06.07.2022

Florian Tursky: “Digitale Identität und digitaler Führerschein kommen noch dieses Jahr”

Im Interview erklärt der neue Staatssekretär für Digitalisierung, Florian Tursky, wie es ihm nach 50 Tagen im Amt geht und was er für die Zukunft rund um das Thema Digitalisierung in Österreich geplant hat.
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Florian Tursky ist Bürgermeisterkandidat in Innsbruck (c) brutkasten
Florian Tursky ist Bürgermeisterkandidat in Innsbruck (c) brutkasten

Seit 50 Tagen ist Florian Tursky Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation im Finanzministerium . Tursky ist unter anderem auch in Teilbereichen für die Startup-Politik in Österreich zuständig. Im Interview mit Dejan Jovicevic erzählt er, wie ihm der Einstieg gelungen ist, was seine Zuständigkeiten sind, wie die Startup-Politik nun in Österreich angegangen wird und wie die negative Einstellung der österreichischen Gesellschaft gegenüber Digitalisierung verändert werden kann. Im Interview verrät der neue Staatssekretär, dass das Thema einfacher kommuniziert, mit Beispielen gearbeitet sowie der Nutzen für die Gesellschaft richtig übermittelt werden muss. 

Du bist seit 50 Tagen im Amt. Wie kam es dazu, dass du Staatssekretär geworden bist?

Karl Nehammer hat mich gefragt, ob ich Teil seiner Bundesregierung werden möchte. Ich bin seit 15 Jahren immer wieder politisch oder wirtschaftlich tätig. Einmal hatte ich eine politische Funktion, einmal eine wirtschaftliche. Als mich Karl Nehammer fragte, ob ich Teil seiner Bundesregierung werden möchte, war das Angebot ein Zusammenschluss aus den beiden Bereichen, die mich sehr interessieren. Deshalb habe ich natürlich zugesagt.

Das ist eine spannende Karriere, fast ein bisschen unüblich, dass man zwischen Wirtschaft und Politik so oft wechselt. Sechs Jahre lang hast du eine der größten Agenturen in Wien aufgebaut und geleitet. Danach warst du CEO von einem Startup und hast in die Politik gewechselt. Nun bist du Staatssekretär. Nutzt du diese Wirtschaftserfahrung auch in deiner neuen politischen Rolle? 

Selbstverständlich. Wenn man ein Mensch ist, der Spaß daran hat, auch wirtschaftlich tätig zu sein, etwas aufzubauen, etwas Neues zu probieren, dann wird man sich das auch in der Politik trauen. Ich glaube, das ist durchaus ein Vorteil, wenn man bisher nicht nur politisch oder nicht nur wirtschaftlich tätig war.

Reden wir über deine Zuständigkeit: Du bist nun Staatssekretär. Deine Vorgängerin war Ministerin für Digitalisierung. Ist das ein Downgrade für das Thema? 

Nein, ich glaube das Gegenteil ist der Fall. Wir haben es erstmals geschafft, die Digitalisierung in der Bundesregierung zu bündeln. Dazu gibt es drei Standpunkte: Einerseits wird die Digitalisierung mit der Software und den Bundesrechenzentren vorangetrieben. Zudem gibt es die gesamte Hardware. Post, Telekommunikation sowie der ganze Breitbandbereich liegt nun bei mir. Andererseits habe ich eine Koordinierungs-Funktion in der gesamten Bundesregierung für alle Agenten der Digitalisierung. Und deshalb haben wir für die Digitalisierung ein eigenes Staatssekretariat installiert und das im Finanzministerium, weil Digitalisierung ein Querschnittsbereich ist, das alle Ressorts und Ministerien betrifft. Deshalb ist es im Finanzministerium bestens aufgehoben.

Was könnten die ersten Maßnahmen sein, die du in Umsetzung bringst, falls man das nach 50 Tagen schon sagen kann? 

