27.11.2023

Einmal im Stanitzel, bitte: Einen Lohn zum Selbstbestimmen

Der Unternehmer Klaus Purkarthofer lässt sein Team selbst bestimmen, wie viel es verdient. Auch der Lohn des Chefs wird gemeinsam festgelegt. Wie dieses Modell funktioniert? Der gelernte Konditor erzählt über Entstehung, Hürden und Umsetzung.
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Klaus Purkarthofer, Geschäftsführer von Purkarthofer Eis (c) Purkarthofer Eis

Am Wochenend-Ausflugsort Fernitz-Mellach bei Graz steht der berühmte Eis-Pavillon des Unternehmens “Purkarthofer Eis”. Geschäftsführer Klaus Purkarthofer verwöhnt Besuchende dort mit hochwertigen Sommer-Süßspeisen.

Ich nehme eine Welt wahr, in der wir uns als Arbeitskraft völlig entwerten. Das will ich mit meinem Werte- und Lohnmodell ändern.

Klaus Purkarthofer, Geschäftsführer von Purkarthofer Eis

In seiner Eis-Produktionsstätte kreiert er aber nicht nur regionales “Gelato for Future”, sondern auch ein spezielles Lohnmodell, das so in unserer Marktwirtschaft erst wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Purkarthofer lässt seine Mitarbeitenden nämlich selbst bestimmen, was sie verdienen. “Ich nehme eine Welt wahr, in der wir uns als Arbeitskraft völlig entwerten”, so der Unternehmer. “Das will ich mit meinem Werte- und Lohnmodell ändern.”

Einfach ging die Transformation zum selbstbestimmten Lohnfindungsprozess nicht, erinnert sich der Unternehmer: “Ich habe einst zu meinem Team gesagt: Ich möchte euch fair bezahlen, aber das kann ich nur mit euch gemeinsam. Also haben wir uns hingesetzt und offen über Gehalt, Aufstiegschancen und den Wert der eigenen Arbeit gesprochen. Und zack: Eineinhalb Jahre später hatten wir die Lösung.”

Das Vater-Werden und die 80-Stunden-Wochen

Wer in der Gastronomie arbeitet, vor allem im Eisgeschäft, kennt die Hürden der saisonalen Mitarbeiterfluktuation: Arbeitskräfte über die Wintersaison zu behalten, verringert den Gewinn und macht ökonomisch gesehen wenig Sinn. Auch menschlich machte die Saisonarbeit dem Unternehmer zu schaffen.

2010 hat Purkarthofer die Konditorei seiner Eltern übernommen – glücklich war er damit nicht immer. Der hohe Workload in der Gastronomie, die 80-Stunden-Wochen, seine schwangere Lebensgefährtin und ein Unfallsschicksal in der Familie ließen den Unternehmer am Sinn seiner Tätigkeit zweifeln. “Ich wusste, der nächste Schritt muss ein radikaler sein”, meint Purkarthofer. “Ich habe mich gefragt: Warum heißt es immer, wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es den Menschen gut, und nicht umgekehrt?”

Die eierlegende Wollmilchsau

Nicht nur das saisonale Mitarbeiter-Freistellen und Arbeitswochen, die weit über das gesetzliche Maß hinausgehen, ließen den Familienunternehmer an der Menschlichkeit seiner Arbeit zweifeln: “Ich war keine eierlegende Wollmilchsau, aber ich musste eine sein.” Purkarthofer entwickelte den inneren Wunsch, sein Geschäftsmodell komplett zu ändern. Nicht nur, um Familienvater zu sein, sondern auch, um mehr Innovation und neue Arbeitsformen zu kreieren und wertschätzend zu wirtschaften.

Im November 2019 hat Purkarthofer seine Café-Konditorei geschlossen. Die Tore seines Betriebes blieben aber nicht für immer versperrt. Im Februar 2020 erfolgte die komplette Neuausrichtung seines Teams. Der Unternehmer feilte an einer neuen Kombination von Handwerk und Social Business. Er wollte Gewinn und Output nicht mehr über das Wohlbefinden seiner Mitarbeitenden, seiner Familie und seiner Selbst stellen.

Purkarthofer spezialisierte sich folglich auf die Produktion seines “Gelato for Future”, das handwerklich und rein mit Zutaten aus regenerativen Landwirtschaften hergestellt wird: “Das Eis braucht weniger Manpower als die Produktion von Mehlspeisen und lässt sich sehr gut vertreiben. Mit unserem ‘Gelato for Future’ konnten wir unsere Organisation auf das Wesentliche reduzieren, effizienter werden und Raum für Innovation schaffen. Dafür habe ich bewusst flache Hierarchien eingeführt. Das bedeutet, die Kontrolle zu vermindern und das Vertrauen sowie die Selbstständigkeit der Mitarbeitenden zu stärken.”

