E-Krona: Die vielleicht wichtigste Kryptowährung aller Zeiten
In Schweden könnte es bald offizielles Kryptogeld geben. Das würde den ganzen Sektor auf eine neue Ebene heben - und den Umgang mit Geld für immer verändern. Mit Iota und Stellar sind zwei bekannte Namen im Rennen.
Vorwort:Der Erfolg von Bitcoin und anderen Kryptowährungen hat die Notenbanker weltweit wachgerüttelt. Viele schreien nach Regulierung – und die wird es geben. Aber andere fragen sich, wie staatliches Geld in dieser neuen Welt auszusehen hat, welche Vorteile Blockchain, Distributed Ledger und digitales Geld bringen können. Die meisten dieser Überlegungen sind noch oberflächlich, auch wenn die Medien gerne behaupten: “Land XYZ bastel am Bitcoin-Killer”. Aber tatsächlich haben diese neuen Technologien das Zeug dazu, unser Geldsystem massiv zu verändern. Die Tools, die jetzt geschaffen werden, können für Notenbanken sehr nützlich sein. Bitcoin ist der Stein des Anstoßes, aber für Zentralbanken nur mäßig relevant. Vielmehr geht es darum, das Verhältnis zwischen Währungshütern, Geschäftsbanken und Öffentlichkeit neu zu verhandeln. Ein Mikrokosmos für diese Entwicklungen ist Schweden, das bereits an seiner E-Krona arbeitet. In dieser Miniserie zu Geld & Krypto beleuchten wir, wohin die Reise gehen könnte.
Wer “Kryptowährung” hört, denkt an Bitcoin. Aber der Begriff ist falsch gewählt. Bitcoin kann als Geld eingesetzt werden – insofern ähnelt es dem Gold. Geld und Währung sind aber nicht dasselbe. Unter Währung versteht man in der Regel jenes Zahlungsinstrument, das von Staat oder Zentralbank betreut und eingeführt wird. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn erst wenn Notenbanken sich in das Feld des digitalen Geldes wagen, werden wir die ersten echten Kryptowährungen sehen.
Das ist kein Argument für oder gegen Bitcoin. Solange die Nachfrage besteht, wird das Ur-Kryptoasset sich halten. Wenn wir uns aber den Fall der schwedischen E-Krona ansehen, stellen wir fest: Mit Bitcoin hat das wenig zu tun. Aber: Sollte die E-Krona wirklich eingeführt werden, würde das dem ganzen Krypto- und Blockchainsektor enormen Auftrieb verleihen.
Schweden ist nicht Japan
In Teil 1 und Teil 2 dieser Serie haben wir aufgearbeitet, warum ausgerechnet Schweden bei der Entwicklung einer echten Kryptowährung weiter ist als alle anderen Länder. Das hängt direkt mit der Verdrängung des Bargeldes und der generellen Technikaffinität der Schweden zusammen.
Der Kontrast dazu ist etwa Japan: Dort sind die Menschen gleichzeitig von Bitcoin und vom Bargeld begeistert. Nichtmal in Deutschland und Österreich ist die Bargeldverwendung so hoch. Das Ergebnis: Die Notenbank sieht keinen Bedarf für eine staatliche Kryptowährung.
Nur Bares ist wirklich Wahres
Anders in Schweden. Die dortige Reichsbank hat schon das Papiergeld erfunden, wie wir es heute kennen. Und jetzt bastelt man an einer E-Krona. Der Grund dafür ist nicht die “Bedrohung” durch Bitcoin sondern ein Problem, dass die Abkehr vom Bargeld mit sich bringt. Der Spruch “nur Bares ist Wahres” trifft nämlich zu. In unserem täglichen Leben fällt uns das gar nicht auf, aber das Geld auf unseren Konten ist nicht gleich zu setzen mit Scheinen und Münzen.