Es stellt sich die Frage: Ist Österreich am Puls der Zeit und sind es auch die einzelnen Regionen? Oder wird Österreich mit seinen Regionen zum Digitalisierungsverlierer? Und genau das ist meine Aufgabe, die Themen umzusetzen und auf den Boden zu bringen. Fernab von jeder Ideologie, von jeder politischen Auseinandersetzung. Es gibt ein Ziel zu verfolgen und das ist die Digitalisierung in Österreich voranzubringen.

Die letzten Jahre gab es viele Vorhaben und sehr viel Ambition, in Bereich der Digitalisierung etwas zu ändern. Aber umgesetzt wurde dann nicht viel. Was stimmt dich zuversichtlich, dass dir das besser gelingen kann? 

Die Margarete Schramböck, die dieses Ressort als Wirtschaftsministerin geleitet hat, übernahm das Ressort in einer unheimlich schwierigen Zeit. Nämlich mitten in der größten Wirtschaftskrise, die wir je hatten -die Corona-Pandemie. Niemand hat genau gewusst, wie es weitergeht. Und da waren unglaublich viele Entscheidungen zu treffen und viel zu tun, um die Wirtschaft in Österreich am Laufe  und die Menschen in ihren Arbeit zu halten. Deshalb glaube ich ist es ganz klar, dass möglicherweise dort und da Vorhaben zurückgesteckt werden mussten. Aber ganz offen gesagt profitiere ich auch sehr davon. Es sind eine Menge Projekte in der Pipeline, wie zum Beispiel die digitale Identität und der digitale Führerschein, auf denen ich jetzt aufbauen kann und umsetzen darf. 

Ein zweiter wichtiger Bereich für den brutkasten ist das Thema Startup-Politik. Auch da waren viele Vorhaben und ehrliche Ambitionen da, etwas umzusetzen. Doch ohne bahnbrechende Umsetzungsstärke, das sicherlich auch mit Corona zu tun hatte. Aber die Frage ist: Ist dir die Bedeutung der Startup-Politik bewusst, ist sie dir wichtig, ist sie überhaupt bei dir angesiedelt und was kann man noch tun? 

Die Startup-Politik selber liegt bei Bundesminister Martin Kocher im Wirtschaftsministerium, was die ganze Regulatorik und die Gesellschaftsformen betrifft. Einerseits bin ich ehemaliger CEO von einem Startup und ich weiß genau, welche Bedürfnisse ein Startup hat. Ich lerne täglich auch, was es für neue Bedürfnisse gibt, was die neuen Herausforderungen sind- gerade in der Finanzierung. Der Zugang zu Finanzquellen ist heute schwieriger geworden, vor allem in den letzten Monaten. Für mich hängen Digitalisierung und Startups unmittelbar miteinander zusammen. Deshalb bin ich auch froh, dass Martin Kocher einen offenen Zugang dazu hat und wir auch hier gut zusammenarbeiten. 

Das Thema ist auf zwei Ministerien aufgeteilt. Kann hier die Gefahr laufen, dass mehrere und somit niemand dafür zuständig ist? Wird man so Fortschritte machen können rund um das Thema Startups? 

Selbstverständlich. Dass manche Themen von mehreren Ministerien bespielt werden ist an der Tagesordnung. Es ist ganz klar aufgeteilt, um MartinKocher macht und was alle Beteiligten im Innovationsbereich machen. Wir arbeiten in der Bundesregierung hervorragend zusammen und werden diese Projekte auch umsetzen können. 

Du warst CEO im Startup-Bereich, kennst die Erfordernisse in der Startup-Branche. Was sind aus deiner Sicht die notwendigen Reformen, die überfällig sind?

Dazu gibt es drei Bereiche: Einerseits Bürokratie und Regulatorik mit den Gesellschaftsformen. Der zweite Bereich sind die Fachkräfte mit der Rot-Weiß-Rot-Karte. Und der dritte Bereich ist die Finanzierung.  Zu den Gesellschaftsformen sind wir in intensiven Verhandlungen mit den Koalitionspartnern, um hier etwas auf den Boden zu bringen. Ich bin sehr zuversichtlich. Aus meiner Sicht ist es notwendig, die Gründung und das Aufstellen von neuen Gesellschaften in diesem Bereich zu erleichtern und andererseits auch Mitarbeiterbeteiligungen besser möglich zu machen. 

