09.11.2022

Tesla für Wohnbau: Gropyus baut europäisches Vorzeigeprojekt

Als Co-Gründer von Mjam, Delivery Hero und Gropyus erzählt Markus Fuhrmann im brutkasten-Interview, wie das Wiener Startup leistbare Nachhaltigkeit im Wohnbau ermöglicht und die Bauindustrie in Europa neu denkt.
/artikel/gropyus-tesla-fuer-wohnbau
Gropyus-Mitgründer, Markus Fuhrmann, erzählt im brutkasten-Interview, was Tesla für Wohnbau bedeutet. (c) brutkasten
Auch als Video-Talk verfügbar ?

Als Co-Gründer von Mjam, Delivery Hero und Gropyus erzählt Markus Fuhrmann im brutkasten-Interview, wie Gropyus digitale Zwillinge der Wertschöpfungsketten aller Bestandteile von Gebäuden entwickelt und die Bauindustrie in Europa neu denkt. Zudem erklärt der Serien-Gründer, welchen positiven CO₂-Wert Gropyus mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie erzielt, wie er mit den europäischen Rahmenbedingungen umgeht und welche Herausforderungen er in naher Zukunft für sein Unternehmen erwartet.

Jetzt anschauen

Gebäude als Produkte sehen, nicht als Projekte – das ist die Vision des Wiener Startups Gropyus. Das erst vor drei Jahren gegründete Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, Nachhaltigkeit im Wohnbau neu zu denken. Hierfür digitalisiert und automatisiert Gropyus die komplette Wertschöpfungskette der Bauindustrie und spart dabei eine Megatonne an CO2. “Die Bauindustrie zielt auf Projektmanagement ab und denkt dabei nicht an das Endprodukt”, sagt Markus Fuhrmann, Mitgründer von Gropyus. Im brutkasten-Interview erklärt der Co-Founder, was Tesla für Wohnbau bedeutet, wie Gropyus die Baubranche revolutioniert und wie skalierbar das Geschäftsmodell des Wiener Startups ist. 

Als wir zuletzt gesprochen haben, warst du ein paar Tage vor dem Launch des ersten Gebäudes in Deutschland, 54 Wohnungen in Koblenz. Wie hat das funktioniert, steht das alles? Wurden die Wohnungen verkauft?

Markus Fuhrmann: Das noch immer. Das Gebäude-Betriebssystem läuft auch und wir machen aktuell viele Tests, bauen und updaten das System auch regelmäßig. Wir werden das Ganze als ein Objekt verkaufen, werden aber danach noch im Betrieb involviert sein, was vor allem die Technologie und die Services, die darüber laufen, betrifft. Aktuell sind wir in Verhandlungsgesprächen, da wir das Gebäude verkaufen wollen. Das ist für uns ein großer Meilenstein und wir sind sehr erfreut darüber. 

Ich glaube, dieses Gebäude erklärt Gropyus am besten. Ein kurzer Pitch, was macht Gropyus? Was bedeutet Tesla für Wohnbau?

Wenn man uns mit Tesla vergleicht, ist es wichtig zu verstehen, welchen Ansatz wir in unserem Fall des Bauens gewählt haben. Vor allem die Implementierung der digitalen Kontrolle, des Datenmodells und der Wertschöpfungskette, die bei uns mit dem Bausystem – aus welchen Bauteilen wir Gebäuden bauen – anfängt. Ein Großteil der Gebäude besteht aus Holz-hybrid-Bauteile, aber auch aus anderen Materialien wie Rigips- oder OSB-Platten, die wir je nach Bauordnung, je nach Features, Akustik und Brandschutz-Kriterien, in einem selbstgebauten Konfigurator designen. Da wird auch das digitale Datenmodell, der digitale Zwilling, angelegt, der über die Lebenszeit des Gebäudes erhalten bleibt. 

