11.10.2018

Unternehmerfamilien: Warum auch die nächste Generation oft gründet

Gastbeitrag. Wer aus einer Unternehmerfamilie stammt, gründet tendenziell eher ein Startup. Dabei werden nicht nur Erfahrungen aus dem Familienunternehmen mitgenommen.
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Familienunternehmen - Unternehmerfamilie - Startup
(c) fotolia.com - contrastwerkstatt

Unternehmertum ist oftmals Familiensache. So zeigen zahlreiche Studien, dass vor allem die finanzielle, ideelle und emotionale Unterstützung seitens der Familie häufig ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Startup-Gründungen darstellt. Andererseits sind die meist sehr langfristig orientierten, international aktiven und regional verankerten Familienunternehmen der zentrale Unternehmenstypus in den Wirtschaftssystemen weltweit.

+++ Wenn es nicht reicht, nur ein Startup zu gründen +++

Verstaubtes Image vs. Hidden Champions

Allerdings wirken Familienunternehmen im Vergleich zu Startups auf den ersten Blick oftmals etwas “verstaubt” und “old school”. Diese Wahrnehmung mag viele Gründe haben, in der Tat ist es jedoch so, dass dieser Eindruck in vielen Fällen täuscht. Viele eigentümergeführte Familienunternehmen vom KMU bis zum großen Mittelständler sind hochinnovativ, stark internationalisiert bis hin zur weltweiten Marktführerschaft (so ist der Schnittbereich zwischen Familienunternehmen und Hidden Champions extrem hoch) und arbeiten sehr professionell an der weiteren Entwicklung des Unternehmens.

Ausbaufähig ist allerdings oftmals die Interaktionsdichte zwischen etablierten Familienunternehmen und Startup-Gründern – gerade in Zeiten einer immer stärker werdenden Komplexität und Vernetzung von Innovationsaktivitäten im Rahmen von Innovation Ecosystems.  Vernetztes Denken und Handeln, kurze Wege und lösungsorientierte Kooperationsformen sind in Zeiten wie diesen von entscheidender Bedeutung.

Tendenz zum eigenen Unternehmen

Eine besondere Rolle kommt dabei der nachrückenden Generation in Unternehmerfamilien zu, also jenen Persönlichkeiten, die im Kontext einer unternehmerisch aktiven Familie aufwachsen. Diese nächste Generation, die mit hoher Wahrscheinlichkeit später einmal in der einen oder anderen Form Verantwortung im Familienunternehmen übernehmen wird, oder dies bereits getan hat, ist laut einer aktuellen Studie im deutschsprachigen Raum (Spitzley & Prügl, 2017) sehr unternehmerisch eingestellt. Zudem ist die Nachfolgergeneration naturgemäß sehr digitalaffin und daran interessiert, sich mit neuen technologischen Entwicklungen zu beschäftigen und diese anzuwenden.

Die befragten Personen (über 350 an der Zahl) können sich eine Karriere im eigenen Familienunternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt gut vorstellen, und – und das ist bemerkenswert – es ist auch sehr gut vorstellbar, ein eigenes Unternehmen zu gründen.

Pendler zwischen zwei Welten

Und immer mehr beschreiten diesen Weg auch oder wechseln zwischen den unternehmerischen Herausforderungen Familienunternehmen und Startup-Gründung. So beispielsweise ein Alumnus eines “universitären Startups”, nämlich der 2003 gegründeten privaten Zeppelin Universität (ZU) am Bodensee. Simon Tüchelmann übernahm zwischenzeitlich das Unternehmen seiner Familie und begann danach ein Startup aufzubauen (übrigens gemeinsam mit Daniel Garcia, einem weiteren ZU-Alumnus). Und das ist bereits sein zweites Startup: gemeinsam mit zwei Kommilitonen hat er schon in seiner Studienzeit mit Knusperreich ein Startup im Bereich hochwertiger Bio-Kekse aufgebaut (später an mymuesli verkauft).

Simon Tüchelmann ist also ein Pendler zwischen zwei Welten, zwischen Mittelstand und Startup-Szene. Startup, Familienunternehmen, wieder Startup, später vielleicht wieder Familienunternehmen – who knows?

