26.03.2018

Fairmittlerei: Social Startup holt Wiener Umweltpreis

Effiziente Freiwilligkeit: Müllvermeidung und Social Impact bringt "Die Fairmittlerei". Sie vermittelt zwischen Unternehmen und Sozialvereinen und gewinnt damit den Wiener Umweltpreis 2018.
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Duschgel, Damenbinden und Reinigungsmittel. Bis zu 2250 Tonnen gebrauchsfähiger Drogerieartikel landen jedes Jahr in Österreich ungenutzt im Müll. Es sind mehrheitlich die sogenannten Produktionsausschüsse und Ware aus ausgelaufenen Marketingaktionen, zum Beispiel, wenn ein Etikett schief aufgeklebt ist. Die Fairmittlerei versammelt, lagert und verkauft sie sehr günstig an NGOs und Vereine, die diese Produkte dringend benötigen. Dafür wurde sie nun mit dem Umweltpreis der Stadt Wien ausgezeichnet. Von der Jury wurde vor allem die Kombination aus Nachhaltigkeit, in Form von Müllvermeidung und dem Social Impact des Projektes, hervorgehoben.

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Ein Dutzend Freiwillige

Die Fairmittlerei ist eigentlich eine Aktion, die ein paar junge Leute in ihrer Freizeit gestartet haben und nach wie vor stützt ein Team aus elf Ehrenamtlichen und einem geringfügig Angestellten die Aktion. Der Zugang war durchaus professionell und unternehmerisch. Bevor man sich die freiwilligen Mühen machte, wollten die Gründer den Ist-Stand ermitteln und sich einen Überblick verschaffen.

Win Win Win

Die drei angedachten Player: Da wären zum einen die gemeinnützigen Organisationen wie Vinzenz-Gemeinschaft St.Stephan, die Heilsarmee Österreich und die Volkshilfe Wien. Sie haben über die Fairmittlerei die Möglichkeit, Non-Food Produkte zu deutlich günstigeren Preisen zu beziehen und können sich damit viel Geld sparen. Industrie und Handel hingegen können ihre Kosten für die Lagerung und Vernichtung der Güter mit Schönheitsfehlern, zum Beispiel Produkte aus ausgelaufenen Marketingaktionen, reduzieren und gleichzeitig einen sozialen Mehrwert leisten. “Wir tragen dazu bei, soziale Organisationen finanziell zu entlasten. Ihre knappen Mittel effizienter einsetzen zu können, bedeutet ihren sozialen Impact zu vergrößern”, erklärt Michael Reiter, der Obmann des Vereins. “Unsere Studie [Anm.: siehe unten] zeigt uns, dass es hier einen enormen Bedarf gibt und noch stehen wir am Anfang.”

Fairmittlerei: Ressourcenschonend und sozial

Zu guter Letzt profitiert natürlich auch die Umwelt. Schließlich wird der Abfall verringert – ein Beitrag zur Ressourcenschonung. Um genauer ihr Businessfeld zu kennen, gab die Fairmittlerei, gestützt durch Crowdfunding und die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) eine Studie beim Österreichischen Ökologieinstitut in Auftrag. Wie viel Ausschussware kommt zustande im Bereich Körperpflege und Reinigungsmittel? Und wie hoch ist der Bedarf dafür im Sozialbereich?

42.300 Mülltonnen voll ungenutzter Artikel

Das Ergebnis: In Österreich werden bis zu 2250 Tonnen jährlich allein an Hygieneartikeln unnötig vernichtet – das entspricht circa 42.300 vollen Mülltonnen. Dies trotz der hohen Kosten für Gesellschaft und Umwelt und obwohl sie im wohltätigen Bereich gebraucht würden: Bei sozialen Organisationen besteht ein Bedarf an Wasch- und Reinigungsmitteln in Höhe von rund sechs Millionen Euro im Jahr.

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Schon mehr als 4000 Kilo Ware vermittelt

Allerdings fehlen Unternehmen oft die Ressourcen für die Verteilung kleinerer Mengen an viele mögliche Abnehmer. Denn häufig steht hier ein Überangebot auf Unternehmensseite einer geringeren Abnahmekapazität auf NGO-Seite gegenüber. Diese benötigen in der Regel nur kleinere Mengen und verfügen kaum über Lagerflächen, um mehr abnehmen zu können. Hier setzt die Fairmittlerei an. Denn sie vermittelt Waren mengenunabhängig zwischen Industrie und NPOs in ganz Österreich. Zentral ist dabei ein Web Shop, über den NGOs sich mit dem was, sie tatsächlich brauchen, günstig versorgen können. Seit dem Start im Sommer 2016 hat das Projekt übrigens bereits mehr als 4000 Kilo Ware vermittelt.

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Nachlese. Wo steht die österreichische Wirtschaft bei künstlicher Intelligenz zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT? Dies diskutieren Doris Lippert von Microsoft und Thomas Steirer von Nagarro in der ersten Folge der neuen brutkasten-Serie "No Hype KI".
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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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