07.06.2021

El Salvador setzt auf Bitcoin: Was steckt dahinter? Und wer?

Erstmals will ein Staat Bitcoin als Währung zulassen. Was das bedeutet. Und welche Rolle US-Unternehmer Jack Mallers dabei spielt.
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Nikolaus Jilch zu Bitcoin und El Salvador
brutkasten-Kolumnist Niko Jilch | Hintergrund (c) Adobe Stock

Wir, die im Westen leben, in relativ stabilen Verhältnissen und mit Landeswährungen, die tendenziell schwacher Inflation unterworfen sind, begehen bei Bitcoin oft einen schweren Fehler. Wir ignorieren alle anderen. Die Millionen, ja Milliarden von Menschen, die weder ausgeprägte Rechtssicherheit noch einigermaßen stabile Währungen genießen – und oft in Regimen leben, die autoritär, unfähig oder beides sind.

Afrikaner, Asiaten, Osteuropäer und Südamerikaner, die seit Jahrzehnten der Willkür von Politikern, Banken und Zahlungsdienstleistern ausgesetzt sind. Auch weil ein großer Teil ihrer Wirtschaftsleistung aus dem “reichen” Westen kommt – von Auswanderern, die ihre Familien unterstützen. Mit Überweisungen, bei denen meist horrende Gebühren anfallen.

Warum El Salvador zu Bitcoin greift

Für diese Menschen, die oft gar keinen Zugang zum traditionellen Bankensystem haben, bietet Bitcoin eine Basis – als Zahlungsnetzwerk und harte Währung. In El Salvador, einem kleinen Land, eingezwickt zwischen Guatemala, Honduras und Nicaragua, hat jeder Zweite kein Bankkonto. Mehr als 20 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung fließt in Form von Überweisungen (so genannte “remittances”) aus dem Ausland herein – vor allem aus den USA, wo rund zwei Millionen Auswanderer aus El Salvador leben – ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Sie schicken pro Jahr rund sechs Milliarden Dollar in die Heimat, nutzen dabei aber langsame und teure Dienstleister.

Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht einfacher zu verstehen, warum der junge Präsident Nayib Bukele sein Land zum ersten weltweit machen will, das Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel einführen will. Die Meldung ging am Wochenende um die Welt.

Aber auf diese Idee ist er natürlich nicht alleine gekommen. Die Spur führt zum jungen, amerikanischen Unternehmer Jack Mallers. Ein Name, den man sich merken sollte. Mallers ist in der Bitcoin-Szene schon heute eine große Nummer. Denn er hat ein Versprechen eingelöst, das viele verloren geglaubt haben: Bitcoin als Zahlungssystem.

Die Rolle von Jack Mallers und Strike

Seine Firma Zap nutzt dabei das Lightning Network – für die Zahlungsapp Strike. Das Lightning Network kann man sich wie eine zweite Schicht (Layer two) vorstellen, die auf der Bitcoin-Blockchain liegt um Zahlungen zu ermöglichen: in Echtzeit und praktisch gebührenfrei. Mallers setzt mit Strike aber noch eins drauf. Er nutzt das Lightning Network um auch Dollars und Euros um die Welt zu schicken. In Sekunden und praktisch gratis. Wer nicht versteht, warum das eine große Nummer ist, weiß wohl nicht, wie langsam und teuer der “internationale Turbokapitalismus” in Wahrheit ist.

Um es anschaulicher zu machen: Bei globalen Geldtransaktionen ist es wie mit einer Firmengründung in Österreich. Es dauert länger als man glaubt, kostet mehr als erwartet – und zu viele Mittelsmänner halten die Hand auf. Strike will das beenden und Bitcoin bietet die technische Grundlage. Es zahlt sich aus, einen Blick darauf zu werfen.

Zurück nach El Salvador. Noch ist nicht fix, ab wann das kleine Land Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptieren will. Dass Jack Mallers seine App Strike in El Salvador gestartet hat und dort Werbung für Bitcoin gemacht hat, ist kein Geheimnis. Er war es, der die Nachricht vom Bitcoin-Einstieg des Landes von Präsident Nayib Bukele bei der “Bitcoin 2021” Konferenz am vergangenen Wochenende verkündete – unter Tränen.

Zwei gesetzliche Zahlungsmittel in El Salvador

Die Reaktionen sind erwartbar: Bitcoiner freuen sich, alle anderen ignorieren den Schritt oder machen sich lustig. El Salvador ist unbedeutend, heißt es. Aber die Spieltheorie hinter Bitcoin belohnt diejenigen, die früh dran sind. Es wäre kaum zu erwarten gewesen, dass große, reiche Länder diesen Schritt zuerst gehen. Auch, weil sie es nicht nötig haben. Was aber sehr wohl zu beachten ist: Noch ist das Gesetz nicht beschlossen. Es wird höchst wahrscheinlich in diese Woche durchgehen – aber bis dahin ist Bitcoin noch kein gesetzliches Zahlungsmittel.

Aber wenn es soweit kommt, was sind die Folgen? Nun, in El Salvador gibt es ab dem Tag, an dem das Gesetz in Kraft tritt, zwei offizielle Zahlungsmittel: den US-Dollar und Bitcoin. Das bedeutet, dass jede Firma verpflichtet ist, diese beiden Währungen anzunehmen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Regierung Zeit für den Aufbau der technischen Infrastruktur einräumt. Dass Strike und andere Lightning-Apps dabei eine große Rolle spielen werden, liegt auf der Hand.

Die Folgen für den Westen

Im besten Fall wird der Schritt den Aufbau einer neuen, stabileren Volkswirtschaft begünstigen – mit einer größeren Beteiligung der Massen. Das wünscht sich der Präsident. In jedem Fall wird das Gesetz den Menschen in El Salvador eine neue Möglichkeit bieten, Geld aus dem Ausland zu erhalten ohne unverschämte Gebühren an Zahlungsdienstleister berappen zu müssen.

Aber auch für einige Länder des Westens hat der Schritt möglicherweise eine Folge – und zwar eine steuerliche. Wenn Bitcoin die offizielle Landeswährung eines souveränen Staates ist, müssen manche Länder ihre Steuergesetze wohl ändern. Für Österreich gilt das aber voraussichtlich nicht, da für ausländische Währungen und Bitcoin schon heute dieselben Regeln gelten. Wir hinken ausnahmsweise nicht hinterher.

Drei kleine Punkte noch:

  • Länder der Eurozone werden den Schritt von El Salvador nicht nachmachen können. Es ist ihnen verboten, andere gesetzliche Zahlungsmittel als den Euro einzuführen.
  • Mit dem Schritt wäre El Salvador das erste Land, das eine elektronische Währung einführt – noch vor China und lange vor dem “digitalen Euro”.
  • Das Argument, Bitcoin sei “keine Währung” müsste für immer eingemottet werden.

Niko Jilch ist Finanzjournalist, Podcaster und Speaker. Website: www.nikolausjilch.com Twitter: @nikojilch


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“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


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