03.01.2024

Gründen am Land: Darum zieht es Österreichs Founder aus der Stadt

Wir haben ausgewählte Startup-Gründer:innen aus Österreich gefragt, warum sie „am Land“ gegründet haben, wo es Verbesserungspotenzial gibt und was man bei Gründungen in den Bundesländern beachten sollte.
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Dieser Artikel erschien zuerst in unserem neuen Printmagazin in der Ausgabe Dez/2023. Mehr darüber könnt ihr hier erfahren.

Wien ist zwar ein beliebter Hotspot für Gründungen, unsere Bundesländer ziehen aber allmählich nach: Mit rund 47 Prozent wurden in Wien seit 2011 die meisten Startups gegründet, auf Platz zwei liegt die Steiermark mit 12,6 Prozent der nationalen Gründungen; Platz drei nimmt Oberösterreich mit 11,3 Prozent ein, gefolgt von Niederösterreich mit 8,4 Prozent und Tirol mit 8 Prozent. Am seltensten fassen Startup-Gründer:innen im Burgenland Fuß – dorthin verschlug es nur 1,4 Prozent der nationalen Neugründungen seit 2011 (Daten aus dem Austrian Startup Monitor 2022).

Wir haben unsere Fühler in Österreichs Bundesländer ausgestreckt und Startup-Gründer:innen gefragt, warum sie „am Land“ gegründet haben, wo es Verbesserungspotenzial gibt und was man bei Gründungen in den Bundesländern beachten sollte. Schon mal vorweg: „Wir sind einfach Landeier“ ist nur eines der vielen Argumente, warum sich Land und Gründung nicht ausschließen.

Trastic in Kärnten

Arno Trinkl (links) und Wolfgang Rauter (rechts) von Trastic in Kärnten (c) Daniel Waschnig

Arno Trinkl hat mit Wolfgang Rauter das Startup Trastic gegründet. Die Kärntner stellen Designermöbel aus recyceltem Plastikmüll her.

brutkasten: Was ist der Vorteil, in Kärnten zu gründen?

Arno Trinkl: Wir haben hier in Kärnten ein großes soziales Netz, das hat uns bei der Startup-Gründung vieles erleichtert. Außerdem wäre es für uns in Wien viel schwerer gewesen, einen Produktionsbetrieb aufzuziehen. Hier stehen uns genügend und kostengünstigere Flächen für Lager und Produktion zur Verfügung – und wir haben Ausblick auf den Mittagskogel.

Wie könnte sich das Startup Ökosystem deines Bundeslands verbessern?

Was uns fehlt, ist der direkte Kontakt mit Kund:innen. Wir sind Sales Guys, und wenn man ein neues Produkt auf den Markt bringen will, geht es einfach um die Haptik. Da unsere Kund:innen in Wien, München und Berlin sitzen, sind wir viel unterwegs. Dein Tipp für Gründer:innen (to be), die ein Startup in den Bundes ländern gründen wollen? Es gibt in Kärnten sehr große Betriebe, da muss man einfach hingehen! Anfangs waren wir zu scheu, diese Möglichkeiten wahrzunehmen. Gerade wenn es um einen Produktionsbetrieb geht, muss man einfach Leute fragen, die das schon lange machen.

Dein Tipp für Gründer:innen (to be), die ein Startup in den Bundesländern gründen wollen?

Es gibt in Kärnten sehr große Betriebe, da muss man einfach hingehen! Anfangs waren wir zu scheu, diese Möglichkeiten wahrzunehmen. Gerade wenn es um einen Produktionsbetrieb geht, muss man einfach Leute fragen, die das schon lange machen.

Sodex Innovations in Vorarlberg

Das Gründerteam von Sodex Innovations (c) Sodex Innovations

Sodex Innovations wurde 2021 von Ralf Pfefferkorn gemeinsam mit seinen beiden HTL-Kollegen Bernhard Gantner und Raphael Ott in Vorarlberg gegründet. Das Gründerteam hat ein System entwickelt, das die Vermessung und Dokumentation an Baustellen automatisieren soll.

brutkasten: Was ist der Vorteil, in Vorarlberg zu gründen?

