25.08.2023

goUrban-Gründer: “Sanierung ist ein wichtiges Tool, um einen Neustart zu ermöglichen”

Bojan Jukić, Gründer und Geschäftsführer von goUrban, erläutert im brutkasten-Interview, wie er seine Firma mit Eigenverwaltung sanieren möchte und wie das Mobility-Startup neu ausgerichtet wird.
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Bojan Jukić | (c) GoUrban

Ende Juni 2022 gab das Wiener Startup goUrban, das ein Betriebssystem für Shared Mobility entwickelt hat, den Abschluss einer Finanzierungsrunde in Millionenhöhe bekannt und verfolgte damit ambitionierte Pläne: Mit den frischen Finanzmittel sollte das Team verdreifacht und die weitere Marktexpansion forciert werden, wie es damals hieß.

Am Mittwoch folgte nun die Meldung, dass das Unternehmen unter Eigenverwaltung saniert werden muss. Zudem soll es eine Neuausrichtung geben. Wie diese aussieht, hat uns Bojan Jukić, Gründer und CEO von goUrban, im Interview erzählt. Zudem spricht er über die Handlungsoptionen, die eine Firma in einem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung hat.


Warum hast du dich für eine Sanierung entschieden?

Es gab sicherlich mehr als nur einen Treiber für diese Entwicklung, aber der primäre Grund war sicherlich die generelle Marktentwicklung in unserem Kundensegment. Viele unserer Kunden sind selbst Startups, die aufgrund des herausfordernden Finanzierungsumfelds in den letzten zwölf Monaten Probleme hatten, unsere Rechnungen zu begleichen – was oftmals zu Forderungsausfällen führte und auch die Neukundenakquise deutlich erschwerte. Insofern sahen wir uns gezwungen dazu, unsere eigenen Wachstumspläne zu revidieren.

Unser Kerngeschäft hat zwar sehr starke Unit Economics, jedoch waren wir kostentechnisch zu breit aufgestellt und werden hier im Rahmen der Sanierung unsere Kostenbasis massiv reduzieren, um kurzfristig den Break-Even zu erreichen. Das sollte uns erlauben, die Altlasten von Gläubigern so gut wie möglich zu bedienen, Arbeitsplätze zu sichern und nach erfolgter Sanierung mit goUrban profitabel zu wachsen.

Grundsätzlich waren die letzten Monate geprägt von einem „perfect storm“ für unsere Kunden, also Anbieter im Shared-Mobility-Bereich. Nicht nur war weniger Investorengeld im Markt verfügbar, was generell die Debatte über Unit Economics umso wichtiger machte. Die Unit Economics von vielen Anbietern hatten viel Gegenwind, weil Kosten generell stiegen, insbesondere bei der Finanzierung der Fahrzeuge aufgrund des gesteigerten Zinsumfelds. Ebenso stiegen natürlich auch die Personalkosten an. Demgegenüber war es aber schwierig für Shared-Mobility-Anbieter, diese Kosten an Endkunden weiterzureichen, u.a. wegen intensiver Konkurrenz in vielen der umsatzstarken Märkte. Auch Großkunden von uns waren von solchen Trends betroffen.

Du sprichst Großkunden an. Inwiefern haben die jüngsten Probleme von Getir auch euch geschadet?

Wir können nicht über spezifische Kunden sprechen, aber grundsätzlich sei gesagt: Wie bei vielen Startups war unser Umsatz zu einem relevanten Teil abhängig von einer Handvoll an Kunden. Wenn in einer solchen Situation einer dieser Kunden Zahlungsschwierigkeiten hat, stellt das ein massives Problem für uns dar.

Grundsätzlich sehe ich die Herausforderungen in der Branche jedoch als reinigend an. Für manche der Player waren die Unit Economics lange nicht attraktiv genug – und Investoren werden in solchen Fällen nicht ad infinitum weitere Runden finanzieren. Weniger Investorengeld im Markt bedeutet letztlich auch günstigere Kundenakquisekosten für solche Anbieter und wird ultimativ die Margen in der Branche positiv beeinflussen.

Ihr habt im Sommer 2022 kommuniziert, dass eure Lösung in über 100 Städten weltweit bei 30.000 Fahrzeugen zum Einsatz kommt. Musstet ihr euer Angebot mittlerweile wieder downsizen?

