09.12.2015

Fonds-Closing: 90 Millionen Euro für Speedinvest

Mit dem Closing des zweiten Fonds in der Höhe von 90 Millionen Euro wird Speedinvest zum größten Frühphasen-Fonds in Zentraleuropa. Die Namen der Investoren auf der Liste sind dabei keine Unbekannten: Hermann Hauser, Katharina Klausberger oder Florian Gschwandtner sind dabei.
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(c) Speedinvest: Das Team, das hinter dem heimischen Risikokapitalgeber steht.

“90 Millionen privates Kapital für Startups sind ein ernormes Rufzeichen zum Thema Innovation und Entrepreneurship in Österreich. Das macht uns sehr stolz, aber es bedeutet auch eine große Verantwortung. Das Zusammenspiel aus Risikokapital und Unternehmertum ist der zentrale Baustein für die wirtschaftliche Zukunft Europas, diese gesellschaftliche Verantwortung nehmen wir bei Speedinvest sehr ernst,” so Gründer Oliver Holle.

Die Erwartungen an den Fonds, der seine Investitionstätigkeiten bereits im März aufgenommen hatte, seien übertroffen worden. Speedinvest ist in Zentraleuropa nun der höchstdotierte Frühphasen-Venture Fonds. Dabei gelang es dem Team, in der Startup-Szene bekannte Investoren, Gründer und das AWS zu überzeugen. Hermann Hauser, der als Pionier der britischen Startup-Szene gilt, ist dabei, wie auch Katharina Klausberger von Shpock und Florian Gschwandtner von Runtastic.

+++ Der Gründertalk mit den Gründern von Shpock, Runtastic und Speedinvest +++

Bereits im Mai gab Speedinvest bereits den Einstieg von New Enterprise Associates (NEA) bekannt. Der weltweit größte VC ist unter anderem an Salesforce und Uber beteiligt.

Das inzwischen 18-köpfige Speedinvest-Team mit Sitz in Wien, München und San Francisco, investierte heuer bereits in 14 Projekte – fünf aus Österreich. Beispiele sind etwa das ÖBB Joint Venture iMobility und Bikemap, eine “internationale Bike-Community”.

Bei einem Kamingespräch mit dem Brutkasten vor wenigen Wochen, verriet Oliver Holle, wieso österreichische Startups einen Vorteil haben. Außerdem erzählt Holle, dass die Qualität der Menschen/Mitarbeiter in Österreich eines der Gründungsmotive für den Speedinvest-Fonds ausschlaggebend gewesen sei. „Ich weiß das aus meiner Zeit als Unternehmer. Unsere Techniker waren fleißig, genau, pünktlich, schnell. Wir haben uns im internationalen Vergleich kein einziges Mal verstecken müssen”, so Holle im Interview. In Österreich finde man viele erfolgsversprechende Startups, die teilweise gerade erst am Schlüpfen sind. Der Frühphasens-Fonds Speedinvest 2 soll daher als Startup-Booster das Ecosystem unterstützen.

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(c) speedinvest: Oliver Holle

Haben österreichische Startups, die in die engere Auswahl kommen einen Heimat-Bonus bei euch?

Oliver Holle: Ja, den gibt es. Wir sind ein österreichischer Investor und wenn wir hier ein gutes Projekt sehen, dann hat es einen Vorteil. Es wäre aber völlig falsch zu glauben, dass man erfolgreich ein rein österreichischer Fonds sein kann. Das geht nicht. An diesem Irrglauben ist die erste Generation zu Grunde gegangen. So wie auch unsere Startups einen weltweiten Maßstab setzen müssen, ist das bei den Investoren ebenso. Nur dann können wir auch Österreich als Hub voranbringen.

Allgemeiner Tenor: In Österreich fehlen zehn weitere Speedinvests. Gibt es hier bald eine Konkurrenz wie unter Startups?

