20.07.2020

Warum uns Amazon-Bashing im Post-Corona-Zeitalter nicht weiterhilft

"Kick it like Bezos" - im Gastkommentar erteilt Michael Zettel, Country Managing Director von Accenture Österreich, dem "Amazon-Bashing" eine Absage und erläutert die Chancen Österreichs in der Plattformwirtschaft.
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Top100 . Accenture Österreich-Chef Michael Zettel über Amazon-Bashing und Plattformwirtschaft
(c) Martina Draper: Accenture Österreich Chef Michael Zettel

Es war ja fast wie Weihnachten: Coronazeit war Packerlzeit. Doch wenn der Postler die braune Kartonschachtel mit dem Amazon-Smiley vorbeibrachte, musste man sie rasch ganz verstohlen zur Seite räumen und hoffen, dass es der Nachbar nicht gesehen hat. Amazon-Bashing ist in der Corona-Krise zu einem beliebten Sport geworden. Die einen oder anderen Kritikpunkte mögen gerechtfertigt sein – dies möchte ich an dieser Stelle nicht kommentieren.

Amazon-Bashing wird die Entwicklung nicht aufhalten

Aber: Jeff Bezos hat’s heraußen. Amazon weiß einfach, wie’s geht. Das Unternehmen ist das Maß aller Dinge punkto Angebot, Customer Experience und Qualität. Es definiert Online-Shopping. Es hat die Plattformwirtschaft nicht nur verstanden, es hat sie zu einem großen Teil mitgeschaffen, erschaffen. Es hat sich diese singuläre Stellung hart erarbeitet, die jetzt so gern kritisiert wird. Und wie alle großen Trends, Erfolgskonzepte und Ideen werden wir in Österreich mit Amazon-Bashing diese Entwicklung nicht aufhalten. Was wir tun können, um die vorherrschende Marktposition einzudämmen und ein größeres Stück vom süßen Kuchen Online-Handel mitnaschen zu können? Das Erfolgskonzept kopieren, weiterentwickeln, etwas Österreichisches daraus machen!

Amazon zählt neben Apple, Microsoft, Google und Alibaba zu den umsatzstärksten Unternehmen der Welt. Sie alle sind Plattformunternehmen. Österreichische Unternehmen können davon genauso profitieren. Eine Partizipation an der Plattformwirtschaft birgt enorme Potenziale für die heimischen Betriebe. Unsere jüngste Studie für das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zeigt auf, dass aktuell lediglich ein Prozent der Umsätze heimischer Unternehmen über Online-Marktplätze erwirtschaftet werden. Das entspricht gerade mal sieben bis acht Milliarden Euro. Um allein zu den europäischen Vorreitern aufzuschließen, müsste sich der Umsatzanteil über Plattformen in Österreich verdoppeln. Wir haben massiven Aufholbedarf in der Plattformökonomie. Das betrifft KMU genauso wie Konzerne und Großunternehmen.

Kein “one size fits all” in der Plattformwirtschaft

Es gibt in unserem Land nur ganz, ganz wenige Beispiele von erfolgreichen Plattformen. George der Erste Bank Group zählt dazu. Und das betrifft nicht nur B2C-Unternehmen, wie heute noch viele irrtümlich glauben. Nein, der nächste Trend sind B2B-Plattformen. Warum? Weil die Einkäufer in den Unternehmen dieselben Personen sind, die in ihrer perfekten B2C-Welt shoppen. Sie haben im Business-Umfeld die gleichen Ansprüche in Sachen Customer Experience wie im privaten. Das müssen wir ihnen bieten. Der Manager, der in seinem Privatleben komfortabel mit einem Click und One-Day-Delivery einkauft, will nicht ein Fax schicken oder ein von Hand unterschriebenes PDF einscannen. 

In der Plattformwirtschaft gibt es – wie überall anders auch – nicht nur eine Antwort, kein “one size fits all”. Darum gilt es, individuelle Plattformstrategien zu entwickeln. Ein Anschluss an eine bestehende Plattform kann für das eine Unternehmen der richtige Weg sein. Man kann zum Beispiel eine Billigschiene auf einer herkömmlichen B2C-Plattform vermarkten und für die High-End-Produkte einen anderen Weg gehen. Ebenso besteht eine Option darin, über eine eigene Plattform nachzudenken – nicht als Konkurrenz zum Riesen Amazon, sondern in definierten Nischen. Und schlussendlich gibt es geschlossene Plattformen – insbesondere im B2B-Bereich. Diese sind dann passend, wenn man eine geschlossene Gruppe von Zielkunden hat. Ein überaus interessanter Aspekt der Plattformökonomie ist die Offenheit. Will ich meine Leistungen mit Angeboten Dritter erweitern? Mein Portfolio wächst, aber meine Partner haben damit Zugang zu meinen Kunden – definitiv eine komplexe strategische Entscheidung.

Manager müssen sich heute die Frage stellen: Wie und welche Plattform kann mich weiterbringen, um meinen Umsatzanteil zu erhöhen? Dazu gilt es, eine Strategie zu entwickeln und rasch, verdammt rasch, umzusetzen. Wir müssen jetzt Geschwindigkeit aufnehmen, damit Europa und Österreich von der Plattformwirtschaft nicht überrollt wird. Das erste Ziel, ein Etappenziel am Weg zum Plattform-Champion, ist, innerhalb von zwei bis drei Jahren 20 bis 30 Prozent der Umsätze im Kerngeschäft online via Plattform zu erwirtschaften. Plattformen sind ein Game Changer – im Consumer-Bereich und demnächst im Business-Bereich. Die Plattformstrategie wird bald, sehr bald entscheiden, wo Ökonomien und Unternehmen stehen. Österreich hat alle Chancen, vorne mit dabei zu sein. Wir müssen nur die Ärmel hochkrempeln und was tun.

