28.07.2021

EU-Botschaft im Silicon Valley: Ein “Testballon” als politischer Annäherungsversuch

Ein dem Handelsblatt vorliegendes Dokument beinhaltet Pläne der EU eine "Botschaft" im Silicon Valley zu errichten. Martin Rauchbauer und Earl Schaffer von Open Austria in Silicon Valley im Interview zur Bedeutung dieses Vorhabens, Schattenseiten der Technologie und der Regulierungsagenda.
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Botschaft, Silicon Valley Botschaft, EU, EU Kommission, Open Austria, AussenwirtschaftsBüro San Francisco
(c) Stock.Adobe/tanaonte - Welchen Impact kann eine EU-"Botschaft" im Silicon Valley haben?

Vor ein paar Tagen mehrten sich Meldungen, dass die EU plane eine Botschaft im Silicon Valley zu errichten. Das ging aus einem internen Papier des European Union External Action (EEAS) hervor, das dem Handelsblatt vorliegt. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte auf Nachfrage, dass man generell “keine geleakten Dokumente” kommentiere und es sich bei dem Vorhaben um die Errichtung eines “Office” in San Francisco handle und nicht um eine Botschaft. Ließ sich aber doch nach dieser semantischen Einordnung zu einem Statement hinreißen.

“Aufrechterhaltung eines globalen und sicheren Cyberspace”

“Alle Interessengruppen spielen im derzeitigen Modell der Internetverwaltung eine wichtige Rolle. Im Cyberspace gibt es keine Grenzen. Deshalb ist die internationale Zusammenarbeit auf allen Ebenen von entscheidender Bedeutung. Wie in der – im Dezember 2020 eingeführten – Cybersicherheitsstrategie hervorgehoben wird, arbeiten wir daran, einen strukturierten Austausch mit der Zivilgesellschaft, dem Privatsektor und der Wissenschaft, einzurichten”, so der Kommissionssprecher, der ungenannt bleiben möchte.

Weiters betont die EU-Kommission, dass sich die EU im Rahmen eines regelmäßigen Austauschs mit den Multi-Stakeholder-Gemeinschaften ausgetauscht hat, um zu erörtern, wie die Einhaltung der Menschenrechte im digitalen Bereich sichergestellt werden kann. Auch wenn die Staaten weiterhin die Hauptverantwortlichen für den Schutz der Menschenrechte seien, würden auch private Akteure eine immer wichtigere Rolle dabei spielen.


Martin Rauchbauer, Co-Director und Tech-Ambassador von Open Austria in Silicon Valley“, und Earl Schaffer, Deputy Director von Open Austria & Projektmanager für Advantage Austria, zeigten sich bei dieser Thematik redefreudiger und legten ihre Sicht der Dinge zu einer EU-Vertretung in Kalifornien dar. Dabei ging es um Themen wie den gewaltigen Impact, den Tech-Unternehmen weltweit auf das tägliche Leben ausüben, die Chancen eines “EU-Office” im Valley und die Transformation der “Big Player” von Firmen hin zu einem gewichtigen politischen Faktor.


brutkasten: Nachdem die Pläne nun an die Öffentlichkeit gelangt sind, wie sieht es mit der Agenda der globalen Tech-Unternehmen aus, die weltweit viel Einfluss auf das tägliche Leben haben? Wie kann eine Botschaft in den USA diesbezüglich für Europa hilfreich sein?

Martin Rauchbauer: “Bei vielen digitalen Plattformen ist in den letzten Jahren die Erkenntnis gewachsen, dass die gesellschaftlichen Auswirkungen von neuen Technologien uns alle etwas angehen und daher ein neuer Dialog mit der Zivilgesellschaft, aber auch mit staatlichen Vertretern gestartet werden muss. Österreich ist seit der Gründung von Open Austria in San Francisco einer der europäischen Vorreiter für diesen Dialog. Seit dem Vorjahr haben wir durch die Einrichtung eines ‘Tech-Ambassadors’ gegenüber dem Silicon Valley ein starkes Signal gesetzt. Wir wissen, dass die EU bei ihren Überlegungen Österreich und auch Dänemark als frühe Protagonisten der Tech-Diplomatie genau beobachtet. Unsere eigenen positiven Erfahrungen machen uns optimistisch, dass eine mögliche offizielle EU-Vertretung vor Ort der richtige Weg für Europa ist.”