Zwei Wochen Workshop gegen Widerstände im Familienunternehmen

Er selbst war Mitte 20. Der Mittelständler Tübinger Stahlfeinguss – kurz TSF – schaute schon auf eine 40-jährige Geschichte zurück. “Unserer Firma ging es nicht gut und es war klar, dass ich viele Dinge umwerfen muss”, erzählt Tüchelmann. Gemeinsam überlegte er mit den Mitarbeitern etwa, wie sich Abläufe in der Fabrik vereinfachen lassen (Stichwort Lean Manufacturing). Zwei Wochen Workshop – danach sollten die Maschinen anders stehen, die Produktion besser laufen und erste Ergebnisse erkennbar sein. Und das gegen entsprechende Widerstände von Mitarbeiterseite, doch alles beim Alten zu lassen. Die späteren Erfolge überzeugten die Mitarbeiter jedoch schließlich. Denn er schaffte es innerhalb von einigen Jahren die Firma wieder auf Vordermann zu bringen: Die Firma konnte den Umsatz verdoppeln und zusätzliche Mitarbeiter einstellen (von 45 auf rund 70 Personen).

Startup-Idee aus Alltagsproblem

Und dann das nächste Startup: Während seiner Zeit bei TSF merkte er, dass wenn ein Unternehmen eine Serienproduktion für ein bestimmtes Bauteil in Auftrag geben will, zuerst viele Angebote eingeholt werden müssen. Und dieses Problematik will Simon Tüchelmann nun mit seinem Startup Kreatize lösen. Ende 2015 hat er das Unternehmen zusammen mit dem RapidApe (später von ProSiebenSAT1 übernommen)-Gründer Daniel Garcia gegründet. Parallel leitete er weiter das Familienunternehmen und probierte die Plattform von Kreatize direkt mit dem Stahlguss-Betrieb aus. Auf der Plattform von Kreatize laden die Auftraggeber beispielsweise die Daten von einem Bauteil hoch, das sie produzieren lassen möchten. Kreatize prüft automatisch, welches Produktionsverfahren am besten ist, etwa Laser-Verfahren, 3D-Druck oder andere Varianten. Und dann schlägt Kreatize einen passenden Produzenten vor, vermittelt den Auftrag an diesen und erhält eine Provision bei der Vermittlung.

Die Rolle des Familienunternehmens

Heutzutage muss die Neugründung eines Unternehmens nicht mehr zwangsläufig bedeuten, dass eine neue Familiendynastie gebildet wird (wenngleich dies nicht ausgeschlossen ist und oftmals der Fortführungswille über die Zeit entsteht und auch immer mehr Startups eine gewisse Langzeitorientierung signalisieren, indem beispielsweise in den Logos ein Verweis wie ‘since 2015’ zu finden ist). In jedem Fall spielt die Familie oftmals eine zentrale Rolle als wesentliche Ressource in vielerlei Hinsicht. Wie aber wirkt es sich aus, wenn ein Gründer, eine Gründerin in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen ist?

Julia Mecheels analysiert im Rahmen einer Abschlussarbeit am FIF auf Basis einer explorativ angelegten empirischen Studie diese Frage entlang idealtypischer Phasen der Neugründung eines Unternehmens (siehe FIF-Schriftenreihe zupFIF, 2017 – LINK).

Motivationsphase

Der Einfluss des Familienunternehmens auf die erste Phase, die Motivationsphase, ist stark geprägt von Erfahrungen der Gründer aus jüngeren Jahren. Vor allem die Kindheit, die Erlebnisse mit dem Familienunternehmen in jüngeren Jahren und das Existieren von unternehmerischen Vorbildern hat einen Einfluss auf die unternehmerische Intention und Motivation. Zudem wird auch die Risikobereitschaft bei der Gründung und das Erkennen von Gründungschancen beeinflusst.

Die Rolle, die Vorbilder bei der Entstehung der Gründungsmotivation haben, beschreibt einer der befragten Gründer folgendermaßen: “Und ein Punkt war eben, dass ich gesagt habe: Okay, auf jeden Fall irgendetwas Eigenes aufbauen, weil bei mir war dieser Gedanke so sehr prägnant: Okay, worauf will ich einmal zurückschauen, wenn ich fünfzig oder sechzig bin? (…) Die Unternehmergeschichte von meinem Großvater nachzumachen. Wirklich von Null auf etwas aufgebaut zu haben”.

Planungsphase

Die Planungsphase ist vor allem geprägt durch die Arbeitserfahrungen, die einige der Gründer vor der eigenen Gründung schon im Familienunternehmen sammeln konnten. Diese Erfahrungen sorgen vor allem für die Entwicklung von Humankapital, in diesem Fall vorrangig von unternehmerischem, prozessualem und branchenspezifischen Wissen, das die Gründer für ihre eigene Gründung abrufen können. Zudem kann man auch in dieser Phase die Rolle von Mentoren oder Vorbildern im Familienunternehmen oder in der Unternehmerfamilie beobachten, welche wiederum die Langfristigkeit der strategischen Planung in gewisser Weise beeinflusst.

