19.10.2018

FinTech-Startups: Zwischen Angriff und Kooperation

Analyse. Noch vor kurzer Zeit wurde in kühnen Voraussagen der Untergang der etablierten Banken heraufbeschworen. Doch diese haben eine Waffe gegen "Challenger-Banken" gefunden: Startups. Denn FinTech-Startups gehen längst nicht mehr nur auf Angriff.
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FinTech-Startups und Challenger-Banken - zwischen Angriff und Kooperation
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Anfang 2016. Mehr als 80 Prozent der etablierten Banken haben Angst. Sie befürchten laut einer PwC-Studie mit 544 Top-Managern aus 46 Ländern, “einen Teil ihres Geschäfts an unabhängige FinTechs zu verlieren”. Sie sehen 23 Prozent ihres Kerngeschäfts gefährdet. Befragte FinTech-GründerInnen gehen in der Studie sogar davon aus, dass FinTech-Startups den Etablierten ein Drittel des Geschäfts abknöpfen können. Kühne Propheten sind sich zu diesem Zeitpunkt sicher: Es wird nicht lange dauern, bis die ersten Traditionsbanken dran glauben müssen.

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Angriff und Verteidigung

Der Tenor in der öffentlichen Diskussion ist zu diesem Zeitpunkt: Angriff und Verteidigung. N26-Co-Founder Valentin Stalf gibt, wie viele andere, das Motto dieser unabhängigen FinTechs, sogenannter “Challenger-Banken” aus: Man wolle “die Bankenlandschaft nachhaltig umkrempeln”. Das Rezept: “Transparenz und ein intuitives Nutzererlebnis im Banking”. Es sind Merkmale, die man zu dieser Zeit vor rund zweieinhalb Jahren und teilweise noch heute tatsächlich bei vielen Großbanken vermisst. Und es sah für die Challenger gut aus. Die Investmentvolumina hatten sich von 2014 auf 2015 in etwa verdoppelt. Die PwC-Studie ging von globalen FinTech-Investitionen in der Höhe von 150 Milliarden US-Dollar innerhalb von drei bis fünf Jahren aus.

Paradigmenwechsel

Was diese Investments anbelangt, sollten die Erwartungen der StudienautorInnen sich zumindest bestätigen, wenn nicht übertroffen werden. Rund 30 Milliarden US-Dollar wurden weltweit 2016 in FinTechs investiert. Knapp unter 40 Milliarden US-Dollar waren es 2017. Ein Rekord, der 2018 bereits zur Jahreshälfte gebrochen war, als schon fast 42 Milliarden US-Dollar an globalen FinTech-Investments zu Buche standen. Was die FinTech-Startups, in die investiert wurde, und die “Angst” der Banken anbelangt, fand in der Zwischenzeit aber – zumindest teilweise – ein Paradigmenwechsel statt.

Challenger-Banken spielen (noch) nicht in Oberliga

Zwar sind Challenger-Banken weiterhin auf einem guten Weg und holten sich auch 2018 große Investments. Die oben erwähnten N26 stellten im Frühjahr satte 160 Millionen US-Dollar unter dem Lead vom Corporate VC Allianz X und dem chinesischen Megakonzern Tencent auf. Der größte Konkurrent des Berliner FinTechs – Revolut aus London – zog wenig später mit einer 250 Millionen US-Dollar Runde durch DST Global aus Hong Kong nach. KundInnen- und Umsatzzahlen der beiden größten europäischen Challenger-Banken zeigen aber: Von den großen europäischen Finanzinstituten ist man derzeit noch entfernt. Mit (konstant wachsenden) User-Zahlen jenseits der Millionengrenze spielen N26 und Revolut momentan in einer Liga mit den kleineren Banken ihrer Heimatmärkte, obwohl sie beide europaweit agieren.

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Die Zeichen stehen auf Kooperation

Wie lange das rapide Wachstum noch anhält, wird von mehreren Faktoren abhängen. Einer davon ist der oben angesprochene Paradigmenwechsel. Denn die Angst der Banken vor den FinTechs ist inzwischen längst einem neuen Verständnis gewichen. Die Zeichen stehen bei vielen auf Kooperation.

