03.03.2021

Gender Bias im Recruiting: “Die Ungleichheit beginnt im Kopf”

Storebox-Co-Founder Johannes Braith über seine Erfahrungen mit Geschlechtergerechtigkeit im Hiring Prozess bei Startups.
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Johannes Braith ist Co-Founder von © Storebox
Johannes Braith ist Co-Founder von © Storebox

Mehr als 100 Standorte in mehr als 30 Städten – Storebox ist eines der am schnellsten wachsenden Startups in Europa. In einem Gastbeitrag erklärt Co-Founder und CEO Johannes Braith, wie sein Startup auch bei schnellem Wachstum dafür sorgt, dass der Frauenanteil im Unternehmen bei fast 50 Prozent liegt.

Ich bin davon überzeugt, dass diverse Teams in Unternehmen zu nachhaltigem Erfolg führen. Diversität sicherzustellen ist als Startup, vor allem in der Anfangsphase, keine einfache Aufgabe. Im Aufbau eines Unternehmens ist man oft sehr intensiv mit Produktthemen beschäftigt und versucht parallel schon die ersten Vertriebsaktivitäten zum Erfolg zu bringen. Somit bleibt meist also wenig Zeit, um sich mit Themen, welche die interne Organisation betreffen, zu beschäftigen.

Ähnlich ging es uns vor fünf Jahren als wir Storebox gegründet haben. Der Workload war immens hoch und wir arbeiteten Tag und Nacht, um unser Produkt auf den Markt zu bringen. Seitdem ist viel passiert und mittlerweile ist unsere Organisation breit genug aufgestellt, sodass eine Vielzahl an unterschiedlichen Themen bearbeitet und verbessert werden können – wie z.B. auch unser Recruiting Prozess. 

Hiring und Gender Equality bei Storebox 

Mittlerweile haben wir über die Jahre ungefähr 100 Personen gehired. Dabei haben wir bestimmt viele Fehler gemacht, einiges richtig gemacht aber auf alle Fälle viel gelernt. Im Laufe der Zeit hat sich unser Hiringprozess dramatisch professionalisiert. Und das liegt vor allem an Diana, unserer Head of People & Culture, die mit einer großen Expertise und Leidenschaft an die Sache herangeht. Während wir in der Anfangsphase legere Gespräche in unserer Kaffeeküche in unserem ersten kleinen Office machten, so gibt es jetzt mehrstufige Aufnahmeverfahren inklusive positionsbezogene Assessments und allem was dazu gehört. Macht das die Qualität unseres Recruiting Prozesses besser? Ich würde sagen, ja, zum Teil.

Mindestens so wichtig ist allerdings unser Bewusstsein für Gender Equality Themen, um auch langfristig ein diverses Team aufzubauen, welches eine Vielzahl an Stärken vereint. Dass in der Startup bzw. Tech Welt Frauen unterrepräsentiert sind, ist kein Geheimnis. Mit Initiativen wie Female Founders und Female Factor haben wir auch hierzulande tolle Bewegungen die dieses Ungleichgewicht nicht nur aufzeigen, sondern auch aktiv etwas dagegen unternehmen. 

“Natürlich waren die Founder alle männlich”

Doch wer bin ich, um in diesem Kontext überhaupt etwas dazu sagen zu dürfen? Vor fünf Jahren startete ich mit zwei Personen das Venture Storebox. Drei unterschiedliche Typen mit unterschiedlichen Backgrounds; Tech, Consulting & Logistik. Wie sollte es anders sein; natürlich waren die Founder dieses neuen Unternehmens alle männlich. Die ersten Monate arbeiteten wir zu Dritt an dem Produkt. Die ersten Mitarbeiter waren zwei Entwickler und ein Seller – alle männlich. Und so ging das weiter.

Es war nicht so, dass wir Frauen kategorisch ablehnten, im Gegenteil. Wir beklagten uns sogar, dass wir keine Bewerberinnen hatten. Wir schoben das natürlich auf oberflächliche und auch kurzsichtige Ausreden wie “im Tech Bereich gibt es einfach wenig Frauen, Logistik ist eine Männerdomäne, etc”. Dass wir selbst schuld an dieser Situation waren, begriffen wir erst viel später. Dass z.B. unsere Stellenausschreibungen absolut unpassend formuliert waren, kam uns nicht in den Sinn. Auf jeden Fall dauerte es einige Monate, bis sich die ersten Kolleginnen zu uns “verirrten”. 

Ausschreibung: Der Wurm liegt im Detail

Mittlerweile achten wir sehr auf eine diverse Recruiting Strategie, auf Formulierungen in Jobinseraten, auf interne Weiterentwicklung von unseren Kolleginnen, den Anteil von Frauen, die wir im Active Sourcing ansprechen und noch viel mehr. Besonders, seit wir bei den Jobausschreibungen auf die Sprache und den Inhalt achten, merken wir, dass der Anteil an Bewerberinnen höher ist. Die korrekte Formulierung beginnt bereits bei dem Titel. Wir versuchen männlich geprägte Begriffe wie Entwickler, Vertriebsleiter oder Teamleiter, etc. zu vermeiden. Meist eignen sich englische Job Titel sehr gut, um sie geschlechterneutral formulieren zu können (z.B. Developer m/w/d).

