15.01.2018

Es fehlt nicht viel zur Digitalisierung des Steuersystems

Gastbeitrag. David Campbell und Georg Hanschitz haben sich in einem akademischen Beitrag der möglichen Digitalisierung des Steuersystems angenommen. Ihre Kernaussage: Sie könnte relativ leicht umgesetzt werden und brächte viele Vorteile.
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Digitalisierung des Steuersystems
(c) fotolia.com - pictworks: Das Aus für Block und Taschenrechner bei Steuern wäre nicht so schwer zu erreichen.

„Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert – früher oder später. Auch das Steuersystem.“ – Diese These stellen die beiden Autoren Georg Hanschitz und David Campbell einem Beitrag zur Digitalisierung des Steuersystems voran, der 2018 im Handbuch “Cyber-Development, Cyber-Democracy and Cyber-Defense” im Springer Verlag erscheinen wird und vorab bereits im Digital-First-Bereich des Verlages zu lesen ist.

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“No-Touch ist bereits jetzt technisch möglich”

In Zukunft werden End-to-End-Steuersysteme die heutigen komplexen Vorsteuersteuerregelungen ersetzen und für Unternehmer und Selbstständige massive Erleichterungen bieten, glaubt der Qualitäts- und Organisationsentwickler David Campbell, der an der Universität Klagenfurt lehrt. Die Möglichkeiten seien dabei nahezu unbegrenzt, antwortet der Politikwissenschafter und Wirtschaftsrechtler Georg Hanschitz, der für die Bundes-Wettbewerbsbehörde tätig ist, auf die Frage, wo die Grenzen der Digitalisierung des Steuersystems liegen. Er fasst zusammen: “In den 1990er Jahren war es eine Innovation, dass Steuerbehörden begonnen haben Eingaben auch Online zu administrieren. Später wurde mit E-Government der erste Schritt in Richtung Digital-First gemacht, in den letzten Jahren war von 1-Klick Steuererklärungen die Rede. Heute können wir sagen, No-Touch ist bereits jetzt technisch möglich.”

Es fehlen nur Schnittstellen zu Kostenträgern

Die Idee kam den Autoren nach Einführung der elektronischen Registrierkassen 2016. Nachdem bei diesen oft auch Warenwirtschaftssysteme angebunden werden, würden lediglich noch Schnittstellen zu Kostenträgern fehlen, um eine No-Touch Steuererfassung und -Zahlung zu realisieren. Das sei einfacher als man denkt, sagt Hanschitz. In der Regel sind Kosten immer ähnliche Positionen (egal ob fix oder variabel): Infrastruktur (Büroinfrastruktur, Miete für Maschinen und Anlagen, Server etc. ), Einkauf (Rohstoffe, Knowhow), Produktion (Personal) und Vertrieb (inkl Marketing). Wer diese Positionen, genauso wie seinen Umsatz, elektronisch erfasst, kann bereits heute auf Kopfdruck Gewinn und Steuerlast errechnen – inkl. aller Lohnnebenkosten.

Auch ohne Zugriff auf Privat- und Durchlaufkonten möglich

“Wir haben uns die Frage gestellt, wenn die Datenerfassung kein Problem darstellt, warum sollte die Steuerzahlung via Jahresabrechnung oder quartalsweise Vorauszahlung abgewickelt werden? Dann prüften wir Möglichkeiten der Digitalisierung des Steuersystems. Wichtig war uns dabei, dass es keinen Zugriff auf Privatkonten oder auch nicht für den Zweck der Steuerzahlung eingerichtete Konten (Durchlaufkonten) gibt”, sagt Hanschitz. Das sei durch die Schaffung standardisierter Schnittstellen zwischen der Steuerverwaltung und den Unternehmen bzw. Selbständigen realisierbar – mittels eigenen Steuerkonten und automatisierten, monatlichen Unternehmensberichten, die die Validität der ausgewiesenen Posten bestätigen.

Blockchain könnte für Datensicherheit sorgen

Ein weiterer zentraler Punkt sei Datensicherheit: Vertrauliche Daten von Einzelpersonen, Unternehmen, und Organisationen bräuchten besonderen Schutz. Datenlecks könnten leicht von Hackern zur Industriespionage bzw. für Spekulationen verwendet werden. Ein Vorteil sei dabei, dass derzeit weltweit alle großen Beratungsunternehmen Big Data Lösungen für Just-in-Time-Anwendungen entwickeln. Im Februar 2017 stellte das Beratungsunternehmen McKinsey & Company (2017) eine Lösung gegen unbefugten Zugriff im öffentlichen Sektor, durch die Verwendung eines Blockchain-Datenmanagements vor. Eine vielversprechende Lösung, so Hanschitz, der in einem anderen Kapitel des genannten Springer Handbuches die Möglichkeiten von Blockchain-Anwendungen im Bereich des Online-Wahlrechts beschreibt.