“Wir wollen eine Skalierungsplattform für Startups sein”, sagt etwa Hannes Cizek, Head of Group Digital Banking der Raiffeisen Bank International (RBI), im Gespräch mit dem Brutkasten. Das Startup-Programm der Bankengruppe, das “Elevator Lab”, ging dieses Jahr in die zweite Runde. Das Ziel des hauseigenen FinTech-Accelerators ist klar: Über Kooperationen, die beiden Seiten nutzen, die Banken-Digitalisierung in die eigene Hand nehmen. Die Vorgehensweise ist dabei sehr klar strukturiert. “Wir haben schon in der Auswahl der Startups die Geschäftsbereiche ganz stark eingebunden”, erzählt Cizek über den ersten Batch des Elevator Lab. “Wir wussten daher bei unseren fünf teilnehmenden Startups, dass hier ein ganz klarer Business- oder Customer-Need da ist, den wir bedienen wollen. Dementsprechend stark war das Commitment der Fachbereiche. Elevator Lab wurde ihnen nicht aufoktroyiert, sondern sie haben genau in diesen Bereichen Lösungen gesucht. Ich glaube, das war und ist für das gesamte Projekt kriegsentscheidend”.

“Kulturvermittler zwischen Startup- und Corporate-Welt”

Voll und ganz auf Kooperation setzt auch F10, der größte Schweizer FinTech-Accelerator. Hinter dem als Verein organisierten Programm stehen unter anderem drei Banken und drei Versicherungen. “Wir sind quasi der Kulturvermittler zwischen Startup- und Corporate-Welt”, sagt F10-Co-Founder Markus Graf. Als größte Herausforderung der Bankenwelt sieht er nicht die Implementierung neuer Technologien. “Am wichtigsten ist es zu verstehen, dass sich das Kundenverhalten momentan extrem ändert. Damit tun sich Corporates derzeit sehr schwer – Startups fällt das leichter. Für uns stehen daher neue Geschäftsmodelle im Zentrum. Ob hinter der Lösung die Blockchain, Machine Learning oder sonst etwas steht, ist letztlich egal, wenn es funktioniert”, sagt Graf.

“Wir helfen Startups, ihre Value Proposition so zu schärfen, dass das Kundenproblem der jeweiligen Banken und Versicherungen richtig verstanden wird”, ergänzt Thomas Landis, Leiter des F10-Accelerators. “Wir unterstützen sie dabei, tatsächliche Marktbedürfnisse zu erfüllen und helfen ihnen nebenbei, Investment-ready zu werden”.

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F10 Demo Day

Beim Demo Day des F10 FinTech Incubator & Accelerator gab es einige Startups und innovative Ideen zu bestaunen. Wir waren vor Ort und haben die Gründer auch über den kommenden F10 FinTech Hackathon Vienna im weXelerate gesprochen.

Gepostet von DerBrutkasten am Donnerstag, 18. Oktober 2018

Corporate VCs auf dem Vormarsch

Stichwort Investment. Das Kapital für FinTechs kommt auch nicht mehr nur von unabhängigen VCs. Denn Banken und Versicherungen wollen es immer häufiger nicht bei Kundenverhältnissen zu Startups belassen. Warum nicht doppelt an ihren Lösungen mitverdienen? Bei der RBI passiert das seit einigen Monaten in Form einer eigenen Investment-Gesellschaft, die mit 25 Millionen Euro Kapital startete: Elevator Ventures. Man wolle damit “die Kapitallücke am Markt schließen”, sagt Hannes Cizek. Er spricht damit einen großen Painpoint in der österreichischen Startup-Landschaft an: Anschlussfinanzierung. Man suche nach “Startups, die bereits in einer späteren Entwicklungsphase sind, erste Markterfahrung gesammelt haben und nun Kapital brauchen, um weiter erfolgreich zu wachsen”.

Etablierte Bank investiert in Challenger-Bank?

Um Tickets in entsprechender Größe zu gewährleisten, setzt Elevator Ventures dabei auf eine Co-Investment-Strategie. Die wurde unter dem Namen “Speedinvest f” gemeinsam mit dem Wiener VC Speedinvest und Uniqa Ventures, dem Investment-Vehikel des Wiener Versicherungsriesen, in Form gegossen. Während zwischen Uniqa und RBI traditionell enge Bande bestehen, ist die Kooperation mit dem unabhängigen VC Speedinvest neu. Die Schlagrichtung dabei ist klar: Man will die Expertise der Investment-Gesellschaft nutzen, um auch in FinTechs zu investieren, mit denen man (noch) nicht kooperiert. Potenziell auch in Challenger-Banken.