Nein, wir haben nur sehr sporadisch Kunden verloren – im Prinzip fast immer nur weil Kunden eben nicht mehr weiter operieren konnten aufgrund fehlender Finanzierungen. Jedoch wurde auch Neukunden gewonnen, unter anderem in den USA, in New York.

Ihr habt namhafte Investoren wie Uniqa Ventures, aws Gründerfonds und Elevator Ventures an Bord. Warum waren diese nicht mehr bereit, sich an einer Überbrückungsfinanzierung zu beteiligen?

Die Unterstützung und das Vertrauen seitens unserer Investoren bleibt sicherlich erhalten. Wir haben gemeinsam den Entschluss gefasst, dass ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung der beste Schritt für die Zukunft von goUrban ist. Ein Sanierungsverfahren erlaubt uns, zügig unsere Kostenbasis zu reduzieren und ist in vielerlei Hinsicht eine sehr kapital-effiziente Alternative zu einer klassischen Finanzierungsrunde.

Kommen wir zur Neuausrichtung zu sprechen. Wie sieht diese konkret aus?

Im Shared-Mobility-Bereich sind wir bei zwei Themen sehr stark: Einerseits bei der Digitalisierung von Fahrzeugen, andererseits bei der datenbasierten Optimierung von Fahrzeugflotten. Gerade in Hinblick auf Themen wie ESG (environmental, social, governance) können wir unsere Stärke ausspielen und z.B. die Emissionen je Fahrzeug erfassen, weil wir u.a. genau wissen, wann sich die Fahrzeuge bewegen, was der Energieverbrauch war, etc.

Uns liegen also viele Daten vor, mit denen wir eine sehr genaue Emissionsanalyse von Flotten erstellen können. Dadurch können wir Unternehmen bei der Umstellung zu neuen nachhaltigen Mobilitätsformen begleiten und bei der Erreichung ihrer ESG-Ziele unterstützen. Dies führt nicht nur zur Reduktion von Emissionen, sondern Ressourceneffizienz und damit Kostenersparnis bei den Fuhrparks unserer neuen Corporate Kundensegmente.

Wenn du von dieser Neuausrichtung sprichst: Wie weit ist dieser Prozess bereits und müsstet ihr dafür nicht erneut Kapital für die Produktentwicklung in die Hand nehmen?

Shared Mobility ist notwendig für eine Mobilitätswende. In den vergangenen sieben Jahren haben wir viel Know-How über die Digitalisierung von (Elektro-)Fahrzeugen aufgebaut. Dieses Wissen können wir nun nutzen und in weitere Bereiche der Mobilität, zum Beispiel zu Unternehmensflotten, bringen. Dieses Vertical haben wir bereits seit Monaten vorbereitet. Eine Weiterentwicklung des Produkts findet natürlich kontinuierlich statt, und die ersten Kunden im Bereich der Unternehmensflotten bestätigen den Kurs.

Was sind die Gründe dafür, dass der Shared-Mobility-Markt sich aktuell so schwer tut?

Der Shared-Mobility-Markt ist ein Markt, in dem die Profitabilität eine große Herausforderung  ist. Die Investitionshürde ist umfassend, um Assets auf die Straße zu bringen und die Regulierung bzw. Auflagen der Städte sind beträchtlich. Gleichzeitig müssen die Auslastung bzw. die Kosten sehr effizient in eine profitable Richtung gelenkt werden. Es gibt aber natürlich auch Unternehmen, die das schon geschafft haben. Zu ihnen zählt beispielsweise Miles Mobility, die aktuell in Deutschland stark skalieren. Wir werden bleiben also im Sharing-Markt und stärken die Beziehung zu unseren bestehenden Kunden.

Im Sommer 2022 hattet ihr noch rund 70 Mitarbeiter:innen, nun sind laut Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) 28 Dienstnehmer von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens betroffen. Inwiefern habt ihr bereits in der Vergangenheit Stellen abgebaut?

Wir haben in den vergangenen Monaten auch schon Stellen abgebaut – letztlich ließ sich der Schritt in Richtung Sanierung jedoch dadurch auch nicht mehr verhindern. Es war natürlich keine leichte Entscheidung nun die Sanierung in Eigenverwaltung zu beantragen, jedoch war es im Rahmen der Neuaufstellung des Unternehmens eine sinnvolle Entscheidung. Zudem haben wir einen Standort in Novi Sad geschlossen. Die Standorte in Wien und Banja Luka bleiben bestehen.