Der digitale Zwilling für die gesamte Wertschöpfungskette von allen Bestandteilen ist bei Gropyus auch das Bahnbrechende. Es ist üblich, dass viele Unternehmen an  einem Endprodukt arbeiten und viele Silos dazwischen schalten. Ihr habt es tatsächlich geschafft, das alles in einer Softwarelösung umzusetzen. 

Wir updaten ständig, bauen neue Funktionalitäten rein und finden Probleme und Sachen, die wir besser machen könnten. Wir fangen an beim eigens hergestellten Konfigurator, der das System und das Gebäude designt. Das nicht aus einem Katalog von Bauteilen, sondern die Bauteile werden in Echtzeit generiert und abgestimmt, wie lang oder wie kurz sie sein müssen. Das ist sehr effizient. Die Daten, die bei der Konfiguration angelegt werden, können in weiteren Wertschöpfungsketten verwendet werden. Die Ergebnisse gehen dann direkt in die Produktion mit unserer eigenen Robotik. Das heißt, in einer Fabrik zwischen Frankfurt und Stuttgart werden mit den Daten des Konfigurators ohne jeweilige Zwischenlösung die Bauteile der Gebäude produziert. 

Habt ihr euch in der Phase, wo diese Entscheidung zu treffen war, auch überlegt, ob man doch nicht mit externen Partnern und Lieferanten zusammenarbeitet? 

Klar, wir kriegen auch die Frage gestellt, ob das alles, was wir machen, nicht zu komplex ist und wir tatsächlich alles selber machen müssen. Gropyus besteht eigentlich aus drei, vier, fünf Firmen, die in einem Unternehmen verschmolzen sind. Das, was wir machen, ist schwer und komplex. Es ist eine Sache, die ich mir am Anfang vielleicht auch einfacher vorgestellt hätte. Aber wir glauben dennoch, dass es der einzige Weg ist. Am Anfang haben wir nach externen Partner:innen gesucht, die mit uns arbeiten könnten. Wir haben aber auch in vielen Bereichen noch Partner:innen, die zum Teil auch zu Investor:innen geworden sind. Die mit uns Systementwicklungen für Fenstersysteme, Boden- und Bauteil-Systeme machen, damit wir sie leichter zusammensetzen, produzieren und verwenden können. Aber auch wir haben am Anfang gemerkt, dass es sehr schwierig ist, Firmen im produzierenden Gewerbe zu finden, die mit uns die benötigten Daten generieren konnten. 

Wir wollen ein Produkt bauen, das immer besser wird. Gebäude Nummer eins ist ein bisschen anders als Gebäude Nummer zwei und drei, weil wir die Bauteile, die zweidimensionalen Module, natürlich immer weiterentwickeln, um günstiger, nachhaltiger und vielleicht leichter zu produzieren, damit Transportkosten und CO2 eingespart werden. Und da jemanden zu finden, der den gleichen Ansatz hat, nämlich mit starkem Digitalisierungs- und Produkt-Fokus und dann auch bereit ist, an unsere Vision als Gropyus zu glauben, das war eigentlich fast unmöglich für uns. 

Habt ihr schon mal durchgerechnet, welchen positiven CO2 Effekt ihr habt, weil ich vermute, dass da sehr viel eingespart wird?

Das erste Gebäude, das wir gebaut haben, weist jetzt schon im Vergleich zu klassischen DGNB aus dem deutschen Standard Referenzgebäude über 20 Prozent weniger Embodied-Carbon nach. Dabei haben wir im ersten Gebäude noch einen traditionellen Beton-Kern eingebaut und unser System darauf gebildet. Das machen wir in Zukunft nicht mehr. Wir hoffen, langfristig 50 Prozent weniger Embodied-Carbon nachzuweisen. Im Vergleich mit einem 50 Jahre alten DGNB-Vergleichsgebäude sind wir 95 Prozent besser und das ist schon cool. Uns hat ein Investor kürzlich gefragt, wie viel CO2 wir sparen. Wir haben das nachgerechnet und sind draufgekommen, dass es eine Megatonne wäre. Das ist schon ziemlich cool. Das heißt, der ganze Fokus im Bereich Nachhaltigkeit, also das Nachhaltigkeitsthema breit aufgestellt, nicht nur das Klima, war uns von Anfang an wichtig und das schaut bisher auch ganz gut aus.

