01.07.2016

FinTechs und Daten: Kein System zu 100 Prozent sicher

Im FinTech-Bereich ist Datensicherheit ein besonders großes Thema. Schließlich geht es um Geld, das durch Sicherheitslücken gefährdet werden kann. Der Brutkasten sprach dazu mit Business-Angel und FinTech-Pionier Michael Altrichter und Elina Räsänen vom finnischen Banking-Startup Holvi.
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(c) Fotolia-olly: Immer mehr Menschen nutzen Banklösungen von FinTech-Startups. Aber wie kann die Datensicherheit garantiert werden?

Eine Zahlen-Buchstaben-Kombination mit Groß- und Kleinschreibung und mindestens 16 Zeichen: Jeder kennt die Vorgabe für ein sicheres Passwort von unzähligen Anwendungen, die einen Zugangscode erfordern. Manchmal ist man dabei gar nicht sicher, ob so viel Sicherheit überhaupt nötig ist. Im FinTech-Bereich ist das anders. Wenn es um das eigene Geld geht, werden besonders hohe Anforderungen an die Datensicherheit gestellt.

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Kein System ist hundertprozentig sicher

Doch wie kann man diese Sicherheit gerade bei Mobile- und Web-basierten Anwendungen gewährleisten? Wie kann etwa die Transaktion über das Smartphone vor Hackern geschützt werden? Gibt es einen hundertprozentig sicheren Weg? „Nein“, sagt Michael-Altrichter, Business-Angel und Founder von Paysafecard, einem der ersten österreichischen FinTech-Startups. Schließlich könne man sogar einen Finger abschneiden und damit den Fingerabdruckscanner bedienen. Als Altrichter im Jahr 2000 Paysafecard gründete, war Datensicherheit eine seiner Hauptmotivationen. “Niemand gibt gerne im Internet seine Kreditkartendaten an. Mit der anonymen Lösung über den Pincode wollten wir dem entgegenkommen“, sagt er. Und trotzdem sei das System nicht komplett sicher. Schließlich hänge es noch davon ab, ob der Besitzer auch auf seinen Code aufpasse. Überhaupt sei menschliches Versagen die größte Sicherheitslücke: „Manche Leute schreiben den Pincode ihrer Bankomatkarte auf die Karte selber“, sagt Altrichter lachend.

“Keine Altlasten im Hintergrund”

Auch beim finnischen Startup Holvi, in das die österreichische Speedinvest eine Million Euro investiert hat, wurde Sicherheit von Beginn an zur Priorität erklärt. „Holvi“ sei schließlich das finnische Wort für Tresor und man nehme diesen Anspruch sehr ernst, sagt Unternehmens-Sprecherin Elina Räsänen. Für das Geschäftskonto mit Smartphone-App würden prinzipiell dieselben Regeln gelten, wie bei traditionellen Banken. „Weil wir unser Service aber unabhängig von bereits bestehenden Banken aufgebaut haben, konnten wir von Anfang an nur die modernsten und sichersten Systeme nutzen, ohne im Hintergrund Altlasten zu haben“, sagt Räsänen.

Redaktionstipps

Ist Biometrie die bessere Lösung für Datensicherheit?

(c) Michael Altrichter:
(c) Michael Altrichter: “Metallmünzen sind heute lächerlich”

Differenziert sieht man bei Holvi biometrische Lösungen wie Fingerabdruck- und Irisscanner. Diese würden nicht automatisch die Datensicherheit erhöhen. Allerdings könnten sie die Bedienung für die Kunden weiter erleichtern, was natürlich im Sinne des Unternehmens sei. Im Moment gäbe es aber keine konkreten Pläne in diese Richtung. Altrichter sieht das anders: Biometrische Systeme seien „definitiv der nächste Schritt zur Datensicherheit“. Bloß dauere es bei den Kunden immer länger, bis neue Entwicklungen angenommen würden – zumindest in dem Bereich: Bei Spielen ginge das deutlich schneller.

Altrichter: “Bei Sicherheitsmaßnahmen gilt für Startups: So viel wie nötig, so wenig wie möglich”

Klare Reglements “in der DNA der Firma”

Wie können FinTech-Startups es nun bei der Datensicherheit von Beginn an richtig machen? Für Altrichter liegt der Weg zum Erfolg im „richtigen Mittelmaß“. Die Losung sei: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“, denn einerseits könnten Systeme durch überzogene Sicherheitsmaßnahmen zu kompliziert werden und Gründer sich damit selbst den Start erschweren. Andererseits müssten Standards erfüllt sein und sich die Kunden natürlich sicher fühlen. Auch Räsänen schlägt in dieselbe Kerbe: Klare Reglements im Umgang mit Daten müssen „in der DNA der Firma enthalten sein“ und jeder einzelne Mitarbeiter sollte darauf eingeschworen sein. Sie seien aber nur die halbe Miete. „Flexibilität und Nutzerfreundlichkeit sind die andere Hälfte“, sagt sie. Klar sei, dass im FinTech-Bereich Vertrauenswürdigkeit der Schlüssel zum Erfolg sei.

Die Zukunft: Mehr Autonomie und Demokratie

Und wie sieht die Zukunft in der FinTech-Branche aus? Bei Holvi glaubt man naturgemäß, dass das Smartphone eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Trotzdem geht Räsänen nicht von einem baldigen Verschwinden von Kreditkarte und Co aus. Altrichters Zukunftsvision ist da schon pointierter: Metallmünzen seien heute schon „lächerlich“. Das Bargeld werde auf Dauer verschwinden. Generell sehe er eine Entwicklung in Richtung mehr Autonomie und Demokratie. Seit es das Internet gebe, gebe es auch einen Trend weg von zentralen Institutionen hin zu Crowd-Lösungen. Auch im FinTech-Bereich komme das langsam an. Sei es nun Crowd-Financing statt Darlehen von Banken, oder Investment-Modelle wie Wikifolio (Altrichter ist einer der Investoren), wo nicht ein Fonds-Manager, sondern die Crowd beurteilt, wie gut ein Portfolio ist. Eines sei sicher: „Ich erwarte in Zukunft massive Umbrüche“.

+++ Dossier: FinTech +++

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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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