23.08.2021

Fintech Circle: Das kann Österreich vom Fintech-Hub London lernen

Die Österreicherin Susanne Chishti ist Gründerin und CEO des Investoren-Netzwerks Fintech Circle aus London. Gemeinsam mit dem Fintech-Circle-Ambassador für Österreich, Walter Mösenbacher, war sie im brutkasten-Studio zu Gast.
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Walter Mösenbacher (FINTECH Circle Ambassador Österreich) und Susanne Chishti (Gründerin & CEO FINTECH Circle, London) im brutkasten-Studio
Walter Mösenbacher (FINTECH Circle Ambassador Österreich) und Susanne Chishti (Gründerin & CEO FINTECH Circle, London) im brutkasten-Studio | Foto: brutkasten

Die Boom rund um Fintechs hat sich in den vergangenen Monaten deutlich intensiviert – wie zuletzt auch mehrere riesige Finanzierungsrunden zeigten. Alleine im zweiten Quartal 2021 flossen 30,8 Mrd. Dollar an Venture-Capital-Investitionen in die Branche – ein Rekordwert und ein Plus von 30 Prozent gegenüber dem bereits starken ersten Quartal. Im Juli sorgte Revolut mit einer 800 Mio. Dollar schweren Runde für Aufsehen, in der die Londoner Neobank mit 33 Mrd. Dollar bewertet wurde. Der schwedische “Buy Now, Pay Later”-Anbieter Klarna kam in einer Finanzierungsrunde im Juni sogar auf eine Bewertung von 45,6 Mio. Euro. Was steckt hinter diesem Boom?

“Wir stehen vielleicht im fünften Jahr einer 20-jährigen Entwicklung, in der die gesamte Finanzbranche zu Fintech-Branche wird. In 20 Jahren wird es nur mehr Fintech geben – und wir sind gerade am Weg dorthin”, sagt Susanne Chishti. Die gebürtige Österreicherin ist Gründerin und CEO des Investoren-Netzwerks Fintech Circle in London und war kürzlich gemeinsam mit Walter Mösenbacher, dem Österreich-Ambassador des Fintech Circle, im brutkasten-Studio zu Gast.

Europa für internationale Investoren interessant

“Jeder Investor, jeder VC will in seinem Portfolio Fintech-Firmen haben, weil Fintech die Zukunft des Finanzwesens ist. Ansonsten würde man einen Riesenteil des Markts versäumen. Und so kommt es auch zu diesen riesigen Investitionssummen. Man möchte schauen, dass man in jeder Region regionale Gewinner hat”, führt Chishti weiter aus. In Europa seien die Bewertungen weiterhin niedriger als in China und den USA. Auch deshalb sei Europa für internationale Investoren interessant – denn gleichzeitig habe Europa “super Unternehmen, super Investoren und gute Business Modelle”.

Der Fintech Circle besteht aus 70 Privatinvestoren, das Kernteam umfasst 5 Personen. Investiert wird üblicherweise bei den ersten Finanzierungsrunden zu Bewertungen im Bereich von bis zu 5 Millionen. “Wir sind meist in der ersten Runde dabei, in der Angel Investoren einsteigen – bevor die Venture Capitalists danach kommen”, erklärt Chishti. Daneben publiziert das Netzwerk auch Bücher zu aktuellen Fintech-Themen. “Wir arbeiten sehr stark mit dem Ökosystem in London zusammen – mit Fintech-Unternehmen, Fintech-Investoren, Banken, Versicherungen”, erläutert die Gründerin weiter.

Lernen von Fintech-Hub London

Von Finanzplatz London können Städte in der Europäischen Union jedenfalls noch lernen, sagt Chishti: “Die englische Regierung hat sich vor einigen Jahren als Ziel gesetzt, der globale Fintech-Hub zu werden. Dann wurden die entsprechenden Rahmenbedingungen gesetzt wie etwa attraktive Steuervorteile für Investoren, die in England in Startups investieren”. Dadurch sei das Risikoprofil für Investoren attraktiver gemacht worden. Außerdem seien weder Erbschafts- noch Kapitalertragssteuer zu bezahlen. “England ist federführend dabei, Privatinvestoren dazu zu bringen, lokal zu investieren. Das ist etwas, das wir lernen könen von London”, sagt Chishti.

