Es war die Pandemie, die Gesundheits-Apps, virtuelle Arztkonsultationen oder das E-Rezept in die Mitte der Gesellschaft getragen hat. Heute kommt die Digitalisierung in vielen Bereichen des Gesundheitswesens zum Einsatz und dringt noch weiter vor. Auch der Überbegriff Telemedizin hat sich vermehrt im heimischen Wortschatz integriert und Fernmonitoring als mögliche Variante der Gesundheitsuntersuchung eröffnet. Und Wien scheint mitzumachen.

Telemedizin: Ziel skalierbare Plattform

Der Innovationsdienstleister Zühlke, Wien Digital, das Future Health Lab, Microsoft und ein vielfältiges Partnerökosystem an Expert:innen haben im Rahmen eines Pilotprojekts eine Fernmonitoring-Lösung für Hochrisikopatient:innen mit einer Covid-19-Infektion entwickelt. Das gemeinsame Ziel: Eine offen skalierbare Plattform bereitzustellen, die für jede Anzahl an Patient:innen und für eine Vielzahl kardiovaskulärer Krankheitsbilder anwendbar sei.

In der Pandemie war die Lage für Infizierte oftmals schwierig einzuschätzen, ob und wann der Krankenhausbesuch notwendig ist. Gleichzeitig kann sowohl eine überstürzte als auch eine verspätete Aufnahme ins Krankenhaus eine große Herausforderung für das belastete Gesundheitssystem sein.

Entlastung des Medizinpersonals

In Zeiten von Lockdowns und stark belegten Spitälern sei für ein patientenzentriertes Gesundheitssystem essentiell, dass Patient:innen sich weiterhin gut betreut fühlen und wissen, dass sie nicht allein sind, so die am Projekt beteiligten Parteien. Doch während Hochrisikopatient:innen in Selbstisolation eine besonders bedürftige Gruppe darstellen, sei gleichzeitig die Entlastung des Medizinpersonals von systemkritischer Bedeutung.

In solchen Situationen könnte Telemonitoring einen erheblichen Effekt haben. Werden infizierte Hochrisikopatient:innen mit technologischen Mitteln aus der Ferne betreut und ihre Werte überwacht, so würde sich die Frage nicht mehr stellen, ob und wann sie einen Arzt aufsuchen sollen. Patient:innen hätten die Gewissheit, dass sie kontaktiert werden, wenn ein Arztbesuch notwendig wird, wagen Wien Digital, Microsoft und Co. einen Blick in die Zukunft.

Der Fernmonitoring-Test

Anfang 2022 startete die Bundeshauptstadt eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern an der Klinik Favoriten. Eine besonders wirksame Spezialtherapie für Risikopatient:innen mit einer nachgewiesenen Infektion. Diese erhielten eine Infusion in der Klinik und gingen danach in häusliche Selbstisolation. Das jetzige Pilotprojekt soll daran anknüpfen: Zum einen sollte eine bessere, individuelle Versorgung den Weg ins Krankenhaus nach der Therapie möglichst ersparen. Zum anderen könnten durch die frühzeitige Erkennung negativer Krankheitsabläufe schneller Maßnahmen gesetzt werden, um Spitäler zu entlasten. Mit dem Projekt möchte man auch die Akzeptanz von Fernmonitoring-Lösungen im Gesundheitsbereich überprüfen.

Das Pilotprojekt begann eigentlich bereits im April 2021 mit der Initiative vom Future Health Lab. Das Team bei Wien Digital, unter der Führung von Otto Fraunbaum, war für die technische Integration in die Umgebung der Stadt Wien verantwortlich. Als Lösung wurde das international eingesetzte “HCAlert” von HopeCare ausgewählt. Partner Zühlke setzte das Projekt technisch um und verantwortete das multidisziplinäre Projektmanagement.