Besteuerung (und Berichterstattung) des selbständigen Einkommens wäre dann auch nicht komplizierter als die Besteuerung von Arbeitseinkommen.

Kein Steuerberater mehr für EPU durch Digitalisierung des Steuersystems?

David Campbell sieht Online-Steuerkonten besonders im Bereich von beschäftigungsabhängigen und selbstständigen Tätigkeiten als Vorteil. Die Schaffung von Online Steuerbilanzen von (und für) natürlichen selbständig tätigen Personen bedeutet, dass die Steuerbehörden automatisch Steuerrechte und Pflichten verwalten könnten. Besteuerung (und Berichterstattung) des selbständigen Einkommens wäre dann auch nicht komplizierter als die Besteuerung von Arbeitseinkommen. Einzelpersonen müssten nicht länger teure Steuerberater konsultieren und haben nicht das Risiko, “nicht gemeldetes Einkommen” zu haben.

Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit

Sogenannte Global-Tax-Accounts würden überdies helfen, ein aktuelles Problem bestehender Steuersystemen zu lösen: Digitale Steuerregime können Werkzeuge bereitstellen, um den “Standort” der Wertschöpfung genauer zu identifizieren und zu lokalisieren. Besonders im Hinblick auf Steuervermeidungskonstruktionen wäre dies ein wertvoller Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit, sind die Autoren überzeugt. Für den Staat ergibt sich noch ein Vorteil durch die Digitalisierung des Steuersystems: Die mögliche Nutzung der Steuerberichterstattung für die Entwicklung von Statistiken über die Finanzierung und Finanzierungstrends für Forschung und Innovation. Anonymisierte real-time Informationen über Steuern und Steuereinnahmen wären dabei Grundlage für real-time Statistiken. So könnten Informationen zu forschungsbezogenen Steuerabzügen für die Schätzung aggregierter Forschungsausgaben und Innovationsleistungen dienen.

“Kontinuierliche Reflexion ist systemimmanent”

Die Autoren resümieren im Sinne einer epistemischen Steuerpolitik: Steuersysteme seien gezwungen, neuen Trends und Weiterentwicklungen zu folgen um effektiv und verhältnismäßig zu bleiben. Kontinuierliche Reflexion über die Gültigkeit und Zuverlässigkeit der angewandten Instrumente der Besteuerung seien systemimmanent. Globale Unternehmensformen seien dafür gleichermaßen Gratmesser wie neue Selbständige, Mischformen von Angestellten und Selbständigen und staatenübergreifend tätige Einzelunternehmer. Die Autoren verstehen ihren Beitrag als akademische Diskussionsgrundlage einer Neuentwicklung von Steueradministration.

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CEO Michaela Herzog und CTO Christian Herzog (c) Wissen2Share

Spätestens seit der COVID-19-Pandemie ist klar geworden: Der heimische Pflegesektor stößt seit Jahren an seine Belastungsgrenzen. Ein zentrales Problem ist der bekannte Personalmangel. Pflegekräfte sind oft überarbeitet, erhalten zu wenig Unterstützung und verlassen den Beruf daher häufig frühzeitig.

Ein niederösterreichisches Familien-Startup möchte mit seiner App „Wissen2Share“ genau hier ansetzen. Gründerin und CEO Michaela Herzog erklärt im Gespräch mit brutkasten, wie die App zur Bewältigung der Pflegekrise beitragen will und welche Projekte im nächsten Jahr anstehen.

Wissen2Share unterstützt Pflegekräfte mit Wissensvideos

Die digitale App „Wissen2Share“ unterstützt Pflegekräfte mit praxisnahen Wissensvideos, die mithilfe von erfahrenen Fachexpert:innen erstellt werden. Die Videos sind mit Untertiteln in bis zu 20 Sprachen verfügbar – ein großer Vorteil, da viele Pflegekräfte kein Deutsch als Muttersprache sprechen. So können sie den Inhalt leichter verstehen und gleichzeitig ihre Sprachkenntnisse verbessern. Aktuell bietet die Plattform 133 Videos zu elf verschiedenen Themen an, darunter Notfallmanagement, Pflegerecht, Herzerkrankungen, Demenz und onkologische Pflege. Die Erklärungen stammen von insgesamt zwölf Expert:innen, die alle über langjährige praktische Erfahrung in ihrem jeweiligen Fachbereich verfügen.