Challenger dringen ins Offline-Geschäft

Also Friede, Freude, Eierkuchen im FinTech-Bereich? Nicht ganz. Denn auch die Konfrontationsstrategie gibt es nach wie vor. Einerseits natürlich von den Challenger-Banken, die ihre Ziele in der Zwischenzeit nicht geändert haben. N26 expandierte in Österreich zuletzt sogar eingeschränkt in die Offline-Welt. Mit “Cash26” können KundInnen nun in Filialen der Drogeriekette DM täglich bis zu 900 Euro Bargeld einzahlen. Denn, so N26 Österreich-Chef Georg Hauer: “Dass man bislang kein Bargeld einzahlen konnte war für manche Kunden der Hauptgrund dafür, dass sie N26 noch nicht als Hauptkonto verwendet haben”.

Auch Etablierte setzen auf Konfrontation

Noch stärker, als Challenger-Banken in Service-Felder der Etablierten eindringen, passiert es jedoch umgekehrt. Voll – und erfolgreich – auf Konfrontation mit FinTech-Startups setzt in Österreich etwa seit Jahren die größte Bank des Landes: Die Erste Group. “Unsere größten Konkurrenten sind N26 und ING”, sagt Erste-Vorstand Peter Bosek. Freilich ein Seitenhieb auf die etablierte Konkurrenz im Inland. Mit dem E-Banking Service George kopiert man viele Features der Challenger-Apps – und bringt in großem Tempo weitere dazu.

Das funktioniert über einen Plattform-Ansatz, der Offenheit für Plugins weiterer Player, etwa auch FinTech-Startups schafft. “Wir haben den Anspruch, der iTunes Store des europäischen Finanzmarktes zu werden”, sagt Bosek dazu großspurig. Doch der bisherige Erfolg gibt ihm Recht. Bereits zu Beginn des Jahres verzeichnete man 1,5 Millionen NutzerInnen alleine in Österreich – mehr als irgendeine Challenger-Bank zu diesem Zeitpunkt europaweit hatte. Und auch George expandiert – zunächst in die Slowakei und nach Tschechien, später in den ganzen CEE-Markt. “Das erste Mal nach vielen Jahren fühlt es sich für mich wieder gut an, eine Bank zu sein”, sagt Bosek.

FinTech-Startups sind da angekommen, wo sie hinwollten

Geht es nun um Angriff oder Kooperation. Ein Befund lässt sich für den Finanzbereich im Jahr 2018 jedenfalls treffen: FinTech-Startups sind voll und ganz da angekommen, wo sie hinwollten. Ob doch noch die eine oder andere etablierte Bank an der Digitalisierung scheitern wird? Ob es der eine oder andere Challenger tatsächlich in die Reihen der ganz großen schafft? Ob irgendein weiterer Player auftritt, den man jetzt noch nicht kennt, der all das über den Haufen wirft? Wir wissen es nicht.

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #7 “Die Welt in 5 Jahren”

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Markus Lang im Rahmen der invest.austria conference | brutkasten / martin pacher

Die Forderung nach einem Dachfonds besteht in Österreich seit längerer Zeit. Während in anderen europäischen Ländern vergleichbare Fondsmodelle bereits etabliert wurden, fehlt es in Österreich bislang an einer solchen Struktur. Ein Dachfonds funktioniert als Fund-of-Funds, bei dem das Kapital in verschiedene Venture-Capital-Fonds investiert wird, die wiederum gezielt in heimische Startups und Technologieunternehmen investieren.

Hierzulande setzt sich invest.austria im Rahmen ihrer Vision 2030 für die Schaffung eines Dachfonds ein, um den Kapitalzugang für Startups und etablierte Unternehmen zu verbessern. Auch bei der jüngsten invest.austria-conference am vergangen Mittwoch in Wien stand dieses Thema im Zentrum der Diskussion (brutkasten berichtete).