Du bist wahrscheinlich permanent am Fundraising. Wie geht es euch da? Wie ist es, ein Unternehmen mit einer so großen Vision, mit so einem großen Innovationsgrad in Europa aufzubauen? Gibt es dafür Kapital und Verständnis? Wie sehen die Rahmenbedingungen dafür aus, damit das gelingt? 

Da bin ich ja ständig dran, wie du richtig sagst. Ich glaube, ich bin im permanenten Fundraising-Mode. Wir bauen hier etwas, das am Anfang relativ viel Kapitalbedarf hat, weil es in eine physische Industrie geht. Das ist schon mal eine Sache, die den Europäern, den europäischen Finanzieren im Venture Capital Bereich nicht unbedingt sehr nahe liegt. Da gibt es nicht viele Projekte, die in Europa entwickelt wurden, die tatsächlich groß geworden sind. Wir haben kein Tesla, wir haben kein SpaceX.

Es gibt relativ wenige Role Models und wenn man wenige Role Models hat, gibt es dafür auch sehr wenige Investoren, die das schon mal erlebt haben. Und wenn man das nicht erlebt hat, ist es immer schwierig, sich vorzustellen, dass es funktionieren kann. Und da unser Modell noch sehr komplex ist, war das nicht so einfach. Das heißt, es ist leider nicht so, dass uns die Leute ständig nachlaufen und Geld nachschmeißen. Das ist es nicht. Wir haben zum Glück Investoren, die wir überzeugen konnten und die auch an das glauben und verstehen. Weil sie zum Teil industrienah sind, ein ähnliches Mindset haben oder uns einfach vertrauen. Aber sonst ist es relativ schwierig und ich hoffe, es wird in Zukunft leichter, auch für andere. Wir bekommen oft in Investorengesprächen zu hören, ob wir wirklich so viel Geld am Anfang brauchen. 

Was fragen die Investoren in Gesprächen? Fragen sie dich, wann die Umsätze kommen oder wann du profitabel sein wirst? Was sind die Gespräche, die du führen musst? Und man muss an dieser Stelle sagen – die großen Softwarefirmen dieser Welt, die wir aus den USA kennen, waren teilweise zehn Jahre lang in der Verlustzone, bevor sie in die Gewinnzone geschlittert sind. Versteht man das in Europa in deinen Gesprächen mit Investor:innen?

Ich glaube, es ist schwieriger, vor allem im jetzigen Marktumfeld, das muss man schon sagen. Also vor allem in den letzten 6 bis 9 Monaten viel mehr. Klassische Fragen von Investoren sind: “Wie schnell könnt ihr profitabel werden? Wie kann man sparen?”. Das ist natürlich auch dem Marktumfeld ein bisschen geschuldet. Ich glaube aber auch ein bisschen der Mentalität in Europa, in Deutschland und in Österreich, dass man viel eher auf schnelle Profitabilität sieht. Macht ja wirtschaftlich auch Sinn. Man hat ja auch keinen Spaß davon, ständig von Investoren Geld zu bitten. Die Mehrheit sagt immer nein. 

Wir hören sehr oft Fragen: “Wie viel Umsatz habt ihr schon gemacht? Wie schaut die Pipeline aus? Wie viel davon ist schon unterschrieben? Wie viel noch nicht? Wie wahrscheinlich ist es, dass was kommt?”. Die Frage der Profitabilität kommt auch, aber immer indirekt: “Was ist der Kapitalbedarf?”. Wir kriegen auch Fragen, die nicht Kapital-fokussiert sind: “Macht ihr nicht zu viel? Könntet ihr nicht weniger machen? Könnte das nicht jemand anderer machen? Könnten wir das nicht irgendwie outsourcen?”.  

Diese Frage habt ihr für euch ja schon klar beantwortet. 

