28.01.2019

“Mit digitalen Zwillingen das Unsichtbare sichtbar machen”

Interview: Digitale Zwillinge werden in der Industrie eingesetzt, um komplexe Prozesse von realen Maschinen zu simulieren. Wir haben mit Jivka Ovtcharova, führende Expertin für Virtual Engineering, über den konkreten Nutzen digitaler Zwillinge gesprochen und warum der Super-GAU von Tschernobyl ihre Karriere maßgeblich prägte.
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digitaler Zwilling
(c) Martin Pacher: Prof. Jivka Ovtcharova wurde 1957 in Bulgarien geboren und leitet derzeit das Institut für Informationsmanagement im Ingenieurwesen am Karlsruher Institut für Technologie

“Das Unsichtbare sichtbar machen” ist Jivka Ovtcharovas zentrale Devise ihrer Forschung. Die gebürtige Bulgarin leitet derzeit das “Institut für Informationsmanagement im Ingenieurwesen” in Karlsruhe und gilt als Expertin für “Virtual Engineering”. Dahingehend forscht sie unter anderem zu digitalen Zwillingen. In einem ausführlichen Interview erklärte sie uns deren Nutzen für die Industrie. Zudem gab uns Ovtcharova persönliche Einblicke in ihre Karriere als Wissenschaftlerin und Denkanstöße, wie wir unsere digitale Zukunft “human” gestalten können.

+++ Frauen in der IT: “Wir killen in der Schule das Forschertum” +++ 

In ihrer Forschung beschäftigen Sie sich mit digitalen Zwillingen. Worum handelt es sich bei digitalen Zwillingen?

Ein digitaler Zwilling ist grundsätzlich eine virtuelle Echtzeitabbildung der Struktur und des Verhaltens eines physischen Gegenstandes. Er begleitet und assistiert eine Anlage über deren gesamten Lebenszyklus – vom ersten Entwurf, über Konstruktion und Fertigung bis hin zur Wartung und Recycling. Ein derartiger Zwilling interagiert zu jedem Zeitpunkt mit seinem physischen Gegenstück und liefert wertvolle Daten über den Status und Zustand der Anlage.

Diese Daten werden meist in einer Cloud analysiert und anschließend mit anderen Daten aus der Laufumgebung verknüpft. Die Benutzer dieser Daten gehören zu verschiedenen Zielgruppen, wie Entwicklungs- und Fertigungsingenieure, aber auch Wartungspersonal und Daten-Analysten. Diese sind in der Lage auf die Daten aus verschiedenen Perspektiven zu blicken und aus der Ferne die Anlage zu überwachen und zu steuern.

Welche konkreten Anwendungsbeispiele gibt es für den Einsatz von digitalen Zwillingen?

Die Anwendungsbeispiele sind vielfältig. Nehmen wir als Beispiel die Windkrafträder: In Zukunft werden Energiebetreiber nicht nur über physische Windkrafträder verfügen, sondern auch über digitale Repliken dieser Windkrafträder. Das physische Windkraftrad wird dabei immer in Kontakt zu seinem digitalen Zwilling stehen. Dieser erhält Daten aus der realen Welt – in unserem konkreten Fall vom Windkraftrad – und analysiert diese anschließend.

Über virtuelle Zwillinge können wir beispielsweise, wie bei einem Tomograph, schon frühzeitig innere räumliche Strukturen ermitteln und erkennen, wann ein Windrad ausgetauscht werden muss, bevor es bricht. Dadurch könnten Wartungs- und Reparaturmaßnahmen kostengünstiger gestaltet werden, da die Techniker ins Innere “sehen” können. Insbesondere bei Offshore-Windkraftanlagen ist die Wartung sehr teuer, da man spezielle Schiffe benötigt.

Wird es irgendwann mal auch digitale Zwillinge von Menschen geben?

Es macht natürlich Sinn über digitale Zwillinge in Bezug auf Menschen vorzudenken – insbesondere in der Gesundheitsvorsorge. Ärzte könnten Menschen viel schneller helfen, wenn sie sofort wissen, wie der Mensch aufgewachsen ist und welche Krankheiten er bereits hatte.

Angenommen Sie reisen in ein fremdes Land und der Arzt spricht ihre Sprache nicht. Über einen digitalen Zwilling würde er sofort wissen, wie ihr Organismus unter Berücksichtigung von Vorerkrankungen funktioniert, um anschließend die richtigen Schritte zu setzen. Die Herausforderung besteht darin, dass die digitalen Zwillinge wie Organismen funktionieren müssen. Und natürlich ist es auch eine Frage der Ethik, die wir immer mitdenken müssen.

Sie gelten als eine führende Expertin im Bereich “Virtual Engineering” und haben eine beachtliche Karriere im Bereich der Wissenschaft und Technik vorzuweisen. Wie sind Sie mit Technik in Verbindung gekommen?

Die Begeisterung für die Technik kam sehr früh. Ich komme ursprünglich aus Bulgarien und unser Ausbildungssystem war stark durch die spielerische “Hands-On”-Erziehung geprägt. Den entscheidenden Anstoß zu meiner Wissbegierde für die Technik gab jedoch die Buch-Trilogie “100.000 Jahre Technik”, die mein Vater mir als Kind zu Weihnachten geschenkt hat. Das war ein spannendes, wunderbar illustriertes Buch, das mich so gefesselt hat, dass ich es nicht mehr aus der Hand legen wollte.