Wenn es hart auf hart kommt, gilt nur physisches Geld als “gesetzliches Zahlungsmittel”. Die Zahlen, die wir in digitaler Form hin und her schicken sind bloß Recheneinheiten, die eine Forderung gegen die Geschäftsbank darstellen. Im Extremfall einer Bankenkrise kann dieses Geld unwiederbringlich verloren gehen. Daher kommt auch die Notwendigkeit einer Einlagensicherung.
Gefahr für das Finanzsystem?
Aber Reichsbank-Chef Stefan Ingves hat erkannt: “Wenn das Bargeld komplett verschwindet, hätte die Öffentlichkeit nur noch Zugang zu privatem Bankgeld auf Konten. Die Banken haben aber weiterhin Zugang zu Zentralbankgeld”. In “normalen Zeiten” sei das kein Problem. Aber in Krisenzeiten kann das Vertrauen der Öffentlichkeit ins Bankensystem wanken.
Aus der Sicht der Notenbank ist es aber nicht akzeptabel, wenn gleichzeitig das Vertrauen ins Geldsystem sinkt. Dann hätte die Notenbank in ihrer Kernaufgabe total versagt. Das ist der wahre Grund, warum das tendenziell bargeldfreie Schweden auf dem Weg zu einer echten Kryptowährung weiter ist als irgendein anderes Land. Nicht weil man den Menschen den Zugang zu Cash nehmen will, sondern weil die Verdrängung des Bargelds langfristig eine echte Gefahr für das Finanzsystem darstellen kann.
Die vielen Features der E-Krona
Gleichzeitig ist es freilich eine Chance: Auf Basis der Blockchain-Technologie ist es für die Notenbanken erstmals möglich, auch Einzelpersonen mit Notenbankgeld zu versorgen. Das eröffnet ganz neue Optionen in der Geldpolitik. Von einer potenziellen Einführung sind wir noch einige Jahre entfernt, aber es ergibt sich jetzt schon ein erstes Bild. Für die Entwicklung der E-Krona hat die Reichsbank zehn Vollzeitkräfte abgestellt und ein Budget von umgerechnet rund 340.000 Euro beanschlagt. Laut Reichsbank soll die E-Krona
das Bargeld und andere Zahlungsmethoden nicht ersetzen, sondern ergänzen.
den Zugang zu Zentralbankgeld für die Öffentlichkeit sicherstellen.
als Zahlungsmittel und zur Wertaufbewahrung dienen, wie Bargeld.
bei geringen Summen auch Offline-Zahlungen erlauben.
möglicherweise sogar anonyme Zahlungen erlauben.
über eine eingebaute Option für die Zahlung von Zinsen verfügen.
und auf der Basis einer technischen Lösung konzipiert werden, die eine Erweiterung der Funktionen zulässt.
Iota und Stellar im Rennen
An dieser Stelle wird es für Kryptoinvestoren richtig spannend. Nicht nur, weil eine offizielle Kryptowährung dem ganzen Sektor Auftrieb verleihen würde. Sondern auch weil die Reichsbank die technische Infrastruktur für die E-Krona kaum selbst entwerfen wird. Stattdessen haben sich rund 40 Projekte bei der Notenbank beworben. Nach einer ersten Ausscheidung sind 19 übrig geblieben.
Darunter zwei, die man auch von Coinmarketcap kennt: die in Deutschland beheimatete Iota-Foundation. Und IBM, das auf Basis von Stellar unbedingt jenes Protokoll anbieten will, auf das Notenbanken ihre Kryptowährungen aufschalten. Sollten diese zwei Projekte nicht zum Zug kommen, wird der Markt das kaum registrieren. Aber sollten tatsächlich Iota oder Stellar als Basis der E-Krona ausgewählt werden, wird der viel kritisierte Kryptosektor mit einem Schlag massiv an Legitimität gewinnen. Eine Deadline für die Entscheidung gibt es freilich nicht. Es dürfte noch Jahre dauern.
