15.11.2021

ESG: Nachhaltigkeits-Kriterien für VCs wichtiger als für Startups

ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) spielen für VCs eine wachsende Rolle. Startups haben sie noch kaum im Fokus, wie eine aktuelle Studie zeigt.
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Oliver Dany, BCG, und Dr. Jörg Goschin, KfW Capital (v.l.n.r.) © beigestellt
Oliver Dany, BCG, und Dr. Jörg Goschin, KfW Capital (v.l.n.r.) © beigestellt

Startups und Venture Capital-Fonds liegen in der Implementierung einer ESG (Environment, Social, Governance)-Strategie weit auseinander. Zu diesem Ergebnis kommen KfW Capital und Boston Consulting Group (BCG) in einer gemeinsamen Befragung zur Bedeutung von ESG für Venture Capital-Fonds und Start-ups. Demnach haben 70% der 76 befragten Venture-Capitalists mit Sitz in Europa eine solche Strategie bereits verankert, bei den 109 befragten Startups gab allerdings nur rund ein Drittel positives Feedback.

Dauerhafter Mehrwert von ESG

Auch beim Blick in die Zukunft zeigt sich zwischen Venture Capital-Gesellschaft und Start-ups noch Diskrepanz: Während der Viertel der Fonds in ESG einen dauerhaften Mehrwert für ihre Geschäftstätigkeit sehen, sind nur zwei Drittel der befragten Startups davon überzeugt. Als besonders relevant erachten Venture Capital-Gesellschaften die ESG-Themen Mitarbeiterengagement / Diversität und Inklusion, Businessethik, Governance, Technologie- und Innovationsethik – allesamt Themen, die das Risiko minimieren und die Reputation potenziell steigern. Start-ups hingegen konzentrieren sich vor allem auf die Kundenzufriedenheit und Produktqualität.

Kommunikation entscheidend

Die KfW Capital sieht durch die Studie vor allem Optimierungsbedarf bei der Kommunikation, da sich nur 36% der Fonds regelmäßig mit ihren Portfoliounternehmen zu ESG austauschen. Zudem sieht nur ein Viertel ESG als wichtig an, um neue Investoren zu gewinnen. Um hier nachhaltig erfolgreich zu sein, brauchen sowohl Venture Capital-Gesellschaften als auch Start-ups laut Studie eine belastbare ESG-Strategie, deren Implementierung regelmäßig gemessen und reported wird. Mit gutem Beispiel gehen die Impact-Fonds voran, die 22% der befragten Gesellschaften ausmachen. Fast 90% sind in regelmäßigen Austausch mit ihrem Portfolio, die übrigen 10% sprechen das Thema zumindest unregelmäßig bei den Start-ups an.

Interview: ESG-Standard für VCs fehlt

KfW Capital und BCG haben im Rahmen der Studie einen eigenen Ansatz entwickelt, wie ESG bei Fonds und Jungunternehmen implementiert werden kann. Mehr dazu berichten Jörg Goschin, Geschäftsführer von KfW Capital, und Oliver Dany, Senior Partner und Finanzexperte Boston Consulting Group, im Interview.

VC Magazin: Welche Gründe machen Sie für die Diskrepanz bei der Wahrnehmung von ESG zwischen Startups und VC-Fonds aus?

Oliver Dany: Venture Capital-Fonds messen ESG bereits heute eine zunehmende Bedeutung zu, auch wenn es für sie noch eine große Herausforderung ist, ESG-Kriterien durchgängig zu implementieren. Viele Startups, auch Venture-Capital-affine, haben das Thema noch nicht im Fokus. Ein für uns bemerkenswertes, wenn auch erklärbares Ergebnis. Startups legen natürlich anfänglich einen stärkeren Fokus auf Wachstum und Finanzierung. Sobald die Kapitalgeber ESG eine höhere Bedeutung auch in den Finanzierungen beimessen, werden Startups sofort reagieren.

Jörg Goschin: Es fehlt den Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern ein allgemeingültiger Standard sowie eine gute Datenbasis für ESG im Venture Capital-Markt. Die Kapitalmärkte sind da bereits ein gutes Stück weiter. Ein Standard im Venture Capital-Bereich würde automatisch zu mehr Transparenz führen. Und VC-Fonds wie Start-ups hätten es leichter, sich dem Thema effizient zu nähern. Aber die Bedeutung und die Dringlichkeit des Themas ist hoch: Künftig wird es sowohl für VC-Fonds als auch für die Startups schwierig werden, Kapitalgeber zu finden, wenn sie ESG nicht berücksichtigen und in der Lage sind, dies transparent darzulegen.

Welche Hürden der ESG-Integration haben Sie ausgemacht?