Bezüglich der Rot-Weiß-Rot-Karte müssen wir der Realität ins Auge blicken. Nicht nur die IT- und Startup-Branchen haben Probleme mit den Fachkräften. Wir haben in den letzten Monaten eine unglaublich schnelle Entwicklung von Fachkräftemangel hin zu einem Arbeitskräftemangel hinterlegt. Egal ob in der Pflege, im Tourismus oder im Startup-Bereich, überall hier haben wir mittlerweile einen Fachkräfte- bzw. Arbeitskräftemangel. Und die müssen wir mit zwei Maßnahmen begegnen: Einerseits gezielte Ausbildung, mit noch stärkerem Fokus und Ausbildung darauf, welche Leute wir in der Wirtschaft benötigen. Andererseits eine gezielte vereinfachte Zuwanderung durch leichtere Möglichkeiten wie die Rot-Weiß-Rot-Karte zu ermöglichen. Man muss hier aber klar zwischen illegaler Migration und der Migration, die wir auch im Fachkräftebereich brauchen, unterscheiden. 

Ist das Thema Mitarbeiterbeteiligung wichtig für einen Digitalisierungs-Staatsekretär? 

Aus der Sicht der Mitarbeiter:innenmotivation sehe ich das als sehr wichtige Maßnahme. Wir brauchen gerade für die jüngere Generation neue Motivatoren, damit sie sich mit Unternehmen identifizieren, Vollgas geben und den Erfolg des Startups auf die Straße bringen können. Und hierzu ist gerade die Mitarbeiterbeteiligung sehr wichtig. 

Ein weiteres wichtiges Thema: Digitalisierung im allgemeinen. Wir haben in Österreich eine Situation, dass die Digitalisierung sehr negativ empfunden wird. Künstliche Intelligenz und Datennutzung sind eine Gefahr, obwohl sie die menschlichen Möglichkeiten erweitern und unser Leben verbessern können. Was ist deine Meinung zum Thema Digitalisierung, KI und Datennutzung? 

Digitalisierung ist in Österreich nicht sehr willkommen und als Digitalisierungs-Staatssekretär ist das mein persönliches Hauptproblem. Es geht genau darum, den Menschen diese Ängste und Sorgen zu nehmen. Wenn die Leute Digitalisierung hören, verstehen sei alle etwas komplett anderes. Hier ist es wichtig, Aufklärung zu betreiben und auch ganz klar zu sagen, was künstliche Intelligenz ist. KI ist nichts anderes als Erfahrung. Ich möchte hierfür ein Beispiel aus der Medizin verwenden: 

Viele reden darüber, dass bei der KI ein Computer über Leben oder Tod entscheidet. Das ist überhaupt nicht der Fall. Wir kennen viele Projekte, wo KI für die Analyse von Röntgenbildern eingesetzt wird. Dabei greift es auf die erfolgten hunderttausenden Behandlungen zurück und macht Empfehlungen für den Arzt oder Mediziner, wie die Behandlung aussehen soll. Dadurch wird der Wissensschatz von einem Arzt erweitert und somit einen Vorteil für die Menschen erzielt. Genau mit solchen Beispielen müssen wir arbeiten, um die Vorteile der Digitalisierung aufzuzeigen. Weil die Digitalisierung muss am Ende des Tages eine Digitalisierung sein, die den Menschen Nutzen bringt. Für mich ist es das Wichtigste, den Menschen diesen Nutzen näher zu bringen.

Sollte man persönliche Daten zum Wohle der Gesellschaft nutzen? Was ist deine Meinung dazu? 