Ralf Pfefferkorn: Vorarlberg hat eine tolle Bildungs- und Hochschullandschaft. Wir liegen hier strategisch gut ausgerichtet im Dreiländereck, was uns tolle Möglichkeiten im Hinblick auf Export, internationale Beziehungen und Partnerschaften bietet. In dieser Region arbeitet man sehr gut zusammen. Außerdem ist Vorarlberg einfach unser Zuhause.

Wie könnte sich das Startup Ökosystem deines Bundeslands verbessern?

Das Förderangebot ist in Vorarlberg nicht so umfangreich. Wir würden uns freuen, wenn sich große Unternehmen, von denen es in Vorarlberg einige gibt, verstärkt für Startups einsetzen. Das würde nicht nur das Startup-Ökosystem hier stärken, sondern auch die Innovationskultur und den Wirtschaftsstandort Vorarlberg im internationalen Kontext.

Dein Tipp für Gründer:innen (to be), die ein Startup in den Bundesländern gründen wollen?

Haltet nach Organisationen in eurem Bundesland Ausschau, knüpft Kontakte und nutzt diese auch. Schaut euch frühzeitig nach Förderungen um, sowohl österreichweit als auch auf EU-Ebene. Und was uns am Herzen liegt: Wenn ihr Hardware für euer Unternehmen benötigt, setzt auf regionale Lieferketten. Das ist nachhaltig und stärkt die lokale Wirtschaft.

flocke aus Salzburg

Das flocke Team rund um Ivan Cindric (c) flocke

Der Salzburger Gründer Ivan Cindric hat die chronische Darmkrankheit Morbus Crohn, daher stellt er Lebensmittel für Personen mit Darmproblemen her. Mittlerweile sind flocke-Produkte bundesweit bei Lebensmittelhändlern erhältlich.

brutkasten: Was ist der Vorteil, in Salzburg zu gründen?

Ivan Cindric: Die Motivation zur Gründung war meine Krankheit Morbus Crohn, und ich wollte das einfach alternativlos in Salzburg machen. Flocke ist eine stolze Salzburger Marke, so wie ich. Salzburg war dafür ein Glücksgriff: Wir haben eine gute Förderlandschaft mit diversen Programmen und es entstehen coole Startup-Hubs.

Was fehlt dir am Land als Startup Gründer:in, wie könnte sich das Startup Ökosystem deines Bundeslands verbessern?

Mir fehlt in Salzburg nichts.

Dein Tipp für Gründer:innen (to be), die ein Startup in den Bundesländern gründen wollen?

Ich kann jedem und jeder empfehlen, in Salzburg zu gründen, nicht nur wegen der Förderlandschaft, sondern auch wegen des Mindsets hier: Salzburg ist im Moment ein cooler Mix aus tollen Leuten mit Erfahrung und einem coolen Startup-Ökosystem.

MAD Tech aus Oberösterreich

MAD Tech GmbH (c) MAD Tech

Die MAD Tech GmbH wurde im Juni 2022 von den drei Freunden Martin Schneglberger, Dominik Reichinger und Andreas Holzapfel gegründet. Ihr Büro befindet sich in Ried im Innkreis in Oberösterreich. Das Gründerteam entwickelt eine Software namens blankmile, die die Ferndiagnose im Service- und Handwerksbereich für beide Seiten praktikabel macht.

brutkasten: Was ist der Vorteil, in Oberösterreich zu gründen?

Andreas Holzapfel: Wir haben zwischen Linz und Ried im Innkreis überlegt. Linz hat als Landeshauptstadt eine größere Startup-Szene und einen finanziellen Gründerbonus. Aber wir sind alle einfach Landeier, uns taugt das Leben am Land. Also sind wir in Ried geblieben. Außerdem ist die ländliche Neugier sehr ausgeprägt: Man kommt schnell zu Terminen mit Geschäftsführern und alle wollen wissen, was du machst. Am Land sind Startups eine Seltenheit, das spricht sich rum.

Wie könnte sich das Startup Ökosystem deines Bundeslands verbessern?

Ein besseres öffentliches Verkehrsnetz würde uns viele Wege erleichtern. Außerdem ist die finanzielle Unterstützung am Land nicht so gegeben wie in der Stadt.