Zahn um Zahn im Unternehmen: Von unerkannten Konflikten und mangelnden Skills
Unerforschte Weiten sind es eigentlich keine mehr: Im heimischen Startup-Ökosystem häuft sich die Anzahl von Lebensberater:innen, Mediator:innen und
Coaches. Konfliktlösungsmanagement ist längst kein Fremdwort mehr und gehört zu einer modernen Unternehmensführung dazu – in der Theorie. In der Praxis sieht es etwas anders aus: Nicht jeder Konflikt wird als solcher wahrgenommen oder erkannt.
Zahn um Zahn im Unternehmen: Von unerkannten Konflikten und mangelnden Skills
Unerforschte Weiten sind es eigentlich keine mehr: Im heimischen Startup-Ökosystem häuft sich die Anzahl von Lebensberater:innen, Mediator:innen und
Coaches. Konfliktlösungsmanagement ist längst kein Fremdwort mehr und gehört zu einer modernen Unternehmensführung dazu – in der Theorie. In der Praxis sieht es etwas anders aus: Nicht jeder Konflikt wird als solcher wahrgenommen oder erkannt.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe unseres Jubiläum-Printmagazins – “Wegbereiter”. Eine Downloadmöglichkeit findet sich am Ende des Artikels.
Es war nur eine Bemerkung am Rande – doch sie schwillt an und gärt wie verfaulendes Obst. Und sie wird bleiben, wird weitere Verletzungen aufnehmen und wachsen; sich steigern, bis sie zum Problem und dann klar benennbar für alle zu einem fassbaren Begriff wird. Erst dann wird man es Konflikt nennen, obwohl der Beginn schon viel früher vollzogen war. Mit dieser einen Bemerkung am Rande.
Laut Definition im Duden ist ein Konflikt „das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen, Interessen oder eine ähnlich entstandene schwierige Situation, die zum Zerwürfnis führen kann“. Dies ist auch die allgemeine Auffassung im kollektiven Bewusstsein von Gesellschaften. Dabei wird aber oft übersehen, dass ein Konflikt je nach Bereich weitaus mehr Ebenen hat.
Für Jürgen Dostal, Konfliktexperte und Gründer von Proconsens.at, sind es im unternehmerischen Umfeld andere Dynamiken als im Privaten, die vor allem das Arbeitsklima massiv beeinflussen können. Personen fühlen sich seinen Erkenntnissen nach in ihren Werten oder im Handeln eingeschränkt oder gar gemobbt, während anderen oftmals gar nicht bewusst sei, dass es eine Art von negativer Interaktion gegeben hat. Da kann es zu interpersonellen oder gar IntergruppenKonflikten (Abteilungen, Teams) kommen, mit der möglichen Folge, sich gegeneinander auszuspielen – ohne die wahren Gründe für die Unstimmigkeiten zu thematisieren.
Die Konfliktarten
Passend dazu hat das HR-Startup Personio eine Unterteilung des Begriffs in verschiedene Punkte vorgenommen. Konflikte können in Unternehmen zwischen Mitarbeiter:innen gleicher Ebene (Kolleg:innen) entstehen, zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden oder zwischen ganzen Teams bzw. Abteilungen. Das Konfliktmanagement unterscheidet daher zwischen einer ganzen Reihe von Konfliktarten.
Bei Sachkonflikten handelt es sich um unterschiedliche Auffassungen in Sachfragen, etwa um die beste Methode, eine Aufgabe zu erledigen, oder welches Feature als Nächstes in ein Produkt eingebaut werden soll.
Beziehungskonflikte nennt man den Zustand, wenn das zwischenmenschliche Verhältnis gestört ist. Sie fußen meist auf negativen Erlebnissen oder Vorurteilen und sind oft nur Ausdruck anderer, unterbewusster Konflikte. Missverständnisse in der Kommunikation sind eine weitere Konfliktart, in der beteiligte Parteien schlicht falsche Schlüsse aus dem Gesagten ziehen.
Ressourcenkonflikte nennt man es, wenn Mitarbeiter:innen die Verteilung der Unternehmensressourcen persönlich als ungerecht empfinden.