Dany: Während Fondsmanagerinnen und -manager mittlerweile mehr mit ihren Investoren über ESG sprechen, finden diese Themen in Gesprächen zwischen Venture Capital-Fonds und Portfoliounternehmen selten statt. Hier muss sich etwas ändern. Denn selbstverständlich sollte ESG Teil der Geschäftsstrategie und des Investmentprozesses aller Stakeholder sein. Das erfordert Transparenz, Daten und Kapazitäten, die bei Start-ups meist knapp sind und daher effizient eingesetzt werden müssen.

Goschin: Dabei geht es nicht nur um die Quantität, sondern auch um Qualität eben im Sinne eines gemeinsamen Verständnisses von ESG und gemeinsamer Prioritäten, um den Fokus der ESG-Kommunikation auf die relevanten Themen systematisch zu lenken. Denn VC-Fonds und Startups haben, ein weiteres Ergebnis der Befragung, ein unterschiedliches Mind-Set, wenn es um ESG-Integration geht. Dies gilt es zu erfassen und entsprechend zu berücksichtigen.

KfW Capital und BCG haben auf Basis der Studie einen neuen Ansatz zur Herangehensweise entwickelt. Was beinhaltet dieser Ansatz?

Goschin: Wir haben bei unserem gemeinsam entwickelten Ansatz mehrere Faktoren im Blick gehabt. Als Voraussetzung galt, dass der Ansatz flexibel einsetzbar sein muss, um das jeweilige, sehr spezielle Umfeld von sehr frühphasigen bis zu spätphasigeren Startups sowie Investoren über eine Breite von Strategien und Sektoren adäquat zu berücksichtigen. Daher haben wir drei Instrumente entwickelt, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Dany: Das erste Instrument ist das ESG-Framework, das systematisch den Status von Venture Capital-Fonds oder anderer Investoren bei der Integration von ESG prüft. Dabei werden die Dimensionen Strategie, Fonds als Arbeitgeber, der Investmentprozess, sowie die Impact-Orientierung näher betrachtet. Als zweites Instrument ist eine ESG-Heatmap entwickelt worden, die relevante ESG-Themen für die Strategie eines Investors identifiziert. Ein Seed Stage Startup, also ein Startup in seiner Anfangsphase – beispielsweise im Bereich Digital Health – muss sich mit anderen Themen beschäftigen als ein schnell wachsendes, produzierendes Unternehmen mit bereits mehreren hundert Mitarbeitern.

Wie verfolgt KfW Capital selbst ESG bei ihren Investments?

Goschin: KfW Capital hat im vergangenen halben Jahr seine Gesamtstrategie und den Investmentprozess um ESG-Aspekte erweitert. Dazu wurden in Zusammenarbeit mit BCG nicht nur dieser Report, sondern auch weitere Guidelines, Tools und Prozesse basierend auf dem dargestellten Ansatz entwickelt. Dies – und das merken wir bereits – verbessert den konstruktiven Dialog mit den Fonds. Wir haben dabei gesehen, wie unabdingbar dabei eine gute Kommunikation mit Fondsmanagerinnen und -managern ist. Wir sahen übrigens eine große Offenheit auf Seiten der Fonds, sich mit uns dem Thema zu nähern. Auch sie wissen, dass das Thema ESG immer wichtiger wird.

Dany: Wir haben gemeinsam mit der KfW Capital einen an den oben beschriebenen Instrumenten orientierten ESG-Fragebogen für die standardisierte Due Diligence von Venture Capital-Fonds entwickelt. Dieser beinhaltet einerseits die Abfrage bestimmter Mindestkriterien anhand des beschriebenen ESG-Framewoks. Über die Heatmap gibt der Fonds zudem Auskunft über die für ihn relevanten ESG-Kriterien. Für die wichtigen Themen „ESG-Monitoring“ und „ESG-Reporting“ wurde ein Set an Indikatoren definiert, das ebenfalls auf der Heatmap aufbaut.

Was ist Ihre persönliche Meinung: Wie wird sich das Thema ESG im VC-Markt entwickeln?

Goschin: Ich erwarte, dass das Thema in fünf Jahren fest im VC-Markt verankert sein wird. Unsere Befragung hat ja auch gezeigt, dass die Impact-orientierten Fonds und Startups beim Thema ESG schon sehr viel weiter sind. Wir vermuten, dass sich dieser Trend auch bei den anderen VC-Fondsmanagern sowie Startups durchsetzen wird.

Dany: Diese Einschätzung teile ich vollkommen. Wir hoffen, gemeinsam mit der KfW Capital einen wesentlichen Beitrag zur Beschleunigung dieser Entwicklung zu leisten.