Dein Tipp für Gründer:innen (to be), die in den Bundesländern gründen wollen?

Sucht euch Ansprechpartner, redet mit Leuten von anderen Startups. Der Austausch ist am Land sehr wertvoll. Und wenn ihr in Oberösterreich gründet: Habt immer ein Auge auf tech2b: Super Unterstützung und wertvolle Inputs – auch, wenn man dafür in die Stadt fahren muss! (lacht)

Kern Tec aus Niederösterreich

Michael Beitl von Kern Tec (c) Kern Tec

Das Foodtech-Startup Kern Tec wurde von Michael Beitl, Luca Fichtinger, Sebastian Jeschko und Fabian Wagesreither gegründet. Bereits 2019 ging Kern Tec mit einer eigens entwickelten Technologie an den Start, um Öle und Proteine aus bislang ungenutzten Obstkernen zu gewinnen.

brutkasten: Was ist der Vorteil, in Niederösterreich zu gründen?

Michael Beitl: Ein Vorteil ist definitiv, dass wir auf lokale, persönliche Unterstützung zurückgreifen können. Das Land Niederösterreich hat uns bei den ersten Schritten gut unterstützt. Diese sind zum Beispiel die Gründeragentur Riz up sowie finanzielle Unterstützungen für Investitionen und Prototypenbau von NÖBEG oder Ecoplus. Außerdem haben wir hier große Flächen für Lager und Produktion und ein gutes lokales Netzwerk.

Wie könnte sich das Startup Ökosystem deines Bundeslands verbessern?

Das Finden der richtigen Arbeitskräfte ist momentan die schwierigste Hürde in Niederösterreich. Besonders im ländlichen Gebiet, in unserem Fall Herzogenburg, ist es schwierig, in der Umgebung geeignete Personen zu finden.

Dein Tipp für Gründer:innen (to be), die in den Bundesländern gründen wollen?

Die Vernetzung bei Gründer- und Unternehmensveranstaltungen ist von großem Vorteil. Niederösterreichische Unternehmer:innen und Institutionen sind oft sehr hilfsbereit, auch wenn sie nicht in derselben Branche unterwegs sind. Bei den ersten Schritten kann man auch kostenlos auf die Unterstützung der Gründeragentur Riz up setzen.

VitaBlick aus dem Burgenland

Amadeus Linzer von VitaBlick (c) VitaBlick

Amadeus Linzer aus Oberwart im Burgenland ist Gründer und CEO von VitaBlick. Mit seinem Startup produziert er speziell auf die Zielgruppe abgestimmte 360-Grad-Videos von regionalen Orten, die Senior:innen im Pflegeheim mit Virtual-Reality-Brillen wieder „besuchen“ können.

brutkasten: Was ist der Vorteil, im Burgenland zu gründen?

Amadeus Linzer: Als waschechter Burgenländer bin ich zwar schon viel herumgekommen, aber als es an der Zeit war, zu gründen, war die Region meiner Wurzeln die erste Wahl. Do bin i her, do g’hör i hin. Mit dem burgenländischen Startup-Inkubator Startup Burgenland hatte ich von Anfang an Mentoren und ein gutes Netzwerk; am Land ist man keine Nummer.

Wie könnte sich das Startup Ökosystem deines Bundeslands verbessern?

Als wichtigste Maßnahme sehe ich die Etablierung von länderspezifischen Startup-Förderungen. Da sind die Bundesländer Wien und Oberösterreich aktuell am stärksten – obwohl hier mit Startup Burgenland, einem Inkubator mit 10.000 Euro Förderung, ein erster wichtiger Schritt getätigt wurde.

Dein Tipp für Gründer:innen (to be), die ein Startup in den Bundes ändern gründen wollen?

Sucht euch Unterstützung bei lokalen Inkubatoren und Acceleratoren – wenn man von gleichgesinnten Menschen umgeben ist, gründet es sich leichter!