Earl Schaffer: “Die Tech-Unternehmen sind primär darauf fokussiert, neue Produkte auf den Markt zu bringen, damit neue Geschäftsformen für Kunden zu ermöglichen und schlussendlich auch den ‘Shareholder-Value’ zu maximieren. Viele Produkte dieser Tech-Giganten haben Eingang in unseren Alltag gefunden und formen mittlerweile unsere Gewohnheiten und bestimmen zum Teil unseren Alltag. Österreich hat das schon vor einigen Jahren erkannt und ist mit Open Austria seit nunmehr fünf Jahren im Silicon Valley aktiv. Die Aussenwirtschaft arbeitet hier sehr eng mit dem Außenministerium zusammen, was von österreichischen Unternehmen sehr positiv aufgenommen wird. Ein-EU Büro würde daher definitiv ein positives Signal an die hier ansässigen Tech-Unternehmen senden.”

Was würde eine Botschaft an der Kommunikation ändern? Würden sich Tech-Giganten bei neuen Features die Sorgen der EU anhören? Oder Feedback einholen, wenn es Europa betrifft?

Martin Rauchbauer: “Der Vorteil eines Vertretungsbüros vor Ort ist, dass Gespräche auf ganz anderer Ebene möglich werden. Während die großen Tech-Konzerne natürlich seit Jahren ihre Vertreter und Lobbyisten nach Brüssel schicken, kann ein EU-Vertreter hier direkt mit der Führungsebene von Unternehmen kommunizieren. Er kann sich aber auch ein viel differenzierteres Bild von der Lage machen, wenn er nicht nur mit großen Konzernen, sondern auch mit mittleren Unternehmen und Startups Kontakt hält. Durch unsere eigene Arbeit im Menschenrechtsbereich merken wir schon, dass das Bewusstsein der Tech-Konzerne für die Schattenseiten von neuen Technologien, etwa wenn es um den Schutz der Privatsphäre oder um Desinformation und Überwachung geht, gewachsen ist. Aber ein Tech-Büro gibt nicht nur Feedback, es holt sich auch Feedback von den Unternehmen ein, wenn es etwa um neue Gesetzesvorhaben zum Beispiel im Bereich der Künstlichen Intelligenz geht. Auch da haben wir bei Open Austria schon einige Initiativen gestartet in enger Zusammenarbeit mit der EU.”

Earl Schaffer: “Eine lokale EU-Vertretung ist natürlich ein Signal der EU, sich intensiver mit den Motivationen der Tech-Unternehmen auseinandersetzen zu wollen. Diese physische Nähe schafft Verständnis – auf beiden Seiten. Die EU erhofft sich durch diesen Schritt wahrscheinlich auch die Produktentwicklung früh beeinflussen zu können. Das kommt im Endeffekt einerseits den Firmen, andererseits auch den Konsumenten zugute. Anstatt im Nachhinein zu regulieren, will man im Austausch mit den Unternehmen von Beginn an innovieren. Es bleibt zu hoffen, dass sich neue Verständnisse auch für europäische Firmen positiv auswirken. Die Gesetzgebung in Europa kann durch ein verbessertes Verständnis besser gesteuert werden, wovon europäische Unternehmen profitieren können.”

Welche Ziele kann diese, nennen wir sie Tech-Botschaft, erreichen?

Martin Rauchbauer: “Wenn wir an die Ziele von Open Austria denken, dann sind das genau die Ziele, die eine EU-Vertretung im Silicon Valley, dafür aber für ganz Europa, anstreben sollte. Als Europäer wollen wir hier ein Verständnis für unsere Werte, für unsere Anliegen, aber auch für unsere Unternehmen und Bürger schaffen. Gleichzeitig wollen wir natürlich auch interessante und zukunftsrelevante Ideen, Unternehmen und Menschen im Silicon Valley ausfindig machen und nach Europa bringen. Ein Tech-Büro ist eine Art Brücke zwischen unterschiedlichen Welten und erreicht dann ihr Ziel, wenn es ihr gelingt, den Abstand und die Gegensätze zu verringern.”

