24.05.2019

EU-Wahl: Die Zukunft steht am Spiel, aber wir reden über Ibiza

Kommentar. Die ganze Welt steht vor unglaublichen Herausforderungen. Wenn wir sie schon nicht global lösen können, sollten wir es zumindest auf EU-Ebene versuchen. Doch die heimischen Parteien beschäftigen sich lieber mit dem Ibiza-Video.
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EU-Wahl: Wir reden über Ibiza statt über Klimawandel und KI
(c) fotolia.com - Tap10

Man mögen an dieser Stelle verzeihen, dass die Headline gleich im ersten Satz relativiert wird: Natürlich müssen wir uns im öffentlichen Diskurs auch mit dem Ibiza-Skandal beschäftigen. Doch dabei muss klar sein: Das (gewiss gezielte) Timing der Veröffentlichung des Videos knapp vor der EU-Wahl schadet vor allem einem – den eigentlich wichtigen Themen. Das kann man nach den ersten Umfragen, bei denen “politische Erdrutsche” ausbleiben, schon sagen.

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Zwei entscheidende Themen

Denn während die heimischen Parteien nun (durchaus verständlicherweise) versuchen, H.C. Straches “bsoffene Gschicht” auszuschlachten, bieten sie für ein drängendes globales Thema nur Lippenbekenntnisse und für ein weiteres genau nichts. Die Rede ist vom Klimawandel und von der Veränderung der Arbeitswelt und der Gesellschaft durch künstliche Intelligenz, die hier herausgegriffen werden sollen.

Es sind natürlich nicht die einzigen zwei Themen, an denen unsere Zukunft hängt. Doch es sind zwei Themen, die nicht offensichtlicher entscheidend für die Menschheit sein könnten. Beim ersten steht gar die Existenz unserer Spezies am Spiel. Beim zweiten geht es um nichts geringeres als das gesamte gesellschaftliche Gefüge.

Klimawandel: Wenn Pragmatismus Radikalität gebietet

Die junge Klima-Aktivistin Greta Thunberg hat ganz einfach Recht, wenn sie sagt: “Unser Haus brennt”. Wissenschaftliche Erkenntnisse der vergangenen Jahre beweisen das hinlänglich. Es geht längst nicht mehr darum, den Klimawandel zu verhindern. Es geht um Schadensbegrenzung. Oder wie es die heimische Klimaforscherin Helga Kromb-Kolb ausdrückt: “Es ist bereits 5 nach 12”. Und die globalen CO2-Emissionen sind auch 2018 wieder gestiegen. Es wäre keineswegs alarmistisch, sondern im Gegenteil pragmatisch, hier radikale Maßnahmen zu setzen.

Klar, der Klimawandel ist, wie auch andere, ein Thema, das eigentlich global gelöst werden muss. Doch wenn es weltweit nicht geht, dürfen sich die EU-Staaten nicht darauf ausreden. Die Europäische Union ist immerhin der zweitgrößte Wirtschaftsraum der Welt und alleine für rund zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Den Kopf in den Sand zu stecken ist grob fahrlässig.

KI & Arbeitswelt: Eine Chance, rechtzeitig zu handeln

Und die Veränderung der Arbeitswelt durch KI? Hier ist die Lage gewiss nicht ganz so eindeutig, wie beim Klimawandel. Denn die Entwicklung, bei der Experten von einer enormen Geschwindigkeits-Steigerung in den kommenden Jahren ausgehen, steht gerade erst am Anfang. Wenn sie dann aber Fahrt aufnimmt und innerhalb kurzer Zeit unzählige Berufe einfach verschwinden, könnte sie das gesellschaftliche Gefüge – zumindest vorübergehend – richtiggehend zersetzen. Man könnte hier sagen: “Es ist 5 vor 12”. Noch könnte man sich sogar adäquat vorbereiten. Doch der richtige Zeitpunkt wäre jetzt.

Und hätte es kein Ibiza-Video gegeben?

Doch die Parteien reden über das Ibiza-Video und seine Folgen. Gut, das ist aufgrund der Aktualität der Ereignisse klar. Und wenn es den Skandal nicht gegeben hätte? Davor haben die Parteien halt besonders gerne über das Thema Asyl gesprochen, obwohl die Flüchtlingszahlen in den vergangenen zwei Jahren schon wieder deutlich gesunken sind (Übrigens ein Thema, das sämtliche Parteien in ihr EU-Wahl-Programm aufgenommen haben). Und vielleicht am meisten geprägt wurde die EU-Wahl-Diskussion von einer Grundsatz-Debatte, was die EU dürfen soll und was nicht. Ja, auch die ist wichtig. Doch während wir über Befugnisse streiten, steht eben bei anderen Themen die Zukunft der Menschheit am Spiel.