Auch die beschriebenen Anforderungen sollten wohlüberlegt sein. Wir konnten beobachten, dass sich Frauen eher auf ein Jobinserat bewerben, bei dem Sie sich ziemlich sicher sind, dass sie die beschriebenen Anforderungen erfüllen. Männer sind hier manchmal eventuell etwas unehrlicher zu sich selbst und neigen dazu ihre Fähigkeiten etwas zu überschätzen. Diese Pauschalierungen haben natürlich keine allgemeine Gültigkeit und klarerweise gibt es hier Ausnahmen. Last but not least ist es oft auch ratsam wenn je eine Frau sowie ein Mann über die Stellenausschreibungen liest, um potenziell kritische Formulierungen ausschließen zu können. 

Und unsere Zahlen sprechen für sich. 67% unserer Department Head Ofs sind Frauen. Inklusive uns drei Foundern ist die Männer/Frauen-Ratio im Management-Team noch immer bei 50:50. Und über die gesamte Company liegt der Frauenanteil bei 46%. Verglichen mit einem 10 prozentigen Anteil an Frauen in Führungspositionen im Tech Bereich machen wir mittlerweile hier anscheinend hoffentlich doch ein bisschen was richtig. 

Die Ungleichheit beginnt im Kopf

Ein Artikel von Brian J. Lucas et. al, der im Journal nature human behaviour und im Harvard Business Review veröffentlicht wurde, blieb mir besonders in Erinnerung und packt das Problem an der Wurzel. Die schlüssige These lautet, dass Gender Equality in der Struktur der informellen Recruiting Prozesse liegt und somit, ganz lapidar formuliert, im Kopf beginnt. Stellen Sie sich vor, dass Sie eine/n Manager*in im Technologie oder Startup Umfeld einstellen möchten. Das logische Ziel ist es, die Stelle schnell und vor allem in hoher Qualität zu besetzen. Einige potenzielle Kandidat*innen haben Sie bereits im Hinterkopf: Ein Kandidat, den Sie bei einem der letzten Events ihrer Alma Mater kennengelernt haben, einen weiteren, der von einem ihrer Mentoren empfohlen wurde und eine Empfehlung, die von Ihrem Cousin kommt.

Bevor also auch nur das Jobinserat formuliert, geschweige denn veröffentlicht wurde, haben Sie bereits eine Shortlist an potenziellen Kandidat*innen im Kopf. Und eines ist Gewiss. Diese Kandidat*innen bekommen im Prozess, vielleicht auch nur unterbewusst, mehr Aufmerksamkeit als alle Kandidat*innen, welche sich regulär bewerben. Das große Problem an diesen Shortlists ist, vor allem in den von Männern dominierten Bereichen, dass aufgrund des hohen Männeranteils unterbewusst davon ausgegangen wird, dass Männer besser zu der offenen Stelle passen als Frauen und somit meist (von Männern) Frauen gar nicht berücksichtigt werden. Und genau dieser Vorgang manifestiert sich reflexartig in den Shortlists in unseren Köpfen. Die Studie hat einen konkreten Vorschlag, um diesem Denkmuster entgegenzuwirken: Erweitern Sie die informelle Shortlist an Bewerberinnen.

Wissenschaftliche Studien zu Gender Equality im Hiring

Um diese Idee zu testen wurde folgendes Experiment an 858 Personen durchgeführt. Die Proband*innen wurden gebeten eine Shortlist für die Hauptrolle eines neuen Action Thrillers zu erstellen. Konkret mussten sie drei Personen vorschlagen, welche die Rolle ihrer Einschätzung nach optimal erfüllen würden. Nachdem die Shortlist erstellt wurde, mussten die Proband*innen die Shortlist um weitere 3 Personen erweitern. Das Ergebnis zeigte, dass der Frauenanteil in der erweiterten Liste um 33% höher war als in der initialen Shortlist.

Um diese Ergebnisse auf das spezifische Problem unserer Branche (Hiring in Startup/Tech) umzulegen, wurde der Test dementsprechend erweitert. Der nächste Versuch umfasste eine Teilnehmerzahl von 265 Personen mit Berufserfahrung im Tech Bereich. Das neue Szenario sah vor für ein führendes Tech Unternehmen im Silicon Valley einen CEO einzustellen. Wieder wurden die Teilnehmer*innen gebeten eine Shortlist zu erstellen, welche drei potenzielle Kandidat*innen umfasst. Direkt im Anschluss musste die Liste wieder um drei weitere Namen erweitert werden. Und siehe da; die erweiterte Shortlist enthielt um 44% mehr Frauen als die initiale Liste.