In dieser schwierigen Phase der Verschlankung von goUrban gab es aber auch immer wieder sehr positive Entwicklung, die uns mit viel Zuversicht in die Zukunft blicken lassen. So haben wir seit geraumer Zeit eine hervorragende Kooperation mit einem erfolgreichen österreichischen System-Integrator geschlossen, mit welchem wir in Partnerschaft operieren bei der Akquise von Großkunden und welcher einen relevanten Beitrag für künftiges profitables Wachstum beisteuern wird.

Wie geht es nun mit der Sanierung weiter? 

Wir haben eine Sanierung mit Eigenverwaltung beantragt. Damit hat sie keine Auswirkung auf die Erbringung unserer Dienstleistung gegenüber den Kunden sowie auf unsere bestehenden Mitarbeiter. Die Firma wird dabei in dem Sanierungszeitraum ganz normal fortgeführt. Das Ziel der Sanierung mit Eigenverwaltung ist es ein profitables Unternehmen zu bilden – und selbstverständlich die bestehenden Gläubiger so gut wie möglich zu bedienen. Das wird durch eine gesunde Grundlage mit unseren bestehenden Verträgen sowie einer Neuaufstellung der Organisation sichergestellt.

Welche Schritte kommen jetzt auf dich als Geschäftsführer als nächstes zu? 

Eine Sanierung ist ein wichtiges Tool, um einen Neustart zu ermöglichen – und Arbeitsplätze zu sichern. Dabei bin ich natürlich auch sehr dankbar, dass diese Möglichkeit in Österreich überhaupt existiert, dass wir unser Unternehmen neu aufstellen können. Für mich persönlich bedeutet die Sanierung sehr intensive Tage, Wochen und Monate, wobei wir uns für die Neuaufstellung bereits gut vorbereitet haben.


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Das „Kernteam“: Leo Sulzmann, Mona Heiß und Markus Korn. (c) Freundeskreis

Käsealternativen aus Cashewnüssen, Mandeln, Soja oder Erbsenprotein: Der Markt für Käseersatzprodukte erlebt derzeit eine Hochphase. Auch das Startup Freundeskreis hat es sich zur Mission gemacht, mit seinem pflanzlichen „Cam-mhh-berta“ die Käsewelt zu transformieren. Anstelle von Milchkulturen, die in herkömmlichem Camembert verwendet werden, setzt das Unternehmen auf eine untypische Zutat: Marillenkerne – ein Nebenprodukt der heimischen Obstindustrie.

Ende letzten Jahres konnte Freundeskreis eine Förderung von 400.000 Euro von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (aws) sichern – brutkasten berichtete. Mit dieser Förderung bauten sie nicht nur ihre Produktion aus, sondern brachten auch ihren veganen „Cam-mhh-berta“ erfolgreich auf den Markt. Im Interview mit brutkasten berichtet Co-Gründerin Mona Heiß über die Fortschritte des Startups und die Pläne für die Zukunft.

Freundeskreis wird mit weiteren 97.000 Euro gefördert

Seit Juni dieses Jahres ist der pflanzliche “Cam-mhh-berta” in ausgewählten Bio-Supermärkten in Wien erhältlich: Pepper & Ginny (1010), Maran Vegan (1060) und Markta (1090). Das Feedback ist vielversprechend: Nach Unternehmensangaben wurden in den ersten vier Monaten bereits rund 1.000 Stück verkauft.

Nur wenige Monate nach der aws-Förderung konnte sich Freundeskreis eine weitere finanzielle Unterstützung sichern: Die Wirtschaftsagentur Wien stellte über die Förderschiene “Produktion” dem Startup rund 97.000 Euro zur Verfügung. Wie Co-Gründerin Mona Heiß im Interview mit brutkasten verrät, soll das Geld in eine neue Pilot-Käsefabrik in Wien-Penzing fließen, die zugleich als zukünftiger Firmenstandort dienen wird.

Bisher finanziert sich Freundeskreis ausschließlich über Fördermittel. Für die kommenden Monate plant das Team jedoch eine Finanzierungsrunde im Frühjahr, um Investor:innen zu gewinnen und das Wachstum des Startups weiter voranzutreiben.