Auch in Österreich würde das nach Einschätzung der Fintech-Circle-Gründerin funktionieren: “Es müsste nur einmal von oben gesagt werden und dann die Rahmenbedingungen geschaffen werden”. Schon jetzt gebe es in Österreich “super Investoren wie Speedinvest oder UNIQA”, die bereits sehr viel machen würden. Gleichzeitig gebe es jedoch viele potenzielle Business Angels, die derzeit noch nicht investieren würden und aus der Reserve gelockt werden müssten. Mit Steuervorteilen könnte dies gelingen – was “einen Riesenvorteil” für den Standort Österreich schaffen würde, wie Chishti sagt.

Dem schließt sich auch Walter Mösenbacher an. Der Österreich-Ambassador des Fintech Circle sagt: “Je mehr Kapital wir in Österreich hereinbekommen, desto besser ist das. Warum sollen österreichischen Startups nach London müssen, um Kapital hereinzubekommen?”. Speziell im Bereich Green Finance könnte sich Österreich positionieren: “Wir sind ein Land der hohen Lebensqualität – warum nutzen wir das nicht, um es auch entsprechend kapitalmäßig zu versorgen?” Mit dem Londoner Modell könnte man Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Zukunft für das Land schaffen, sagt Mösenbacher, der 25 Jahre Erfahrung in der traditionellen Finanzbranche hat und Managing Director der Raiffeisen e-force war.

“Müssen uns in Europa fragen, was wir von China lernen können”

Aber nicht nur der Blick nach London lohnt sich – in der Fintech-Branche ist natürlich auch China ein großes Thema. Susanne Chishti berichtet im brutkasten-Talk etwa von einem Besuch in der Weltzentrale von Ant Financial in Hangzhou: “Dort waren auf einer Wand lauter blinkende Lichter, die anzeigen, wie viele Millionen Transaktionen pro Sekunde auf der App von Ant Financial durchgeführt werden. Und daneben haben sie dargestellt, was Visa und Mastercard pro Sekunde machen. Und das war kein Vergleich mehr, da hat China so ein Volumen erreicht, dass wir gar nicht mehr mitkommen”.

Die chinesischen Superapps wie WeChat seien auf den Smartphones von einer Milliarde Menschen – und würden für alle nur möglichen Käufe verwendet, erläutert Chisthi weiter. Für Ausländer ohne chinesischem Konto sei es oft sogar schwierig, in China zu bezahlen. “Es ist so weit fortgeschritten, dass wir uns in Europa fragen müssen, was wir von China lernen können”, sagt die Fintech-Circle-Gründerin mit Bezug auf Mobile Payments.

Zukunftstrend Embedded Finance

Wie geht es aber nun generell weiter im Fintech-Bereich? Einer der Zukunftstrends sei Embedded Finance, sagt Susanne Chishti. Dabei baue man Fintech-Lösungen in Wertschöpfungsketten mittels Application Programing Interfaces (API), also Programmierschnittstellen, ein. Dies geschehe in unterschiedlichen Bereichen, etwa Embedded Lending, Embedded Workflow Management oder Embedded Payments. Die Fintech-Lösungen würden dabei oft im Hintergrund ablaufen, gleichzeitig aber den Konsumenten das Leben erleichtern. In den nächsten fünf Jahren werde Fintech jedenfalls “Mainstream werden, wir werden alle Fintech-Lösungen benutzen – auch wenn wir manchmal gar nicht mehr wissen werden, dass es Fintech-Lösungen sind”.