Die haben wir für uns beantwortet, weil wir uns am Anfang Gedanken darüber gemacht haben, wer mit uns in welchen Bereichen arbeiten könnte. Danach haben wir entschieden, dass wir das, was wir brauchen und erreichen wollen, nicht am Markt bekommen. Wir machen nicht alles selbst, denn wir würden nie unsere eigenen Fenstersysteme bauen oder nie Rigips-Platten neu erfinden. Also da arbeiten wir mit Partnern klarerweise. Aber was die komplette digitale Kette angeht und die Kontrolle – die Daten auch zu bekommen und die Entwicklung des Produktes – das ist natürlich etwas, das wir entschieden haben. Das müssen wir handhaben und da gibt es niemanden, der uns damit als Partner helfen kann.

Was ist dein Endgame? Du hast ja mit Delivery Hero schon ein IPO gemacht. Soll es wieder ein IPO werden? Soll es ein Unternehmen werden?

Es wäre schon cool, mal eine Firma zu haben, die so viel EBIT generiert, dass du eigentlich gar nicht exiten musst. Und immer weiter Businesses rundherum bauen kannst, um das Geschäft weiter auszubauen. Ich meine, da bin ich schon ein bisschen neidisch auf Elon, wenn er Dinge macht wie hier noch Solar und dort noch Robotik. Zum Teil passt es zusammen, aber zum Teil wird man erst später sehen, ob sie zusammenpassen. Dennoch kann er das Business und das Geschäft nach Belieben breiter machen und erweitern. 

Ist euer Produkt global skalierbar oder ist das für europäische Verhältnisse gebaut? 

Das war der Gedanke dahinter. Auch einer der Gründe, warum wir so viel investiert haben in unsere Produkte und in die Software. Wir sehen uns als eine Technologie-Firma, das eigentlich ein Software-Produkt anbietet, also ein Daten-Produkt und so bauen wir auch unsere Gebäude. Wir haben dann unseren Konfigurator, der sagt, wie lang eine Wand sein muss. Und das erlaubt uns natürlich, in andere Märkte zu gehen, weil dort passen wir dann im System die Bauordnung, den Brandschutz, die Akustik-Vorschriften und ein paar andere Regelungen an. So können wir zum Beispiel in den USA eine Wand erstellen, die in unserem digitalen Modell dann dünner aussieht, weil sie vielleicht nicht so viele Rigips-Platten verwenden. Dafür vielleicht mehr Holz, aber von unserer Produktionsseite her ist es eigentlich der gleiche Vorgang. Das heißt, dass wir wahrscheinlich nur Software-Änderungen machen müssen, um Produkte zu optimieren, adaptieren und zu entwickeln. Wenn zu viel geändert werden muss und dadurch die Profitabilität beeinflusst wird, können wir zwei neue Roboter Köpfe oder vielleicht eine neue Roboter-Zelle für die Fertigung entwickeln. Die sind nicht teuer und schon wären wir up and running, denn die Software gehört uns. 

Was ist dein Ziel für die Zukunft? 

Wenn wir alles richtig machen, dann schaffen wir es auch über die Zeit, die Kosten immer weiter zu reduzieren, ein immer besseres, cooleres Produkt zu bauen und vielleicht auch mal eine Marke werden, sodass Leute sagen: ”Cool, das ist ein Gropyus-Gebäude” und das wäre ziemlich toll. 

Deine ungelesenen Artikel:
23.12.2024

KI in Gesundheit, Bildung und öffentlichem Dienst: „Chancen nutzen, Risiken minimieren”

Nachlese. Was kann Künstliche Intelligenz in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten? Welche Chancen und Risiken bringt Künstliche Intelligenz mit sich? Wie lässt sich ihr Potenzial verantwortungsvoll nutzen, ohne ethische Leitlinien zu überschreiten? Diese und viele weitere Fragen stehen im Fokus der zweiten Folge von „No Hype KI“.
/artikel/no-hype-ki-folge-2
23.12.2024

KI in Gesundheit, Bildung und öffentlichem Dienst: „Chancen nutzen, Risiken minimieren”

