2021 war ein besonders starkes Jahr für Krypto-Startups in Europa. Das zeigen die Zahlen des aktuellen “State of the European Tech”-Reports von Atomico, der auf Zahlen von Dealroom und einer Umfrage basiert. Insgesamt gibt es in Europa nun acht Krypto-Unicorns, von denen fünf 2021 die Schwelle des Bewertung von 1 Milliarde Dollar überschritten haben.
Österreich gleich zweimal in den Top 10 der Krypto-Deals
Zu Bitfury (2011 gegründet, seit 2019 Unicorn), Blockchain.com (2011 gegründet) und Chainalysis (2014 gegründet, seit 2020 Unicorn) gesellten sich heuer Dfinity, Sorare, Ledger, Celsius Network und Bitpanda aus Österreich. Die zehn größten Finanzierungsrunden europäischer Krypto-Startups haben es 2021 auf ein Volumen von insgesamt 3,2 Milliarden Dollar gebracht.
Zwei Startups haben es sogar mit gleich zwei Finanzierungsrunden in die Top 10 2021 geschafft: Neben Bitpanda gelang das auch der britischen Genesis Digital Assets. Im Bereich Seed und Series A ist die Zahl der Deals in Europa von 83 Runden 2020 auf 126 Runden 2021 gestiegen. Noch größer ist dieser Sprung allerdings in den USA, wo sich die Zahl der Deals heuer auf 230 mehr als verdoppelt hat.
Europas Krypto-Startups dürften heuer besonders das Interesse von US-Investoren geweckt haben. Bei Runden in der Größenordnung von 20 Millionen Dollar bis 50 Millionen Dollar kam 2021 mehr als die Hälfte des Kapitals aus den USA. Bei Runden von 50 bis 100 Millionen Dollar waren es immer noch fast 30 Prozent des gesamten Kapitals.
Seedcamp ortet großes Potenzial in CEE
“2022 dürfte ein spannendes Jahr für Krypto werden, da Web3-Anwendungen zunehmend in Mainstream-Plattformen wie Discord oder Twitter eingebettet werden”, wird Seedcamp-Partner Sia Houchangnia in dem “State of European Tech”-Report zitiert. “CEE hat mit Unternehmen wie Ramp Network oder Tenderly eine enorme Dichte an Web3-Talenten, und ich freue mich darauf, die nächsten Spitzenreiter aus dieser Region zu finanzieren”.
Das KI-Jahr 2024: Europa, der scheiternde Kontinent
Gastbeitrag. Clemens Wasner ist Mitgründer von AI Austria und CEO des Startups enliteAI. Für brutkasten blickt er auf die wichtigsten Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz im Jahr 2024 zurück.
Das KI-Jahr 2024: Europa, der scheiternde Kontinent
Gastbeitrag. Clemens Wasner ist Mitgründer von AI Austria und CEO des Startups enliteAI. Für brutkasten blickt er auf die wichtigsten Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz im Jahr 2024 zurück.
Entgegen der Erwartungshaltung vieler Skeptiker hat sich die KI-Entwicklung in 2024 noch beschleunigt: Im Wochentakt erfolgten neue technische Durchbrüche, der Launch neuer Services oder die Integration von KI in bestehende Lösungen. Über die rasanten Entwicklungen im abgelaufenen Jahr könnte man ohne weiteres ein Buch füllen, weshalb ich hier nur einen kurzen Abriss über die wichtigsten Entwicklungen geben kann.
Large Language Models: Mit den Claude-Modellen von Anthropic hat sich ein Konkurrent zu OpenAI etabliert. Auch Google hat sich nach Startschwierigkeiten zu einem ernsthaften Player entwickelt. Den eigentlichen Wendepunkt stelle jedoch der Open-Source-Bereich dar. Während zu Beginn des Jahres LLama2 und vergleichbare Modelle einen Rückstand von etwa 18 Monaten gegenüber GPT4 hatten, gab es im Sommer mit Llama3 erstmals ein Open-Source-Foundation-Model, das seine Closed-Source Konkurrenten in Rankings und Benchmarks übertraf. Seitdem hat Meta mit LLama3.2, einer multimodalen Variante die Text und Bild als Input akzeptiert, Open-Source-seitig noch nachgelegt (auch wenn die kommerzielle Nutzung in der EU leider nicht erlaubt ist).
Bild und Video-Generierung: Die letzten Jahre waren von Dall-e, Mid Journey und RunwayML geprägt. Mit Flux, einer der sehr seltenen europäischen Erfolgsstories im KI-Bereich, ist ein neues Modell zur Generierung von Bildern neu hinzugekommen, das von vielen als das aktuell beste angesehen wird.
Im Dezember erfolgte schließlich der lange erwartete Launch von OpenAIs Sora (nicht in der EU) sowie die Vorstellung von Google’s Veo2 (nicht in der EU), welches technisch einen Riesensprung gegenüber der Konkurrenz darstellt. In 2025 ist auf Social Media eine ähnliche Schwemme an AI-generierten Videos zu erwarten, wie wir sie in 2023 für KI-generierte Bilder erlebt hatten.
In 2024 wurden die ersten sogenannten “Reasoning-Modelle” vorgestellt. Ein Reasoning-Modell wie GPT o1 kann nicht nur Texte anhand erlernter Muster erstellen, sondern auch echte logische Zusammenhänge erkennen und nachvollziehen. Dies ist ein vollkommen anderer Ansatz als bisher, da KI-Systeme dadurch fundierter argumentieren können, anstatt lediglich die „wahrscheinlichste“ Antwort aus riesigen Textmengen herauszufiltern bzw. vorherzusagen. Ein paar Tage vor den Weihnachtsfeiertage wurde GPT o3 vorgestellt (brutkasten berichtete), dass bei komplexen wissenschaftlichen Aufgaben, Mathematik und Coding-Benchmarks eine neue Ära einläutet.