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Christian Praxmarer, ab sofort COO, sowie Darren Verlenden, ab sofort CEO von Single Use Suport (c) Single Use Support

Das 2016 gegründete Tiroler Scaleup Single Use Support entwickelt und erzeugt mechatronische Anlagen für die Pharmaindustrie. Konkret hat sich das Unternehmen der Gründer Johannes Kirchmair und Thomas Wurm auf Komplettlösungen für den Umgang mit Flüssigarzneimitteln spezialisiert. Single Use Support positioniert sich indes als Anbieter von innovativen Flüssigkeitsmanagement- und Kühlkettenlösungen für die biopharmazeutische Industrie.

Mehrheitsübernahme nach Exit-Gerüchten

Gut sieben Jahre nach seiner Gründung stand ein “Milliarden-Exit” im Raum – damals soll der Laborausrüster Sartorius Interesse an einer Übernahme bekundet – brutkasten berichtete. Im Mai dieses Jahres kam schließlich die Botschaft zur Mehrheitsübernahme. Allerdings nicht vom besagten Laborausrüster. Die dänische Novo Holdings übernahm mit 60 Prozent die Mehrheit an Single Use Support – der Kaufpreis wurde nicht genannt.

Nun bekommt das Unternehmen mit Darren Verlenden einen neuen CEO. Zuletzt war Verlenden als Executive Vice President für den Bereich Prozesslösungen bei der Merck KGaA Darmstadt Deutschland tätig. Bisher weist Verlenden über 20 Jahre Erfahrung im Life-Science Bereich vor. In seiner neuen Position soll er für die Wachstumsstrategie und den Ausbau der globalen kommerziellen und operativen Präsenz des Tiroler Scaleups verantwortlich sein.

Verlenden wird CEO, Praxmarer nun COO

“Ich freue mich darauf, einem so talentierten Team beizutreten und Single Use Support dabei zu helfen, die nächste Phase seines Wachstumskurses einzuleiten”, so Verlenden. “Das Portfolio hat einen außergewöhnlichen, differenzierten Wert und eine starke Tradition in der Bereitstellung innovativer Lösungen, die den sich wandelnden Bedürfnissen unserer Kunden gerecht werden.”

Christian Praxmarer, der seit November 2023 als CEO im Kufsteiner Scaleup tätig war, wird als Co-Geschäftsführer und Chief Operating Officer mit Sitz in Kufstein weiterhin “ein wichtiger Teil des Führungsteams” sein, heißt es vom Unternehmen. Gemeinsam soll das Führungsteam daran arbeiten, die Marktposition des Unternehmens zu stärken.

Johan Hueffer, Senior Partner, Principal Investments bei Novo Holdings, dem Mehrheitseigentümer des Scaleups, sagt zum Führungswechsel: “Wir freuen uns, Darren im Single Use Support Team begrüßen zu dürfen. Er ist eine dynamische, globale Führungspersönlichkeit mit hochrelevanter Erfahrung und passt hervorragend in die Single Use Support Organisation.”

Neue CCO und zwei neue Beiräte

Zusätzlich zur Ernennung des neuen CEOs hat Single Use Support sein Führungsteam mit Ulrike Lemke als Chief Commercial Officer (CCO) verstärkt. Lemke war zuvor in leitenden Positionen im Bereich Handel und Produktion bei Lonza, Sartorius und zuletzt bei Recipharm tätig.

Darüber hinaus wurden zwei leitende unabhängige Direktoren in den Beirat von Single Use Support berufen. Meeta Gulyani, die über Erfahrung in den Bereichen Vertrieb, Strategie und M&A in der Pharma- und Life-Science-Industrie verfügt, sowie Stefan Stoffel, der über Kenntnisse und Erfahrung in den Bereichen Betrieb und Produktion in der Bioprozessindustrie verfügt. Beide werden künftig als Beiräte von Single Use Support fungieren.

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AI Summaries

Warum uns Amazon-Bashing im Post-Corona-Zeitalter nicht weiterhilft

  • Coronazeit war Packerlzeit, doch wenn der Postler die braune Kartonschachtel mit dem Amazon-Smiley vorbeibrachte, musste man sie rasch ganz verstohlen zur Seite räumen und hoffen, dass es der Nachbar nicht gesehen hat.
  • Amazon-Bashing ist in der Corona-Krise zu einem beliebten Sport geworden.
  • Doch Amazon weiß einfach, wie’s geht – das Unternehmen ist das Maß aller Dinge punkto Angebot, Customer Experience und Qualität und definiert damit Online-Shopping.
  • Und wie alle großen Trends, Erfolgskonzepte und Ideen werden wir in Österreich mit Amazon-Bashing diese Entwicklung nicht aufhalten.
  • Was wir tun können, um die vorherrschende Marktposition einzudämmen und ein größeres Stück vom süßen Kuchen Online-Handel mitnaschen zu können?
  • In der Plattformwirtschaft gibt es – wie überall anders auch – nicht nur eine Antwort, kein “one size fits all”.

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