19.04.2023

Fachkräftemangel: Abschieben und locken – dieser Widerspruch schadet Österreich

Österreich schneidet sich mit seiner Migrationspolitik selbst ins Fleisch. Langfristig braucht es eine Trendumkehr, um den Fachkräftemangel zu bewältigen.
/artikel/fachkraeftemangel-abschieben-und-locken-dieser-widerspruch-schadet-oesterreich
"Der Widerspruch bei der Fachkräfte-Rekrutierung schadet Österreich", sagt Tobias Kurakin. (C) Adobestock; Lukas Lorber
kommentar

Der Fachkräftemangel in Österreich wird in den kommenden Jahren zu einem stetig wachsenden Problem. Laut Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher sowie Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer steht der wirtschaftliche und soziale Wohlstand in Österreich auf dem Spiel. Um eine Trendumkehr zu bewirken, will man ausländische Arbeitskräfte nach Österreich locken. Bereits im Land befindliche Arbeitskräfte werden indes noch immer abgeschoben. Eine Farce.

Die Abschiebung einer indischen Familie, bei der Mutter und Tochter in Mangelberufen tätig waren, offenbart ein Problem und einen gefährlichen Widerspruch in Österreich. Politisches Kalkül wiegt schwerer als der akute Notstand. Die Rechtslage würde derzeit kein anderes Vorgehen rechtfertigen lassen, betont Mahrer, der im selben Atemzug den Fachkräftemangel beklagt. Das politische Kleingeld, das sich die Volkspartei durch die Bilder der Abschiebung erhofft, ist tatsächlich nur Kleingeld. Die Summen, die dem Sozialsystem aufgrund nicht vorhandener Arbeitskräfte fehlen werden, sind indes horrend.

Deutschland als Vorbild

Während man im Oktober noch die Änderung der Menschenrechte hin zu weniger Zuzug debattierte, verharrt die ÖVP bei der Regelung von Arbeitserlaubnissen und Abschiebungen stur am Status Quo. Mahrer und seine Parteikolleg:innen wollen sich die Rosinen aus dem Rechtsstaat picken, der als Deckmantel puren Populismus verschleiert. Andere Länder, wie etwa Deutschland, mit denen man laut Kocher und Mahrer “Schritt halten” möchte, haben bereits an Schrauben gedreht. Auch abgelehnte Asylwerber können unter klaren Bedingungen ihren Status wechseln und als dringend benötigte Arbeitskräfte in Deutschland bleiben – womit sie die Volkswirtschaft unterstützen.

Hierzulande sind derartige Änderungen im Asylrecht laut führenden ÖVP-Politikern ausgeschlossen. Der Ernst der Lage erlaubt jedoch kein stures Festhalten an ideologisch-verzahnten Positionen. Rund 230.000 fehlende Arbeitskräfte und 100 Mangelberufe dokumentieren die Krise des Fachkräftemangels. Der Widerspruch zwischen strikter Zuwanderungspolitik auf der einen Seite, und dem nahezu flehenden Appell an ausländische Arbeitskräfte nach Österreich zu kommen auf der anderen Seite, wird das Problem nicht lösen – im Gegenteil. Bis 2040 könnte die Zahl der offenen Stellen auf 360.000 anwachsen. Österreich ist auf den Zuzug angewiesen. Asylwerber:innen wird es auch in Zukunft noch geben, Warum nicht dieses offensichtliche Potential nutzen?

Mit Nächstenliebe muss man bei der ÖVP schon längst nicht mehr argumentieren, mit wirtschaftlicher Kompetenz nun anscheinend auch nicht mehr. Um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen, muss an Schrauben gedreht werden. Auch an jenen im Einwanderungsrecht.

Deine ungelesenen Artikel:
07.11.2024

Deutsche-Bank-Ökonom: Trump wird geplante Politik “schnell umsetzen”

In den USA ist Donald Trump zum nächsten Präsidenten gewählt worden. In Deutschland zerbricht die Regierungskoalition. Welche wirtschaftlichen Auswirkungen dies hat, erläutern Deutsche-Bank-Ökonom Stefan Schneider und Gerald Resch vom Bankenverband im brutkasten-Interview.
/artikel/deutsche-bank-oekonom-trump-deutschland
07.11.2024

Deutsche-Bank-Ökonom: Trump wird geplante Politik “schnell umsetzen”