Marillenkerne liefert Cremigkeit und gesunde Nährstoffe

Freundeskreis entwickelte eine pflanzliche Käsealternative, die primär aus Marillenkernen besteht: den „Cam-mhh-berta“. Laut dem Unternehmen ist dieser geschmacklich und in der Konsistenz kaum von herkömmlichem Camembert zu unterscheiden. Der Grund liege in den Eigenschaften der Marillenkerne, die reich an Proteinen und ungesättigten Fettsäuren sind. Diese Nährstoffe sorgen demnach nicht nur für gesundheitliche Vorteile, sondern tragen auch maßgeblich zur cremigen Textur bei, erklärt Heiß.

Die Produktion des „Cam-mhh-berta“ erfolgt in „traditioneller Handarbeit“ auf einem Bauernhof im Wienerwald, in einer ehemaligen Käserei. Dabei setzt Freundeskreis auf dasselbe Verfahren, das auch bei der Herstellung von Kuhmilchkäse Anwendung findet. Das Ergebnis sei ein Käse, der sich durch “Cremigkeit, Nachhaltigkeit und Tradition” auszeichnet.

“Cam-mhh-berta” besteht nur aus vier Zutaten

Das Besondere an der Käsealternative sind die Marillenkerne, die als Hauptzutat dienen. Diese fallen normalerweise als Abfall- oder Nebenprodukt der Saft- und Marmeladenproduktion an. Freundeskreis bezieht die Kerne von regionalen Lieferanten, darunter das niederösterreichische Scaleup Kern Tec – brutkasten berichtete. Aus den Marillenkernen wird durch ein speziell entwickeltes Verfahren eine milchige Flüssigkeit gewonnen, die mithilfe von Reifekulturen, veganen Enzymen und Mikroorganismen zum „Cam-mhh-berta“ verarbeitet wird. Die Käsealternative kommt mit nur vier Zutaten aus: Marillenkerne, Salz, Wasser und vegane Reifekulturen.

Ein kritischer Punkt bei der Verarbeitung von Marillenkernen ist die darin enthaltene Blausäure, die gesundheitsschädlich sein kann. Hier hat Gründer und Forscher Leo Sulzmann ein spezielles Verfahren entwickelt, um die Blausäure auf natürliche Weise abzubauen.

Freundeskreis-Team wächst

Hinter dem Food-Startup Freundeskreis stehen Forscher und Geschäftsführer Leonhard Sulzmann sowie Co-Gründerin Mona Heiß. Während Sulzmann sich auf die wissenschaftlichen und technologischen Aspekte konzentriert, verantwortet Heiß die Kreativdirektion und den Markenaufbau. Zum Kernteam gehört außerdem Sales- und Operations-Verantwortliche Markus Korn. Mittlerweile zählt das Team sechs Mitglieder, die gemeinsam am weiteren Ausbau der Marke Freundeskreis arbeiten.

Zukünftig sollen mehr vegane Käsealternativen auf den Markt kommen

Freundeskreis arbeitet aktuell an der Entwicklung weiterer veganer Käsealternativen. Bereits Anfang nächsten Jahres soll eine vegane „Frischkäsevariante“ auf Basis der Marillenkerne auf den Markt kommen. Doch das ist nicht alles: Eine weitere Produktreihe ist bereits in Planung. Co-Gründerin Mona Heiß verrät, dass es sich dabei voraussichtlich um ein Produkt handeln werde, das speziell zum Backen geeignet sei. Langfristig will das Startup außerdem auch einen veganen „Hartkäse“ anbieten. Die Herstellung dieses Produkts ist jedoch komplexer, da es aufgrund des verwendeten Verfahrens eine bestimmte Zeit für die Reifung benötigt.

In den kommenden Wochen soll außerdem ein Online-Shop live gehen, über den die Produkte von Freundeskreis direkt bestellt werden können. Diese Plattform wird zunächst als Testversion betrieben, um herauszufinden, wie gut sich die Produkte für den Direktvertrieb eignen. Geplant ist dabei ein Modell, bei dem die Käsealternativen erst auf Bestellung und nicht auf Vorrat produziert werden. Weiter in die Zukunft gedacht, kann sich das Startup auch den Vertrieb in Supermärkten vorstellen.

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