In Purkarthofers Eismanufaktur sind aktuell acht Mitarbeitende über das ganze Jahr angestellt. Zum Saisonhöhepunkt sind es 25. Für die Gastronomie – vor allem im Eisgeschäft – ist dies durchaus außergewöhnlich. Dafür entwickelte der Unternehmer ein eigenes Wertekonzept, das schon im Brasilien der 1980er Jahre, unter anderem in der Firma Semco, Anwendung fand.

Der Lohn-Sesselkreis

Purkarthofer setzt sich einmal alle eineinhalb Jahre mit seinem Team an einen Tisch und vergleicht die einzelnen Lohnsituationen seiner Mitarbeiter:innen über Nettostundenlöhne: “Wir haben zwei verschiedene Kollektivverträge zur Anwendung – für Gastronomie und für Konditorei. Das ist unsere Ausgangsposition. Außerdem berücksichtigen wir unterschiedliche Zeitmodelle und Home Office. In unseren Diskussionsrunden definieren wir alle Rollen, die unsere Teammitglieder einnehmen. Dann schauen wir uns jeden einzelnen Mitarbeiter genau an. Wir fragen uns: Wer bist du als Mensch und welche Entlohnung erwartest du dir von uns.”

Gemeinsam gehen wir der Reihe nach durch den Sesselkreis und jeder nennt den Wert, den er oder sie glaubt, im Unternehmen verdienen zu sollen.

Klaus Prukarthofer, Geschäftsführer von Purkarthofer Eis

Diskutiert wird in Purkarthofers offenen Gehaltsrunden auf Augenhöhe. Der Konditor bezeichnet diesen Prozess als das gegenseitige In-Wert-Setzen: “Gemeinsam gehen wir der Reihe nach durch den Sesselkreis und jeder nennt den Wert, den er oder sie glaubt, im Unternehmen verdienen zu sollen.” Daraus wird dann der Durchschnittswert berechnet. Dessen Stimmigkeit zu anderen Ergebnissen wird überprüft und mit Stunden, Aufgaben und Verantwortung abgestimmt.

“Gemeinsam versuchen wir, einen wertmäßig adäquaten Lohn für jedes Teammitglied zu bestimmen”, erzählt der Unternehmer. “In unseren Lohnrunden kann jede und jeder Mitarbeitende sagen, welchen Lohn sie sich vorstellen – basierend auf Lebensphase, Ausbildung und Verfügbarkeit. “Löhne und Arbeitsverträge sind die Rahmenbedingungen unserer Zusammenarbeit. Genauso legen wir in unseren Gesprächen auch Werte, Visionen und Ziele gemeinsam fest. Nach der In-Wert-Setzung aller Beteiligten schauen wir, ob wir uns das leisten können und wollen.”

Der Unternehmer führt weiter aus: “Wichtig ist mir dabei vor allem das Warum: Egal, welche Zahl mir ein Teammitglied nennt, es braucht immer eine Erklärung. Wir wollen wissen, wie das Teammitglied sich selbst und seine Arbeit wahrnimmt.” Auch Purkarthofers Gehalt wird an sein Maß an Risiko und Verantwortung angepasst, und zwar von allen acht Personen im Unternehmen. Rechtlich steht ihm der gesamte Gewinn zu.

Purkarthofers Lohnmodell soll nicht nur für Mitarbeitende fair sein, sondern auch für das Unternehmen selbst. “In unsere Lohnberechnungen beziehen wir immer beide Sichtweisen mit ein. So lernen die Mitarbeitenden, den Blick auf das ganze Unternehmen zu berücksichtigen”, erklärt der gelernte Konditor.

Das Fallen traditioneller Urlaubsregeln

Nicht nur gehaltsmäßig versucht das Unternehmen “Purkarthofer Eis”, Gemeinwohl-orientiert zu wirtschaften. Auch der Urlaub wird bei Purkarthofer anders gehandhabt als üblich:

“Jeder Mensch hat unterschiedliche Erholungsbedürfnisse. Unser Team ist verpflichtet, den gesetzlichen Urlaub zu nehmen, aber darüber hinaus steht es jedem frei, sich bei Bedarf und Begründung eine Auszeit zu nehmen.” Purkarthofer stellt seinem Team damit keinen Freibrief für unbegrenztes und willkürliches Urlauben, sondern einen Ansporn für gegenseitiges Vertrauen und Verständnis.

