10.02.2021

Elon Musk und Bitcoin: Der pure Kapitalismus

Der Bitcoin-Kauf von Tesla markiert eine Zeitenwende. Bitcoin zu halten, bleibt ein großes Risiko. Aber ab sofort ist es auch ein Risiko, null Bitcoin zu haben.
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Tesla & Bitcoin
Nikolaus Jilch | Hintergrund (c) Adobe Stock - 24K-Production

In einer Marktwirtschaft trägt jedermann die volle Verantwortung für seine Entscheidungen. Das ist ein Grund, warum viele Menschen Angst haben vor einem kapitalistischen Wirtschaftssystem – obwohl es den bisher versuchten Alternativen eindeutig weit überlegen ist. Sie fürchten sich vor ihren eigenen Fehlern.

Wir bremsen dieses persönliche Risiko durch Politik, Sozialstaat und sogar über Zentralbanken, die im Notfall Geld drucken, was bestimmte Player vor den negativen Konsequenzen ihrer Risikoentscheidungen schützt. Das hat mehrere negative Effekte: Die einen gehen gar kein Risiko mehr ein. Und die anderen extreme Risiken. Beide im Wissen, dass “Vater Staat”, sie schon rausboxen wird. Eigenverantwortung wird zum Fremdwort.

Bitcoin ist purer Kapitalismus, ein echter Markt

Bei Bitcoin gibt es das alles nicht. Wer vor zehn Jahren oder zehn Tagen eingestiegen ist, hat das volle Risiko seiner Entscheidung getragen. Wer Bitcoin von A nach B schickt, darf sich nicht vertippen. Es gibt keine Regierung, keine Notenbank und keine Hotline, die helfen kann. Bitcoin ist purer Kapitalismus, ein echter Markt. Und das Risiko bleibt hoch.

Aber es ist gestern ein bisschen geschrumpft. Denn der reichste Mann der Welt ist jetzt investiert. Die Rede ist natürlich von Elon Musk, dem exzentrischen Chef von Tesla, dessen Elektroautofirma rund zehn Prozent ihrer Barbestände (mehr als 1,5 Mrd. Dollar) in die Kryptowährung gesteckt hat – und bald Autos für Bitcoin verkaufen will. Die Nachricht vom 8. Februar 2021 war wahrscheinlich die wichtigste seit der “Gründung” von Bitcoin vor ziemlich genau zwölf Jahren.

Jeder Investor, jeder Anlageberater, jede Firma und jede Notenbank, die jetzt in Bitcoin einsteigt, tut das, nachdem der reichste Mann der Welt sich bereits positioniert hat. Tesla ist nicht die erste Firma, die auf die Kryptowährung setzt, weil sie den langfristigen Werterhalt des Dollars anzweifelt. Tesla wird nicht die letzte bleiben. Hier haben wir beschrieben, wie Bitcoin und Wall Street zusammenwachsen.

Übrigens: Man behält sich bei Tesla auch das Recht vor, Gold und Gold-ETFs zu kaufen. Es geht also nicht nur um Bitcoin. Aber die Kryptowährung ist natürlich die heißeste Story.

Bitcoin ist (auch) eine Währung, egal was Ökonomen sagen

Die Aktion von Tesla und Elon Musk wird mehr Aufmerksamkeit bringen als je zuvor. Dass der Preis binnen weniger Stunden ein neues Allzeithoch (45.000 Dollar) erreicht hat, muss man gar nicht erwähnen. Mit diesem Schritt sagt Musk: Bitcoin ist (auch) eine Währung – egal, was Notenbanker und Ökonomen meinen. Er schafft Tatsachen. Millionen von Menschen sind jetzt über Teslaaktien oder Indexfonds indirekt in Bitcoin investiert.

Wer Bitcoin verbieten will, muss sich mit Musk und seinen Fans anlegen. Und jedem CFO und CEO weltweit ist klar: Je früher er es Musk nachmacht, desto günstiger der Einstiegspreis bei Bitcoin. Auch die nächste Sensation bahnt sich bereits an, denn der Bürgermeister von Miami würde gerne Bitcoin für die Stadtkasse kaufen.

Bitcoin ist eine Technologie. Das Problem, das sie lösen soll, heißt Inflation. Diese undemokratische Steuer beraubt uns unserer Kaufkraft, tötet unser Geld langsam von Innen und sorgt dabei auch noch für eine unfaire Vermögensverteilung. Nach dem März-Crash und der extremen Gegenreaktion der Notenbanken ist dieses Problem in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit vieler Investoren gerückt. Sie stimmen mit ihrem Geld ab. Sie gehen Risiken ein, um sich zu schützen.

Kein Risiko ist größer als jenes bei Bitcoin, weil es “echtes” Risiko ist, in einem “echten” Markt ohne Netz und doppelten Boden.

Wir wollten “something for nothing”

Viele glauben, dass “der Kapitalismus” oder “die Marktwirtschaft” schuld sind an den Übeln dieser Welt. Das ist falsch. Die Übel erzeugen wir, weil wir Angst vor den Konsequenzen unseres eigenen Handelns haben. Weil wir uns auf “Vater Staat” verlassen wollen. Weil wir “something for nothing” wollen. Aber diese Zeit geht langsam zu Ende. Mit dem exponentiellen Wachstum, das wir bei den Gelddruckprogrammen der Notenbanken und den globalen Schuldenständen sehen, kann es nicht ewig weitergehen.

Niemand wird uns vor den Folgen dieser “Rettungspolitik” beschützen können – wir müssen selbst handeln. Elon Musk ist einer der überzeugtesten Kapitalisten unter der Sonne. Er wollte schon mit PayPal eine dezentrale Währung wie Bitcoin auf die Beine stellen. Er weiß, wo das Problem liegt und er zeigt uns, wie er sich und seine Firma vor den Folgen des inflationären Geldsystems schützen will.

Bleibt Bitcoin ein enormes Risiko für alle, die darin investieren? Ja. Unter anderem deshalb will Tesla wohl auch Gold kaufen. Aber das Risko, sich mit dem Phänomen hinter der Kryptowährung zu beschäftigen und daraus zu lernen, ist gleich null. Das ist die wahre Stärke von Bitcoin: Es legt schonungslos die negativen Folgen der Inflationsorgie der vergandenen 50 Jahre offen, die Folgen der Politik, der Freunderlwirtschaft und der Korruption. Es zeigt den jungen Menschen, wo das Problem liegt. Und wenn sie es einmal gesehen haben, werden sie es nie vergessen.

Mit Musks Einstieg hat sich das Risiko, Bitcoin zu halten, ein bisschen reduziert. Aber wenn der reichste Mann der Welt Bitcoin kauft, ist zum ersten mal klar: Es ist ab sofort auch ein gewisses Risiko, null Bitcoin zu halten.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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