Enzyan aus der Steiermark

Stefan Payer von Enzyan (c) Lukas Elsnegg, Uni Graz

Das Grazer Startup Enzyan rund um CEO Stefan Payer hilft Chemie- und Pharmaunternehmen dabei, den Einsatz von Biokatalysatoren mithilfe von KI zu untersuchen.

brutkasten: Was ist der Vorteil, in der Steiermark zu gründen?

Stefan Payer: Es gibt im Raum Graz und in der Steiermark einen attraktiven Pool an Fachkräften für unsere Branche. Daneben haben wir stark von Förderschienen und Initiativen der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft SFG profitiert. Auch die steirischen Unis fördern Ausgründungen gezielt. Wir selbst befinden uns derzeit im „AplusB“-Inkubationsprogramm des Science Park Graz.

Wie könnte sich das Startup Ökosystem deines Bundeslands verbessern?

Wir hatten Glück, einen Platz im ZWT Accelerator zu ergattern. Das Angebot an passenden Laborräumlichkeiten für junge Deep-Tech-Unternehmen in der Region ist aber sehr beschränkt. Besonders Angebote, die eine Möglichkeit zur On-demand-Nutzung von Laborinfrastruktur bieten, sind gefragt, da solche Anschaffungen für Startups schwer zu stemmen sind.

Dein Tipp für Gründer:innen (to be), die in den Bundesländern gründen wollen?

Österreich hält ein vielfältiges Angebot an Förderungen bereit, das sich von Bundesland zu Bundesland unterscheidet. Es zahlt sich aus, sich gut zu informieren, wann und welche Förderschienen in der Unternehmensentwicklung helfen können.

femble aus Tirol

Lina Graf von femble (c) femble

femble aus Tirol Das Femtech-Startup femble wurde von Lina Graf und ihrem Partner Daniel Steiner vor zweieinhalb Jahren in Innsbruck gegründet. femble ist eine KI-getriebene Plattform, die Frauen dabei hilft, zyklusbedingte Symptome durch personalisierte Empfehlungen besser zu managen.

brutkasten: Was ist der Vorteil, in Tirol zu gründen?

Lina Graf: Tirol ist wie eine Art Austrian Silicon Valley. Man kommt hier schnell mit Menschen ins Gespräch. Ein weiterer Vorteil ist der Tiroler Impact Accelerator – der Ausgangspunkt für Kontakte. Bei uns treffen sich viele internationale Persönlichkeiten, vielleicht auch durch den Wintertourismus. Ich schätze die Region sehr, vor allem die kurzen Kommunikationswege.

Wie könnte sich das Startup Ökosystem deines Bundeslands verbessern?

Ich glaube, Tirol ist ein fruchtbarer Boden für Startups, er könnte aber vor allem für internationale Kontakte besser geleveragt werden. Das würde ich mir vor allem von den Startup-Programmen hier wünschen. Außerdem braucht es mehr Kreativzentren, die die Zusammenarbeit zwischen Startups und Unternehmen fördern.

Dein Tipp für Gründer:innen (to be), die ein Startup in den Bundesländern gründen wollen?

Man sollte sich gut überlegen, mit wem man gründet und welche Connections man pflegt. Als Startup sollte man sich ein System mit den passenden Menschen aufbauen.

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18.06.2025

Spinoffs: Die noch schlummernde Standort-Superpower

Vom Labor direkt in den Venture-Modus: Mit Noctua Science Ventures will Philipp Stangl Österreichs Forschungstalent in globale Deep-Tech-Erfolge verwandeln. Im brutkasten-Interview verrät er, welche Hebel Forscher:innen, Politik und Unis jetzt umlegen müssen, damit heimische Spinoffs durchstarten.
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Vom Labor direkt in den Venture-Modus: Mit Noctua Science Ventures will Philipp Stangl Österreichs Forschungstalent in globale Deep-Tech-Erfolge verwandeln. Im brutkasten-Interview verrät er, welche Hebel Forscher:innen, Politik und Unis jetzt umlegen müssen, damit heimische Spinoffs durchstarten.
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Philipp Stangl | Foto: Franziska Safranek

Dieses Interview erschien zuerst in der neuen Ausgabe des brutkasten-Printmagazins „Neue Welten“. Das Magazin wird exklusiv an die wichtigsten Stakeholder des österreichischen Innovations-Ecosystems zugestellt. Eine Möglichkeit zum Download findet sich am Ende des Artikels.


