15.03.2023

“Entrepreneure sind Schlitzohren aber keine brutalen Rüpel”

Donatella Rubelj und Direktor Nikolaus Franke vom WU-Institut für "Entrepreneurship & Innovation", gingen der Frage nach, ob es einen Zusammenhang zwischen der Einstellung zu Regelverletzungen und einer unternehmerischen Persönlichkeitsprädisposition eines Menschen gibt.
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Entrepreneure, Studie, Schlitzohren, Brutalos,
(c) WU Executive Academy - Nikolaus Franke, Direktor Institut für Entrepreneurship und Innovation und Donatella Rubelj, Studentin am WU-Institut für Entrepreneurship & Innovation.

Um als Entrepreneur erfolgreich zu sein, muss man gegen den Strom schwimmen. Eine Innovation ist definitionsgemäß etwas Neues und das bedeutet zwangsläufig, dass man die Welt, wie sie ist, hinterfragen und den Mut haben muss, bestehende Regeln, Muster und Konventionen zu brechen – so die Erkenntnis von Nikolaus Franke, Direktor Institut für Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuniversität Wien. Im Rahmen einer kürzlich durchgeführten Studie befragten er und Studienleiterin Donatella Rubelj 89 angehende Entrepreneure und 70 Nicht-Entrepreneure im gleichen Alter und Bildungsgrad sowie der gleichen Geschlechterverteilung.

Entrepreneure mit mehr Risiko

Die Versuchsteilnehmern bekamen insgesamt 21 alltägliche Regelverletzungen vorgelegt. Ihre Aufgabe war es, diese nach dem von ihnen subjektiv wahrgenommenen Grad der Normverletzung zu beurteilen. Sie sollten sich vorstellen, sie würden einen ganz normalen jungen Mann beobachten, wie er diese jeweiligen Verhaltensweisen zeigen würde. Wie schlimm würden sie den Regelverstoß finden? Die Skala reichte von 1 (kein Problem) bis 10 (sehr schlimm).

“Entrepreneure stehen hinter vielen Innovationen, die unser tägliches Leben positiv beeinflussen, deswegen wollte ich herausfinden, in welcher Hinsicht sie sich von Nicht-Entrepreneuren unterscheiden. Wie die aktuelle Forschung bereits zeigt, ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal eine höhere Risikobereitschaft und dementsprechend eine größere Bereitschaft Regeln zu brechen, dies kann sich manchmal in negativen Konsequenzen für die Gesellschaft zeigen, beispielsweise in kriminellen Vorfällen”, erklärt Rubelj ihre Intention hinter dieser Untersuchung.

Und Franke ergänzt: “Das Wesen einer Innovation ist es, nicht mit dem Status Quo zufrieden zu sein. Entrepreneure sind Regelbrecher. Sie müssen bestehendes einfach hinterfragen.”

Subtile Unterschiede

Das Ergebnis der Studie lässt sich im Wesentlichen auf den Begriff “Subtilität” zurückführen. Die Unterschiede zwischen Entrepreneuren und Nicht-Entrepreneuren seien, konkret gesprochen, eher subtil und nicht besonders groß.

“Aber Entrepreneure tendieren dazu, den Sinn von Regeln zu hinterfragen und nehmen es nicht so genau”, erklärt Franke. “Ein Entrepreneur geht nachts bei einer leeren Straße eher über rot und denkt, ‘stehen bleiben ergibt keinen Sinn’, sein Counterpart dagegen bleibt stehen. Was wir aber nicht gefunden haben, war, dass Entrepreneure gesetzliche Verstöße verharmlosen, sondern eher Wege finden, sie zu umgehen, ohne Probleme zu verursachen. Man könnte sie als charmante Schlitzohren bezeichnen, die versuchen, mit Regeln gut umzugehen. Aber nicht als brutale Rüpel.”

Diese Charakterisierung fußt u.a. auch darauf, dass Entrepreneure sozial intelligent sein müssen, und sie nicht dauernd mit anderen Leuten “anecken” können, wie Franke weiter beschreibt.

“Das bedeutet, dass man soziale Regeln, Normen, Höflichkeit und Anstand beachten muss, wenn man Menschen für die eigene Sache gewinnen möchte. Man muss mit ihnen umgehen können und dafür braucht es soziale und auch emotionale Intelligenz”, erklärt er.