“Unser Pilotprojekt zeigt, wie eine fächerübergreifende Zusammenarbeit für eine wegweisende technische Innovation erfolgreich eingesetzt werden kann. Jeder einzelne Partner hat seine Expertise in den Prozess eingebracht. Technologie und Fachwissen müssen Hand in Hand gehen, um Innovationen auf den Markt zu bringen”, sagt Otto Fraunbaum, Geschäftsbereichsleiter Grundlagenentwicklung und Architektur bei Wien Digital.

Telemedizin und ihre Parameter

Die Partner definierten gemeinsam mit der Klinik Favoriten, angeführt von Professor Wenisch, die Parameter für die Fernüberwachung: Insbesondere die Sauerstoffsättigung und der Puls wurden als Kriterien für die Früherkennung von Risiken während einer Covid-19-Erkrankung ausgewählt.

Mit dem Team von Wien Digital hat Zühlke zudem eine Lösung auf de Cloud-Computing-Plattform Azure integriert, die diese zentralen Parameter erfassen soll. Insgesamt nahmen 110 Covid-19 positiv getestete Hochrisikopatient:innen am Projekt teil.

Zum Start erhielten sie während des Aufklärungsgesprächs im Rahmen ihrer Infusionstherapie in der Klinik ein Pulsoximeter, eine Applikation auf dem Smartphone und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung im Videoformat sowie in gedruckter Form. Danach gingen sie in Selbstisolation nach Hause.

Nach der Registrierung in der App erhielten sie zweimal täglich eine Erinnerung, um Messungen vorzunehmen. Diese Daten wurden dann in die Lösung von HopeCare, basierend auf Microsoft Azure, übertragen und mit vordefinierten Soll-Parametern verglichen.

Wenn sich die Parameter außerhalb der Schwankungsbreite befanden, erhielten die Ärzt:innen in der Klinik eine SMS-Benachrichtigung am Diensthandy. Die Identifikation des konkreten Patienten erfolgte erst über den Einstieg in die Applikation. Im nächsten Schritt konnte der zuständige Arzt Betroffene kontaktieren, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist und bei Bedarf Maßnahmen setzen.

Datenschutz: Keine Daten in der Cloud

Dabei stand der Schutz der Privatsphäre im Vordergrund: In der Cloud waren keine personenbezogenen Daten abgespeichert, sondern nur Patientennummern und Messdaten. Die personenbezogenen Daten der Patient:innen wie Name, Adresse und Telefonnummer lagen zu jeder Zeit verschlüsselt bei Wien Digital, heißt es. Nur im Falle einer Benachrichtigung über die Verschlechterung des Zustandes eines konkreten Patienten konnten Ärzt:innen die personenbezogenen Daten abrufen, indem sie die Patientennummer in das Portal eingaben.

Albert Frömel, Leiter Healthcare bei Zühlke Österreich dazu: “Unser Pilotprojekt hat gezeigt, wie die digitale telemedizinische Betreuung von Patient:innen eine echte Unterstützung bei deren Genesung bieten kann. Während der Pandemie wurde die Technologie zum ersten Mal in dieser Form eingesetzt. Den Hochrisikopatient:innen Sicherheit zu vermitteln war gerade in Zeiten von Social Distancing umso wichtiger. Diese fühlten sich sogar in der Selbstisolation gut begleitet – schon deswegen ist das Projekt für uns ein Erfolg.”

Telemedizin auch für Diabetes oder COPD gedacht

Auch wenn man im Großen und Ganzen die Pandemie hinter sich gelassen habe, glauben die Beteiligten, dass eine Fernmonitoring-Lösung wie diese die Zukunft sei. Mit der Technologie können auch andere Parameter gemessen werden, wie etwa Blutzucker und Blutdruck. Auch die Behandlung weiterer kardiovaskulärer Krankheitsbilder wie Diabetes oder COPD sollen mit solchen Technologien gut unterstützbar sein.


Titelbild: (c) Stock.Adobe/Nata Bene – Ein Wiener Pilotprojekt möchte die heimische Telemedizin fördern.