Earl Schaffer: “Bei Open Austria vereinen wir seit mehreren Jahren Innovation, Wirtschaft und Policy. Das Modell funktioniert blendend. Die lokalen Tech-Unternehmen nehmen Österreich dadurch als wichtigen Player wahr. Das schlägt sich einerseits positiv in den beiderseitigen wirtschaftlichen Beziehungen nieder, andererseits ermöglicht es auch österreichischen Unternehmen den Zugang zum größten Innovations-Ökosystem der Welt.”

“Gängige” Botschaften waren bisher ein politisches Instrument, um mit fremden Regierungen zu kommunizieren. Wird es die Zukunft sein, dass sich politische Vertreter die globalen Big-Techs und die Hotspots der Innovation, etc. ansehen und eine neue Art der Kommunikation installieren müssen?

Martin Rauchbauer: “Es ist ja nicht die erste ihrer Art. Wir haben seit letztem Jahr einen Tech-Ambassador im Silicon Valley, Dänemark bereits seit 2017. Viele Länder überlegen sich derzeit, hier nachzuziehen. In der Diplomatie geht es übrigens schon seit langem nicht nur um die Beziehungen zu anderen Staaten. Initiativen wie ‘Public Diplomacy’, Wissenschaftsdiplomatie oder Kulturdiplomatie erreichen seit vielen Jahren breite Bevölkerungsschichten, bzw. einzelne wichtige Sektoren in der Gesellschaft. Die Diplomatie hat sich auch immer für die Interessen der Wirtschaft eingesetzt, egal ob es sich um Tech-Unternehmen handelt oder nicht. Neu ist, dass globale digitale Plattformen wichtige Bereiche unserer Öffentlichkeit, unserer Märkte und unseres Alltages dominieren. Um die Rahmenbedingungen im Interesse unserer Bürger und unserer Unternehmen zu gestalten, müssen wir daher an strategisch wichtigen Orten auf der Welt, von denen entscheidende Impulse der Innovation ausgehen und wo Zukunftstechnologien entstehen, vertreten sein.”

Earl Schaffer: “Die Aussenwirtschaft pflegt schon seit vielen Jahren enge Beziehungen mit den österreichischen Vertretungsbehörden, als auch mit den großen Tech-Unternehmen weltweit. Das wird auch weiterhin so bleiben. Für die EU ist es definitiv sinnvoll die Nähe zu den Innovations-Hotspots zu suchen, besonders deshalb, weil die EU-Gesetzgebung mehr als nur ein Land betrifft. Auch hier bleibt abzuwarten was die Ergebnisse dieses ‘Testballons’ sind, aber es ist vorstellbar, dass bei einem positiven Fazit weitere Büros dieser Art folgen.”

Verändert dies nicht den Status dieser Hubs und Tech-Companies, die nun mehr als nur Firmen sind? Ist es Zeit sie als politische Größe mit viel Einfluss auf das tägliche Leben anzuerkennen?

Martin Rauchbauer: “Natürlich ist die Einrichtung einer Tech-Vertretung auch ein Signal der Anerkennung für die Bedeutung eines bestimmten Sektors unserer Wirtschaft für unsere Zukunft. Aber abseits der Symbolwirkung müssen bei der Tech-Diplomatie konkrete Ergebnisse für wirkliche Herausforderungen und Probleme im Vordergrund stehen und nicht unbedingt Status und Prestige. Außerdem wollen Tech-Unternehmen sicher nicht mit politischen Staaten gleichgesetzt werden. Sie sind ja auch nicht die einzigen Akteure in der Tech-Diplomatie. Die Zivilgesellschaft, NGOs, aber auch die Wissenschaft und Kunst können in diesen Fragen wichtige Impulse setzen und die Zukunft der Digitalisierung entscheidend mitgestalten. Durch die Einrichtung eines Tech-Büros erheben wir den Anspruch, dass gewisse Tech-Unternehmen einen überproportionalen Einfluss auf unsere Institutionen und unser Leben haben und wir diese neue Realität nicht sich selbst bzw. den Unternehmen allein überlassen, sondern mitgestalten wollen.”