Keine Updates zu Regeln

Das Infragestellen von Regeln hat auch eine zeitliche Komponente, die Einfluss auf Entrepreneure nehmen könnte. Manche Gebote, die früher mal Sinn hatten, gelten heute nicht mehr, auch, ohne dass sie abgeschafft wurden.

“Wie oft geschieht es, dass man eine E-Mail bekommt und neue Regeln erklärt werden?”, fragt der Wissenschaftler. “Oder wann bekommt man gesagt, folgende gelten nicht mehr? Regeln werden selten abgeschafft, sondern erweitert. Manchmal muss man sie deswegen umgehen. Was aber keine Evidenz für Rücksichtslosigkeit oder Brutalität darstellt, sondern eher reaktiv ist und für einen sinnorientierten Umgang mit Regeln spricht.”

Entrepreneure früher “lockerer”

Jenseits der Untersuchung der WU-Forscher haben internationale Studien auch gezeigt, dass Entrepreneure in ihrer Jugend “kleinere Vergehen” hatten, frühe Trunkenheit oder Schwarzfahren etwa. Hier gebe es einen klaren Unterschied zu Nicht-Entrepreneuren, jedoch nicht bei groben Verstößen mit schweren juristischen Folgen. Es sei der Graubereich, wo man die feinen Unterschiede finden könne.

Dazu gibt es drei Thesen, warum Entrepreneure so “ticken” wie sie “ticken”: Erstens haben sie eine andere Art der Wahrnehmung von Normen oder bewerten Konsequenzen einer Normenverletzung anders. Unerschrocken.

Die Optimismus-These indes charakterisiert jene Founder:innen, die Tendenzen zu Ober-Optimismus zeigen. Sie wissen, dass man Dinge nicht machen sollte, erklären für sich selbst aber, dass es “schon gut gehen werde”.

Die Kalkulations-These

Der letzte Punkt betrifft die “kühle Kalkulation”, mit der Gründer:innen an eine Sache herangehen. Sie verfallen nicht in Panik, auch wenn das Risiko groß ist und nutzen “Opportunities”, wenn jene in Summe gut aussehen.

“Nicht-Entrepreneure reagieren da weniger emotional, wenn das Element des Risikos da ist”, so Franke abschließend. “Entrepreneure hingegen sagen, dass sie mit der Konsequenz leben können und haben keine Angst vor Blamage oder ihr Gesicht zu verlieren.”

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Foto: royos joining solutions GmbH

Das Grazer Startup royos rund um das Gründerehepaar Cornelia und Mario Leitner hat eine patentierte Verbindungstechnologie für Metalle, Kunststoffe und nun auch Holz entwickelt. Wie das Unternehmen am Mittwoch bekannt gab, konnte es den renommierten Kunststofftribologen Andreas Hausberger als Investor gewinnen, der über 17 Jahre Forschungserfahrung am Polymer Competence Center Leoben mitbringt.

Ein Kunststofftribologe untersucht und optimiert das Reibungs-, Schmierungs- und Verschleißverhalten von Kunststoffen, um deren Leistung und Lebensdauer in verschiedenen Anwendungen zu verbessern. Hausberger wird als Chief Research Officer (CRO) künftig eine operative Schlüsselposition im Unternehmen übernehmen. “Er hat sofort großes Potenzial in unserer Technologie gesehen und will gemeinsam mit uns die Zukunft der Fügetechnik neu definieren”, sagt Co-Founderin Cornelia Leitner im Gespräch mit brutkasten.

Zudem konnte Royos mit Bernhard Starzer einen international erfahrenen Business Manager, Geschäftsstrategen und Unternehmens-Coach als Business Angel an Bord holen. “Starzer bringt jahrzehntelange Erfahrung in der Entwicklung und strategischen Ausrichtung innovativer Unternehmen mit und verfügt über ein tiefgehendes Verständnis für internationale Märkte und strategische Geschäftsmodelle”, so Leitner.

Neben dieser strategischen Beteiligung startet Royos zudem eine Crowdfunding-Kampagne, um weiteres Kapital für Personalaufbau und neue Maschinen zu sichern.