Bei Zielkonflikten wiederum prallen verschiedene Abteilungen aufeinander – etwa wenn eine mit Kürzungen zu hadern hat, die andere jedoch auf die Arbeit ihrer Kolleg:innen angewiesen ist, um Firmenziele zu erreichen (z. B. Development vs. Vertrieb).
Wertekonflikte sind indes geprägt von persönlichen Moralvorstellungen, die zu Zwistigkeiten führen können, wenn Führungskräfte oder die Belegschaft entgegen persönlicher Einstellungen handeln.
Die Studie „Konfliktkultur in Österreichs Unternehmen“, die Jürgen Dostal und sein Team mit 300 Teilnehmer:innen (66 Prozent Führungskräfte) ausgearbeitet haben, zeigt eines der Grundprobleme in unternehmensspezifischen Konfliktfällen: Leader subsumieren im Wesentlichen unterschiedliche Interessenslagen (77 Prozent) bzw. Interaktionen, bei denen sich mindestens zwei Akteur:innen beeinträchtigt sehen, als Konflikt. Nur 48 Prozent der Befragten folgen der Auffassung, dass ein Konflikt auch dann vorliegt, wenn sich von mehreren Personen lediglich eine beeinträchtigt sieht. Damit würden rund die Hälfte der Manager:innen spezielle Vorfälle wie Mobbing oder das „Getroffensein von Bemerkungen“ nicht als Konflikt ansehen – mit möglichen weitreichenden Folgen.
Was innen passiert, bleibt innen
Hier geht es, in anderen Worten, um Beispiele, in denen sich Personen durch vereinzelte Aussagen von Kolleg:innen oder Führungskräften irritiert fühlen und ihre Irritation nicht artikulieren; oder, falls doch, die Situation nicht als „Konflikt aus dem Inneren“ wahrgenommen wird. Ungelöste und unterbewusste (unerkannte) Konflikte beeinträchtigen das Arbeitsklima, weiß Dostal. Sie senken die Zufriedenheit am Arbeitsplatz und auch die Produktivität, erhöhen die Fluktuation im Team, erzeugen Stress und gefährden die Gesundheit (Anstieg der Krankenstände); was schlussendlich zu einer schlechteren Qualität im Unternehmen führt und stark dem Firmenimage schadet.
„Dort, wo Konflikte bestehen, ziehen sich Menschen zurück“, sagt er, „mit negativen Auswirkungen. Spannend ist ja, dass über 60 Prozent unserer Befragten sagen, dass sie nicht mit entsprechenden Skills ausgestattet sind, um Konflikte zu lösen.“ Dabei wären es laut dem Mediator ganz einfache Kommunikationsfähigkeiten, die es braucht, um Probleme anzugehen. „Es ist nicht kompliziert“, führt Dostal weiter aus. „Man muss sich Zeit nehmen und kommunizieren. Es geht nicht darum, den Konflikt ‚wegzureden‘, sondern um ein aktives Zuhören und ein Verstehen, worum es den beteiligten Personen geht. Das Problem hier ist, dass jahrzehntelang Führungskräfte bestellt wurden, nicht um zu führen; sie wurden aus einer traditionellen Rolle des Expertentums heraus rekrutiert, aber ohne in Führungsskills zu investieren. Viele Gründe für Konflikte liegen jedoch spezifischer vergraben und brauchen Skills, um erkannt zu werden.”
Für Diana-Maria White, Rechtsanwältin, Verteidigerin in Zivil- und Strafsachen und Wirtschaftsmediatorin, sind Konflikte im Job-Kontext etwas „strukturell Normales, wie sie bereits im Oktober 2023 im brutkasten-Talk erklärte. Man gehe mit fremden Menschen eine Bindung ein, die man privat gar nicht kenne. „Die Eskalation des Konflikts kommt dann durch subjektive Befindlichkeiten“, sagte sie damals. „Er geht manchmal aus Nichtigkeiten los und schaukelt sich auf. Wenn der Konflikt verfestigt ist, bekomme ich ihn teilweise nicht mehr gelöst.“
Eskalationsstufen beim Konflikt
Der Konfliktforscher Friedrich Glasl beschreibt in diesem Sinne die Eskalation eines Konflikts in neun Stufen, die sich in drei Hauptphasen gliedern. Die erste Phase ist geprägt von gelegentlichen Spannungen bis hin zu heißen Debatten, in denen sich Streitende gegenseitig unter Druck setzen. Hier können dem Forscher zufolge Konflikte noch konstruktiv gelöst werden.
