27.02.2023

Studie: “Nachhaltige Fonds” investieren vermehrt in fossile Energien

Fonds, die sich als nachhaltig bezeichnen, investieren vermehrt Geld in fossile Energien. Das ergibt eine Untersuchung des deutschen Vereins Finanzwende. Die untersuchten Portfolios seien 2022 im Vorjahresvergleich um insgesamt 7,9 Prozent CO2-intensiver geworden.
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Mit der Geldanlage zu Klima- und Nachhaltigkeitszielen beitragen – das ist das Ziel von vielen Anleger:innen, die in vermeintlich “grüne Fonds” investieren. In der Vergangenheit hat sich aber gezeigt, dass Nachhaltigkeitsversprechen nicht immer gehalten werden.

Der deutsche Verein “Finanzwende” hat deshalb untersucht, wie sich die Investments in “nachhaltige Fonds” im Laufe der Energiekrise entwickelt haben. Die Studie zeigt: Die untersuchten Portfolios sind 2022 im Vergleich zu 2021 um insgesamt 7,9 Prozent CO2-intensiver geworden.

Was sind “nachhaltige” Fonds?

Mit der “Sustainable Finance Disclosure Regulation” (SFDR) hat die EU eine Verordnung geschaffen, die eine Offenlegungspflicht für Fonds und Fondsgesellschaften vorsieht, um Menschen bei ihren Investitionsentscheidungen zu unterstützen.

Finanzunternehmen müssen dadurch offenlegen, inwiefern sie Nachhaltigkeitsfaktoren in den Entscheidungsprozess für ihre Finanzprodukte mit einbeziehen. Fondsgesellschaften, die sich als “nachhaltig” bezeichnen, berücksichtigen im Idealfall ökologische und soziale Aspekte sowie Kriterien guter Unternehmensführung.

In dieser Offenlegungsverordnung gibt es zwei Klassifizierungen für Fonds, die sich als “nachhaltig” bezeichnen. Zum einen ist das Artikel 8, darunter fallen Fonds, die „unter anderem mit ökologischen oder sozialen Merkmalen” werben. Artikel 9 ist strenger und gilt nur für Fonds, die ein konkretes Nachhaltigkeitsziel verfolgen. Welche Fonds als “nachhaltig” gelten, definieren Finanzinstitute vorerst selbst.

Klare Definitionen fehlen bisher und immer wieder stehen Greenwashing Vorwürfe im Raum. “Grundsätzlich bedeutet Greenwashing in diesem Bereich, dass man ein Finanzprodukt als nachhaltig vermarktet, aber die eigentliche Anlagestrategie bzw. Veranlagungen spiegeln das nicht wider”, erklärt Pedram Payami, Senior Expert für Green Finance, vom österreichischen Umweltbundesamt.

2.434 “nachhaltige” Fonds wurden untersucht

Mit Stand September 2022 beträgt das weltweite Anlagevermögen von Artikel 8 und Artikel 9 Fonds, 4,3 Billionen Euro. Der deutsche Verein Finanzwende hat sich angesehen, wie “nachhaltige” Fondsgesellschaften ihre Investments im Zuge der Energiekrise umverteilten.

In der Studie wurde der Aktienbesitz von 2.434 aktiv gemanagten und in Europa erhältlichen Fonds aus der Datenbank “Morningstar” untersucht. Berücksichtigt wurden nur jene Fonds, die sich gemäß Artikel 8 oder 9 der “Sustainable Finance Disclosure Regulation” (SFDR) als “nachhaltig” bezeichnen.

Dafür wurde der Aktienbesitz der “grünen” Fonds Ende Dezember 2021 mit März 2022 verglichen. Es handelt sich dabei um den Zeitraum kurz vor und kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges. Auch der Zeitraum bis Dezember 2022 wurde in der Untersuchung betrachtet, um die weitere Entwicklung nachvollziehen zu können.

“Grüne” Fonds investierten in Fossile

Im vergangenen Jahr haben die Kurse und Gewinne von Energieunternehmen stark zugenommen. Ein Hauptgrund dafür sei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit einhergehenden Herausforderungen am Energiemarkt.

Die untersuchten Fonds haben laut Studie, Aktien von Versorgungsunternehmen im Wert von 1,7 Milliarden bzw. von Energieunternehmen im Wert von 2,6 Milliarden US-Dollar erworben. Prozentual betrachtet erhöhten sie ihr Investment in Versorgungsunternehmen um 2,7 Prozent. In Energieunternehmen wurde das Investment um 5,2 Prozent erhöht. Verkauft wurden besonders viele Aktien aus der Technologiebranche, aus dem Finanzsektor und von Unternehmen, die Verbrauchsgüter herstellen.

