24.05.2018

GovTech-Pioneers: “Verwaltungen bieten schlechtesten Service zu höchsten Kosten”

Am Vortag des Pioneer '18 Hauptevent fand gestern die erste Ausgabe des Sparten-Events GovTech Pioneers statt. Zahlreiche Speaker sprachen zur Digitalisierung des öffentlichen Sektors. Dazu gab es eine Startup-Competition.
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Pioneers: Siegerfoto des Startups Fleksy mit Tim Draper beim GovTech Pioneers
(c) Pioneers: Siegerfoto des Startups Fleksy mit Tim Draper beim GovTech Pioneers

“Wenn man Artificial Intelligence, Smart Contracts und Blockchain richtig einsetzt, kommt der perfekte Bürokrat dabei heraus. Jemand, der fair und ehrlich ist und jeden gleich behandeln kann. Das ist unglaublich mächtig”, sagt Silicon Valley-Investor Tim Draper. Er war einer von mehreren bekannten Speakern beim GovTech Pioneers, das gestern im Vorfeld des Pioneers ’18-Hauptevents stattfand. Er ist sich sicher: “Diese Technologien werden den Gesundheitsbereich, den Immobilien-Bereich, Versicherungen und viele weitere Branchen verändern. Sie alle bieten schlechten Service zu hohen kosten. Aber die öffentlichen Verwaltungen bieten den schlechtesten Service zu den höchsten Kosten. Daher wird es in dem Bereich auch die größten Chancen geben”.

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Fleksy setzt sich mit “private keyboard” bei GovTech Pioneers-Competition durch

Doch nicht nur die oben genannten Technologien wurden beim GovTech Pioneers thematisiert. Neben zahlreichen Speakern waren insgesamt 100 Startups aus vier Kontinenten eingeladen. 24 davon durften pitchen. Die Großthemen: “Citizen Collaboration”, “Blockchain”, “Public Safety & Security”, und “Overall Govtech Solutions”. In der Competition durchsetzen konnte sich das Startup Fleksy mit Sitz in Barcelona. Es hat eine Smartphone-Tastatur entwickelt, deren Eingaben nicht getrackt werden können. Man rühmt sich, “das einzige ‘private keybord’ auf der Welt” zu bieten. Damit will man (u.a.) öffentlichen Institutionen ermöglichen, ihre interne Kommunikation besser zu schützen.

“Wir haben alle relevanten Informationen – wir müssen sie nur verbinden”

“Große Unternehmen, die so große Teile unserer Daten kontrollieren, sind eine Sache der öffentlichen Sicherheit”, sagt Fleksy-Gründer und CEO Olivier Plante. Die französische Verwaltung entwickle bereits eine eigene Messaging-Alternative zu WhatsApp. Auch andernorts arbeitet man an oberster Stelle an GovTech-Lösungen. Als Vorzeigeland gilt dabei Estland. Der baltische Staat hat mit Taavi Kotka einen Staats-CIO, der ebenfalls am Event sprach. “Öffentliche Dienstleistungen sollten nahtlos funktionieren. Wir haben alle relevanten Informationen – wir müssen sie nur verbinden”, sagt er. Auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck nannte Estland in ihrer Rede zum wiederholten Mal als Vorbild.

Neue Form der zwischenstaatlichen Konkurrenz

Dass die Automatisierung im öffentlichen Bereich nicht nur weiteren Mehrwert bringt, sondern schlicht unverzichtbar ist, betont Carry Bishop, Hauptverantwortliche für die Digitalisierungs-Strategie der Stadt San Francisco. “Im Vereinigten Königreich gab es zuletzt 30 Prozent Budget-Kürzungen für die öffentliche Verwaltung. Das kann man nur mit Digitalisierung lösen”. Tim Draper geht indessen so weit, von einer neuen ebene zwischenstaatlicher Konkurrenz zu sprechen. “Es wird einen physischen und einen virtuellen Teil der Verwaltung geben, der nicht an das Staatsgebiet gebunden ist. Estland hat das verstanden und andere Länder sind gerade dabei. Die Verwaltungen begreifen gerade, dass sie miteinander im Wettbewerb stehen, wie Unternehmen”.

Taavi Kotka steigt auf Drapers Vorlage ein: “Wenn es da draußen ein Service gibt, das besser ist, werden die Menschen es sich holen. Und wenn die Verwaltung nicht bereit ist, sich zu ändern, kommen schwere Zeiten auf sie zu. Für ein Land wie Estland wird genau das eine perfekte Chance sein”.

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Universität Innsbruck, Spin-offs
(c) Universität Innsbruck

Vergleicht man die österreichische Spin-off-Landschaft mit jener anderer Länder, erweist diese sich als mager – wären da nicht diverse heimische Universitäten, die proaktiv Spin-offs fördern, wie brutkasten berichtete. Die Universität Innsbruck gilt als einer dieser Innovationstreiber.

