08.06.2015

Foundertalk: Marco Rodzynek gibt dem Brutkasten persönliche Einblicke

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© NOAH: Marco Rodzynek hat die NOAH-Konferenz im April 2009 gegründet.

Marco Rodzynek ist Investment Banker, Gründer von NOAH Advisors und Organisator der NOAH Konferenz. Der gebürtige Deutsche hat vor der Pleite von Lehman Brothers die IPOs von Xing oder TomTom mitbetreut. Seine eigene Beratungsfirma NOAH Advisors fokussiert sich auf den Verkauf von Internetunternehmen. Alleine im Jahr 2014 erfolgreich abgeschlossene Transaktionen waren etwa die Verkäufe von Yad2 an Axel Springer um 228 Millionen Dollar und Fotolia an Adobe um 800 Millionen Dollar.

Die NOAH-Konferenz hat Rodzynek als Marketing-Vehikel ins Leben gerufen und um der Beratungsfirma eine Bühne zu bauen. Immerhin: “Nicht viele mögen Banker, aber jeder mag Konferenzen”, meint Rodzynek im Gespräch mit dem Brutkasten. Ab morgen findet die Konferenz unter dem Motto “Connecting established Champions and disruptive Challengers” in Berlin statt. Antreffen wird man auf Unternehmer wie Oliver Samwer von Rocket Internet, Eric Schmidt von Google oder Axel Springer-CEO Mathias Döpfner. Dieses Jahr ist auch Arianna Huffington von The Huffington Post dabei.

Lorenz Edtmayer, Brutkasten-Founder, startet mit dem Marco Rodzynek Interview die neue DerBrutkasten-Serie “Foundertalk“. Das Ziel der Gesprächsreihe ist es, exklusive persönliche Einblicke in das Leben von erfolgreichen Gründern und Unternehmern zu erhalten. Lorenz kennt Marco Rodzynek persönlich und war ebenfalls im Gespräch dabei. Somit ist Rodzynek von zwei Seiten den Brutkasten-Fragen ausgeliefert – Dies nimmt der Banker, der sechszehn Jahre Erfahrung in seinem Business mitbringt, auf die leichte Schulter und gewährt dem Brutkasten ganz persönliche Einblicke.

Wieso hast Du NOAH Advisors gegründet?

Nach der Lehman Brothers Pleite im Oktober 2008 musste ich mir etwas überlegen. Ich brauchte schließlich was zu essen! NOAH habe ich dann im April 2009 gegründet. Die erste Konferenz gab es im November 2009. Parallel dazu habe ich Internetfirmen verkauft: Fotolia oder auch Softonic. Nun findet die NOAH jährlich in London statt, einmal sogar in San Francisco und jetzt eben auch in Berlin.

Wie kann man sich die Verbindung zwischen NOAH Advisors und NOAH Conference vorstellen?

Unser Kerngeschäft ist das Investment Banking. Wenn man sich als Banker unterscheiden will, muss man allerdings mehr machen, als nur irgendwelche Zahlengerüste aufbauen. Ich dachte mir, dass eine Konferenz ein gutes Marketinginstrument ist. Das war der Grundgedanke: Nicht viele mögen Banker, aber jeder mag Konferenzen.

Hast Du die Speaker-Kontakte noch von deiner Lehman Zeit mitgenommen oder viel Geld in die Hand nehmen müssen?

Wir zahlen für keine Speaker und übernehmen auch keine Transportkosten. Die Speaker machen das quasi ehrenamtlich. Menschen, die etwas Interessantes zu sagen haben, dürfen das bei uns. Aber Leute dafür zu bezahlen, dass sie bei uns auf der Bühne stehen – das haben wir nie gemacht.

Wir haben von Anfang an auch nie Geld verloren. Im ersten Jahr haben wir die Tickets zwar kostenlos vergeben, aber wir hatten trotzdem eine schwarze Null am Ende – da hatten wir ein paar Sponsoren. Heute hingegen sind wir doch profitabel und die Produktionskosten gehen mittlerweile in die Millionen. Wir wachsen rasant. Ab nächstes Jahr werden wir auch Städteveranstaltungen organisieren, um das Ökosystem weiter zu stärken. Nein, die NOAH ist kein Hobby, sondern hartes Business.

Kümmert sich dein Team gerade ausschließlich um die NOAH Konferenz?