In den USA ist Donald Trump zum nächsten Präsidenten gewählt worden. In Deutschland zerbricht die Regierungskoalition. Welche wirtschaftlichen Auswirkungen dies hat, erläutern Deutsche-Bank-Ökonom Stefan Schneider und Gerald Resch vom Bankenverband im brutkasten-Interview.
/artikel/deutsche-bank-oekonom-trump-deutschland
Stefan Schneider, Senior Advisor bei der Deutschen Bank für den Themenbereich Makroökonomie Deutschland und Europa
Deutsche-Bank-Ökonom Stefan Schneider | Foto: brutkasten/Adobe Stock (Hintergrund)

Wichtige politische Entwicklungen bei Handelspartnern sind immer auch für die österreichische Wirtschaft von Bedeutung. Diese Woche gab es jedoch eine ganz spezielle Situation: Innerhalb eines Tages kam es bei den beiden wichtigsten Handelspartnern zu entscheidenden politischen Weichenstellungen.

In den USA, dem zweitgrößten Handelspartner Österreichs, wurde mit Donald Trump ein neuer Präsident gewählt, der wirtschaftspolitisch viele Dinge verändern will. Und in Deutschland, Österreichs wichtigstem Handelspartner, zerbrach die Regierungskoalition. Dort stehen die Zeichen nun auf Neuwahlen.

Was bedeuten diese Entwicklungen für die Weltwirtschaft, aber auch konkret für Unternehmen in Österreich? Einer, der dies beantworten kann, ist Stefan Schneider. Er war 24 Jahre lang Chefökonom der Deutschen Bank und ist seit Februar Senior Advisor bei der Deutschen Bank für den Themenbereich Makroökonomie Deutschland und Europa. Am Donnerstag war er auf Einladung des Bankenverbands in Wien zu Gast und gab gemeinsam mit Bankenverband-Generalsekretär Gerald Resch im brutkasten-Interview seine Einschätzungen ab.

Schneider: Trump-Politik wird Wirtschaftswachstum erhöhen

Daran, dass Trump seine Ankündigungen umsetzen will, zweifelt Schneider nicht. Nachdem sich abzeichne, dass die Republikaner neben dem Senat auch im Repräsentantenhaus die Mehrheit erhalten werden, werde Trump seine angekündigte Politik “relativ schnell” umsetzen können, erwartet der Ökonom. “Die Steuersenkungen, die er angekündigt hat, werden dann sicherlich kommen. Er wird auch bei der Deregulierung entsprechend reagieren”, führt der Ökonom aus. Beim Zollthema werde es dagegen erst Verhandlungen brauchen. “Das könnte eher in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres kommen”, erwartet Schneider.

Für das Wachstum der US-Wirtschaft ist die Wahl Trumps laut Schneider aber klar positiv: “Das Wachstum könnte um einen viertel oder einen halben Prozentpunkt höher sein, als wir es bisher hatten”. Damit würde es bei 2,5 bis 3 Prozent liegen.

Das hätte dann auch Folgen für die Geldpolitik: “Zinssenkungen, die die Märkte jetzt eingepreist haben, können dann wahrscheinlich nicht mehr in dem Ausmaß kommen”, sagt Schneider. Durch Trumps spendierfreudige Fiskalpolitik steige das Inflationsrisiko etwas an. Die Inflationsrate könnte um einen viertel Prozentpunkt höher ausfallen.

Bankenverband sieht “Bedrohungsszenario”

Was konkret Österreich angeht, sieht Gerald Resch vom heimischen Bankenverband durchaus ein “Bedrohungsszenario”. Die USA sind Österreichs zweitwichtigster Handelspartner, auf den sieben Prozent der Exporte entfallen und der für sechs Prozent der gesamten Wertschöpfung der Industrie verantwortlich ist. “Wir müssen uns sehr genau anschauen, was Trump von seinen Ansagen wirklich umsetzt”, sagt Resch.

In der Industrie könne aber eine “kleine bis mittlere Abwanderung” in die USA drohen – weil die Unternehmen mögliche Handelszölle umgehen wollen. Aufgrund der in Österreich “extrem stark gestiegenen” Produktionsstückkosten habe man einen Wettbewerbsnachteil. Österreichischen Unternehmer:innen, die in den USA aktiv sind oder aktiv werden wollen, rät Resch, vorerst einmal abzuwarten, was Trump in welcher Schnelligkeit wirklich umsetzt.