Nachlese. Was kann Künstliche Intelligenz in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten? Welche Chancen und Risiken bringt Künstliche Intelligenz mit sich? Wie lässt sich ihr Potenzial verantwortungsvoll nutzen, ohne ethische Leitlinien zu überschreiten? Diese und viele weitere Fragen stehen im Fokus der zweiten Folge von „No Hype KI“.
/artikel/no-hype-ki-folge-2
Diskussionsrunde der Folge 2: Harald Herzog, Moritz Mitterer, Carina Zehetmaier, Bernd Konnerth, Markus Fallenböck (c) brutkasten

„No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Gut zwei Jahre ist es her, dass ChatGPT einen Hype rund um generative KI-Modelle auslöste. Doch es stellen sich auch viele kritische Fragen beim Einsatz von KI – besonders in sensiblen Bereichen. Klar ist: Künstliche Intelligenz bietet viele Vorteile und vereinfacht komplexe Prozesse. Gleichzeitig wirft sie jedoch auch Herausforderungen und Ängste auf, mit denen man sich kritisch auseinandersetzen muss.

Was KI in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten kann, diskutierten in der zweiten Folge „No Hype KI”:

  • Bernd Konnerth (Microsoft Österreich | Public Sector Lead)
  • Carina Zehetmaier (Women in AI Austria | Präsidentin)
  • Harald Herzog (Österreichische Gesundheitskasse | Leiter Digitalisierung und Innovation)
  • Moritz Mitterer (ITSV | Aufsichtsratsvorsitzender)
  • Markus Fallenböck (Universität Graz | Vizerektor für Personal und Digitalisierung).
Du willst bei "No Hype KI" am Laufenden bleiben?

Trag dich hier ein und du bekommst jede Folge direkt in die Inbox!

Menschenzentrierter Ansatz im Mittelpunkt

Künstliche Intelligenz ist schon längst Teil unseres Alltags – ob bewusst oder unbewusst. Und obwohl KI bereits in vielen Lebensbereichen der Österreicher:innen präsent ist, bleibt die Skepsis bei vielen groß. Laut Carina Zehetmaier ist es daher ein besonders wichtiger Faktor, dass man jeder einzelnen Person KI näher bringt, sodass mehr Vertrauen in die Technologie entsteht: „Derzeit gibt es noch viele Ängste rund um KI. Aber es gibt auch noch gewisse Schwachstellen wie zum Beispiel das Halluzinieren, oder auch Vorurteile, die in den Systemen drinnen sind und widergespiegelt werden können. Es ist relevant, dass man sich hier von Anfang an mit den kritischen Fragenstellungen auseinandersetzt“.

Hierbei müsse an vorderster Stelle die öffentliche Hand hohe Standards setzen – vor allem aus menschenrechtlicher Sicht. Zehetmaier befürwortet in diesem Zusammenhang den AI Act, der klare gesetzliche Rahmenbedingungen schafft. „Die öffentliche Hand ist der direkte Adressat der Grund- und Menschenrechte“, sagt sie.

Ein weiterer wichtiger Punkt von Zehetmaier ist die Notwendigkeit, marginalisierte Gruppen nicht zu übersehen. Man müsse sich bemühen, geschlechtsspezifische und andere Vorurteile in Datensätzen zu vermeiden. „Wir wissen auch, dass Automatisierung den Gender-Pay-Gap öffnet anstatt schließt, das heißt, da müssen wir aktiv und gezielt gegensteuern“.

Verantwortungsvolle KI bedeute, aktiv an den Daten und Algorithmen zu arbeiten. Nur so könne sichergestellt werden, dass KI-Anwendungen nicht nur technologisch effizient, sondern auch ethisch und gesellschaftlich verantwortungsvoll gestaltet werden.

