28.01.2016

FinTech wächst rasant aus den Kinderschuhen

Das Jahr 2015 hat FinTech weltweit rasantes Wachstum beschert und gezeigt, dass Startups in der Finanzwelt mittlerweile einen wichtigen Platz einnehmen. Junge, schnell gewachsene Unternehmen wie TransferWise und Funding Circle setzen nun alles darauf, von der neu gewonnen Größe zu profitieren und den etablierten Banken weitere Marktanteile wegzunehmen.
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FinTech-Startups wie TransferWise und Funding Circle sind die Stars der Szene

Die Investitionen in FinTech-Startups haben sich im vergangenen Jahr mit rund acht Milliarden US-Dollar im Vergleich zu 2014 fast verdoppelt. Laut der Investmentbank Berkery Noyes gab es 2015 427 Übernahmen in dem Sektor, mit einem Volumen von insgesamt 64 Milliarden Dollar – auch das eine Verdoppelung zu 2014.

Fintech Wachstum: Mission kommt vor Business

“Wir haben großes Wachstum gesehen, vor allem in den vergangenen zwei Jahren. TransferWise ist eines der FinTech-Unternehmen das beginnt, erwachsen zu werden, und von seiner Größe so richtig zu profitieren”, sagt Lukas May, bei TransferWise für internationales Wachstum und Regulierung zuständig, bei einer Konferenz in London. Das von einem ehemaligen Skype-Mitarbeiter und einem Finanzberater 2011 gegründete Unternehmen setzt darauf, internationale Überweisungen weit günstiger anzubieten als etablierte Banken. “Wir existieren, weil zwei Typen in London gesessen sind, die sich darüber beschwert haben, wie sehr Banken ihre Kunden bei Überweisungen abzocken. Es ist nicht nur ein Business, sondern eine Mission”, sagt May.

+++ Zum Thema: Startup-Szene in London – Goldrausch an der Themse +++

Transfer Wise

  • 660 Millionen € bewegt TransferWise mittlerweile pro Monat
  • 30 Millionen € sparen Kunden an Gebühren
  • 50 Länder, 35 verschiedene Währungen

In den nächsten Monaten werden weitere Märkte in Asien und Südamerika dazukommen, heißt es seitens TransferWise. “Wir arbeiten unnachgiebig daran, Geld wirklich auf der ganzen Welt bewegen zu können. Wir werden uns nicht ablenken lassen, bis wir das erreicht haben”, sagt May.

Kredite über das Internet boomen

Zu den Stars der FinTech-Branche gehört auch Funding Circle, ein im Jahr 2010 in Großbritannien gegründetes Startup das sich auf „peer to peer“-Kredite für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spezialisiert hat. Über eine Online-Plattform können KMU verschiedene Finanzprodukte beziehen, die wiederum von verschiedenen Investoren in Stückelungen finanziert werden. Im vergangenen Dezember gab Funding Circle bekannt, erstmals mehr als eine Milliarde Pfund (rund 1,3 Milliarden €) an Krediten vergeben zu haben. 2015 war es auch für die größte Risikokapital-Investition in Großbritannien verantwortlich: Im April erhielt das mittlerweile börsennotierte Unternehmen rund 134 Millionen € frisches Kapital.

+++ Auch interessant: Wiener Fintech Startup Wikifolio bekommt neuen CTO +++

“FinTech-Unternehmen wie TransferWise werden den Banken einen signifikanten Marktanteil wegnehmen”, sagt Kommunikationschef David De Koning. Denn Startups hätten einen enormen Vorteil gegenüber den etablierten Playern: “Wir machen nichts Neues, aber wir machen es besser. Wir brauchen keine Filialen in jedem Land, wir brauchen nicht Tausende Angestellte. Wir müssen diese Kosten nicht an die Kunden weitergeben”, so De Koning.

Weniger Wettkampf, mehr Zusammenarbeit

Laut dem Manager wird die Zukunft für FinTech weniger von einem Wettkampf zwischen Banken und Startups geprägt sein. “Es wird mehr Zusammenarbeit geben. Und ein bisschen fairen Wettbewerb”.

Trotz der Euphorie rund um FinTech müsse die Branche “demütig” bleiben, sagt De Koning: “Wir werden auf dem Weg noch mehr Skepsis begegnen”.

Berechtigte Skepsis?

Skeptische Stimmen, auch die gibt es. Laut Forbes hat der FinTech-Boom für Gründer und Investoren bisher durchwachsene Resultate gebracht. So seien etwa die Aktienkurse der mit Milliarden bewerteten Online-Kreditplattformen Lending Club und OnDeck zwischen Börsengang und Ende 2015 um mehr als die Hälfte eingebrochen. Trotz des wachsenden Markts würden die Aktienmärkte Risiken in den zugrundeliegenden Krediten sehen.

Für Lukas May von TransferWise gibt es jedenfalls kein zurück mehr in die “alte” Welt der Finanzbranche: Die Grundidee des Silicon Valley, Probleme von Kunden aufzuspüren und mit innovativen Ideen und neuen Technologien zu lösen, habe sich durchgesetzt. Und er glaubt daran, dass damit allen geholfen sei: “Finanzdienstleistungen werden für alle Menschen besser werden, das ist der faszinierende Teil”.

+++ Weiterlesen: Social Trading: “Das Finanz System, wie wir es kennen, ist kaputt” +++

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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