KI wird ‘Personal’
Während die letzten Jahre KI vor allem auf der Cloud stattfand und wir mit unseren Endgeräten lediglich darauf zugegriffen haben, wurden in 2024 die Weichen für KI am Smartphone und Computer (Windows & Mac) gestellt.
Apple Intelligence (derzeit nicht in der EU verfügbar) ist Apples hauseigene KI-Plattform, die neben einer für andere KI-Modelle offenen Architektur vor allem auf Datenschutz und lokale Datenverarbeitung setzt. Googles Assistent Gemini (nur eingeschränkt in der EU verfügbar) auf Android-Smartphones geht noch einen Schritt weiter, was App- und Datenübergreifende Assistenzfunktionen betrifft.
Beide Lösungen stellen die allererste Version eines persönlichen Assistenten dar, der nicht an einzelne Services (wie MS Copilot) oder Umgebungen (wie Browser) gekoppelt ist, sondern übergreifend analysieren und agieren kann. Bis von diesen auch komplexere Aufgaben übernommen werden können, wird es noch einige Versionen benötigen, die Basis hierfür wurde jedoch in 2024 gelegt.
In 2024 wird auch als jenes Jahr in die Geschichte eingehen, in dem sich ein Pfad für die Einführung von Augmented Reality (auch xR) herauskristallisierte. Damit ist weniger das im Februar dieses Jahres erschienene Apple Vision Pro gemeint, das zum aktuellen Preis und Formfaktor nicht viel mehr als ein Developer Kit darstellt, sondern die xR-Plattformen von Google und vor allem Meta.
Mit den Orion Glasses hat Meta im September einen Prototypen vorgestellt, der einen guten Ausblick darauf gibt, welche Möglichkeiten uns in etwa 5 Jahren erwarten: echtes Augmented Reality gepaart mit generativer KI. Wer sich von Sprachsteuerung und GenAI bereits heute ein bild machen will dem seien die Meta Rayban Smartglasses empfohlen, welche u.a. Live-Übersetzungen und Bilderkennung ermöglichen – wie üblich gilt: nicht in Europa.
Österreich wird Lifesciene-lastiger und KI-affiner
Das österreichische KI-Ökosystem entwickelt sich nach wie vor sehr gut. Vor allem im Bereich der Corporates und IT-Dienstleister kam es zu einem sprunghaften Anstieg von Unternehmen die KI einsetzen bzw. anbieten. Als Highlight im wissenschaftlichen Bereich kann das von Michael Bronstein geleitete AITHYRA-Institut genannt werden, welches von der Boehringer Ingelheim Stiftung mit 150 Mio. Euro gefördert wird (brutkasten berichtete). “AI in Lifescience” stellt bereits heute den größten Bereich für KI-Startups dar, ein Trend der sich mit diesem Institut sicher noch verstärken wird.
Wie zu erwarten, fanden im Superwahljahr 2024 keine strategischen Weichenstellungen statt. Ausgehend von den Wahlprogrammen und den aktuell noch andauernden Koalitionsverhandlungen wird KI auch in der nächsten Legislaturperiode keine Rolle spielen. Ein Rekorddefizit und geschwächte Wirtschaftsleistung sind kein guter Nährboden für ambitionierte Projekte, derer es aber sehr viele bedürfte. Auch eine mögliche Neuwahl wird daran leider nichts ändern, da die relevanten Parteien geistig noch in den 1930ern, 1950ern oder 1970ern leben.
Aus Sicht der Bevölkerung lässt sich festhalten, dass KI hierzulande mittlerweile so alltäglich wie Google-Suche geworden ist.
Europa, der scheiternde Kontinent
Üblicherweise würde ich den Ausblick mit einer europäischen Perspektive abschließen – leider gibt es diese im Technologiebereich nicht. Jedem Durchbruch der letzten 20 Jahre wurde mit einer Kombination aus Skepsis, Pessimismus und Protektionismus begegnet. Darstellungen wie diese verstärken den Eindruck eines gescheiterten Kontinents – ein Narrativ, der mittlerweile das europäische Bild in den USA und Asien dominiert.
In Anbetracht der Sachlage macht es keinen Sinn, die EU und ihre Mitgliedstaaten in eine Diskussion über den Status Quo und zukünftige Entwicklungen von KI mit einzubeziehen. Eine Trendumkehr wird im KI-Bereich nicht mehr passieren können, dazu sind die Versäumnisse mittlerweile zu zahlreich und der Rückstand in Bereichen wie Infrastruktur, Kapitalmarkt und Skilled Migration zu groß.
Anstatt sich für Steuergeldverschwendung wie Gaia-X oder Regulierung wie den AI Act selbst auf die Schulter zu klopfen, muss das Augenmerk auf die nächste Generation von Unternehmen gelegt werden – Startups. Das Zeitfenster hierfür schließt sich: Wenn es uns Europäern nicht binnen der nächsten fünf Jahre gelingt, Gründen in Europa attraktiver und erfolgreicher zu machen, wird die Erzählung von einem reichen Europa für nachfolgende Generationen ebenso unglaublich sein wie von einem österreichischen Imperium.
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