Zu den Interviewpartnern:

Jörg Goschin ist Geschäftsführer der KfW Capital. Der promovierte Wirtschaftsingenieur ist selbst Gründer und erfahrener Investment Professional.

Oliver Dany ist Senior Partner und Finanzexperte bei Boston Consulting Group.

VentureCapital Magazin

Dieser Artikel erschien zuerst bei unserem Schwestern-Magazin VentureCapital Magazin. Das VC Magazin erscheint online und monatlich als Print-Magazin und liefert alle wichtigen Infos, News & Stories rund um die Themen Private Equity, Technologietrends und Unternehmensgründung. Du kannst es abonnieren oder über brutkasten PRO+ beziehen.

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(c) Alpha Republic: v.l.n.r.: Neoh Gründerteam Adel Hafizovic, Manuel Zeller, Patrick Kolomaznik, Alexander Gänsdorfer

Süß, aber ohne Zucker – das Prinzip kennt man bei Softdrinks seit geraumer Zeit. Das damit einhergehende Problem auch: Cola Light schmeckt nicht wie Cola. Denn Süßungsmittel haben mitunter einen starken Eigengeschmack. Es dürfte auch daran liegen, dass sich Zuckerersatz in vielen anderen Bereichen bislang nicht im selben Ausmaß durchgesetzt hat. Einen dieser Bereiche beackert seit einigen Jahren das Wiener Startup Neoh erfolgreich: Süßigkeiten. Das Geschmacks-Problem löst das Unternehmen mit seiner selbst entwickelten Zuckerersatzformel ENSO überzeugend. Und nun hat es damit noch viel größere Pläne. Unter dem Namen Zero+ soll der Zuckerersatz direkt den B2C- und den B2B-Markt erobern.

“Zero+ ersetzt herkömmlichen Zucker 1:1”

Bereits jetzt, vor dem offiziellen Launch, kann Zero+ auf der Seite des Startups von Endkund:innen bestellt werden. Mit sechs Euro für 250 Gramm ist der Zuckerersatz signifikant teurer als handelsüblicher Rüben- oder auch Rohrzucker. Punkten soll er nicht nur mit dem bekannten Gesundheits-Argument, sondern vor allem auch mit der Usability. “Zero+ ersetzt herkömmlichen Zucker 1:1, ermöglicht einen beinahe identen Geschmack wie Zucker und hat dabei geringere Auswirkungen auf die Blutzucker-Kurve. Man kann seine liebsten Rezepte also unverändert backen bzw. kochen, indem man die angegebene Menge Zucker einfach durch Zero+ ersetzt”, heißt es in einem Statement des Startups auf brutkasten-Anfrage.

Besonders betont wird der hohe Anteil an Pflanzenballaststoffen in der Rezeptur. Dieser komme unter anderem von der Agave, der Chicorée-Wurzel und Mais. “Die Pflanzenfasern enthalten Präbiotika und unterstützen somit eine ausgewogene Darmgesundheit. Zudem hat Zero+ weniger als die Hälfte an Kalorien von Zucker, ist vegan, glutenfrei und zahnfreundlich”, heißt es vom Startup. Eine klinische Studie der Medizinischen Universität Wien belege die geringere Auswirkungen auf die Blutzucker-Kurve.

Neoh sieht “enormes Marktpotenzial” – “klarer Fokus” auf B2B

Neoh ortet mit dem neuen Produkt ein “enormes Marktpotenzial”, vor allem, weil dieses den marktführenden Produkten überlegen sei. Der Markt von bereits etablierten Zuckerersatzstoffen wie Maltit werde auf etwa drei Milliarden Euro weltweit geschätzt. “Zero+ hat gegen den aktuellen Markführer Maltit ausschließlich Vorteile”, meint man bei Neoh. Zudem könne ein genereller Trend zu deutlich weniger Zucker sowie zu mehr Ballaststoffen beobachtet werden.

Nach dem offiziellen Launch in den kommenden Wochen soll Zero+ in der 250 Gramm-Packung bereits auch im Lebensmitteleinzelhandel gelistet sein – aktuell kann man Neoh-Produkte in Österreich unter anderem bei Spar und Billa kaufen. Zudem sollen bereits Produkte anderer Unternehmen mit dem Zuckerersatz verkauft werden – wie zuletzt bereits ein Donut bei Anker, wie brutkasten berichtete. Im Firmenkundesegment sieht Neoh-Gründer und -CEO Manuel Zeller auch das größte Potenzial. “Der Fokus liegt ganz klar auf B2B. Die ersten Produkte mit Zero+ kommen auch bereits in den nächsten Wochen auf den Markt”, sagt er gegenüber brutkasten.

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