Auf der technologische Seite sei zu erwarten, dass das Thema Krypto immer wichtiger werde, ergänzt Walter Mösenbacher: “Bitcoin war erst der Anfang”. Es würden Vermögenswerte zunehmend digitalisiert werden und damit ganz neue Geschäftsmodelle entstehen. Auf der negativen Seite sieht er das Thema Cybersecurity: “Das wird ein Thema sein, mit dem wir uns permanent auseinandersetzen müssen”. Was die traditionellen Banken angeht, erwartet er, dass diese stärker auf Kooperationen setzen werden müssen – etwa bei Entwicklungskosten für Apps.

Chishti sieht aber auch noch Verbesserungsbedarf bei Fintechs selbst – und zwar insbesondere in einem Bereich: “Ich wünsche mir viel mehr Frauen im Fintech-Bereich. Momentan ist Fintech noch eine männerlastige Industrie, in der zu wenige Frauen in Führungspositionen sind, zu wenige Frauen programmieren und zu wenige Frauen Fintech-Investoren sind”, sagt die Fintech-Circle-Gründerin.

Zum gesamten brutkasten Talk, bei dem noch viele weitere Fintech-Themen behandelt wurden:

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Jumug Carbon Recovery Ataleo Insolvenzen
(c) Adobe Stock

Das Unternehmen ilvi mit Sitz in Gleisdorf, Steiermark, digitalisiert mit seiner Hardware-Software-Kombination die Erfassung von Vitalwerten von Patient:innen. 2018 gab es dafür eine knapp siebenstellige Kapitalspritze unter dem Lead von eQventure. Wie nun der KSV (Kreditschutzverband) bekannt gab, wurde ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung am Landesgericht Graz beantragt.

ilvi: Sanierungsplanquote von 20 Prozent

Es gibt 37 Gläubiger, elf Dienstnehmer:innen und rund 165.000 Euro Aktiva, bei 1,6 Millionen Euro Passiva. Das Unternehmen bietet eine Sanierungsplanquote von 20 Prozent, zahlbar innerhalb von zwei Jahren vom Tag der Annahme des Sanierungsplanvorschlages an.

Zu den Gründen für die Insolvenz zählen, dass die Umsatzerlöse der ilvi GmbH für das Jahr 2024 nicht erzielt werden konnten. Zudem wurde ein gewährtes Darlehen schneller verbraucht als ursprünglich angenommen. Eine weitere Darlehensvergabe war nicht möglich. Gespräche mit potentiellen Investoren führten ebenfalls zu keinem positiven Abschluss.

2018 gegründet

Zur Geschichte: Die ilvi GmbH wurde am 16. August 2018 von Erwin Berger und Christoph Kauer als Spin-off der Berger Medizintechnik GmbH gegründet. Nach mehreren Wechseln an der Spitze wird das Unternehmen seit dem 14. Mai 2024 durch Geschäftsführer Franz Salomon selbstständig vertreten.

Das Medtech fokussierte sich auf Softwareentwicklung im Bereich der Medizintechnik, insbesondere im Bereich mobiler Datenerfassung im Gesundheitsbereich. Darauf basierend entwickelt, produziert und vertreibt das Unternehmen Medizintechnikprodukte.

Die mobilen Softwarelösungen hingegen zielen darauf ab, die Lebens- und Versorgungsqualität der Patient:innen zu verbessern und gleichzeitig die Gesundheitsversorgung der Zukunft sicherzustellen. Der “Personal Digital Assistant”, der Gesundheitswerte direkt am Krankenbett erfasst, via Bluetooth mit unterschiedlichen Geräten kommuniziert und Daten an das Krankenhaus-Informationssystem überträgt, soll die Arbeitsprozesse des Pflegepersonals digitalisieren und dadurch zugleich optimieren.

Fortführung von ilvi geplant

Die ilvi GmbH beabsichtigt das Unternehmen unter Umsetzung einiger Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen fortzuführen: “Der zu bestellende Insolvenzverwalter wird nunmehr zu prüfen haben, ob eine Fortführung im Interesse der Gläubiger liegt und der vorgelegte Sanierungsplan eingehalten werden kann”, sagt Brigitte Peißl-Schickmair, Leiterin Unternehmensinsolvenz Graz.

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