“Ich versuche, einen Raum zu schaffen, in dem Mitbestimmung, Empowerment und Innovation gemeinsam geschehen können”, erklärt der Unternehmer. “Dazu gehört das richtige Maß an Selbstbestimmtheit und Vertrauen, das wir in unser Lohn- und Urlaubsmodell integrieren.” In Zukunft sollen auch schwangere Mitarbeitende eine Lohnerhöhung bekommen, wodurch sich deren Karenzgeld erhöht, erklärt der Unternehmer.

Höhere Beteiligung und weniger Budget

Purkarthofers Gehaltsfindungsprozess braucht Geduld und Zeit. Ganze eineinhalb Jahre hat die erste Episode der Gehaltsfindung gebraucht. Mittlerweile berichtet der Unternehmer von höherem Engagement des Teams, einer gesunden Arbeitsatmosphäre und effizienten Arbeitsabläufen.

“Operativ funktioniert unser Konzept einwandfrei. Wie sich das Modell finanziell rentiert, werden wir erst in der Bilanz von 2023 und 2024 sehen. Nächstes Jahr werden wir unsere Löhne neu bewerten. Aber ich habe Referenzwerte und sehe, wie sich das Jahr entwickelt. Und das sieht gut aus.”

Die ehemals standardmäßige 80-Stunden-Woche ist für Purkarthofer mit diesem Modell Geschichte. Der Unternehmer ist lange nicht mehr als die “eierlegende Wollmilchsau” tätig, sondern glättet Hierarchien und lässt seine Teams eigenverantwortlich arbeiten.

“Es macht mir unheimlich Spaß, mit diesen Leuten zu arbeiten. Wir entwickeln Jobs um Menschen herum und geben jedem und jeder die Möglichkeit, sich einzubringen. Wir entwickeln neue Produkte und entdecken Geschäftspotenziale. Das zeigt, was es bringt, wenn jemand nicht nur Eis produziert, sondern auch Erfüllung in seiner Arbeit findet.”

Warum jeder fragt, wie es der Wirtschaft geht, ist für mich unverständlich. Ich drehe das Ganze um: Ich stelle den Menschen in den Mittelpunkt des Handelns, nicht die Wirtschaft.

Klaus Purkarthofer, Geschäftsführer von Purkarthofer Eis

Damit hat Purkarthofer endlich die Antwort auf jene Frage, die er lange unbeantwortet lassen musste: “Warum jeder fragt, wie es der Wirtschaft geht, ist für mich unverständlich. Ich drehe das Ganze um: Ich stelle den Menschen in den Mittelpunkt des Handelns, nicht die Wirtschaft. Und kreiere damit Tätigkeiten, die uns glücklich machen, weil wir merken, dass wir einen Wert in diesem Unternehmen haben, für den wir auch angemessen entlohnt werden – und zwar in Kenntnis aller Beteiligten. Genau dieses wirtschaftliche Narrativ will ich weiterhin als Unternehmer realisieren. Und dafür muss ich auch keine eierlegende Wollmilchsau sein.”

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Diskussionsrunde der Folge 2: Harald Herzog, Moritz Mitterer, Carina Zehetmaier, Bernd Konnerth, Markus Fallenböck (c) brutkasten

„No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Gut zwei Jahre ist es her, dass ChatGPT einen Hype rund um generative KI-Modelle auslöste. Doch es stellen sich auch viele kritische Fragen beim Einsatz von KI – besonders in sensiblen Bereichen. Klar ist: Künstliche Intelligenz bietet viele Vorteile und vereinfacht komplexe Prozesse. Gleichzeitig wirft sie jedoch auch Herausforderungen und Ängste auf, mit denen man sich kritisch auseinandersetzen muss.

Was KI in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten kann, diskutierten in der zweiten Folge „No Hype KI”:

  • Bernd Konnerth (Microsoft Österreich | Public Sector Lead)
  • Carina Zehetmaier (Women in AI Austria | Präsidentin)
  • Harald Herzog (Österreichische Gesundheitskasse | Leiter Digitalisierung und Innovation)
  • Moritz Mitterer (ITSV | Aufsichtsratsvorsitzender)
  • Markus Fallenböck (Universität Graz | Vizerektor für Personal und Digitalisierung).
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Menschenzentrierter Ansatz im Mittelpunkt

Künstliche Intelligenz ist schon längst Teil unseres Alltags – ob bewusst oder unbewusst. Und obwohl KI bereits in vielen Lebensbereichen der Österreicher:innen präsent ist, bleibt die Skepsis bei vielen groß. Laut Carina Zehetmaier ist es daher ein besonders wichtiger Faktor, dass man jeder einzelnen Person KI näher bringt, sodass mehr Vertrauen in die Technologie entsteht: „Derzeit gibt es noch viele Ängste rund um KI. Aber es gibt auch noch gewisse Schwachstellen wie zum Beispiel das Halluzinieren, oder auch Vorurteile, die in den Systemen drinnen sind und widergespiegelt werden können. Es ist relevant, dass man sich hier von Anfang an mit den kritischen Fragenstellungen auseinandersetzt“.