Schneider erwartet von Trump “Zäsur” in US-Wirtschaftspolitik

Aber wie stark wird sich Trumps Wirtschaftspolitik wirklich von jener der aktuellen Biden-Regierung unterscheiden? Schneider erwartet jedenfalls eine deutliche Zäsur. “Ja, es sind einige Zölle, beispielsweise bezogen auf China, von Biden nicht zurückgenommen worden. Aber etwa in der Regulierung und gerade im Energiesektor ist die Politik doch eine andere gewesen”, argumentiert der Deutsche-Bank-Chefökonom.

Verglichen mit Trumps unterlegener Gegenkandidatin Kamala Harris unterscheide sich auch die geplante Steuerpolitik klar, da Trump die Steuern über Unternehmen senken wolle und generell weniger für Umverteilung stehe.

Trump “personalpolitisch bis in untere Etagen vorbereitet”

Was die Zusammensetzung des Kabinetts angeht, erwartet Schneider mehr Stabilität als in der ersten Trump-Regierung, in der zahlreiche Personalrochaden gegeben hatte. Diesmal sei Trump “personalpolitisch bis in die unteren Etagen vorbereitet”, sagt der Ökonom. Auch aus diesem Grund werde Trump seine Politik umsetzen können “und es wird weniger Neues in irgendeine andere Richtung geben”.

Wichtig ist aus Sicht von Schneider vor allem das Handelsministerium: Wenn hier ein Hardliner zum Zuge käme, wäre dies ein schlechtes Signal. Für das Finanzministerium wiederum könnte jemand mit einem Background in der Finanzbranche angesichts der hohen Defizite “mit Blick auf die Volatilität der Märkte eine gute Wahl” sein, wie Schneider weiter ausführt.

Schneider vom Scheitern deutscher Regierungskoalition nicht überrascht

Wichtige politische Weichenstellungen gab es diese Woche auch in Deutschland. SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Mittwochabend FDP-Finanzminister Christian Lindner aus der Regierung entlassen, woraufhin dessen Partei die “Ampel”-Koalition verlassen hat. Scholz’ SPD regiert nun vorerst mit ihrem weiteren Koalitionspartner, den Grünen, ohne Mehrheit weiter. Der Bundeskanzler will am 15. Jänner im Bundestag die Vertrauensfrage stellen – in weiterer Folge gelten Neuwahlen im Frühjahr als wahrscheinlich.

Für Schneider kam der Bruch der Koalition nicht überraschend: Lindner hatte in der Vorwoche Forderungen gestellt, die den Kernpositionen von SPD und Grünen entgegengelaufen waren. “Wenn man das ernst genommen hat, war es fast unmöglich, die Kuh vom Eis zu bekommen”, sagt Schneider. In der deutschen Wirtschaft, insbesondere in der Industrie, sei die Unzufriedenheit mit der Regierungskoalition hoch gewesen.

“Jetzt wird es aber erstmal nicht besser”, erwartet Schneider. Sollte es zu Neuwahlen kommen, hätte Deutschland bis zur Bildung einer neuen Koalition “eine Lame-Duck-Regierung in einer Zeit, in der weltpolitisch alles Mögliche passieren kann”.

Aus österreichischer Sicht sieht Gerald Resch vom Bankenverband das Platzen der deutschen Regierungskoalition “durchaus positiv”. Sie sei mit viel Ambition angetreten, habe aber vieles nicht umsetzen können. Es sei jetzt lange Zeit herumlaviert worden. Resch schlussfolgert: “Besser als ein Ende mit Schrecken ist ein Schrecken ohne Ende, denn wir brauchen in Europa ein starkes Deutschland”


Aus dem Archiv:

Stefan Schneider und Gerald Resch im brutkasten-Talk (November 2023)

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Fachkräftemangel: Abschieben und locken – dieser Widerspruch schadet Österreich

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Fachkräftemangel: Abschieben und locken – dieser Widerspruch schadet Österreich

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Fachkräftemangel: Abschieben und locken – dieser Widerspruch schadet Österreich

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Fachkräftemangel: Abschieben und locken – dieser Widerspruch schadet Österreich

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Fachkräftemangel: Abschieben und locken – dieser Widerspruch schadet Österreich

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Fachkräftemangel: Abschieben und locken – dieser Widerspruch schadet Österreich

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Fachkräftemangel: Abschieben und locken – dieser Widerspruch schadet Österreich

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Fachkräftemangel: Abschieben und locken – dieser Widerspruch schadet Österreich

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Fachkräftemangel: Abschieben und locken – dieser Widerspruch schadet Österreich