Eine genauere Betrachtung der Investitionen in Energieunternehmen zeigt: Es wurden 940 Millionen US-Dollar in fossile Energien investiert und 138 Millionen US-Dollar gingen an Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich auf die Investition in Erneuerbare fokussiert. Das bedeute, dass die untersuchten “grünen” Fonds weniger in erneuerbare und mehr in fossile Energieträger investierten. Der Anteil an Öl- und Gasfirmen stieg 2022 noch weiter an, während Investitionen in Erneuerbare konstant blieben.

Energieunabhängigkeit und Fortschritt als Argumente

Durch die vorliegenden Ergebnisse bestätige sich die Hypothese, dass Fondsmanager:innen das Portfolio an die veränderte Situation anpassten, um von den erwarteten Wertsteigerungen zu profitieren. Laut Payami sei es ein ganz normaler Prozess bzw. die Aufgabe von Fondsmanager:innen, Investments umzuschichten und diese in Sektoren zu investieren, die sich besser entwickeln.

Die Verbrennung von fossilen Energieträgern erhöht aber die Menge an CO2 in der Atmosphäre und verursacht die Klimakrise. Als Argument für die Investition in fossile Energien wird deshalb die Energieunabhängigkeit Europas genutzt. Laut Finanzwende sei dieses Argument diskussionswürdig, aber keine Fondsgesellschaft sei gezwungen, sich als “grün” zu bezeichnen. "Es ist auf jeden Fall kein schönes Bild, dass "nachhaltige" Fonds, wie es scheint, im Rahmen der steigenden Aktien, in Erdöl- und Erdgas Aktien umgeschichtet haben", so Payami.

Ein weiteres Argument laute: Man wolle mit den Investitionen in den Umbau bisher klimaschädlicher Unternehmen investieren, um damit einen Beitrag zur ökologischen Transformation zu leisten. Laut Payami sei das nicht per se Greenwashing. Da die Idee vom EU-Green Deal ist, Transformation zu erreichen und zu beschleunigen. Dafür brauche man Geld.

Investiert ein "nachhaltiger" Fonds in Fossile, sollte es sich laut Payami aber um Unternehmen handeln, die klar auf einem Transformationspfad sind und keine neuen fossile Projekte vorantreiben, sondern das Geschäftsmodell auf erneuerbare Energien umstellen. "Diese Transformationswilligkeit eines Unternehmens ist aber sehr schwer zu quantifizieren”, schildert Payami.

“Nachhaltige” Fonds weichen von Erwartungen der Investor:innen ab

Laut Finanzwende belege die vorliegende Studie, dass ein Großteil der “grünen” Investments von den Erwartungen abweiche, die Investor:innen an “grüne” Fonds stellen. Es sei allerdings hervorzuheben, dass die Studie aggregierte Werte enthält und es damit auch unter den untersuchten Fonds solche gäbe, die nicht in fossile Energien investieren und strengere Kriterien in Bezug auf die Nachhaltigkeit haben. Über die “Nachhaltigkeit” von Artikel 8 oder 9 Fonds, könne also keine pauschale Aussage getroffen werden.

Momentan würden große Energiekonzerne laut der Studie aber die Expansion fossiler Energiequellen vorantreiben, was nicht mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sei. Der Verein erhebt deshalb Greenwashing-Vorwürfe. Dies verdeutliche vor allem folgender Vergleich: Der Anteil fossiler Energien am Portfolio wäre bei den untersuchten Unternehmen im Jahr 2021 dreimal so groß wie jener der Erneuerbaren. Ende 2022 sei das Investment in fossile Energieträger schon zehnmal so hoch gewesen wie jenes in Erneuerbaren.

Welche Konzerne haben von den Investments profitiert?

Ein genauer Blick auf die Unternehmen, deren Aktien vermehrt von den als "nachhaltig" eingestuften Fondsgesellschaften gekauft wurden, zeigt: Vor allem große europäische und indische Öl-Konzerne haben von den zusätzlichen Investments zwischen 2021 und 2022 profitiert. Am meisten Geld habe der italienische Öl-Konzern “Eni SpA” erhalten.

Die “grünen” Investments bescherten dem Konzern"Eni SpA" 226 Millionen US-Dollar. Das seien 77,1 Prozent mehr als gegen Ende 2021. Zwar werbe der Konzern damit 2050 klimaneutral zu sein. Dieses Versprechen könne aber laut konservativen Schätzungen nicht eingehalten werden. Außerdem verfolge das Unternehmen noch immer die Erschließung von Öl- und Gasfeldern, was nicht mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sei. Das zeigt ein Bericht, von "Greenpeace", der in Zusammenarbeit mit "Reclaim Finance" entstanden ist.