Earl Schaffer: “Man muss sich darüber bewusst sein, dass das Internet erst seit 30 Jahren existiert und in unglaublich kurzer Zeit alle unsere Lebensbereiche beeinflusst. Im Zuge dieser rasanten Entwicklung musste die Politik mitwachsen – und man wächst bekanntlich an seinen Aufgaben. Tech-Unternehmen müssen weiter als solche wahrgenommen werden, und nicht als politische Größen. ‘Move fast and break things‘ ist das berühmt-berüchtigte Motto der Entwickler im Silicon Valley, welches Innovation vorantreibt. Die Politik muss einerseits genug Spielraum ermöglichen, um Fehler zu erlauben und andererseits sicherstellen, dass nicht nur wirtschaftliches Wachstum, sondern der Mensch im Mittelpunkt dieser Innovation steht. Auch hierfür spielen die physische Nähe, als auch das gegenseitige Verständnis eine kritische Rolle.”

Welche Probleme und Punkte gehen mit so einer Entwicklung einher?

Martin Rauchbauer: “Wir sehen die Einrichtung einer EU-Vertretung im Silicon Valley nicht als problematisch, sondern begrüßen diese sogar ausdrücklich. Sie entspricht auch einer langjährigen Forderung der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere von jenen, die über kein eigenes Büro im Silicon Valley verfügen. Open Austria hat vor, mit der EU-Vertretung, sobald sie ihren Betrieb aufnimmt, eng zusammenzuarbeiten und unsere Arbeit zu europäischen Technologie-Themen fortzusetzen.”

Earl Schaffer: “Eine EU Vertretung im Silicon Valley ist grundsätzlich zu begrüßen. Der Erfolg dieses Projekts hängt im Endeffekt an der Durchführung und der Auswahl der richtigen Persönlichkeiten. Die EU hat manchmal den Ruf, bei Innovation vorschnell zu regulieren. Auf diese Kritik muss die EU bereit sein einzugehen – man wird sich als Partner positionieren müssen. Denn Regulierung und Innovation stehen in einem stetigen Kreislauf. Regulierung kann Innovation natürlich bremsen, aber auch das Gegenteil kann damit erreicht werden. Wenn die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, können Unternehmen wirtschaftlich profitieren und damit Innovation befeuern.”

Was sagt ihr Leuten, die aus dieser Idee eine neue Art von Politik entstehen sehen, wie ‘Digital Diplomacy?’ Wie definiert man diesen Begriff konkret?

Martin Rauchbauer: “Wir sprechen lieber von Tech-Diplomatie. Andere Staaten verwenden den Ausdruck ‘Cyber Diplomacy’, bzw. ‘Digital Diplomacy’. Die Einrichtung von Tech-Vertretungen in Innovationszentren ist dabei nur ein Symptom für eine größere Entwicklung. Wir müssen anerkennen, dass neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz einerseits Auswirkungen auf unsere Menschenrechte, andererseits geopolitische Implikationen haben. Wir müssen uns dabei auf allen Ebenen, auch in multilateralen Institutionen dafür einsetzen, dass unsere digitale Zukunft im Sinne eines digitalen Humanismus gestaltet und nicht zu einem dystopischen Alptraum der Inhumanität wird. Cyber-Kriminalität und Desinformation in den sozialen Medien sind dazu geeignet, demokratische Institutionen zu unterminieren und autoritären Regimen in die Hände zu spielen. Die Digitalisierung ist dabei, unsere Außenpolitik und die internationalen Beziehungen zu transformieren. In diesen Fragen müssen Europa und die USA auf Basis gemeinsamer Werte ganz eng zusammenarbeiten, sowohl auf Regierungsebene, aber auch im engen Dialog mit der Tech-Industrie.”

Wie denkt “das Valley” darüber? Begrüßen sie diese Idee?

Martin Rauchbauer: “Bei unseren Gesprächspartnern in den Unternehmen wird die mögliche Einrichtung einer EU-Vertretung im Silicon Valley als positives Signal gesehen. Natürlich wird sich erst zeigen, ob die hohen Erwartungen dann in der Praxis auch umgesetzt werden können.”