Wir verkaufen derzeit über 10 Firmen – ein ungefährer Wert von 3,5 Milliarden Dollar. Auf der Banking Seite, den Unternehmensverkäufen, arbeiten bist zu acht Leute, im Kernteam sind es fünf oder sechs, aber manchmal haben wir beispielsweise noch Interns. An der Konferenz arbeiten noch einmal fünf Personen Vollzeit. Insgesamt sind wir zwölf Leute, die fix dabei sind. Wir haben übrigens kein Büro oder eine Sekretärin. Wir arbeiten alle von dort aus, wo wir gerade sind.

Ist für NOAH nur der Verkauf von Firmen interessant oder auch etwa Fundraising?

Wir machen keine Finanzierungsrunden. Wieso nicht?

  1. Das muss die Kernkompetenz eines Gründers sein. Wenn deine Story “hot” ist, dann brauchst du keine Banker, die dir Geld raisen, das muss von alleine gehen.
  2. Da die Kapitalrunden meist relativ klein und schwierig zu machen sind, kann man nicht so viel Geld verdienen. Wir konzentrieren uns eher auf Firmen, die profitabel sind. Die kleinen Deals sind zehnmal so schwierig, wie die großen.
  3. Wenn Banker beim Meeting mit den Investoren auftauchen, ist der Investor meist sofort abgetörnt, der möchte mit den Gründern alleine sprechen.

Wie kommt man an so hochkarätige Speaker heran? Du hast Top Unternehmer, Politiker und CEOs…

Jeder Sprecher hat seine eigene Geschichte. Dieses Jahr haben wir uns richtig Mühe gegeben. Einige sind bereits länger dabei, andere – gerade aus Amerika – kommen heuer zum ersten Mal, wie zum Beispiel Eric Schmidt von Google oder Arianna Huffington von The Huffington Post.

Da steckt wirklich viel harte Arbeit dahinter. Und vielleicht auch ein wenig Glück. Ich glaube, in Berlin haben wir es geschafft, ein großartiges Event zu organisieren, vielleicht das Beste in Europa. Neben Big Names aus Amerika, kommen Top-Investoren, die Crème de la Crème europäischer Unternehmer, usw usf. Wir haben einen guten Mix. Auch kleinere Firmen, die noch nicht jeder kennt, aber gut sind, werden vor Ort sein. Und wir legen großen Wert auf einen starken Europa-Fokus.

Was man nicht vergessen darf: Bei uns steht das Publikum im Vordergrund, nicht die Bühnen-Speaker. Wir sind stolz darauf, was vor und neben der Bühne passiert. Jemanden wie Eric Schmidt kann man theoretisch auch auf YouTube reden hören. Bei der NOAH Konferenz sollen die Leute im Publikum wichtiger als die Speaker selbst sein, die für das Publikum da sind.

Wie gehst du an die Auswahl heran?

Wir wollen Vertreter aus den verschiedensten Industriegruppen haben. Wir wollten einerseits die traditionellen Unternehmen abdecken und andererseits die neuen Internetfirmen. Auswahlkriterium der Speaker ist, dass jene, die sprechen, in ihrer Organisation wichtig sind, also etwa Gründer sind oder CEO – und dass man sie kennt.

Es sind bei der NOAH Konferenz keine kompletten Neulinge vertreten. Wann ist für dich persönlich ein Startup erfolgreich?

Nun ja, die Kriterien an die 100 Speaker waren:

  1. Umsatz und Gewinn des Unternehmens
  2. wie viel Kapital aufgenommen wurde, sowie
  3. was das Produkt ist

Von 100 Firmen mit denen wir Kontakt hatten, sind vielleicht drei auf der Bühne, weil wir glauben, dass die etwas Besonderes machen. Der Großteil ist profitabel oder hat viel Geld aufgenommen. Wir bekommen viele Anfragen von Firmen, die für uns zu klein sind. Nischen interessieren uns nicht.

Machst Du deinen Beruf gerne? Wie viel Ruhe gönnst Du dir?

Es macht total Spaß. Es fühlt sich nicht an wie Arbeit, vielleicht ist das auch der Grund, wieso es gut funktioniert. Wir haben Leute auch nie vor den Kopf gestoßen, sondern ganz im Gegenteil, den Leuten eher Gefallen getan. Nun spüren wir, dass das langsam zurück kommt und die Leute wiederum uns helfen wollen: Eine Hand wäscht die Andere.

Momentan arbeite ich sehr hart und schlafe höchstens ein paar Stunden, manchmal sogar nur zwei. Ich hatte aber bei Lehman Brothers ein hartes Training. Wir arbeiten manchmal ein bisschen weniger, dann wieder wie verrückt. Jeder ist irgendwie automatisiert, wie auch die Abläufe.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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