Priorität Nummer 6

Und da kommt von allen Parteien zu wenig. Ja, auch den Klimawandel haben alle Parteien im EU-Wahl-Programm. Bis auf die zur Zwergpartei geschrumpften Grünen reihen sie das Thema aber irgendwo im zweiten Drittel der Prioritätenliste und fordern Maßnahmen, die der Drastik der Situation bei Weitem nicht gerecht werden. ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas etwa schlägt im brutkasten-Gespräch vor, es mit “hochwertigen Batterien” und “Recycling-Konzepten” zu versuchen. SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder will das Problem über “eine sozial gerechte CO2- Abgabe sowie eine CO2- Importsteuer” lösen. Wie genau man bis 2050 (ÖVP) bzw. gar bis 2030 (SPÖ) wirklich CO2-Neutralität sicherstellen will, bleibt man schuldig. FPÖ und NEOS werden nicht einmal so konkret, eine Jahreszahl anzugeben.

Theorie aus dem 19. für die Gesellschaft aus dem 21. Jahrhundert

Und um künstliche Intelligenz geht es in den Wahlprogrammen überhaupt nur im Zusammenhang mit technologischer Entwicklung und Forschung. Und in unserer brutkasten-Interview-Reihe bringen sie neben Schieder auch Claudia Gamon (NEOS), Werner Kogler (Grüne) und Johannes Voggenhuber (1Europa) in erster Linie mit autonomen Waffen in Verbindung.

Ob etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen sinnvoll oder kontraproduktiv wäre, sei an dieser Stelle dahingestellt. Doch dass über diesen und ähnliche Ansätze einfach gar nicht gesprochen wird zeigt, dass man die Herausforderung scheinbar überhaupt nicht wahrnimmt. Stattdessen geht man beim Thema Standort auf der einen, und beim Thema Arbeitnehmer auf der anderen politischen Seite, scheinbar von einer statischen Gesellschaftsstruktur aus, die mit den ökonomischen Theorien des 19. (!) Jahrhunderts wunderbar bedient werden kann.

Keine Wahlempfehlung

Man kann es sich denken. An dieser Stelle kommt keine Wahlempfehlung. Stattdessen gibt es einen eindringlichen Reminder an jene, die sich diesen Sonntag ein Ticket nach Straßburg holen: Wenn die (natürlichen) Ökosysteme dieser Welt wegen des Klimawandels zusammenbrechen, dann gibt es auch keinen Standort mehr. Und wenn ein zweistelliger Prozent-Anteil der Bevölkerung plötzlich ohne Job dasteht, dann hilft auch kein Mindestlohn mehr. Und noch viel, viel, viel unbedeutender wird dann das Ibiza-Video.

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Die Kurstafel:

🔨 US-Börsenaufsicht genehmigt Ethereum-ETFs endgültig

Es war letztlich nur mehr eine Formalität: Denn dass die US-Börsenaufsicht Ethereum-Spot-ETFs zulassen würde, war schon im Mai klar (siehe Crypto Weekly #141). Damals war die Entscheidung eine Überraschung, denn die meisten Beobachter:innen hatten frühestens mit einer Zulassung im Herbst gerechnet. Bitcoin-Spot-ETFs hatte die Börsenaufsicht einige Monate zuvor, Anfang Jänner, erstmals zum Handel zugelassen.

Im Mai folgte dann die Entscheidung zu den Ethereum-ETFs. Rein formal betrachtet, hatte die Behörde aber “nur” Änderungen von den Antragstellern auf diese ETFs verlangt. Die endgültige Zulassung war noch ausständig. Es hatte aber niemand mehr Zweifel, dass dies geschehen würde.

Diese Woche war es nun so weit. Am Montag erteilte die Börsenaufsicht die entsprechenden Genehmigungen. Und damit waren die Fonds, wie in den USA üblich, bereits am folgenden Handelstag verfügbar und konnten an der Börse gehandelt werden. Eine ganze Reihe an Ethereum-Fonds starteten dann am Dienstag in den Handel - und zwar von BlackRock, Grayscale, 21Shares, Fidelity, VanEck, Franklin Templeton, Bitwise und von Invesco/Galaxy Digital.