Hierbei müsse an vorderster Stelle die öffentliche Hand hohe Standards setzen – vor allem aus menschenrechtlicher Sicht. Zehetmaier befürwortet in diesem Zusammenhang den AI Act, der klare gesetzliche Rahmenbedingungen schafft. „Die öffentliche Hand ist der direkte Adressat der Grund- und Menschenrechte“, sagt sie.

Ein weiterer wichtiger Punkt von Zehetmaier ist die Notwendigkeit, marginalisierte Gruppen nicht zu übersehen. Man müsse sich bemühen, geschlechtsspezifische und andere Vorurteile in Datensätzen zu vermeiden. „Wir wissen auch, dass Automatisierung den Gender-Pay-Gap öffnet anstatt schließt, das heißt, da müssen wir aktiv und gezielt gegensteuern“.

Verantwortungsvolle KI bedeute, aktiv an den Daten und Algorithmen zu arbeiten. Nur so könne sichergestellt werden, dass KI-Anwendungen nicht nur technologisch effizient, sondern auch ethisch und gesellschaftlich verantwortungsvoll gestaltet werden.

Responsible AI: Inklusivität, Fairness, Datenschutz

Dass die Anwendung von generativer KI nicht bloß Kosten senken soll, sondern den Menschen Nutzen bringen muss, ist auch für Bernd Konnerth von Microsoft klar. „Wir setzen auf Responsible-AI-Standards, bei denen es um Inklusivität, Fairness, Datenschutz und all diese Themen geht. Das sind Leitplanken in unserer Produktentwicklung“, sagt der Public Sector Lead von Microsoft Österreich.

Von der Unternehmenstransformation bis hin zum öffentlichen Dienst sei ein breites Umschulungsprogramm notwendig, um Ängste abzubauen: Es sei wichtig, „Umgebungen zu schaffen, die es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich machen, mit der Technologie zu interagieren, um den Berührungsängsten entgegen zu wirken”.

Universität Graz startete UniGPT für Mitarbeitende

Was Bildung angeht, betont Markus Fallenböck von der Universität Graz die Bedeutung einer breiten Wissensvermittlung. Es gehe nicht nur um Spezialist:innen für KI, sondern vor allem um die große Masse an Mitarbeitenden, die einen “sinnvollen Umgang mit KI erlernen” müssen: „Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, umso mehr können wir Chancen nutzen und Risiken minimieren“.

Die Universität Graz hat dazu eine eigene Micro-Credential-KI gestartet, um Studierenden ein Grundwissen zu KI zu vermitteln: “Das ist ein abgeschlossenes Studienpaket, das man in jedes Studium integrieren kann und das gerade in einer Pilotphase ist”, erläutert Fallenböck. Das Paket lasse sich in jedes Studium integrieren. “Da ist die Idee, dass in ein paar Jahren jeder Bachelor-Studierende, der in Graz einen Abschluss macht, ein Grundwissen hat zu KI-Bereich, Technik, Wirtschaft, Recht, Ethik”.

Für die eigenen Mitarbeiter:innen hat die Universität Graz im Mai 2024 außerdem den Chatbot UniGPT gestartet. Bereits mehrere hundert Mitarbeiter:innen wurden dafür bereits eingeschult. “Da sitzt die Universitätsprofessorin neben der Sekretariatskraft und beide interessieren sich für KI und werden es in ihrem Arbeitsalltag gut einsetzen”, schildert Fallenböck seine Eindrücke.

Über die eigenen Mitarbeitenden will die Universität Graz Wissensvermittlung aber auch in die Bevölkerung tragen. Dazu hat sie im Oktober etwa erstmals den Technology Impact Summit zum Thema KI in Graz veranstaltet. “Weil natürlich auch wichtig ist, dass wir die breite Öffentlichkeit mit dem Thema erreichen. Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, umso mehr, können wir auch das Chancennutzen und Risikominimieren wirklich schaffen”, erläutert Fallenböck.