Im Interview mit Markus Lang, Partner bei Speedinvest und Board Member von invest.austria, sprachen wir über eine mögliche Ausgestaltung eines solchen Fondsmodells und die potenziellen Auswirkungen auf das österreichische Innovationsökosystem.


brutkasten: Warum brauchen wir aus deiner Sicht einen Dachfonds in Österreich?

Markus Lang: Ein erfolgreiches Ökosystem braucht zwei Dinge: Kapital und Talent. Während Österreich zweifelsfrei über viel Talent verfügt, gibt es im Bereich Kapital noch deutlichen Aufholbedarf, insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und globalen Märkten. Ein Dachfonds würde institutionelle Investoren verstärkt motivieren, in Venture Capital und Private Equity zu investieren, und so mehr Kapital, das in heimische Unternehmen fließt, freisetzen. Unser zukünftiger Wohlstand wird entscheidend davon abhängen, ob wir Hightech in Österreich ausreichend finanzieren können. Dazu zählen nicht nur Startups, sondern auch etablierte Unternehmen. Ein bewährtes Mittel, wie wir im europäischen Vergleich sehen, sind diese Dachfonds-Konzepte (Fund-of-Funds). Mit staatlicher Unterstützung setzen sie einen Stimulus, damit in weiterer Folge privates Kapital in den Markt fließen kann.

Du sprichst den staatlichen Support an. Wie müsste dieser deiner Meinung nach erfolgen? 

Für mich ist entscheidend, dass ein Management-Team vorhanden ist, das nach wirtschaftlichen Kriterien weitgehend frei agieren kann. Wichtig ist, dass das Fundmanagement die Entscheidungen so treffen kann, wie institutionelle Anleger es erwarten, und dass die öffentliche Einflussnahme minimal bleibt.

Eine Möglichkeit wäre ein finanzielles Commitment der öffentlichen Hand, um diesen Fonds zu ankern, ohne ihn allein zu tragen. Ebenso wichtig wäre ein Setup, das einerseits die Interessen der Steuerzahler wahrt, andererseits aber attraktiv genug ist, um institutionelle Anleger und Fondsmanager anzuziehen. Es gibt in Europa zahlreiche erfolgreiche Beispiele – mit dem nötigen Willen und etwas Rücksicht auf österreichische Besonderheiten ließe sich so ein Modell auch hier umsetzen. Aber dafür braucht es Mut – und die Infrastruktur, also der institutionelle Rahmen, muss jedenfalls von der öffentlichen Hand gesetzt werden.

Aktuell wird sehr viel darüber diskutiert, wo dieser Dachfonds am besten angesiedelt werden soll. Unter anderem wird dabei die Austria Wirtschaftsservice (aws) ins Spiel gebracht. Wie siehst du das?

Das österreichische Startup-Ökosystem wäre nicht dort, wo es heute ist, ohne die Austria Wirtschaftsservice (aws). Sie ist zweifellos einer der wichtigsten Unterstützer für Startups in Österreich. Für mich ist es essenziell, dass das Fondsmanagement nach marktwirtschaftlichen Kriterien entscheidet. Entscheidend ist schlussendlich, dass man hier mit dem Mindset eines Fund-of-Fund-Managers herangeht und nicht wie eine Förderbank agiert. Wenn dieses Mindset und die nötige Handlungsfreiheit in der aws, der ÖBAG oder einer neuen Entity gegeben sind, dann ist der Standort egal – Hauptsache, es wird professionell und marktnah geführt.

Wie viel staatliche Einflussnahme kann ein Dachfonds vertragen?  

Eine perfekte Lösung, bei der der Staat involviert ist, aber keinerlei Einfluss nimmt, ist unrealistisch. Es ist nicht ehrlich, staatliche Unterstützung zu fordern und zugleich vollständige Unabhängigkeit zu erwarten. Ich glaube jedoch fest an ein Modell, in dem Staat und private Investoren in einer Public-Private-Partnership zusammenarbeiten, da es auf vielen Ebenen sinnvoll ist. Der Staat stellt den institutionellen Rahmen und aus meiner Sicht auch ein Ankerticket für den Dachfonds, die Mehrheit des Kapitals kommt jedoch von privaten Investoren. Wenn man ein solches Projekt richtig aufsetzt, hat es nicht nur nachhaltig positiven Einfluss auf das Tech-Ökosystem in Österreich, sondern verdient der Republik auch gutes Geld. Hierfür gibt es international unzählige Beispiele auch aus anderen kleineren europäischen Ländern wie Portugal oder den baltischen Staaten.