Earl Schaffer: “Noch ist es zu früh hier Prognosen abzugeben. Im Silicon Valley ist man neuen Initiativen zunächst einmal aufgeschlossen, dann müssen allerdings auch konkrete Ergebnisse folgen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor werden die Persönlichkeiten sein, die für diese Aufgabe ausgesucht werden. Ein Europäer mit einschlägiger Silicon Valley Erfahrung wäre für so eine Aufgabe meiner Meinung nach am besten gewappnet.”

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Das Gründerteam Christian Hill und Gerhard Prossliner © BRAVE Analytics, Leljak

Das Grazer Spin-off BRAVE Analytics wurde von Christian Hill und Gerhard Prossliner im Jahr 2020 gegründet. Den Gedanken an ein gemeinsames Unternehmen gab es schon einige Zeit davor an der MedUni Graz. Nach erfolgreicher Dissertation und dem FFG Spin-off Fellowship kam es zur Ausgründung, zu ersten Kund:innen und einem Standortwechsel. Und schließlich zur erfolgreichen Einbindung in den Life Science Cluster Human.technology Styria unterstützt von der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG.

Mittlerweile zählt BRAVE Analytics ein 14-köpfiges Team und sitzt im ZWT Accelerator in Graz, einem Kooperationsprojekt zwischen SFG und Medizinischen Universität Graz.

Das Team von BRAVE Analytics (c) © BRAVE Analytics, Leljak

Mut in der Geschäftsphilosophie

BRAVE Analytics steht für Mut in der Geschäftsphilosophie der beiden Gründer und des gesamten Teams: Christian Hill und Gerhard Prossliner fühlen sich “zu Entdeckungen hingezogen und lieben es, die Dinge aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Und genau diesen Spirit leben wir auch im Team.”

Wahrlich hat das Gründerduo mit seinem Spin-off das Forschungsgebiet Life Science in ein neues Licht gerückt: Denn BRAVE Analytics beschäftigt sich mit der automatisierten Qualitätssicherung für Pharma-, BioTech-Produkte, Wasser, Mineralien und Chemikalien. “Und das auf Partikel-Ebene. Das Ganze nennt sich Partikel-Charakterisierung und -Analytik”, erklärt Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten.

Neu ist die Technologie insofern, als dass die Partikel-Analyse direkt im Herstellungsprozess von Pharmaprodukten passiert. Also integriert, das heißt weder vor- noch nachgelagert, und damit effizient und kostensparend. “Damit machen wir eine sogenannte Prozessanalytik im Nano-Bereich”, erklärt Co-Founder Hill.

Die Lösung für ein Bottleneck

Damit haben die beiden Gründer zusammen mit ihrem Team eine Lösung für ein bis dato bestehendes “Bottleneck in der Industrie” geschaffen. Mit den modularen Messgeräten von BRAVE Analytics kann die Qualität von Produkten im Pharma- und BioTech-Sektor nämlich in Echtzeit gemessen werden. Das Kernstück der Lösung bildet die vom Spin-off eigens entwickelte, mehrfach patentierte OF2i Technologie.

Doch bekannterweise benötigen Life-Science-Lösungen wie diese einen breiten Umfang an Forschungsinfrastruktur, der sich gerade für frisch gegründete Spin-offs schwer stemmen lässt. Und: Es braucht die richtigen Verträge, das richtige Kapital und das richtige Team. Auf der Suche danach gab es für BRAVE Analytics einige Schlüsselmomente, wie Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten erzählt.

Der Standort für Life Science Startups

Die ersten Hardware-Aufbauten und Experimente fanden an der Medizinischen Universität Graz statt, die von den Anfängen mit Infrastruktur und Forschungspersonal unterstützte, die Universität Graz deckte die Bereiche Theorie und physikalisches Modelling und in Kooperation mit dem FELMI/ZFE der Technischen Universität Graz wird seit 2022 ein Zusatzmodul entwickelt.

Beim Schutz des geistigen Eigentums standen die Medizinische Universität Graz, die Steirische Wirtschaftsförderung SFG und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG als helfende Hände zur Seite. Konkret mit Unterstützung für die Erarbeitung von Exklusiv-Lizenzen, Agreements und generell mit dem Know-how, wie man eine Firma aufbaut. Hier waren uns auch das Unicorn der Universität Graz, die Gründungsgarage und der Science Park Graz eine große Hilfe”, so Prossliner.