Zusätzlich stellt Wissen2Share ein Q&A-Tool mit Fachleuten sowie den persönlichen Assistenten W2S2 bereit. Dieser KI-gestützte Assistent fungiert als Suchmaschine und liefert auf Anfrage die passenden Videos. In Zukunft soll der Chatbot zu einem umfassenden Fachassistenten weiterentwickelt werden, der auch Spracheingaben unterstützt.

Neu im Angebot ist der Podcast „Fachexpert:innen im Talk“, mit dem das Startup einerseits eine positive Perspektive auf die Pflege zeigen und andererseits die hohe fachliche Kompetenz in diesem Bereich verdeutlichen möchte.

App soll bei Überforderung und Frustration in der Pflege helfen

Gründerin und CEO Michaela Herzog arbeitet selbst seit über 20 Jahren in der Pflege. Im Interview mit brutkasten beschreibt sie, wie dringend die Fachkenntnisse von Pflegekräften rund um die Uhr benötigt werden. Doch der ständige Zeitdruck und die hohen Anforderungen führen oft zu Frustration und Überforderung, was wiederum den akuten Personalmangel in Pflegeeinrichtungen verstärken kann.

Während der Corona-Pandemie spitzte sich die Belastungssituation weiter zu. Dadurch entstand bei Herzog der Gedanke, Fachwissen rund um die Uhr digital zugänglich zu machen. So wurde „Wissen2Share“ ins Leben gerufen – eine App, die Wissensvermittlung auf moderne Weise gestalten und einen niederschwelligen Zugang zu Expert:innenwissen ermöglichen möchte.

Die Plattform soll vor allem praktische Lösungen für die täglichen Herausforderungen im Berufsalltag der Pflegekräfte bieten. Außerdem unterstützt die App dabei, Fachkompetenz zu erweitern und dadurch mehr “Selbstvertrauen und Sicherheit in der pflegerischen Arbeit” zu gewinnen. Herzog sei es darüber hinaus ein besonderes Anliegen, die Professionalität in der Pflege zu stärken und die “Expertise der Pflegefachkräfte stärker in den Fokus” zu rücken.

Pilotprojekt bei Caritas Socialis und Haus der Barmherzigkeit

Die App „Wissen2Share“ richtet sich an Pflegekräfte, Auszubildende und Institutionen. Die Nutzung der Services erfolgt über ein Jahresabonnement. Das Startup aus Ebreichsdorf hebt hervor, wie wichtig es sei, dass Institutionen in die Weiterbildung ihres Pflegepersonals investieren, um die Qualität ihrer Einrichtungen zu steigern.

Inzwischen erkannten einige Institutionen das Potenzial von Wissen2Share: Im ersten Quartal wurde die App bei der Caritas Socialis am Standort Pramergasse in Wien sowie im Haus der Barmherzigkeit in Kirchstetten pilotiert und zusätzlich wissenschaftlich begleitet. Die Rückmeldungen waren laut Herzog positiv – die Art der Wissensvermittlung, die Usability und die Sprachenvielfalt wurden hervorgehoben. Zu den bestehenden Partnerschaften von „Wissen2Share“ gehören Fachverbände aus der Pflege, wie das Forum Gesundheitsrecht, oder auch der österreichische Berufsverband ÖGKV und die Fachhochschule Wiener Neustadt.

Das selbstfinanzierte Startup wurde im Juni 2023 von CEO Michaela Herzog und ihrem Ehemann Christian Herzog gegründet. CTO Christian Herzog, der langjährige Erfahrung im IT-Bereich mitbringt, ist für die technische Optimierung der App zuständig. Sein Antrieb sei es, „durch digitale Lösungen und innovative Ideen einen nachhaltigen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen”.

Wissen2Share etabliert sich als “Community-Plattform für Gesundheitsberufe”

Derzeit arbeitet Wissen2Share an der Entwicklung einer zusätzlichen Funktion für die App. Im kommenden Jahr wird das Startup eine Buchungsplattform einführen, die als Netzwerk für Fachkräfte und Institutionen im Gesundheitsbereich dienen soll. Über diese Plattform können künftig Dienstleistungen angeboten werden, wie etwa Online-Sprechstunden, Workshops oder Bed-Side-Teachings.

Ziel ist es, den fachlichen Austausch zu fördern und Kolleg:innen
in der Praxis zu unterstützen. Mit diesem Schritt möchte Herzog ihrer Vision näherkommen, Wissen2Share als “Community-Plattform für Gesundheitsberufe” zu etablieren. Gegenüber brutkasten äußert Herzog zudem das Ziel, dass sich Wissen2Share in den kommenden Jahren „definitiv im deutschsprachigen Raum fest etablieren“ wird.

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