Was das Management angeht, ist weniger entscheidend, wo der Fonds angesiedelt ist, sondern wer ihn führt. Entscheidend ist, dass erfahrene Personen aus dem privaten oder halböffentlichen Fundmanagement das Mandat und die Freiheit haben, ihre hohen Standards zu halten, ohne in einen starren regulatorischen Rahmen zu agieren, der die Flexibilität des Fonds einschränkt.

Der European Investment Fund (EIF) ist ein hervorragendes Beispiel: Er verwaltet öffentliches Geld, hat aber unter institutionellen Anlegern einen hervorragenden Ruf und gilt als Qualitätsindikator. Bei Speedinvest haben wir erlebt, wie der Prozess mit dem EIF als Gütesiegel bei privaten Anlegern wirkt – auch wenn er manchmal langwierig ist. Diese Mischung aus öffentlichem Engagement und privatem Qualitätsanspruch ist entscheidend für den Erfolg eines solchen Fonds.

Die Grundintention eines Dachfonds in Österreich sollte die Stärkung des heimischen Startup-Ökosystems sein. Ein zu starker nationalstaatlicher Fokus könnte jedoch die Attraktivität für Investoren mindern, oder? 

Es gibt verschiedene Modelle, die die Balance finden müssen zwischen der Freiheit, die ein privater Fundmanager braucht, und den Anforderungen, die mit der Investition von staatlichen Geldern verbunden sind. Ein privater Fundmanager muss genügend Flexibilität haben, um Investoren an Bord zu holen, denn das Produkt muss attraktiv sein. Gleichzeitig ist es verständlich, dass bei einem Beteiligungsvehikel, in das auch Steuerzahlergeld fließt, ein Interesse besteht, dieses Kapital innerhalb Österreichs zu investieren.

In Europa gibt es unterschiedliche Modelle. In größeren Ländern wird ein Ansatz genutzt, bei dem ein Fondsmanager vom Dachfonds etwa zehn Millionen Euro erhält und sich im Gegenzug verpflichtet, über die Laufzeit des Fonds dieselbe Summe im jeweiligen Land zu investieren. Dies ermöglicht es Fonds aus anderen Ländern auf das Kapital zuzugreifen, solange sie eine überzeugende Investmentstrategie vorweisen und die Investition in Österreich tätigen. Gleichzeitig wird man das nicht so 1:1 in Österreich umsetzen können, weil der Markt noch sehr klein ist und eine solche Regel wohl Fondsmanager zu sehr einschränkt. Ein anderer Ansatz wäre, die “Österreich-Komponente” über den Standort der Fondsmanager zu definieren und damit Österreich als Fondsstandort zu positionieren. 

Hierbei gibt es oft unterschiedliche Ansichten: Private Fondsmanager bevorzugen ein breiter gefasstes Modell, während die Politik eher auf ein stärker Österreich fokussiertes Modell drängt. Ein Kompromiss wäre notwendig, um beide Seiten zufriedenzustellen. Den “Wachstumfsfonds Deutschland” verwaltet durch die KfW Capital könnte man aber als Blueprint heranziehen und dann mit ein paar Änderungen für die Eigenheiten des österreichischen Marktes schnell umsetzen.

Auf der invest.austria-Konferenz wurde unter anderem von erfolgreichen Dachfonds-Modellen in anderen europäischen Ländern gesprochen. Warum gibt es in Österreich bis dato noch keinen Dachfonds?

Am Ende des Tages – und das wurde auch auf der Konferenz im Panel deutlich – ist die Initialzündung für die Umsetzung eines solchen Modells eine, die von öffentlicher Seite kommen muss. Aktuell gibt es zur neuen Regierungsbildung ein positives Momentum und wir wollen auch weiterhin alles daran setzen, um das Konzept voranzutreiben. 