Die zweite Phase öffnet das Persönliche – das Ziel ist nun, den Konflikt zu gewinnen; dabei werden Werkzeuge wie Drohungen, Sanktionen und Machtspiele eingesetzt. In so einem Fall wird eine Partei als „Verlierer“ aus dem Konflikt scheiden, was zu einem zerrütteten Arbeitsklima und gestörtem Arbeitsverhältnis führt – mit Auswirkungen auf die Produktivität.
In der dritten und heftigsten Phase wollen alle Beteiligten einander nur noch schaden – und sie riskieren damit sogar den eigenen Untergang und den des ganzen Unternehmens. In Zahlen können laut Dostal 72 bis 75 Prozent aller Konflikte gelöst werden.
„Eine Führungskraft kann allerdings nur bis zur Eskalationsstufe 4 helfen, darüber braucht es Mediatoren“, sagt er. „Bei Stufe 7 bis 9 braucht es Expertenteams, da geht es nur mehr ums Vernichten des anderen.“
Für Dostal ist eine Unternehmensmediation unparteiisch und ermöglicht die Entwicklung eines Spektrums von Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven mit den größtmöglichen Überschneidungen zwischen Streitenden.
„Wir sprechen unterschiedliche Sprachen, geben Worten unterschiedliche Bedeutungen mit, je nach Erfahrung, Werten, Alter, Hintergrund“, erklärt Dostal. „Am Arbeitsplatz, mit all dem Konkurrenzdenken, kann Emotion eine ganz riesige Rolle spielen. Mediatoren übersetzen, paraphrasieren und stellen die Umstände für die Parteien klarer dar. Es geht darum, ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erzeugen.“
Ein ungelöster Konfliktfall
Der Konfliktexperte erinnert sich an einen Fall, der nicht gelöst werden konnte, um präziser zu erläutern, was Unternehmer:innen heute fehlt. Die Causa damals befasste sich mit der Auflösung eines Dienstverhältnisses eines jungen Mitarbeiters, der mehr als 50 Prozent Fehlzeiten zu Buche stehen hatte. Das Spannende an dem jungen Mann war sein Selbstbild, das jedoch nicht mit der Außenwahrnehmung übereinstimmte.
„Die Person hat gedacht, sie könne Dinge viel besser als die anderen, müsse nichts Neues lernen und sei zum Führen bestimmt“, erinnert sich Dostal. „Sie konnte aber nicht nachweisen, dass sie diese Dinge tatsächlich beherrscht.“
Der Mediator sieht in dem jungen Mann von einst ein typisches „Goldlöffelkind“, dem man ständig unreflektiert positives Feedback gegeben hatte – und damit die „Self Perception“ fütterte, fehlerfrei zu sein.
„Niemand agiert fehlerfrei“, betont Dostal. „Doch der junge Mann konnte Kritik nicht annehmen. Es war spannend zu beobachten, denn die Wahrnehmung des jungen Mitarbeiters ist seine persönliche Realität; und das müssen Arbeitgeber realisieren und lernen, mit Menschen umzugehen.
