20.01.2020

Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung

Im Interview erläutern die beiden Direktorinnen der Sparte HR-Consulting von Deloitte Österreich, Anna Nowshad und Elisa Aichinger, wie Organisationsstrukturen sich wandeln und wie sich Führungskräfte daran anpassen müssen.
/artikel/fuehrungskraefte-anforderungen
Anna Nowshad und Elisa Aichinger über Führungskräfte im Wandel
(c) Deloitte Österreich: Anna Nowshad und Elisa Aichinger


Mit der fortschreitenden Digitalisierung ist auch die Arbeitswelt in einem starken Wandel begriffen. Nicht nur für einfache Mitarbeiter ändert sich dadurch einiges. Auch und vor allem Führungskräfte sind mit vollkommen neuen Anforderungen konfrontiert. Im Interview erlklären die beiden Direktorinnen der Sparte HR-Consulting von Deloitte Österreich, Anna Nowshad und Elisa Aichinger, wo die Herausforderungen liegen und in welchen Bereichen der Wandel vielleicht doch nicht so groß ist, wie noch vor Kurzem erwartet.

+++ Vom Startup zum Scaleup – wenn das Team rasant wächst +++


Viele Unternehmen reklamieren heute flache Hierarchien für sich. Ist das in der Praxis tatsächlich so?

Anna Nowshad: Es ist eher ein kontinuierlicher Wandel. Es kommt immer wieder vor, dass Hierarchien zunächst schlanker gemacht werden und dann wieder eingezogen werden. Was sich dagegen überall durchzieht, ist das Überdenken von Führungsstrukturen, Abteilungen und Abteilungsgrenzen mit dem Ziel, mehr abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Eine zweite Tendenz, die wir beobachten ist, dass auch das klassische Bild von Jobs immer mehr überdacht wird. Die langen Job-Beschreibungen, die so festgeschrieben sind und sich nicht mehr ändern, gibt es kaum noch. Die Profile werden immer breiter und dafür gibt es innerhalb einer Job-Bezeichnung unterschiedliche Rollen, die je nach Stärken der Mitarbeiter und Bedarf des Unternehmens neu zusammengestellt werden.

“Der Hierarchie-Begriff an sich muss teilweise neu definiert werden.”

Elisa Aichinger: Ein Grund, warum Unternehmen flachere Hierarchien für sich reklamieren ist ja auch, dass man immer stärker projektbezogen arbeitet. Man findet sich für projektspezifische Aufgaben in einem neuen Team zusammen, das sich nach dem Abschluss wieder auflöst. Aus meiner Sicht sind das dann nicht “flache” oder “steile” Hierarchien, sondern der Hierarchie-Begriff an sich muss dazu teilweise neu definiert werden. Hierarchie heißt nicht mehr unbedingt disziplinäre Verantwortung und Führungsverantwortung, sondern inhaltliche Verantwortung.

Natürlich gibt es auch Versuche mit holokratischen Organisationen, wo man von Hierarchien absieht und Entscheidungen basisdemokratisch den Mitarbeitern überlässt. Typischerweise müssen aber auch solche Prozesse gemanagt und orchestriert werden. Es braucht also auch in der Holocracy Leute, die das Ruder in die Hand nehmen.

Anna Nowshad und Elisa Aichinger über Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung
(c) Deloitte Österreich: Anna Nowshad und Elisa Aichinger

Führungskräfte bleiben uns also erhalten. Wie sollte diese Führung heute im Optimalfall aussehen?

Aichinger: Führungskräfte müssen damit umgehen können, dass sie nicht mehr für einzelne Personen konstant zuständig sind, sondern eher für ein Projektergebnis. Führungskräfte müssen auch lernen, damit umzugehen, dass sie eine buntere Belegschaft managen – sowohl was Herkunft und Geschlecht betrifft als auch was die Arbeitsformen angeht. Es gibt hier einen klaren Trend, dass die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Mitarbeitern nicht mehr unbedingt im klassischen unbefristeten Vollzeit-Angestellten-Verhältnis passiert. Eine “bunte Belegschaft” bedeutet also auch, etwa mit Vertragsnehmern und Gig-Workern zusammenzuarbeiten. Das führt dazu, dass es umfassendere Anforderungen an Führungsaufgaben gibt.

Nowshad: Das sind heute vielfältigere Aufgaben. Führungskräfte müssen die Innovation vorantreiben, die Transformation managen und dabei auch die Mitarbeiter mitnehmen und zugleich die Zahlen im Blick behalten, etwa den Return on Investment. Das muss aber nicht in einer Person vereint sein. Es gibt nicht die eine perfekte Führungskraft. Vielmehr gibt es für jede dieser Aufgaben und Situationen die richtige Person. Umso wichtiger ist es dann, dass dieses Team gut orchestriert ist und Platz dafür ist, dass sich diese Führungskräfte miteinander abstimmen und dadurch in eine gemeinsame Richtung gehen.