Responsible AI: Inklusivität, Fairness, Datenschutz

Dass die Anwendung von generativer KI nicht bloß Kosten senken soll, sondern den Menschen Nutzen bringen muss, ist auch für Bernd Konnerth von Microsoft klar. „Wir setzen auf Responsible-AI-Standards, bei denen es um Inklusivität, Fairness, Datenschutz und all diese Themen geht. Das sind Leitplanken in unserer Produktentwicklung“, sagt der Public Sector Lead von Microsoft Österreich.

Von der Unternehmenstransformation bis hin zum öffentlichen Dienst sei ein breites Umschulungsprogramm notwendig, um Ängste abzubauen: Es sei wichtig, „Umgebungen zu schaffen, die es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich machen, mit der Technologie zu interagieren, um den Berührungsängsten entgegen zu wirken”.

Universität Graz startete UniGPT für Mitarbeitende

Was Bildung angeht, betont Markus Fallenböck von der Universität Graz die Bedeutung einer breiten Wissensvermittlung. Es gehe nicht nur um Spezialist:innen für KI, sondern vor allem um die große Masse an Mitarbeitenden, die einen “sinnvollen Umgang mit KI erlernen” müssen: „Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, umso mehr können wir Chancen nutzen und Risiken minimieren“.

Die Universität Graz hat dazu eine eigene Micro-Credential-KI gestartet, um Studierenden ein Grundwissen zu KI zu vermitteln: “Das ist ein abgeschlossenes Studienpaket, das man in jedes Studium integrieren kann und das gerade in einer Pilotphase ist”, erläutert Fallenböck. Das Paket lasse sich in jedes Studium integrieren. “Da ist die Idee, dass in ein paar Jahren jeder Bachelor-Studierende, der in Graz einen Abschluss macht, ein Grundwissen hat zu KI-Bereich, Technik, Wirtschaft, Recht, Ethik”.

Für die eigenen Mitarbeiter:innen hat die Universität Graz im Mai 2024 außerdem den Chatbot UniGPT gestartet. Bereits mehrere hundert Mitarbeiter:innen wurden dafür bereits eingeschult. “Da sitzt die Universitätsprofessorin neben der Sekretariatskraft und beide interessieren sich für KI und werden es in ihrem Arbeitsalltag gut einsetzen”, schildert Fallenböck seine Eindrücke.

Über die eigenen Mitarbeitenden will die Universität Graz Wissensvermittlung aber auch in die Bevölkerung tragen. Dazu hat sie im Oktober etwa erstmals den Technology Impact Summit zum Thema KI in Graz veranstaltet. “Weil natürlich auch wichtig ist, dass wir die breite Öffentlichkeit mit dem Thema erreichen. Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, umso mehr, können wir auch das Chancennutzen und Risikominimieren wirklich schaffen”, erläutert Fallenböck.

ITSV: Künstliche Intelligenz im Gesundheitssystem

 Die ITSV wiederum steuert und koordiniert die IT-Aktivitäten der österreichischen Sozialversicherung – und beschäftigt sich schon länger mit dem KI-Thema. Aufsichtsratsvorsitzender Moritz Mitterer erzählt im Talk, dass das Unternehmen bereits 2018 mit der Erprobung von KI-Lösungen begonnen habe. In einem geschützten Umfeld wurden dabei erste Erfahrungen gesammelt, bevor die Systeme in den Echtbetrieb übergingen. Dieser schrittweise Ansatz habe wesentlich dazu beigetragen, das Vertrauen in KI-Modelle im Unternehmen zu stärken.

Besonders bei sensiblen Daten, wie etwa Gesundheitsdaten, ist die Gefahr von Missbrauch ein zentraler Risikofaktor. Mitterer erläutert die Bedeutung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit: „Man muss Patientinnen und Patienten mitnehmen, indem man entsprechend strenge Regeln hat und Compliance hat. Und indem man offen damit umgeht, falls doch was sein sollte“.

