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: “Wir spüren bereits jetzt eine massive Zunahme in den Anfragen von Unternehmen, insbesondere von KMU, die sehen, dass die Erfüllung der CSRD-Berichterstattungspflichten eine große Herausforderung ist. Es führt kein Weg daran vorbei, eine automatisierte Lösung zu entwickeln, die weit über den Automatisierungsgrad bestehender Tools hinausgeht. Genau das wollen wir im Projekt ‘Analyser’ verwirklichen.”

Dabei ist essenziell, dass die im Tool eingesetzte KI fair, nachvollziehbar und korrekt arbeitet. Dafür soll Leiwand AI GmbH die nötige Expertise in das Projekt einbringen.

“In einer so kritischen Angelegenheit wie der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist es besonders wichtig, dass auch Maßnahmen hinsichtlich einer zuverlässigen und fairen KI-Lösung getroffen werden. Durch den Einsatz verschiedener Methoden rund um nachhaltige und vertrauenswürdige KI werden wir dazu beitragen, dass der ‘Analyser’ gesicherte Informationen liefert, fair in Bezug auf Bias und Diskriminierung ist und im Einklang mit dem EU AI Act steht”, sagt Mira Reisinger, Data Scientist bei Leiwand AI.

Das Projekt ist im Herbst 2024 gestartet, läuft über drei Jahre und wird durch die FFG aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert.

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