Die Zukunft von “grünen” Fonds

Für Privatanleger:innen ist es keine einfache Aufgabe herauszufinden, ob ein Fonds wirklich "nachhaltig" oder ein Unternehmen transformationswillig ist. “Deswegen ist sicher ein EU-weiter Standard, wie zum Beispiel ein EU Label oder strengere Kriterien in Bezug auf die "Nachhaltigkeit", ein wichtiger Schritt", meint Payami.

Derzeit gäbe es noch einige Schwachstellen der bisherigen rechtlichen Rahmenbedingungen, heißt es in einer Studie der Arbeiterkammer Oberösterreich in Zusammenarbeit mit ESG+. Zum Beispiel, dass es keine Behörde gibt, die Angaben in Bezug auf "nachhaltige" Fonds oder Fondsgesellschaften überprüft. Oder, dass es noch kein Rahmenwerk zur einheitlichen Beurteilung von "nachhaltigen" Finanzprodukten gibt.

Bald könnte es aber einfacher werden, die "Nachhaltigkeit" von Fonds, Fondsgesellschaften und Unternehmen zu beurteilen. "Genau dafür gibt es in Zukunft die EU-Taxonomie. Diese gilt zwar nicht nur für Fonds, aber definiert allgemein, wann eine Wirtschaftsaktivität nachhaltig ist", so Payami. Auch die Finanzmarktaufsicht Österreich legt ihren diesjährigen Schwerpunkt auf Greenwashing im Finanzbereich.


Weiterführende Informationen

Die Global Coal Exit List von Urgewald bietet Orientierung, welche Unternehmen in Kohle investieren.

Die Global Oil and Gas Exit List von Urgewald bietet Orientierung, welche Unternehmen in Öl und Gas investieren.

Das Umweltzeichen 49 ist ein Finanzlabel und bietet einen Überblick, welche Finanzprodukte als nachhaltig eingestuft werden können.

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Wie steht es um die Haltung und Aktivitäten rund um Nachhaltigkeit in der heimischen Wirtschaft? Ein umfassendes Bild liefert eine neue Befragung der Unternehmenberatung Deloitte, die gemeinsam mit Foresight im Herbst 2024 über 400 Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeiter:innen befragt hat.

Strategische Verankerung fehlt

Das Ergebnis: Unternehmen erkennen zunehmend die Relevanz von Nachhaltigkeit. So schätzen 86 Prozent der Befragten das Thema als entscheidend für ihren künftigen Geschäftserfolg ein. Zudem haben mehr als die Hälfte der Unternehmen Maßnahmen zur Dekarbonisierung eingeleitet, etwa durch Photovoltaikanlagen oder den Umstieg auf grünen Strom. Diese Maßnahmen bleiben laut Deloitte jedoch häufig oberflächlich. Die strategische Verankerung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft – inklusive klarer Zielsetzungen – ist oft nicht ausreichend ausgeprägt.

“Zwar setzen viele Betriebe bereits Einzelmaßnahmen um, aber es fehlen die strategische Verankerung sowie klar definierte und laufend überprüfte Nachhaltigkeitsziele. Die nachhaltige Transformation kann allerdings nur mit einem klaren strategischen Fokus gelingen“, so Karin Mair, Managing Partnerin Risk Advisory & Financial Advisory bei Deloitte Österreich.

Geschäftskunden üben Druck aus

Besonders der Druck aus den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen treibt Unternehmen an. 60 Prozent der Befragten berichten, dass ihre Geschäftskunden (30 Prozent) sowie öffentliche und private Kunden die Haupttreiber für Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind. Dieser Druck wird durch strikte Berichtspflichten und die zunehmende Nachfrage nach Transparenz verstärkt.

Im Fokus vieler Nachhaltigkeitsagenden steht vor allem die Reduktion der CO2-Emissionen. 61 Prozent der Befragten haben dazu zwar mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen begonnen, hinsichtlich der erwartbaren Kosten für eine umfassende Dekarbonisierung herrscht aber große Unsicherheit. So kann oder will über ein Drittel (39 Prozent) derzeit keine Angaben über die diesbezügliche Kostenveranschlagung des Unternehmens machen.

Investitionsbereitschaft geht zurück

Gleichzeitig geht auch die Investitionsbereitschaft zurück: Der Anteil jener Betriebe, die von 500.000,- bis über fünf Millionen Euro pro Jahr für Maßnahmen zur Dekarbonisierung aufwenden wollen, ist von 26 Prozent im Vorjahr auf 17 Prozent gesunken.

Ein wesentlicher Stolperstein ist die fehlende Klarheit bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in nationales Recht. Rund ein Viertel der Unternehmen in Österreich weiß noch nicht, ob sie von der neuen Berichtspflicht betroffen sind, was Unsicherheiten bei der Planung verstärkt. Gleichzeitig bleibt die Bürokratie für viele kleinere Unternehmen eine fast unüberwindbare Hürde.



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