Mehr Zeit für Brainstorming hilft

Doch wie ist dieses Phänomen erklärbar? Um dieses Problem besser verstehen zu können, bediente man sich weiterer bestehender Studien, welche erforschen wie Kreativitätsprozesse und Ideenfindungen funktionieren. Eine der beleuchteten Studien zeigt; je mehr Zeit mit Brainstorming und der Findung von Lösungen verbracht wird, desto größer ist das Delta vom ersten Status Quo zur schlussendlichen Lösung. Diese Schlussfolgerung lässt die Hypothese zu, dass je mehr Zeit für die Shortlist aufgebracht wird, die Wahrscheinlichkeit übliche Denkmuster aufzubrechen, ansteigt. 

Die Ergebnisse der ersten zwei Studien wurden in einer Erweiterung einem erneuten Test unterzogen. Mehr als 3000 Studentinnen wurden gebeten die zwei Studien (Action Thriller & Tech CEO) zu wiederholen. Danach mussten sie jeweils aus der n=3 bzw. aus der n=6 Shortlist eine Priorisierung abgeben. Dabei kam heraus, dass in den n=6 Shortlists die top Priorisierung von Frauen von 15% auf 20% anstieg. 

Welche konkreten Learnings können daraus gezogen werden? 

Falls Sie das nächste Mal in der Situation sind über ein Hiring nachzudenken oder gar zu entscheiden, dann nehmen Sie sich mehr Zeit, um die informelle Shortlist in Ihrem Kopf zu überdenken. Die vorab beschriebenen Studien zeigen, dass eine Erweiterung der informellen Shortlists einen signifikanten Einfluss auf den Frauenanteil bei BewerberInnenlisten bzw. Entscheidungen hat. Natürlich ist dieser Ansatz keine allumfassende Lösung, um Gender Equality sicherzustellen. Das wäre natürlich viel zu kurz gegriffen. Doch es hilft vielleicht bereits im ersten Schritt über das Thema reflektiert nachzudenken. Jeder der das gelesen hat, kann einen positiven Beitrag leisten. 

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Clemens Brunner (CEO, Co-Founder) und Fabian Knirsch (CEO, Co-Founder) der sproof GmbH (c) sproof

Im vergangenen Herbst sicherte sich das Salzburger LegalTech sproof eine Kapitalspritze von über drei Millionen Euro. Teils als Eigenkapital-Investment, teils als Förderung – brutkasten berichtete.

Schon damals kündigte man an, den Ausbau der Services im europäischen Markt vorantreiben zu wollen. Die Vision: “Wir möchten, dass die E-Signatur in Europa so gewöhnlich wie die eigene handschriftliche Unterschrift wird – nur zusätzlich revisionssicher”, äußerte Co-Founder Clemens Brunner damals seine Pläne. Im Vordergrund stand das Produkt “sproof sign”, das sich auf rechtsgültige, DSGVO-konforme, digitale Signaturmöglichkeiten spezialisiert.

Die Überholspur

Nun gibt es Neuigkeiten rund um das Salzburger Jungunternehmen: Das Core Product “sproof sign” nahm sich das Team rund um Founder Clemens Brunner und Fabian Knirsch genauer unter die Lupe. Nun möchte man mit der neu entwickelten “Fast Lane” – zu Deutsch: Überholspur – den digitalen Signaturprozess vereinfachen:

Das Signieren wird fortan auf Empfänger:innen-Seite “ohne komplizierte Registrierungsprozesse” möglich. Nach eigenen Angaben können Unternehmen Verträge und “komplexe Signaturabläufe” in sproof sign abbilden. Mit der neuen Option “Fast Lane” sei weiters ein Versenden per Link, E-Mail oder QR-Code möglich.

Für die Empfangenden würde sich der Signaturprozess damit deutlich erleichtern, heißt es vom Salzburger Startup. Vertragsprozesse zwischen Unternehmen und deren Endkund:innen seien damit barrierefrei möglich. “Wir wollen sicherstellen, dass jeder, unabhängig von Alter oder technischen Kenntnissen, die Vorteile der elektronischen Signatur nutzen kann”, so die Co-Founder Brunner und Knirsch.

Die neue “Fast Lane” sei außerdem flexibel einsetzbar: So könne man etwa Postsendungen um einen QR-Code ergänzen, diesen scannen und somit auch “Nicht-Digital-Natives” – wie das Startup sie nennt – “mit wenigen Klicks” einen “sehr minimalistischen und barrierefreien digitalen Vertragsprozess” zumuten.

Sony DADC bereits Kunde

Über Prominenz in der Kundschaft kann das Salzburger LegalTech ebenso berichten: So zählt Sony DADC – ein international tätiger Hersteller von optischen Speichermedien und Teil der Sony Corporation – neben der Universität Hamburg und dem japanischen Halbleiter- und Industrie-Konzern Kyocera zum Kundenportfolio.

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