KI schafft Abhilfe bei steigendem Leistungsaufkommen bei ÖGK

Die ITSV arbeitet dabei unter anderem für die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Harald Herzog von der ÖGK erläutert, dass das steigende Leistungsaufkommen – etwa wachsende Fallzahlen, steigende Lebenserwartung, mehr Konsultationen – nach neuen Wegen verlangt: „Würden wir die Prozesse so weiterspielen wie bisher, bräuchten wir mehr Personal“, so Herzog. „Unsere Aufgabe ist es effizient zu arbeiten und alle technischen Möglichkeiten der KI auszunutzen“.

KI könne hier unterstützen, etwa bei der Wahlarztkostenerstattung. Ziel sei es, einen Großteil der Fälle automatisiert abwickeln zu können. Laut Herzog geht es aber nicht darum, den persönlichen Kontakt zu ersetzen, sondern lediglich zu ergänzen.

Zusätzliches Wirtschaftswachstum von bis zu 18 Prozent durch KI-Nutzung

Auch die öffentliche Verwaltung steht vor Herausforderungen, etwa aufgrund der Pensionierungswelle oder des Fachkräftemangels. Künstliche Intelligenz könnte dabei eine Rolle spielen. Bernd Konnerth von Microsoft Österreich sagt: „Künstliche Intelligenz kann eine Antwort sein – vielleicht nicht die Einzige, aber sie hat sehr viel Potenzial durch die Automatisierung wiederkehrender Tätigkeiten, viel Nutzen zu stiften“.

Aktuell befinde sich Österreich erst am Anfang, dieses Potenzial auszuschöpfen. Konnerth verweist auf eine Studie, dass Österreich ein Wirtschaftswachstum von bis zu 18 Prozent erzielen könnte, wenn das ganze Potenzial von KI ausgeschöpft werde.

Ausblick: KI-Nutzung in fünf Jahren

Wo steht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in fünf Jahren? „Ich hoffe, dass wir nicht mehr über die Technologie reden müssen, so wie wir heute auch nicht mehr über Strom sprechen, sondern dass sie einfach da ist“, so Microsoft-Experte Konnerth.

Carina Zehetmaier wiederum blickt auf die EU als Werteunion. In fünf Jahren solle man sehen, dass Österreich und Europa es geschafft haben, einen wertebasierten, menschengerechten KI-Einsatz umzusetzen. Für Österreich könne sich hier eine besondere Chance bieten, so Zehetmaier. Das Land könne sich als Vorreiter für einen vertrauenswürdigen, menschenzentrierten Umgang mit KI etablieren. Es gehe darum, „den menschenzentrierten Ansatz im Einklang mit Werten und Grundrechten umzusetzen“.

KI birgt enormes Potenzial

Die Diskussionsrunde ist sich einig, dass KI in sensiblen Arbeitsfeldern längst keine ferne Zukunftsvision mehr ist, sondern bereits eine zentrale Rolle darstellt. Die Chancen sind enorm – von effizienteren Verwaltungsprozessen über eine präzisere Gesundheitsversorgung bis hin zu einer gerechteren Bildung. Doch um diese Möglichkeiten zu nutzen, braucht es breites Verständnis, klare Regeln, vertrauenswürdige Technik und einen sensiblen Umgang mit Daten.


Folge nachsehen: No Hype KI – Was kann KI in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Hier gehts es zur Nachlese von Folge 1: „No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

Die Partner von No Hype KI
Die Partner von No Hype KI

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Tesla für Wohnbau: Gropyus baut europäisches Vorzeigeprojekt

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Tesla für Wohnbau: Gropyus baut europäisches Vorzeigeprojekt

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Tesla für Wohnbau: Gropyus baut europäisches Vorzeigeprojekt

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Tesla für Wohnbau: Gropyus baut europäisches Vorzeigeprojekt

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Tesla für Wohnbau: Gropyus baut europäisches Vorzeigeprojekt

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Tesla für Wohnbau: Gropyus baut europäisches Vorzeigeprojekt

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Tesla für Wohnbau: Gropyus baut europäisches Vorzeigeprojekt

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Tesla für Wohnbau: Gropyus baut europäisches Vorzeigeprojekt

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Tesla für Wohnbau: Gropyus baut europäisches Vorzeigeprojekt