“Wir sind klassische Science-Preneure”

Die fachspezifische Unterstützung kam im richtigen Moment: “Wir sind die klassischen Science-Preneure. Unser Background ist das Universitäts- und Ingenieurswesen. Für uns war es wichtig zu lernen, wie man in das Unternehmertum reinkommt und den Produkt-Market-Fit findet. Man muss diese Produktverliebtheit, die man als Erfinder meistens hat, loswerden. Und das passiert ganz viel durch Learning by Doing.”

Besonders hilfreich habe sich vor allem das Bootcamp des FFG-Spin-off-Fellowship und das LBG Innovator’s Road Programme erwiesen, welche “eine schrittweise Einführung für den Weg von der Wissenschaft in Richtung Unternehmung” geboten haben, so Hill. Förderungen erhielt das Spin-off außerdem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Austria Wirtschaftsservice aws, der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG und auf EU-Ebene.

Die Szene, die “Gold wert” ist

Nicht nur “by doing”, sondern vor allem auch “von anderen, die die gleichen Themen, Probleme und Potenziale haben”, hat das Startup im Aufbau sehr viel an Know-how und Erfahrung gewonnen. “Das Peer-Learning ist für uns einer der wichtigsten Wissensfonds”, so Co-Founder Prossliner im Interview.

Ein dafür zugeschnittenes Netzwerk gibt es in der Grazer Life Science Szene: “Auch abseits institutioneller Veranstaltungen befinden wir uns hier in einem sehr lebendigen Startup-Umfeld. Vieles passiert auf Eigeninitiative von Gründer:innen. Das Startup-Leben hier ist wirklich Gold wert.”

Global Player nur “fünf Rad-Minuten entfernt”

“Wir sind Hardware-Hersteller, wir brauchen Hochpräzisionsfertiger für unsere Prozesstechnologie. Die Steiermark und insbesondere Graz haben sich zu einem Stakeholder-Nest der besonderen Vielfalt entwickelt. Kooperationspartner aus Industrie, Wirtschaft und Forschung sitzen hier in unmittelbarer Nähe. Wir finden Experten, Lieferanten und Fertiger mit extremer Präzision und einer super Verlässlichkeit”, erzählt Prossliner und meint weiter: “Wir arbeiten hier in einem sehr engen Umfeld mit einer sehr schnellen Dynamik. Das ist unglaublich wertvoll.”

Ein ganzes Stakeholder-Feld mit internationaler Spitzenstellung findet sich also im Grazer Becken. Oder, wie es Gründer Prossliner erneut unterstreicht: “Da sind Global Player dabei, die wir in wenigen Rad-Minuten erreichen. Man muss also nicht gleich nach Asien oder in die USA, das Netzwerk gibt es hier auch.” Nicht umsonst spricht man seit geraumer Zeit von der “Medical Science City Graz” – mit Playern wie der Medizinischen Universität und dem Zentrum für Wissens- und Technologietransfer ZWT im Netzwerk.

Gerhard Prossliner (links) und Christian Hill (rechts) mit der Geschäftsführung des ZWT – Anke Dettelbacher (Mitte rechts) und Thomas Mrak (Mitte links) ©ZWT/Lunghammer.

Besenrein eingemietet

Grund genug auch für BRAVE Analytics, sich hier als aufstrebendes Life-Science-Startup niederzulassen. Nach seinen Anfängen in den Räumlichkeiten der MedUni Graz hat sich BRAVE Analytics nämlich im ZWT Accelerator einquartiert: “Wir waren unter den Ersten, die hier eingezogen sind. Als alles noch ziemlich besenrein war.”

Mittlerweile wird auch mit anderen dort sitzenden Startups stockwerkübergreifend genetzwerkt. Sei es im Stiegenhaus, bei Weihnachtsfeiern oder informellen ZWT-Treffen. Manchmal wird auch gemeinsam gefrühstückt und in den Abendstunden philosophiert. Daneben gibt es regelmäßige Get-Together-Formate wie das ZWT-Frühstück. Im Zuge der Startupmark finden auch themenspezifische Kooperationsformate wie der Life Science Pitch Day, ein exklusives Pitchingevent für Startups und Investor:innen aus dem Life Science-Bereich, statt.