Ich bin überzeugt, dass eine zentrale Frage unseres wirtschaftlichen Wohlstands davon abhängt, ob wir Schlüssel-Talente im Tech-Bereich nach Österreich holen, hier halten und Unternehmen aufbauen. Es geht nicht nur um Startups, sondern auch um Innovation in etablierten Unternehmen.

Frankreich ist hier ein inspirierendes Beispiel. Innerhalb weniger Jahre ist das Land von einer Randposition zu einem der europäischen Innovationszentren geworden. Durch gezielte Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Kapitalbereitstellung und Regulierung hat Frankreich gezeigt, dass ein starkes Ökosystem entstehen kann. Heute wollen alle, die im Tech-Bereich tätig sind, in Frankreich präsent sein. Das zeigt, dass man nicht 50 Jahre braucht, um hier Fortschritte zu erzielen – wenn man das Thema ernst nimmt und mutig ist.

Mit invest.austria lobbyiert ihr mit der Vision 2030 politisch für den Dachfonds. Welches Feedback habt ihr bisher von Seiten der Politik erhalten?

In den letzten sechs Monaten haben wir mit allen politischen Parteien gesprochen. Das gehört zu den Kern-Aufgaben von invest.austria. Ich denke, es ist sinnvoll, mit allen im Parlament vertretenen Parteien ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Insgesamt standen alle Parteien dem Thema offen gegenüber. Natürlich gibt es Unterschiede in der Tiefe des Verständnisses, die Parteien bringen je nach ihrer bisherigen Auseinandersetzung mit dem Thema unterschiedliche Perspektiven mit.

Grundsätzlich findet jeder das Thema spannend, aber die langfristige Bedeutung, die Investitionen in fünf oder zehn Jahren für den Wirtschaftsstandort Österreich haben können, ist noch nicht bei allen vollständig angekommen – das ist ein Punkt, den wir noch verdeutlichen müssen. Dennoch sehe ich durchweg positive Signale. Letztlich wird es darauf ankommen, wie das Regierungsprogramm aussieht und wer im Finanz- sowie im Wirtschaftsministerium sitzt.

In Europa wird vielfach das Fehlen des viel besagten IPO-Fensters beklagt. Wie bewertest du aktuell die Situation?

In Europa waren IPOs in den letzten zehn Jahren eher ein Randthema, wenn es um Liquidität und Exits geht. Erfolgreicher waren oft Unternehmensverkäufe an etablierte Unternehmen, was die wichtige Rolle von Startups für Innovation unterstreicht. Startups schaffen direkte Innovation, indem sie eigenständig wachsen und Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig bringen sie durch Übernahmen Innovation in traditionelle Unternehmen, was langfristig ebenfalls zur wirtschaftlichen Dynamik beiträgt.

Ich denke, dass Trade-Sales in absehbarer Zukunft in Europa eine wesentliche Rolle spielen werden. Dennoch brauchen wir dringend harmonisierte Kapitalmärkte und eine echte Kapitalmarktunion. Es wäre großartig, wenn die neue EU-Kommission Themen wie die Kapitalmarktunion als zentrale Priorität setzt – erste Anzeichen deuten darauf hin. Es gibt enorme Hürden, etwa sprachliche und kulturelle Unterschiede, aber meine Frage ist immer: Was ist die Alternative? Aufgeben ist die schlechteste aller Alternativen und das funktioniert in einer zunehmend globalisierten Welt immer schlechter.

Die US-Wahlen sind geschlagen. Donald Trump wird der neue US-Präsident. Wie wird sich dies deiner Meinung nach auf den europäischen Wirtschafts- und Innovationsstandort auswirken?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Europa in Zukunft stärker auf sich selbst gestellt sein wird. Der Wahlkampf deutete bereits darauf hin, dass eine „America-first“-Politik kommen wird, die wenig weltoffen ist. Das bedeutet, dass Europa umso entschlossener, schneller und autonomer agieren muss – insbesondere in Bereichen wie Technologieführerschaft, Kapitalmarktunion und Investitionen in Technologie. Ohne solche Maßnahmen riskieren wir, als Verlierer aus dieser Entwicklung hervorzugehen. Der Druck auf Europa wird weiter steigen, und wie es heißt: „Unter Druck entstehen Diamanten.“ Vielleicht kann dieser Druck in schwierigen Zeiten dabei helfen, schneller zu Lösungen zu kommen.


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