ITSV: Künstliche Intelligenz im Gesundheitssystem

 Die ITSV wiederum steuert und koordiniert die IT-Aktivitäten der österreichischen Sozialversicherung – und beschäftigt sich schon länger mit dem KI-Thema. Aufsichtsratsvorsitzender Moritz Mitterer erzählt im Talk, dass das Unternehmen bereits 2018 mit der Erprobung von KI-Lösungen begonnen habe. In einem geschützten Umfeld wurden dabei erste Erfahrungen gesammelt, bevor die Systeme in den Echtbetrieb übergingen. Dieser schrittweise Ansatz habe wesentlich dazu beigetragen, das Vertrauen in KI-Modelle im Unternehmen zu stärken.

Besonders bei sensiblen Daten, wie etwa Gesundheitsdaten, ist die Gefahr von Missbrauch ein zentraler Risikofaktor. Mitterer erläutert die Bedeutung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit: „Man muss Patientinnen und Patienten mitnehmen, indem man entsprechend strenge Regeln hat und Compliance hat. Und indem man offen damit umgeht, falls doch was sein sollte“.

KI schafft Abhilfe bei steigendem Leistungsaufkommen bei ÖGK

Die ITSV arbeitet dabei unter anderem für die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Harald Herzog von der ÖGK erläutert, dass das steigende Leistungsaufkommen – etwa wachsende Fallzahlen, steigende Lebenserwartung, mehr Konsultationen – nach neuen Wegen verlangt: „Würden wir die Prozesse so weiterspielen wie bisher, bräuchten wir mehr Personal“, so Herzog. „Unsere Aufgabe ist es effizient zu arbeiten und alle technischen Möglichkeiten der KI auszunutzen“.

KI könne hier unterstützen, etwa bei der Wahlarztkostenerstattung. Ziel sei es, einen Großteil der Fälle automatisiert abwickeln zu können. Laut Herzog geht es aber nicht darum, den persönlichen Kontakt zu ersetzen, sondern lediglich zu ergänzen.

Zusätzliches Wirtschaftswachstum von bis zu 18 Prozent durch KI-Nutzung

Auch die öffentliche Verwaltung steht vor Herausforderungen, etwa aufgrund der Pensionierungswelle oder des Fachkräftemangels. Künstliche Intelligenz könnte dabei eine Rolle spielen. Bernd Konnerth von Microsoft Österreich sagt: „Künstliche Intelligenz kann eine Antwort sein – vielleicht nicht die Einzige, aber sie hat sehr viel Potenzial durch die Automatisierung wiederkehrender Tätigkeiten, viel Nutzen zu stiften“.

Aktuell befinde sich Österreich erst am Anfang, dieses Potenzial auszuschöpfen. Konnerth verweist auf eine Studie, dass Österreich ein Wirtschaftswachstum von bis zu 18 Prozent erzielen könnte, wenn das ganze Potenzial von KI ausgeschöpft werde.

Ausblick: KI-Nutzung in fünf Jahren

Wo steht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in fünf Jahren? „Ich hoffe, dass wir nicht mehr über die Technologie reden müssen, so wie wir heute auch nicht mehr über Strom sprechen, sondern dass sie einfach da ist“, so Microsoft-Experte Konnerth.

Carina Zehetmaier wiederum blickt auf die EU als Werteunion. In fünf Jahren solle man sehen, dass Österreich und Europa es geschafft haben, einen wertebasierten, menschengerechten KI-Einsatz umzusetzen. Für Österreich könne sich hier eine besondere Chance bieten, so Zehetmaier. Das Land könne sich als Vorreiter für einen vertrauenswürdigen, menschenzentrierten Umgang mit KI etablieren. Es gehe darum, „den menschenzentrierten Ansatz im Einklang mit Werten und Grundrechten umzusetzen“.

KI birgt enormes Potenzial

Die Diskussionsrunde ist sich einig, dass KI in sensiblen Arbeitsfeldern längst keine ferne Zukunftsvision mehr ist, sondern bereits eine zentrale Rolle darstellt. Die Chancen sind enorm – von effizienteren Verwaltungsprozessen über eine präzisere Gesundheitsversorgung bis hin zu einer gerechteren Bildung. Doch um diese Möglichkeiten zu nutzen, braucht es breites Verständnis, klare Regeln, vertrauenswürdige Technik und einen sensiblen Umgang mit Daten.


Folge nachsehen: No Hype KI – Was kann KI in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Hier gehts es zur Nachlese von Folge 1: „No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”


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