Umsetzungsphase

Die erkenntnisreichsten Ergebnisse liegen in der Schaffungsphase bzw. Umsetzungsphase vor. Vier Arten von konkreten Ressourcen scheinen hier eine Rolle zu spielen: Als Erstes können finanzielle Ressourcen in Form von investiertem Kapital durch die Familie identifiziert werden. Zweitens kann das Familienunternehmen bzw. die Unternehmerfamilie Netzwerke und Sozialkapital vermitteln, die es den Gründern ermöglicht, schneller tragfähigere Kontakte zu Investoren, Banken, Kunden und Lieferanten zu knüpfen. Drittens sind andere materielle Ressourcen wie das Bereitstellen von Büroflächen, technischen Ressourcen oder Personalunterstützung zu nennen. Zuletzt spielen noch immaterielle Ressourcen wie übertragenes Wissen über Prozesse, Industriespezifika (wie im oben erwähnten Beispiel von Simon Tüchelmann) oder über die Unternehmenskultur.

Dabei sind drei Variablen zentral dafür, in welchem Maße die Gründer von den genannten Ressourcen Gebrauch machen können (oder wollen): Erstens ist es davon abhängig, wie nahe die Startups dem Geschäftsmodell und der Industrie des Familienunternehmens sind, zweitens, wie nahe sich die Familienunternehmen und Startup geographisch stehen und drittens, wie stark das Gründungsverhalten an sich durch die Unternehmerfamilie goutiert wird.

Bindeglied zwischen Mittelständlern und Startup-Welt

Die Grafik bietet einen Überblick über die Einflüsse des Hintergrunds eines Familienunternehmens auf die Neugründung eines Unternehmens sowie über die Variablen, die eine Wirkung auf die Stärke dieses Einflusses ausüben.

In Summe lässt sich festhalten: die nächste Familienunternehmergeneration könnte das ideale Bindeglied zwischen etablierten Mittelständlern und der Startup-Welt sein bzw. ist das bereits. Und genau das könnte ein bis dato wenig beachteter Ansatzpunkt für die dringend notwendige Stärkung der Verknüpfung von neuen und etablierten Unternehmen sein.


Zum Autor

Reinhard Prügl ist gebürtiger Weinviertler, lebt auf der Ost-West-Achse zwischen Bregenz und Wien mit Standorten an den beiden Enden dieser Achse, hat an der WU Wien studiert und im Bereich Entrepreneurship und Innovation promoviert, ist seit zehn Jahren wissenschaftlicher Leiter des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen (FIF) sowie des berufsbegleitenden Masterstudiengangs eMA FESH und Professor für Innovation, Technologie und Entrepreneurship (CITE) an der Zeppelin Universität am Bodensee. Er forscht an der Schnittstelle zwischen Unternehmertum und Innovation.

(c) Zeppelin Universität: Reinhard Prügl

Die Zeppelin Universität

Die Zeppelin Universität ist 2003 als private Stiftungsuniversität gegründet worden. Sie hebt sich ab, indem sie seit ihrer Gründung im Interdisziplinarität in ihre DNA eingraviert hat. Zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik problem- und lösungsorientiert zu denken und nicht in spezifischen gesellschaftlichen Denkmustern und wissenschaftlichen Disziplinen verhaftet zu sein, macht den Blick frei für gesellschaftlich relevante Lösungen. Vorbild und Namensgeber ist dabei Ferdinand Graf von Zeppelin. Er war ein Pionier der Luftfahrt. Willensstark hielt er an seiner Idee, den Himmel zu erobern, trotz Rückschlägen fest. Er glaubte an sich und seine Vision. Seine Handlungsmaxime: “Man muss es nur wirklich wollen, daran glauben, dann wird es gelingen”.

FIF

Das Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen (FIF) an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee beschäftigt sich seit seiner Gründung vor mittlerweile fast 10 Jahren neben Innovation, Strategie, und Markenführung in Familienunternehmen, besonders intensiv mit der Sichtweise der nächsten Unternehmergeneration. Diese ist ein wesentlicher Treiber im Kontext von Innovation in Familienunternehmen, insbesondere der Digitalisierung.

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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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