30.05.2022

So viel Energie könnte die Industrie durch Digitalisierung sparen

Eine kürzlich abgeschlossene Studie der Österreichischen Energieagentur und des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie zeigt das Einsparungspotenzial durch digitale Technologien in der Industrie bis 2040 auf. Laut Prognose könnte der Energieverbrauch um 15 Prozent reduziert werden.
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(c) AdobeStock

Digitalisierung und die Anwendung von IKT könnten nachhaltig ausgerichtet einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und Klimaschutz in Österreich leisten. Zu diesem Schluss kommt eine im April 2022 abgeschlossene Studie der Österreichischen Energieagentur und des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie. In der Analyse werden die Potenziale für eine Energieeinsparung und Treibhausgas-Emissionen durch Digitalisierungsanwendungen in Österreich im Jahr 2040 untersucht. Neben den Bereichen Verkehr, Haushalt, Dienstleistungen, Landwirtschaft nimmt die Studie auch Bezug auf den Sektor der Industrie.

Energieeinsparung durch Prozessautomatisierung & digitale Zwillinge

Im Rahmen der Studie wird unter anderem die Automatisierung von Prozessen, Digitalisierung von Motorensystemen, der Einsatz von Industrierobotern & digitalen Zwillingen sowie die additive Fertigung (3D-Druck) berücksichtigt. Vergleichsweise hohe Einsparungspotentiale sind demnach im Bereich der Prozessautomatisierung und beim Einsatz von digitalen Zwillingen zu erwarten, wobei die Einsparungspotentiale anhand von drei Szenarien (siehe Min, Max, Min) prognostiziert werden. Im Referenzszenario, welches als Basis für die Berechnungen der Digitalisierungseffekte dient, wird laut der Energieagentur bereits eine weitreichende Unabhängigkeit von Öl, Kohle und Erdgas (Dekarbonisierung) bis zum Jahr 2040 berücksichtigt.

(c) Austrian Energy Agency

Durch den Einsatz von Simulationen und digitalen Zwillingen könnten laut der Prognose im Maximal-Szenario bis zu 4000 Gigawattstunden Energie eingespart werden, was einer Einsparung von rund zehn Prozent entspricht. Dazu heißt es: “Digitale Zwillinge können durch Simulation die Produktqualität erhöhen und Produktionsprozesse verbessern oder Produktionsprozesse schneller und optimiert gestalten. Dies kann zu einer Steigerung der Energie und Ressourceneffizienz führen”. Bei der Prozessautomatisierung beträgt das Einsparungspotential bis zu 15 Prozent.

Auch in Bezug auf das Einsparungspotential von Treibhausgas-Emissionen nimmt die Studie Bezug. Die 4000 Gigawattstunden würden demnach rund eine Million Tonnen an CO2-Äquivalenten entsprechen. Aktuell beträgt der Ausstoß der Industrie in Österreich laut Umweltbundesamt rund 35 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten.

Plattform Industrie 4.0

Welche Potentiale die Industrie 4.0 für eine ressourceneffizienten Wirtschaft haben kann, wird aktuell auch von Expert:innen am 6. Summit Industrie 4.0 diskutiert. Im Vorfeld der Konferenz wurden unter anderem aktuellen Aktivitäten rund um die Plattform Industrie 4.0 vorgestellt, die sich hierzulande seit ihrer Gründung im Jahr 2015 als Kompetenzträger zum Thema Industrie 4.0 etabliert hat. Die Plattform zählt aktuell rund 70 Mitglieder:innen – darunter die wichtigsten Institutionen und Unternehmen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Erst im vergangen Jahr wurde eine eigene Expertengruppe für “Ressourcen- und Energieeffizienz” geschaffen. Diese soll nun weitere Handlungsvorschläge für die Industrie erarbeiten.


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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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