Spin-offs in Deutschland

Eine Studie aus dem Oktober 2023 zur Entrepreneurship Performance deutscher Hochschulen ermittelte die Anzahl an Gründungen aus Hochschulen von 2014 bis 2022 und weist diese Werte für die 20 am höchsten gerankten Universitäten in Deutschland aus. Zusammen waren diese 20 Universitäten Ursprung von knapp 4.800 Startups. Dabei gibt es eine ausgeprägte Spitzengruppe mit der TU München (810 Startups) ganz vorne, gefolgt mit weitem Abstand von der TU Berlin (466) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT, 321).

Hierzulande hat sich die Universität Innsbruck seit der Gründung ihrer Beteiligungsgesellschaft im Jahr 2008 über die Uni-Holding an 39 Spin-offs beteiligt. Durch die neu gegründeten Unternehmen wurden seither mehr als 200 neue Arbeitsplätze geschaffen.

“Der Ansatz der Universität Innsbruck, akademisch getriebene Spin-offs wirksam zu unterstützen, zeigt Früchte”, sagt Rektorin Veronika Sexl. “Durch die Unternehmen wird spezialisiertes Grundlagenwissen zum Wohle der Gesellschaft transformiert und diesen strategischen Ansatz werden wir auch in Zukunft weiter forcieren.” Neben Studienangeboten im Bereich Entrepreneurship und dem gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Tirol betriebenen Gründungs- und Innovationszentrum InnCubator stellt die 2008 gegründete Beteiligungsgesellschaft Uni-Holding ein Kernelement der Strategie dar.

AQT und ParityQC als Aushängeschilder

Aktuell hält die Uni-Holding 23 Beteiligungen an Ausgründungen aus der Universität Innsbruck. Diese Unternehmen sind in den Bereichen Digitalisierung, Finanzen, Gesundheit, Ökologie und Technologie tätig. Neben den renommierten Ausgründungen im Bereich der Quantentechnologien – AQT und Parity QC – beschäftigt sich etwa das junge Spin-off QND – Quantum Network Design mit der Simulation von Quantennetzwerken, um die wesentlichen Grundsteine für eine industrielle Implementierung zu legen.

Beispiele der Innsbrucker Spin-offs

Innfoliolytix wäre ein weiteres Beispiel der Spin-off-Strategie: Das Startup macht Kapitalmarktanleger:innen aktuelle Forschungsergebnisse in Form von quantitativen Anlagestrategien zugänglich. Die Universitätsprofessoren Matthias Bank und Jochen Lawrenz vom Institut für Banken und Finanzen sind an der gemeinsamen Gründung und Entwicklung des Unternehmens mit der BTV AG und der Universität Innsbruck beteiligt; seit 2024 gilt Innfoliolytix als eine FMA-lizenzierte Wertpapierfirma. Im November 2024 wurde der vom Startup beratene und von der 3 Banken-Generali Investment-Gesellschaft verwaltete Fonds “Quant Global Plus” mit dem Österreichischen Dachfonds Award 2024 des GELD-Magazins in den Kategorien “Aktiendachfonds 1 Jahr” und “Aktiendachfonds 3 Jahre” ausgezeichnet.

KinCon biolabs wiederrum baut seine patentierte Plattformtechnologie weiter aus, um Pharmaunternehmen bei der Lösung medizinischer Herausforderungen, insbesondere bei Krebs und Morbus Parkinson, zu unterstützen. Das von Philipp Tschaikner und Eduard Stefan gegründete Unternehmen entwickelt eine zellbasierte Reportertechnologie, die strukturelle Veränderungen von schwer zu analysierenden Zielproteinen sichtbar macht. Wenn ein Wirkstoffkandidat an einen, spezifisch für das Zielprotein entwickelten Reporter bindet, beginnt der genetisch kodierte Reporter in den Zellen zu leuchten. Damit lasse sich die Wirksamkeit von Medikamentenkandidaten systematisch vorhersagen, sodass die Pharmaunternehmen neuartige Therapien schneller in die klinische Anwendung, d.h. zu den Patient:innen, bringen könnten.

Kartenspiel in USA lizenziert

Das von Physiker:innen an der Universität Innsbruck entwickelte Kartenspiel Seeker Chronicles konnte mittlerweile an den renommierten US-amerikanischen Spieleverlag Wise Wizard Games lizenziert werden. Es verbindet Wissenschaftsvermittlung mit Spielelementen. Dessen Erfinder:innen Hendrik Poulsen Nautrup, Lea Trenkwalder und Fulvio Flamini haben das Spin-off-Unternehmen OneStone Studios gegründet und arbeiten aktuell an Erweiterungen, einer digitalen Version des Spiels und mehreren neuen Spielen, alle mit dem Ziel, Wissenschaft der Gesellschaft näherzubringen.

Arbeitsbedingungen, Arbeitsorganisation und daraus resultierende Beanspruchungen mit dem Ziel zu betrachten, Arbeit “menschenzentriert” zu gestalten und hinsichtlich verschiedener Humankriterien in Unternehmen und Organisationen zum Wohle aller Beteiligten zu verbessern – das ist das Vorhaben von Humane Arbeit. Gegründet von Cornelia Strecker, Christian Seubert und Jürgen Glaser bietet das Spin-off arbeitspsychologische Beratung auf dem aktuellsten Stand wissenschaftlicher Forschung.

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