Philipp Stangl kennt beide Seiten des Spielfelds: Als Mitbegründer und CEO von Rebel Meat brachte er bis 2024 forschungsbasierte Food-Innovationen in die Supermarktregale, parallel dazu war er als Investor bei Speedinvest aktiv – Erfahrungen, die er nun in Noctua Science Ventures bündelt, einer gemeinsamen Tochter von Speedinvest und TU Wien. Seit März 2025 baut Stangl dort die Plattform auf und wird künftig gezielt in heimische Spinoffs investieren. Im Interview verrät er, welche Hürden Forschende bremsen, wie man sie aus dem Elfenbeinturm lockt und welche Stellschrauben Politik und Unis jetzt drehen müssen, damit Österreich im globalen Deep-Tech Wettbewerb stärker wird.


brutkasten: Welche ersten Schritte habt ihr bei Noctua gesetzt, seit ihr im März gestartet seid?

Philipp Stangl: Wir haben uns als neue Initiative etabliert. Im Prinzip haben wir zwei wesentliche Schritte gesetzt: Erstens haben wir mit einer Vielzahl von Universitäten und Forschungseinrichtungen Kontakt aufgenommen; insbesondere mit den Teams, die an Spinoffs arbeiten. Dabei wollten wir verstehen, welche Aktivitäten dort bereits laufen, welche Projekte entstehen und wo diese stehen, wenn sie ausgegründet werden. Auf diese Weise haben wir das gesamte Ökosystem kennengelernt und, wie ich meine, inzwischen ziemlich gut verstanden.

Zweitens haben wir in vielen sehr detaillierten Gesprächen herausgearbeitet, was die Teams tatsächlich brauchen. Wo liegen die typischen Hürden im Spinout-Prozess? Welche IP-Fragen stellen sich? Wie gelingt die Teamfindung, und wie bewältigt man die kulturelle Transformation, wenn eine Forschungsgruppe zum Unternehmen wird? Diese Themen sind extrem spannend, und wir haben sie jetzt so gut durchdrungen, dass wir das Wissen gezielt für unsere künftigen Aktivitäten nutzen können. Unser Ziel ist es, mit Herbst operativ zu werden.

Wie hat dich dein Weg von Rebel Meat und Speedinvest zu Noctua geführt?

Mich hat das Thema Pre-Seed-Investments schon immer begleitet. Bereits früh habe ich bei Speedinvest kleine Tickets platziert, etwa über die Speedinvest-Scouts. Gleichzeitig hat mich Deep Tech stets fasziniert. Rebel Meat begann ja als ausgesprochen technologielastiges Unternehmen: Gemeinsam mit meiner Co-Founderin Cornelia Habacher, einer Biotech-Gründerin, haben wir verschiedenste Deep-Tech-Ansätze geprüft. Später entwickelte sich Rebel Meat stark in Richtung Consumer Goods und hatte mit Deep Tech kaum noch zu tun, aber ursprünglich war es eine klare Tech-Gründung. Letzten Herbst kam Speedinvest auf mich zu und stellte mir das gemeinsame Projekt mit der TU vor. Das hat mich sofort begeistert, weil ich merkte: Hier kann ich meine beiden Leidenschaften, Pre-Seed-Investments und Deep Tech, perfekt zusammenführen.

Wie bewertest du das Innovationsumfeld in Österreich, speziell beim Thema Spinoffs?

Wir geben in Österreich nachweislich sehr viel Geld für Forschung aus – mehr als viele andere Länder, und darauf dürfen wir auch stolz sein. Schwierig wird es, wenn nur ein geringer Teil dieser Ergebnisse tatsächlich in wirtschaftliche Nutzung übergeht. Einiges läuft über klassische Industriekooperationen, aber der Weg über Ausgründungen ist in meinen Augen der vielversprechendste – und genau hier passiert noch viel zu wenig. Spinoffs können die Innovationskraft des Standorts massiv steigern, weil sie technologische Exzellenz mit Unternehmergeist verbinden. Diese Kombination ist eine echte Superpower. Natürlich bieten größere Strukturen mitunter stärkere Hebel, aber dort werden Forschungsergebnisse auch nicht immer optimal ausgerollt. Deshalb ist es entscheidend, die Spinoffs konsequent mitzudenken und aufzuholen. Es gibt strukturell keinen Grund, warum wir in Wien weniger Spinoffs haben sollten als in München. Fakt ist aber: Wir haben deutlich weniger. Das ließe sich lösen, wenn wir den Willen dazu aufbringen. Von heute auf morgen geht das nicht, aber wir können es schaffen.