Fußläufig flexibel

Thomas Mrak, Geschäftsführer des ZWT, erzählt dazu: “Vernetzung steht bei uns an erster Stelle. Und zwar nicht nur unter Foundern, sondern auch zwischen bereits etablierten Firmen, Unis, Instituten, Professor:innen und Ärzt:innen, die alle flexibel und fast fußläufig zu erreichen sind. Ich würde sagen, das ist die Essenz der Medical Science City Graz und bildet das optimale Umfeld, um als Spin-off Fuß zu fassen.”

Unterstützung gibt es im Grazer ZWT auch mit einer optimalen Infrastruktur und “startup freundlichen” Mietverträgen und Mietkonditionen: “Wir bieten Startups, die bei uns einziehen, ein einzigartiges Preis-Leistungsverhältnis, eine perfekte Ausstattung und sehr flexible Bedingungen. Vor allem hohe Investitionskosten und lange Bindungszeiten sind für Startups schon aufgrund ihrer dynamischen und teils volatilen Entwicklungen sehr kritisch, dabei helfen wir. Je nach Möglichkeit stellen wir nicht nur Büros und Laborinfrastruktur, sondern auch Seminar- und Besprechungsräume zur Verfügung.”

“Wir verstehen uns hier einfach sehr gut”

Unverkennbar gestaltet sich der Life Science Bereich in Graz als multidimensionaler Hub für Startups und Spin-offs – und das nicht nur auf akademischer Ebene: “Wir verstehen uns hier alle untereinander sehr gut. Es gibt kurze Wege, kurze Kommunikationswege und wir arbeiten zusammen auf Augenhöhe. Es klappt einfach zwischenmenschlich”, so Mrak.

BRAVE Analytics-Co-Founder Prossliner empfiehlt dahingehend: “Nutzt das tolle österreichische Förderungssystem. Wir haben hier vonseiten der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, des Austria Wirtschaftsservice aws und der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG tolle Unterstützung erhalten. Vom ZWT, der MedUni Graz, der Uni Graz und der TU Graz ganz zu schweigen.”

Und: “Bindet schon frühzeitig Kund:innen ein. Nur so ermittelt man die real-life Kundenbedürfnisse potentieller Märkte, und man kann vielleicht auch erste Umsätze generieren, die man wiederum mit Förderungen hebeln kann. Man muss sich schließlich auch finanziell stabilisieren, um für Investor:innen attraktiv zu sein.”

Der Asia Pull für Life Science

Aktuell erarbeitet BRAVE Analytics eine Investitionsrunde. Mittlerweile hält das Spin-off unterschiedliche Produkte und Kunden am Markt. Auch Industriepartner sind vorhanden. Aktuell befinde man sich in der Prescaling-Phase – mit einem starken “Asia Pull”. Interesse kommt nämlich zunehmend von Abnehmern aus Asien, wie Christian Hill erzählt:

“Unsere Technologie eignet sich nicht nur für die Pharmaindustrie, sondern auch für Wasser, Kläranlagen und Mikroplastik – und sogar für die Halbleiterindustrie. Wir bewegen uns hier in einem multidimensionalen Anwendungsfeld, gerade für das Umwelt- und Wassermonitoring. Das zieht viele Kunden aus Übersee an. Jetzt heißt es: die richtigen Schritte setzen und klug skalieren.”

Damit Christian Hill und Gerhard Prossliner ihre Ziele auch weiter verfolgen können, braucht es Menschen, die in den Life Science Sektor investieren: “Life Science ist ein Technologie- und Wissenschaftsfeld, das uns in Zukunft noch viel intensiver begleiten wird. Und auf das wir angewiesen sind”, so Thomas Mrak. Der ZWT-Geschäftsführer appelliert indes: “Es arbeiten so viele tolle Menschen mit persönlicher Motivation in diesem Feld. Diese haben das Potenzial, die Zukunft maßgeblich zu verändern. Doch dafür braucht es finanzielle Unterstützung, fundierte Netzwerke und noch mehr Aufmerksamkeit.”

Mehr Informationen zum steirischen Startup-Ökosystem und der Startupmark sind hier zu finden.

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