Oliver Holle: Drei oder vier braucht es schon, zehn nicht. Es sind auch andere Fonds im Entstehen. Mehr Diversität auf Investoren-Seite wäre auch gut. Das Thema Konkurrenz ist in Österreich aber irrelevant. Für den Gründer ist es gut, mehr Optionen zu haben und als Speedinvest orientieren wird uns an den europäischen Top-VCs, die wir überholen wollen – nicht an anderen Fonds in Österreich. Es gibt übrigens auch eine wachsende Anzahl von Gründern, die zurückkommen und ihr Geld in Österreich investieren wollen…

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(c) runtastic: Florian Gschwandtner

Vom Gründer zum Angel, wollt ihr als Investoren aktiver werden?

Florian Gschwandtner: Ja. Wir haben schon fünf, sechs Beteiligungen, sind auch mittlerweile siebenstellig in Speedinvest investiert. Wir wollen investieren, müssen aber gleichzeitig auch Runtastic voranbringen. Die nächsten Monate werden sehr intensiv und ich muss direkt beim Team sein. Viele fragen mich seit der Adidas Übernahme, ob ich noch was arbeite. Klar, es geht immer weiter, es muss weitergehen. Die Rolle als Investor wird parallel dazu sein.

Katharina Klausberger: Wenn sich Möglichkeiten einer Beteiligung ergeben, prüfen wir das. Wir haben aber Anteile an Shpock nach der Übernahme von Schibsted behalten, wollen das Unternehmen weiterbringen und zur globalen Marke führen. Da hat man nun nicht allzu viel Zeit daneben. Als Investor bei Speedinvest 2 unterstützen wir aber natürlich indirekt sehr viele Startups.

Was sagt ihr zu euren “Nacheiferern”, die glauben, mit einer Startup-Gründung schnell zu Geld zu kommen?

Florian Gschwandtner: So viele wollen gründen und ein Startup “haben”. Dann wird bis um Mitternacht getrunken und am nächsten Tag geht es ab zehn Uhr Vormittag in die Arbeit. Die ersten Jahre haben wir um sechs Uhr früh gestartet und hatten um zehn, wenn andere aufstehen, bereits vier Stunden gearbeitet. Bei den Gründern heutzutage muss man schon aufpassen: Jeder baut irgendwas und ist super cool. Speedinvest trägt dazu bei, dass der Trend nicht in die falsche Richtung umschlägt. Die Menschen müssen verstehen, dass Startup harte Arbeit ist.

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(c) shpock: Katharina Klausberger

Katharina Klausberger: Niemand sagt, dass es leicht ist, zu gründen. mein Co-Gründer hat davor in der Beratung gearbeitet, eine Branche, die dafür bekannt ist, dass man viel arbeitet. Als Gründer arbeitet man noch viel mehr. Und das braucht es auch, denn man muss 100 Prozent geben – Teilzeitgründen funktioniert nicht.

Florian Gschwandtner: Wir haben sogar zwei Unternehmen gleichzeitig gegründet. Die andere Firma ist im Logistik-Bereich, also ganz was anderes als Runtastic, aber ebenfalls erfolgreich. Aktuell arbeiten dort 35 Leute. Nach zwei Jahren mussten wir aber aussteigen, da wir eben nicht 100 Prozent in beide Unternehmen stecken konnten.

Business-Angel-Freibetrag, Crowdfunding-Gesetz. Wie viel Politik steht auf der Tagesordnung?

Oliver Holle: Natürlich ist es Teil unseres Jobs, Lobbying zu betreiben. Aber in Wirklichkeit haben wir andere Aufgaben und wenn wir unseren Job machen – Politik hin oder her – dann werden wir in Österreich etwas bewirken können.

Florian Gschwandtner: Wenn wir uns auf die Politik verlassen müssen, dann wird das nichts, man muss man selber was tun und aktiv werden. Im Moment werden wir natürlich wahrgenommen. Shpock, Runtastic, Speedinvest – wow! Aber am Ende des Tages ist es gut, dass sich was bewegt und dass etwas passiert. Und zwar wegen der Menschen, die gründen und andere anstellen.

Oliver Holle: Vor drei Jahren hätte niemand geglaubt, dass man aus Österreich heraus zwei so große Firmen bauen kann, dass wir einen 10 Millionen Euro Fonds für Frühphasen Investments starten. Mit diesen ganzen Vorurteilen kann man aber mit Fakten und Tun aufräumen.

++++ Teil 1: Vom Gründer zum Business Angel ++++ 

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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