Welche Hürden siehst du aktuell für Ausgründungen an Universitäten in Österreich?

Es gibt mehrere Gründe. Erstens fehlt vielen Forschenden überhaupt das Bewusstsein, dass eine Ausgründung eine echte Karriereoption ist. Zweitens bremsen teilweise die rechtlichen Rahmenbedingungen – etwa der IP-Transfer oder die Gestaltung von Dienstverträgen, damit eine Gründung überhaupt machbar wird. Und drittens geht es natürlich ums Kapital. Genau da wollen wir ansetzen: Wir bringen nicht nur Geld, sondern auch die internationale Perspektive von Speedinvest ein und können so hoffentlich einen spürbaren Beitrag leisten.

Das Team von Noctua Science Ventures (v.l.): Antonia Rinesch (Partnerships Lead), Philipp Stangl (Investment Lead) und Lukas Rippitsch (Portfolio Support Lead) | (c) Franziska Safranek

Worin unterscheidet sich ein Spinoff von einem klassischen Startup?

Startups haben ein klar definiertes Problem und suchen verschiedene Wege, es zu lösen; Spinoffs hingegen verfügen bereits über eine Technologie und müssen erst das passende Problem – sprich: den Markt – dafür finden. Das trifft natürlich nicht immer zu, zeigt aber die unterschiedliche Herangehensweise. Spinoffs sind selten von Beginn an kundenorientiert, sondern stark technikgetrieben. Gleichzeitig besitzen sie genau diese wertvolle Technologie – und darauf muss man als Investor besonders achten.

Hinzu kommt: Bei Spinoffs, genauer gesagt bei wissenschaftsbasierten Projekten, reden wir fast immer über längere Entwicklungszyklen und haben somit höheren Finanzierungsbedarf bis zur Marktreife. Eine einzige Finanzierungsrunde reicht nicht, um direkt mit Marktkennzahlen zu punkten. Stattdessen braucht es eine Roadmap: Welche technologischen Meilensteine muss ich erreichen, um die nächste Runde aufnehmen zu können? Klassische Startups werden an Wachstums-, Kunden- oder Marktexpansionszahlen gemessen; Spinoffs müssen erst ihre Tech Reife beweisen. Das ist ein komplett anderes Mindset – und wahrscheinlich der größte Unterschied.

Wie blickt ihr bei Noctua auf die IP­-Frage zwischen Universitäten und Spinoffs?

Aus Investorensicht bleibt die Frage nach dem geistigen Eigentum zentral: Liegt die IP beim Spin-off oder bei der Universität? Die Interessen prallen hier naturgemäß aufeinander. In Österreich spüren wir inzwischen ein breites Bewusstsein dafür, dass die Rahmenbedingungen gründerfreundlicher werden müssen – bei den Konditionen, aber auch bei den Zeitleisten, mit denen Verträge abgewickelt werden. Da ist teilweise noch Luft nach oben. Gleichzeitig ist auf Entscheiderebene angekommen, dass sich etwas bewegen muss. Entscheidend wird sein, den handelnden Personen ein unternehmerisches Mandat zu geben. Eine Lizenz bringt der Universität zwar planbare Cashflows, doch wenn sie ein Patent gegen Anteile ins Spin-off einbringt, verzichtet sie auf diese Sicherheit zugunsten einer potenziell großen Upside – nimmt aber auch das Risiko in Kauf, dass die IP im Insolvenzfall nicht mehr zurückfällt. Wer diesen Weg gehen will, braucht ein klares Risikoverständnis von oben, damit sich die Verantwortlichen trauen, solche unternehmerischen Deals abzuschließen. Am Ende ist das auch ein Kulturthema: Wie unternehmerisch möchten Universitäten überhaupt sein?