Vom Lohnfertiger zum Technologieführer

Das 2021 gegründete Startup begann ursprünglich als Lohnfertiger für ein Sonderschweißverfahren vor allem für Metallverbindungen. Bald darauf erkannten die Gründerin und ihr Mann Mario Leitner das Potenzial, auch hybride Verbindungen zu ermöglichen. royos entwickelte nun das „Polymer Stir Welding -Verfahren“, das es erlaubt, unterschiedliche Materialien mit Thermoplastischem Kunststoff in einem Arbeitsschritt dauerhaft zu verschweißen, ohne zusätzliche Klebstoffe, Dichtungen oder Schrauben zu verwenden. „Wir legen zwei Fügeteile aufeinander, ohne weitere Vorbehandlung, und schweißen dann entlang der Fügelinie, die Bauteile sind dann sofort einsatzbereit“, erläutert Leitner. Das spare Zeit, senke Kosten und schone die Umwelt, da Klebeprozesse häufig Lösungsmittel enthalten und mehrere Arbeitsschritte erfordern.

Mit der Kombination von Holz und Kunststoff zu neuen Märkten

Einen wichtigen Durchbruch erzielte das Team, als es gelang, Holz und Kunststoff direkt miteinander zu verschweißen. “Das eröffnet uns neue Märkte, zum Beispiel im Möbelbau oder in der Automobilbranche, wo Holz im Innenraum an Bedeutung gewinnt“, so Leitner. Mit biokompatiblen Kunststoffen ließen sich zudem sogar kompostierbare Möbel herstellen. Auch der Schiffsbau ist Markt für diese Technologie.

Erste Erfolge verzeichnet Royos bereits in der Automotive-Industrie, doch dort gelten strenge NDA-Bestimmungen. Namen ihrer Partner darf Leitner deshalb nicht nennen, betont aber: “Gerade im Automotive-Bereich sind leichte und gleichzeitig feste Materialien gefragt. Genau da setzen wir an.”

Crowdfunding-Kampagne

Um diese Technologie weiter zu industrialisieren, möchte Royos jetzt mithilfe des neu eingestiegenen Kunststoffexperten Hausberger die Forschung forcieren und gleichzeitig Produktionsprozesse automatisieren. Für die Anschaffung eines Roboters und die Erweiterung des Expertenteams plant das Startup, zwischen 300.000 und 600.000 Euro über die Plattform Rocket Invest einzuwerben. Die Kampagne soll zeigen, dass neben strategischen Investoren auch die Crowd an die Vision von Royos glaubt.

Unterstützt wird royos bereits durch verschiedene Förderprogramme wie das aws-DeepTech-Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice (aws), den Patentscheck sowie Förderungen der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG. Das erste Patent für das PSW-Verfahren befindet sich in der Umsetzung, ein weiteres, das den Schweißprozess umdreht, steht kurz vor der Erteilung. Auch hier profitieren die Gründer von Hausbergers Spezialwissen: Als Kunststofftribologe befasst er sich mit den Reibungseigenschaften von Kunststoffen, was im Schweißverfahren essenziell ist. Projekte mit renommierten Forschungseinrichtungen sowie eine FFG-Basisförderung werden gerade beantragt.

Das Team von Royos wächst

Aktuell besteht das Team aus fünf Personen, die vor allem im Bereich Forschung, Entwicklung und Vertrieb tätig sind. “Wir wollen die Automobilindustrie revolutionieren und gleichzeitig neue Märkte erschließen – vom Möbelbau bis zur Luftfahrt“, fasst Leitner die Ambitionen zusammen. Gerade die Möglichkeit, Holz und Kunststoff in nur einem Prozessschritt zu verbinden, sorge für großes Interesse.

Leitner betont zudem, wie wichtig ihr die industrielle Praxistauglichkeit sei: “Wir möchten die Vorteile unserer Technologie gemeinsam mit Partnern demonstrieren und gleichzeitig bewusst auf nachhaltige Materialien setzen.” Seit April 2024 hat das Unternehmen zudem einen neuen Firmensitz in Lieboch. “Neben der Bürofläche verfügen wir dort nun auch über eine Produktionshalle, die uns noch mehr Möglichkeiten für Forschung und Entwicklung bietet”, so die Gründerin.


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