12.09.2017

“Wir wollen dem Menschen ein intelligentes Werkzeug an die Hand geben”

Simon Haddadin (31) ist CEO und Co-Founder von Franka Emika und dem DLR Spin-off Kastanienbaum. Er ist Experte für „Safe Robots“, Intuitive Interaction und Virtual Programming. Erstmals möchte er einen Roboter mit Tastsinn auf dem Markt bringen. Am 28. September tritt er als Speaker beim Darwin's Circle im Haus der Industrie in Wien auf.
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(c) Pixelbliss - fotolia.com: Ein Roboter mit Tastsinn soll den Markt revolutionieren.

Du bist eigentlich Doktor der Medizin. Woher kommt dein Interesse für Roboter?

Ich habe Medizin studiert und dann nochmal promoviert in Robotik und Biomechanik. Mein Bruder hat vor Jahren die Kollisionsdetektionstechnologie erfunden. Das heißt, wenn der Roboter von A nach B fährt und jemand seine Hand hinhält, bleibt der Roboter stehen. Wir haben dann tausende Crashtests gemacht und gezeigt, wie sicher das System sein kann. Das war eigentlich mein Einstieg in die Robotik.

Wie kam es zur Gründung von Kastanienbaum und Franka Emika?

Mein Gründungsteam und ich waren alle zusammen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Dort haben wir am Institut für Robotik und Mechatronik an neuartigen Robotertechnologien geforscht. 2011 haben wir dann ein Spin-off gegründet – die Kastanienbaum GmbH. Wir haben in den letzten Jahre an verschiedensten Themen in der Robotik gearbeitet: an der Mechatronik, der Software, der Regelungstechnik, Machine Learning und so weiter. Vor drei Jahren sind wir dann auf die Idee gekommen, dass das, was der Robotik fehlt, ein Komplettsystem ist, das jeder bedienen kann. Dann haben wir begonnen, den Franka Roboter zu bauen. Im Laufe des letzten Jahres haben wir gemerkt, dass die klassischen Industrieunternehmen nicht umsetzen können, was wir vorhaben. Und darum haben wir entschieden, eine neue GmbH zu gründen, Franka,  in der jetzt alles gemacht wird: Marketing, Vertrieb, Presse und eben auch die Produktion. Nun ist der neue Roboter praktisch fertig. In den nächsten Jahren wird dann eine ganze Palette an Robotern nachkommen.

Was kann der neue Roboter?

Er hat einen menschlichen Tastsinn, er kann also fühlen und das erlaubt ihm Dinge zu tun, die bisher nur händisch durchgeführt werden konnten. Wenn man in die Industrie schaut, was die Robotik kann, dann sind es am Ende eigentlich wenig Bereiche, die wirklich voll automatisiert sind. Wenn man feinfühlige Roboter hat, kann man Montagetätigkeiten automatisieren, wie etwa Stecker stecken und schrauben. Das wurde vorher alles händisch gemacht.

Redaktionstipps

Worin liegt dabei der große Vorteil?

Wir haben eigentlich keinen Industrieroboter geschaffen, sondern eine Art Werkzeug. Am Ende müssen wir auch Geld verdienen und das ist der Grund, warum wir Consumer Electronics machen. Aber eigentlich ist unser Roboter da, um in vielen Lebensbereichen zu helfen. Wir haben zum Beispiel ein Pilotprojekte für ältere Mitbürger. Wir wollen, dass sie so lange wie möglich alleine leben können, indem sie einen intelligenten Assistenten zu Hause haben, der kochen kann, die Socken aufhebt und so weiter.

Sind herkömmliche Roboter dafür nicht geeignet?

Ein normaler Industrieroboter wiegt zu viel und muss eigentlich immer mit einem Schutzzaun eingegrenzt werden. Wenn man den wegnimmst, fährt er einen womöglich über den Haufen. Wir haben unserem Roboter auf Basis der Feinfühligkeit auch eine Lernfähigkeit gegeben. Er wrid bei den Aufgaben, die er erledigt, immer besser – so wie ein Kind.

Eure Roboter sollen für alle leistbar sein. Wie wollt ihr das in Zukunft finanzieren?

Wir haben in erster Linie sehr früh damit angefangen, maximal kostenoptimiert zu entwickeln. Es hilft nichts, wenn du die billigste Produktion hast aber deine Komponenten wahnsinnig teuer sind. Außerdem muss die Montage extrem einfach sein. Roboter sind meistens Einzelanfertigungen. Wir haben aber von Beginn an darauf geachtet, dass so viele Teile wie möglich gleich sind. Und weil das System relativ einfach zu montieren ist, kann es wiederum durch Roboter montiert werden.

Was ist die Vision hinter eurem Roboter?

Wir wollen dem Menschen ein intelligentes Werkzeug an die Hand geben, das sein Leben einfacher macht. Ein iPhone kostet etwa 700 Euro und das funktioniert nur deshalb, weil es Menschen gibt, die den ganzen Tag nichts anderes machen als am Fließband zu stehen. Das Wort Roboter kommt eigentlich auch von dem Wort „Zwangsarbeit“ – und das ist eigentlich auch, was ein Roboter machen soll: Er soll leidige Aufgaben übernehmen, die ein Mensch nicht machen sollte.

Verstehst du die Befürchtung, dass Roboter den Menschen ihre Jobs wegnehmen könnten?

Wenn man zurückblickt zeigt sich eigentlich, dass Technologie immer mehr Jobs geschaffen hat, als sie verdrängt hat.

Glaubst du, dass der Mensch dem Roboter immer überlegen sein wird?

Grundsätzlich ist der Mensch dem Roboter noch Jahre voraus. Der Roboter hat jetzt einen Tastsinn, er misst also praktisch das Drehmoment, aber alle anderen Sinne kennt der Roboter noch nicht. Das ist also noch ein langer langer Weg.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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