Gibt es ein ideales Modell für IP­Verwertung oder braucht es unterschiedliche Ansätze?

Ich möchte gar nicht das eine Modell herausheben – die Situation ist von Universität zu Universität verschieden, und das ist grundsätzlich in Ordnung. Wichtig ist, bei jedem Ansatz die Bedürfnisse des Startups und der Investor:innen im Blick zu behalten. Im Kern geht es darum, Cashflows in die Zukunft zu verlagern und dafür eine höhere Upside zu ermöglichen. Ob das über Lizenzen, direkte oder virtuelle Beteiligungen, Optionen oder andere Konstrukte geschieht, ist zweitrangig. Entscheidend ist, genügend Flexibilität einzubauen, sodass sich das Modell an die Entwicklung des Startups anpassen lässt. Was keinesfalls passieren darf: dass ein junges Unternehmen wegen hoher Lizenzraten oder eines teuren Patentkaufs in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Das wäre der Worst Case – und den müssen wir unbedingt vermeiden.

Wie ist Noctuas Verhältnis zur TU Wien und zur neuen „Spin­off Factory“ – und auf welche Spinoffs fokussiert ihr euch?

Noctua Science Ventures ist eine gemeinsame Tochter von Speedinvest und der TU Wien. Mit der „Spin-off Factory“ sind wir organisatorisch nicht verzahnt, betrachten die Initiative aber als großen Gewinn: Die TU will gezielt mehr Ausgründungen hervorbringen, und genau da setzen auch wir an; perfekt für uns, wenn wir später in diese Spinoffs investieren oder sie anders unterstützen können! Unser Investmentfokus reicht zudem weit über die TU hinaus: Wir wollen Spinoffs aus ganz Österreich finanzieren – egal von welcher Universität oder Forschungseinrichtung –, bleiben dabei aber klar auf den Standort Österreich konzentriert.

Welche Erwartungen haben VC-­Fonds an Spinoffs – und wo liegen deren spezifische Vorteile?

Ein Venture-Capital-Fonds muss auch bei Spinoffs nach klassischer VC-Logik investieren. Heißt: Es braucht die Aussicht auf einen richtig großen Erfolg, den sprichwörtlichen Hundert-X-Return. Dieses Potenzial muss also auch ein Spinoff liefern. Gleichzeitig haben Spinoffs einen enormen Vorteil: Durch das wissenschaftlich fundierte geistige Eigentum gibt es einen Plan B. Sollte sich das Geschäftsmodell selbst nicht tragen, kann die Technologie immer noch in ein größeres Unternehmen überführt oder als IP-Asset verkauft werden. Bei klassischen Startups ist es oft eins oder null; ein Spinoff hat durch seine IP einen zusätzlichen Exit-Pfad, und den darf man nicht unterschätzen.

Die Politik will die Zahl der Spinoffs bis 2030 verdoppeln. Ist das realistisch – und was braucht es dafür?

Im Prinzip halte ich es für erreichbar, weil wir derzeit von einem relativ niedrigen Ausgangsniveau starten. Aber wichtiger als die reine Zahl ist die Qualität der Spinoffs. Entscheidend ist, dass wir die Rahmenbedingungen und die Finanzierungsmöglichkeiten verbessern. Ich verstehe, dass öffentlicher Budgetdruck besteht. Doch wenn gleichzeitig bei jenen Förderprogrammen gespart würde, die für Spinoffs essenziell sind, wäre das ein herber Schlag. Sobald Teams die Universität verlassen, müssen sie in der Regel weiter am Produkt arbeiten – und das läuft bei den allermeisten über öffentliche Förderungen. Werden diese Mittel gekürzt, trifft das die Spinoffs unmittelbar.



Noctua Science Ventures und „The Spinoff Factory“ der TU Wien sind Partner der neuen brutkasten-Serie From Science to Business. Die Serie beleuchtet den Technologie-Transfer von Wissenschaft und Forschung in die Wirtschaft, um durch effektiven Wissensaustausch Österreichs Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiges Wachstum zu stärken.

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