Aichinger: Das heißt natürlich auch, dass eine klare, fokussierte Geschäftsstrategie im Unternehmen noch wichtiger wird. Wenn ein Führungsteam in die selbe Richtung marschieren soll, muss es auch wissen, was die Richtung ist. Und da reicht nicht nur die “Himmelsrichtung”, sondern man muss in der Strategie spezifischer sein. Und diese Form der Kollaboration, bei der es oft auch zu Reibung kommt, braucht entsprechend Zeit. Führungsarbeit heißt dann weniger tagtägliches Management, sondern mehr People- und Change-Management sowie Entwicklungsarbeit in der Organisation.

+++ Mehr zum Thema HR +++

Stichwort People Management. Wie möglich und sinnvoll ist „9 to 5“ heute noch?

Aichinger: Das kommt auf die Tätigkeit und die Branche an. Genau so ist es auch mit den neuen, alternativen Arbeitsformen wie Gig Working und Co. Es gibt ja nach wie vor Jobs – und das wird auch langfristig so bleiben – für die eine fixe Arbeitszeit und eine gewisse Ortsgebundenheit notwendig ist. Dann gibt es aber eine ganze Reihe an Jobs, die zeitlich und örtlich unabhängiger werden und es auch ermöglichen, dass man nicht unbedingt physisch anwesend sein muss. Eine kürzlich von uns durchgeführten Studie hat ergeben, dass mehr als 80 Prozent der Unternehmen eine Steigerung von alternativen Arbeitsformen erwarten. Da geht es aber noch vorwiegend um klassische Modelle wie Werkvertrag und freier Dienstnehmer. Die neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung bringt, werden noch wenig genutzt. Diese werden aber eine wichtige neue Quelle für Kompetenzen, internationales Wissen, Innovation und Weiterentwicklung.

Kann die Digitalisierung durch Automatisierung auch dazu führen, dass sich die Arbeitszeiten generell verkürzen?

Nowshad: Wenn immer mehr Routine-Tätigkeiten automatisiert werden, kann das natürlich auch dazu führen – allerdings nur bei gewissen Jobs. Da geht es um die Frage, was künftig eigentlich die Leistung im Job ist. Ist er nur “vollwertig”, wenn man 40 Stunden pro Woche arbeitet, oder geht es um einen Zweck und spezifische Ergebnisse, die einen gewissen Wert für das Unternehmen haben.

“Auch die hochautomatisierten Bereiche gilt es zu managen”

Aichinger: Bezogen auf die neuen Arbeitsformen kann außerdem “Vollzeit” auch bedeuten, dass man mehrere unabhängige Einkommensquellen in unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen hat.

Viele Tätigkeiten werden sich mittelfristig auch vollkommen automatisieren lassen. Wird es bald Unternehmen ganz ohne Mitarbeiter geben?

Nowshad: Unternehmen nein, Bereiche ja. Es gibt ja auch jetzt etwa in der Güterproduktion viele fast vollkommen automatisierte Prozesse. Ganz ohne Menschen kommt man zwar auch dort nicht aus, aber mit sehr wenigen. Gleichzeitig gibt es im selben Unternehmen Bereiche, die hochgradig mitarbeiterintensiv sind, etwa in der Kundenbetreuung. Kundenpräferenzen richtig erkennen, die richtigen Schlüsse aus Daten ziehen und das in Aktivitäten übersetzen, Customer Experience und nachhaltige Kundenerlebnisse gestalten – das sind Aufgaben, die auch künftig vorrangig von Personen ausgeübt werden. Und auch die hochautomatisierten Bereiche gilt es zu managen, um am Ende beides gut voranzutreiben.

Das heißt, der Mensch, der den Unternehmensbereich ohne Mitarbeiter leitet, ist trotzdem ein Manager?

Nowshad: Ja, ganz genau. Er hat andere Aufgaben und ist wahrscheinlich auch ein anderer Typ. Aber managen heißt ja nicht unbedingt, Menschen zu führen, sondern kann auch bedeuten, ein Business zu entwickeln oder Innovation voranzutreiben. Und auch der hochautomatisierte Bereich muss profitabel gehalten werden.


Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form als Teil der Cover-Strecke im brutkasten Magazin #9 “Vom Startup zum Scaleup” ⇒ hier online Lesen!