Datennutzung ist sehr wichtig, aber wir müssen den Menschen erklären, warum und wie? Nur zu sagen, dass Daten wichtig sind um den Klimaschutz zu bekämpfen -damit kann sich niemand etwas vorstellen. Wenn ich aber erzähle, dass ich alleine bei der Müllbeseitigung – ein Thema, wo man eventuell nicht an Digitalisierung denken würde – intelligente digitale Sensoren einsetze, die genau wissen, welche Fahrten gemacht werden müssen, welche Mülleimer gerade voll sind und so auch Fahrten verhindert und Ressourcen gespart werden können, um die Umwelt zu schützen, so werden es die Menschen verstehen. Und mit solchen Beispielen müssen wir arbeiten, um es den Menschen zu erklären. 

Wenn man jetzt in die nächsten Monate und Jahre aus deiner Tätigkeit in diese Rolle blickt, was sind so die größten Vorhaben, die sich herauszeichnen? 

Insbesondere im Bereich des E-Governments ist es wichtig den Menschen zu zeigen, das die Digitalisierung ihnen etwas bringt und nützt. Dafür arbeiten wir an der digitalen Identität und am digitalen Führerschein. Die kommen es noch in diesem Jahr.  

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Wie steht es um die Haltung und Aktivitäten rund um Nachhaltigkeit in der heimischen Wirtschaft? Ein umfassendes Bild liefert eine neue Befragung der Unternehmenberatung Deloitte, die gemeinsam mit Foresight im Herbst 2024 über 400 Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeiter:innen befragt hat.

Strategische Verankerung fehlt

Das Ergebnis: Unternehmen erkennen zunehmend die Relevanz von Nachhaltigkeit. So schätzen 86 Prozent der Befragten das Thema als entscheidend für ihren künftigen Geschäftserfolg ein. Zudem haben mehr als die Hälfte der Unternehmen Maßnahmen zur Dekarbonisierung eingeleitet, etwa durch Photovoltaikanlagen oder den Umstieg auf grünen Strom. Diese Maßnahmen bleiben laut Deloitte jedoch häufig oberflächlich. Die strategische Verankerung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft – inklusive klarer Zielsetzungen – ist oft nicht ausreichend ausgeprägt.

“Zwar setzen viele Betriebe bereits Einzelmaßnahmen um, aber es fehlen die strategische Verankerung sowie klar definierte und laufend überprüfte Nachhaltigkeitsziele. Die nachhaltige Transformation kann allerdings nur mit einem klaren strategischen Fokus gelingen“, so Karin Mair, Managing Partnerin Risk Advisory & Financial Advisory bei Deloitte Österreich.

Geschäftskunden üben Druck aus

Besonders der Druck aus den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen treibt Unternehmen an. 60 Prozent der Befragten berichten, dass ihre Geschäftskunden (30 Prozent) sowie öffentliche und private Kunden die Haupttreiber für Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind. Dieser Druck wird durch strikte Berichtspflichten und die zunehmende Nachfrage nach Transparenz verstärkt.

Im Fokus vieler Nachhaltigkeitsagenden steht vor allem die Reduktion der CO2-Emissionen. 61 Prozent der Befragten haben dazu zwar mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen begonnen, hinsichtlich der erwartbaren Kosten für eine umfassende Dekarbonisierung herrscht aber große Unsicherheit. So kann oder will über ein Drittel (39 Prozent) derzeit keine Angaben über die diesbezügliche Kostenveranschlagung des Unternehmens machen.

Investitionsbereitschaft geht zurück

Gleichzeitig geht auch die Investitionsbereitschaft zurück: Der Anteil jener Betriebe, die von 500.000,- bis über fünf Millionen Euro pro Jahr für Maßnahmen zur Dekarbonisierung aufwenden wollen, ist von 26 Prozent im Vorjahr auf 17 Prozent gesunken.

Ein wesentlicher Stolperstein ist die fehlende Klarheit bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in nationales Recht. Rund ein Viertel der Unternehmen in Österreich weiß noch nicht, ob sie von der neuen Berichtspflicht betroffen sind, was Unsicherheiten bei der Planung verstärkt. Gleichzeitig bleibt die Bürokratie für viele kleinere Unternehmen eine fast unüberwindbare Hürde.



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