📈 Ethereum-Spot-ETFs starten in den Handel

Mit Dienstag waren somit erstmals ETFs in den USA handelbar, die direkt in Ether-Token investieren. Bisher mussten Anleger:innen auf sogenannte Ethereum-Futures-ETFs ausweichen. Diese investieren indirekt in Ether - indem sie Finanzprodukte (Futures) kaufen, die den Ether-Kurs nachbilden. Von den im Jänner zugelassenen Bitcoin-ETFs gab es schon gewisse Erfahrungswerte: Sie werden gemeinhin als sehr erfolgreich betrachtet. 

Unmittelbare Rückschlüsse auf die Ethereum-ETFs lassen sich dadurch aber nicht notwendigerweise ziehen. Allerdings: Dass die großen Vermögensverwalter, die im Jänner ihre Bitcoin-ETFs gestartet hatten, nun auch bei den Ethereum-ETFs dabei waren, lässt schon einmal vermuten, dass sie auch hier eine entsprechende Nachfrage wahrnehmen.

Der erste Handelstag verlief dann auch tatsächlich gut: Abzüglich Abflüssen wurden 107 Mio. US-Dollar in Ethereum-ETFs investiert. “Ein sehr solider erster Tag”, kommentierte Bloomberg-ETF-Analyst James Seyffart in einem Posting auf X. Am meisten Kapital floss dabei in die ETFs von BlackRock (rund 266 Mio. Dollar) und Bitwise (204 Mio. Dollar).

🧐 Der Grayscale-Effekt - jetzt auch bei Ethereum

Bei der Gesamtsumme zu berücksichtigen ist aber der Sonderfall Grayscale: Der Vermögensverwalter unterhielt bisher einen “Ethereum Trust”, den er nun in einen ETF umwandelte. Dadurch wurde es für Anleger:innen viel einfacher, Geld abzuziehen: Ein ETF kann jederzeit an der Börse verkauft werden, beim Grayscale Ethereum Trust war es deutlich komplexer, das eingesetzte Kapital wieder herauszunehmen. 

Gerade solche Anleger:innen, die bereits länger investiert waren, hatten somit einen Anreiz, nach dem Handelsstart der ETFs zu verkaufen. Daher verzeichnete der Grayscale-ETF tatsächlich Abflüsse in Höhe von 484 Mio. Dollar und lastete somit auch auf der Gesamt-Statistik. Überraschend ist dies nicht. Ganz ähnlich war es auch zu Jahresbeginn gelaufen, als Grayscale seinen Bitcoin-Trust in einen ETF umgewandelt hatte.

🤔 Was die ersten Zahlen bedeuten 

Was bedeuten diese ersten Zahlen nun? Sie sind sicherlich ein positives Signal. Gleichzeitig sollte man sie jedoch nicht überbewerten. Über den Erfolg der Ethereum-ETFs entscheiden nicht die ersten paar Tage. Ein klares Bild wird man erst über die nächsten Monate erhalten. 

Wie schon bei den Bitcoin-ETFs hoffen in der Krypto-Branche auch hier viele, dass die Ethereum-ETFs es professionellen Großanlegern einfacher machen, in Ether zu investieren. Deren Kapital, so die Hoffnung, treibt dann langfristig auch den Kurs an. Ob und in welchem Ausmaß dies eintreten wird, wird sich aber erst in Monaten und vielleicht sogar Jahren zeigen. 

Und der Ether-Kurs? Unmittelbar auf die Zulassungen oder auch auf den Handelsstart reagierte er kaum. Was durchaus Sinn ergibt, da die Genehmigungen eben nur mehr eine Formalität waren. Im weiteren Wochenverlauf ging es dann sogar abwärts, weshalb Ether mit einem Minus von fünf Prozent gegenüber den anderen großen Krypto-Assets eine Underperformance aufweist. 

Gut möglich, dass die Investor:innen vermuten, dass nach der Genehmigung der Ethereum-ETFs beim Ether-Kurs nun vorerst die Luft draußen ist - und ein nächster Impuls noch nicht erkennbar ist. Doch auch hier gilt: Dies bezieht sich hauptsächlich auf die Marktbewegungen in der eher kurzen Frist. Über die langfristigen Erfolgsaussichten der Ethereum-ETFs sagt es dagegen nichts aus.


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