18.08.2023

Gleam-Gründer “An meine neue Identität muss ich mich erst gewöhnen”

Mehr als zehn Jahre seines Lebens investierte Mario Eibl in sein Startup Gleam Bikes. Teilweise arbeite er mehr als 60 Stunden pro Woche für seine Firma. Im brutkasten-Talk gibt der Gründer nun erstmals einen tiefen Einblick in die Emotionen, die mit dem Scheitern seines Unternehmens verbunden sind.
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Mario Eibl (c) brutkasten

In der Startup-Szene nennt man es den “Startup-Rollercoaster”. Die Rede ist von den Höhen und Tiefen, die Gründer:innen in ihrer Unternehmenslaufbahn durchleben. In der Regel sprechen Gründer:innen lieber über ihre Erfolge als über ihre Misserfolge. Eine Ausnahme macht Gleam Bike Gründer Mario Eibl, dessen Startup Mitte Juni Insolvenz anmelden musste. Mitte August entschloss sich der Gründer, via LinkedIn an die Öffentlichkeit zu treten, um im Sanierungsverfahren Geld für das Fortbestehen seiner Firma zu sammeln. Der Versuch scheiterte schlussendlich. Seit ein paar Tagen stehen nun physische Teile, mit Ausnahme der Marke sowie Patente, auf der Auktionsplattform aurena.at noch bis zum 22. August zum Verkauf.

Der emotionale Rollercoaster

Im brutkasten-Talk spricht Eibl nun erstmals öffentlich über seine emotionalen Erfahrungen, die mit dem Scheitern seiner Firma einhergehen. “In der Startup-Welt spricht man oft über den Rollercoaster. Der ist jetzt natürlich da. Einerseits bin ich sauer auf das was jetzt passiert, dann wieder motiviert nach vorne zu schauen”, so Eibl.

Für seinen LinkedIn-Aufruf im Sanierungsverfahren hätte er zudem viel Zuspruch erhalten und erzielte damit mehr als 130.000 Impressions, so der Gründer weiter. Teilweise gab es allerdings auch Kritik an seiner Offenheit. So titelte ein Startup-Medium aus Deutschland, dass Eibl via LinkedIn um “Geld betteln” würde. Im Gespräch mit dem brutkasten erklärt er, warum er den Schritt an die Öffentlichkeit dennoch nicht scheute. “Ich habe nicht versucht, mich in die Öffentlichkeit zu drängen, um auf der Bühne zu stehen. Für mich war immer wichtig für das Startup und das Team zu kämpfen. Das war für mich der Grund, das LinkedIn-Posting abzusetzen”, so Eibl.

Von 60 bis 80 Arbeitsstunden pro Woche in die Insolvenz

Im weiteren Gespräch gibt Eibl auch einen tiefen Einblick in die persönlichen Emotionen, die mit dem Scheitern verbunden sind. “Emotional ist es natürlich schrecklich. Ich möchte aber damit offen umgehen und nicht den Kopf in den Sand stecken. Wir brauchen weiterhin Innovation in Österreich und Europa”, so Eibl, der mit seiner Offenheit auch andere Grüner motivieren möchte. Und er merkt kritisch an: “Es ist sicherlich frustrierend eine Bauchlandung hinzulegen, dennoch können wir nicht nur von großen und alten Unternehmen leben. Wir brauchen auch junge und neue Unternehmen, die innovativ sind”.

Auch sein Alltag hätte sich radikal verändert. “Ich habe Tage an denen ich denke: Was tue ich jetzt? Normalerweise bin ich 60 bis 80 Arbeitsstunden pro Woche gewohnt. Derzeit nutze ich die Phase, um Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Das tut uns allen gut, um Kraft zu schöpfen.”

Ganz hat sich der Gründer allerdings noch nicht mit der neuen Situation abgefunden, wie er im Gespräch verrät. “An meine neue Identität muss ich mich noch gewöhnen. Bin ich arbeitslos oder noch Founder und CEO von Gleam? Derzeit arbeiten sehr viele Themen in meinem Kopf. Ich glaube, dass meine Identität ‘Unternehmer’ ist. Ich werde im Bereich Impact und Unternehmertum weiterhin aktiv bleiben”, so Eibl.

Das persönliche finanzielle Risiko

Neben den emotionalen Herausforderungen gehen mit der Insolvenz auch persönliche finanzielle Risiken einher. Auch hier gibt der Gründer im Gespräch einen tiefen Einblick, mit welchen Herausforderung er nun zu kämpfen hat und wie ein mögliches Worstcase-Szenario aussehen könnte. “Ich habe Bürgschaften für die Bank abgeben und private Kredite aufgenommen, die ich nun zurückzahlen muss. Aufgrund der Höhe kann ich dies nicht machen und muss wahrscheinlich Privatinsolvenz anmelden”, so Eibl.

Dies würde bedeuten, dass im Falle einer Neuanstellung das Gehalt von Eibl auf ein Existenzminimum gepfändet wird. “Eine Bürgschaft für einen Kredit haben meine Eltern über eine eigene Immobilie abgegeben. Dort greift die Bank zu 100 Prozent auf die Bürgschaft zu. Nachdem sie ihr Haus nicht verkaufen wollen, zahlen sie einen gewissen Betrag an die Bank zurück. Das kann ich natürlich auch nicht bei meinen Eltern belassen. Sobald ich wieder ein Einkommen habe, werde ich das natürlich übernehmen.” Final sei der Prozess allerdings noch nicht geklärt, zunächst müssten noch die entsprechenden Tagsatzungen im Insolvenzverfahren definiert werden. Erst dann könnte festgelegt werden, wie viel Verbindlichkeiten die Gläubiger noch offen haben, so Eibl.

Wie geht es nun weiter mit Gleam?

Zudem gibt es noch weitere Aspekte, die noch nicht gänzlich geklärt sind. So stehen derzeit auf der Auktionsplattform aurena nur die physischen Assets zur Verfügung. Was mit der Marke bzw. den Patenten passiert, sei noch nicht klar, so der Gründer weiter. “Mein Interesse ist natürlich Brand & IP weiter zu verwerten”, so Eibl. Die näheren Details dazu müssten allerdings noch mit dem Masseverwalter abgeklärt werden.

Derzeit gebe es noch die Möglichkeit der Übernahme der Brand & IP durch eine bestehende Firma. Physische Bauteile wären aber bei einer derartige Übernahme nicht mehr inkludiert, da diese bereits über die Auktionsplattform zum Verkauf stehen. Auch die Gründung einer sogenannten NewCo – einer Auffangsgesellschaft – sei möglich, so Eibl. Hier müsste man allerdings rasch reagieren, um bestehende Kundenbeziehungen und das Know-how im Team nicht zu verlieren.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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