Konkret geht es öfter auch darum, gewisse Dinge aus der Vergangenheit einer Person zu kompensieren. Dazu muss man eine neue Art des Führens lernen. Als ‚Arschloch-Chef’ – Sternekoch Tim Raue hat den Begriff geprägt – hat man heute keinen Erfolg mehr. Es braucht keinen mehr, der brüllt, sondern einen, der konstruktives Feedback liefern kann; auch bei Menschen, die Schwierigkeiten haben, mit Kritik umzugehen.“
„Konflikte benötigen Reife“
Alles andere könne zu einer veritablen Persönlichkeitskrise führen, in der sich vor allem junge Personen verletzt zurückziehen. „Um Konflikte zu lösen, benötigt es Reife“, so Dostal. Eine Reife, über die Lisa Smith vom Lieferketten-Startup Prewave verfügt, ruft man sich ihre Worte aus dem November 2023 in Erinnerung: Ein Jahr zuvor war sie mit ihrem Scaleup in ein größeres Office gezogen und musste mit ihrem FlexDesk-System über 100 Leute unter einen Hut bringen.
„Da sind ein paar Sachen aufgekommen und wir haben versucht, aufeinander zuzugehen“, erzählte sie damals über den Firmenumzug. Für die Gründerin war es in diesen Konfliktsituationen wichtig, das Gespräch zu suchen und als ersten Schritt herauszufinden, was überhaupt passiert ist, so ihr Zugang: „In größeren Firmen wird das aber immer schwieriger. Wichtig ist, das Gegenüber zu verstehen, damit man konstruktiv zusammenarbeiten kann; um den gemeinsamen Blick auf den Weg in die Zukunft zu richten und den Konflikt zu begraben.“
Prewave hat in der Vergangenheit bei Streitfällen konkret die HR-Abteilung involviert und die Parteien zu direkten Gesprächen geladen. „So direkt wie möglich und nicht über die Team-Leads“, betonte Smith. „Wir überlegen uns immer, was eine rasche, pragmatische Lösung sein kann.“
Kämpfe und Warnzeichen
Weniger pragmatisch war ein anderes Beispiel aus Dostals Erlebnisrepertoire: Ein Unternehmen hatte es für eine gute Idee gehalten, konkurrierende Ziele zwischen den Abteilungen auszurufen, und hat die einzelnen Abteilungen gegeneinander ausgespielt. „Man wollte sehen, ob sie in der Lage sind, mehr Energie aufzubringen“, erinnert sich der Mediator. „Sie haben sich jedoch hart bekämpft; letztendlich gab es nur Stillstand.“
Deswegen sei es gemäß eines modernen Leaderships nicht nur essenziell, sich Konfliktlösungsskills, wie oben beschrieben, anzueignen, sondern auch auf Warnzeichen zu achten – wie es Personio in seiner Ausführung vorschlägt.
Warnzeichen sind: Mitarbeiter:innen reden nicht mehr miteinander. Sie äußern sich negativ und herablassend übereinander. Mitarbeitende zeigen in ihrer Mimik und ihrer Körpersprache Ablehnung. Sie missachten bewusst Entscheidungen oder Arbeitsanweisungen – und reagieren aggressiv; beim kleinsten Anlass gibt es Streit.
„Wenn Konflikte am Arbeitsplatz frühzeitig erkannt und konstruktiv behandelt werden, wirken sie sich durchaus positiv auf ein Unternehmen aus“, rät Personio. „Konflikte zeigen, wo Veränderungsbedarf besteht, und erhöhen den Druck auf die Beteiligten, zu handeln. Sie zwingen, sich im Konfliktmanagement mit möglichen Lösungen auseinanderzusetzen. Dabei werden oft neue, kreative Ansätze gefunden.“
Positiv sei, so Dostal, dass sich Führungskräfte und Mitarbeitende im DACH-Raum entsprechende Skills zur Konfliktlösung wünschen. „Es gibt eine hohe Bereitschaft, besser mit Konflikten umzugehen“, sagt er. „Wenn die Effektivität im Umgang mit Konflikten nicht besteht, führt dies zu schwerwiegenden Problemen, die in Unternehmen für weitaus höhere Kosten sorgen können, als wenn man Grundlagen schafft und Führungskräfte mit Konfliktlösungsskills ausstattet – und zwar mit jenen, die auch mit unterschiedlichen Werten, Emotionen und Hintergründen umgehen können.“
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