Sofern eine Printversion des Magazin gewünscht ist, bitte eine E-mail an [email protected]


⇒ Zur Deloitte Österreich-Page

Redaktionstipps
Deine ungelesenen Artikel:
19.11.2024

UpNano ermöglicht Massenfertigung industrieller Mikroteile

Das Wiener Startup UpNano stellt sein neues 3D-Drucksystem NanoPro VT vor und verspricht damit „ein völlig neues Kapitel in der Geschichte der industriellen Serienfertigung“.
/artikel/upnano-ermoeglicht-massenfertigung-industrieller-mikroteile
19.11.2024

UpNano ermöglicht Massenfertigung industrieller Mikroteile

Das Wiener Startup UpNano stellt sein neues 3D-Drucksystem NanoPro VT vor und verspricht damit „ein völlig neues Kapitel in der Geschichte der industriellen Serienfertigung“.
/artikel/upnano-ermoeglicht-massenfertigung-industrieller-mikroteile
Der neue NanoPro VT (c) UpNano

Dank der 2PP-3D-Technologie (Zwei-Photonen-Polymerisation) kann UpNano hochpräzise Strukturen im Mikro- und Nanobereich drucken. Dadurch wird die Herstellung großer Mengen von bislang nicht realisierbaren Mikroteilen für industrielle Produktionsprozesse möglich. Darüber hinaus bietet das Unternehmen die Möglichkeit, lebende Zellen für biologische Anwendungen zu drucken – brutkasten berichtete.

Mit dem neuen NanoPro VT führt UpNano nun ein vollständig integriertes, auf 2PP-Technologie basierendes Servicemodell ein. Dieses Angebot stellt laut eigenen Angaben den „weltweit ersten Service für die Serienfertigung von 2PP-3D-gedruckten Mikroteilen“ dar.

NanoPro ermöglicht hohe Skalierung von industriellen Mikroteilen

Die präzise Fertigung von Prototypen mittels 2PP-3D-Druck hat die Entwicklungsprozesse in zahlreichen Industrien transformiert. Allerdings gab es bisher immer einen entscheidenden Nachteil: Die langen Produktionszeiten. Mit der Einführung des NanoPro-Services möchte UpNano genau dieses Problem lösen. Das Angebot soll neue Möglichkeiten in der Skalierung und Massenfertigung industrieller Mikroteile eröffnen. Dabei setzt NanoPro auf ein effizientes und kostensparendes Verfahren, um die Produktion von Polymer-Kleinteilen mit 2PP-3D-Druck zu skalieren.

Zum Launch äußert sich UpNano-CEO Bernhard Küenburg: „Wir sind sehr stolz darauf, unseren Kunden mit der Nutzung dieses Hochleistungsdruckers den allerersten voll integrierten Service für die Produktion von Mikroteilen, die bisher nicht produzierbar waren in industriellen Mengen anbieten zu können. […] Ob Prototyping, Batch- oder Serienproduktion – wir bieten maßgeschneiderte Lösungen bis hin zur weltweiten Auslieferung“.

Hohe Leistungsfähigkeit

Das patentierte Drucksystem NanoPro VT erlaubt eine Leistungsfähigkeit von 32 Megavoxel (Millionen Volumenpixel) pro Sekunde. Laut CTO Peter Gruber eröffnet dies die Möglichkeit, „Millionen identischer Teile zu drucken – oder eine gleiche Anzahl mit individuellen Merkmalen. Dazu bietet der NanoPro VT eine Detailauflösung von unter 100 nm. Auch die Möglichkeit, 200 mal 200 Millimeter große Substrate vollflächig zu bedrucken ist bislang einzigartig“.

Mit der Einführung des integrierten NanoPro-Services können Nutzer:innen der NanoOne-Serie ihre Designs nun nahtlos in die Serienfertigung überführen. Erste Schritte wie die Designerstellung und das Drucken von Prototypen werden dabei intern durchgeführt, wobei Kund:innen während des gesamten Prozesses von eine:r Expert:in unterstützt werden. CEO Küenburg hebt hervor, dass Kund:innen durch diesen Service „keinen Reinraum, keine Post-Processing-Geräte und auch in keine eigene Messtechnik oder Qualitätskontrolle für den 2PP 3D-Druck investieren müssen“.

UpNano will Produktionsprozesse beschleunigen

Das Wiener Startup UpNano positioniert sich als High-Tech-Unternehmen mit Fokus auf die Entwicklung, Produktion und Vermarktung hochauflösender 3D-Drucker. Dabei bietet UpNano seinen Kund:innen ein umfassendes Gesamtpaket aus Hardware, Software und optimierten Druckmaterialien, um die Fertigung von polymeren Mikroteilen zu ermöglichen. Seit seiner Gründung im Jahr 2018 verfolgt das Unternehmen das Ziel, Produktionsprozesse zu beschleunigen, die Detailauflösung kontinuierlich zu verbessern und das verfügbare Material-Portfolio stetig zu erweitern.

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Führungskräfte in Zeiten von Holocracy, Gig-Economy und Automatisierung