Obgleich ich damals auch gerne mit Puppen gespielt habe, war das Technikbuch, was meine Fantasie beflügelte. Einen neuen Schub an Begeisterung für die Technik kam durch die Bekanntschaft mit der Tochter einer befreundeten Familie. Diese studierte Maschinenbau und ich durfte ihr beim Zeichnen mit Tusche zusehen. Ihre feminine Erscheinung in Kombination mit dem coolen Zeichenset war ansteckend.

Welchen Effekt hatten die damaligen technologischen Errungenschaften auf ihre Berufswahl?

Als Kind und Jugendliche habe ich in den 60er und 70er Jahren natürlich auch den faszinierenden Aufstieg der Raketen-, Atom- und Computertechnologie miterlebt. Es war eine großartige Zeit, da jeder Mensch das Recht hatte, großes zu leisten. So träumten wir damals, Jungs und Mädchen, wie Juri Gagarin, Walentina Tereschkowa oder Neil Armstrong in den Weltraum zu fliegen.

Auch Mathematik- und Physikunterricht waren das Nonplusultra unserer Bildung. Der Wunsch, an der Entwicklung bahnbrechender Technologien teilzuhaben hat mich zu einem Studium in Maschinenbau in Bulgarien und anschließend nach Moskau gebracht – damals für Osteuropa das Bildungs-Mekka schlechthin. Ich wollte eigentlich Raumschiffe und U-Boote bauen, schlussendlich bin ich aber bei Atomkraftwerken gelandet. Diese Technologie hat mich damals sehr begeistert, bis es im Jahre 1986 in Tschernobyl gekracht hat.

Hat der Super-GAU in Tschernobyl bei Ihnen ein Umdenken in Bezug auf die Nutzung der Atomtechnologie ausgelöst?

Ja, ich habe mich nach der Tschernobyl-Katastrophe neu orientiert – vom Maschinenbau- und Anlagenbau in Richtung Computertechnologie. Ich habe zu dieser Zeit in einem Forschungslabor der bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia gearbeitet. Das Labor war in das Zentrum für Physik eingegliedert und wir haben kurz nach der Explosion die Radioaktivität in den Parkanlagen der Stadt gemessen. Es war Anfang Mai. Nach langem Regen schien die Sonne wieder und die Natur sah sehr friedlich aus, solange uns nicht die Knackgeräusche der Geigerzähler die alarmierend hohen Werte der Radioaktivität vor Augen geführt haben. Diese Geräusche haben sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt.

Weiterhin hat die Tschernobyl-Katastrophe zu einem Wendepunkt in der Nutzung der Atomenergie geführt und ich habe die negative Auswirkung dieser Wende auf meine berufliche Zukunft sehr schnell erkannt. Da ich mich bereits mit mathematischen Simulationen befasst habe, ist mir der Berufswechsel in Richtung Computertechnologie leicht gefallen.

Sie haben in Deutschland eine Initiative für eine “digitale humane Zukunft” gestartet. Worum geht es dabei?

Die Digitalisierung versetzt die Welt, in der wir leben und arbeiten, in einen fundamentalen Umbruch. Wie nie zuvor wandeln sich ganze Branchen und Lebensstile. Neue Werte- und Geschäftsmodelle für und durch die Digitalisierung werden zur Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit jedes Einzelnen. Die Digitalisierung wirkt sich auch auf unser kulturelles Miteinander aus. Und natürlich lautet die wichtigste Frage, die sich jetzt stellt: Wie kann eine humane digitale Zukunft aussehen?

Wie kann eine derartige Zukunft aussehen? 

In erster Linie geht es darum, dass alle Menschen, die gleichen Chancen und gleichen Zugriff auf digitale Technologien haben. Digitale Bildung, Befähigung und Handlung für jeden Menschen, unabhängig von Schulabschluss, Alter und Herkunft, ist die Kernvoraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und den beruflichen Erfolg. Ziel meiner Digitalisierungsinitiative ist es daher, digitales Wissen nahtlos in alltägliche Fähigkeiten, berufliche Qualifikationen und wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle umzusetzen – schnell, pragmatisch und handlungsorientiert.

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Daniel Cronin, Peter Keinz und Andreas Ledere
Daniel Cronin, Peter Keinz und Andreas Lederer | Foto: Andreas Lederer

Wie KI die Entstehung neuer Geschäftsideen beschleunigen und gleichzeitig fundiertere Entscheidungen ermöglichen kann, beschäftigt Unternehmer:innen und Wissenschaftler:innen weltweit. Vor diesem Hintergrund startete an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) ein experimentelles Format: das „AI Bootcamp for Entrepreneurs“, das im Rahmen der Lehrveranstaltung „E&I Zone: Artificial Intelligence“ im Dezember an der Wirtschaftsuniversität Wien erstmals stattfand und nun diese Woche seine Wiederholung findet.

Die Idee dahinter: In nur 48 Stunden sollte der gesamte „Venture Building“-Prozess durchlaufen werden – von der ersten Konzeptskizze bis zum ausgereiften Pitch. Initiiert haben das Projekt AustrianStartups-Co-Founder Daniel Cronin, WU-Associate-Professor Peter Keinz, KI-Experte Andreas Lederer und Tributech-CEO Thomas Plank.

Gemeinsam mit ihren Studierenden wagten die Initiatoren ein praxisnahes Experiment: Wie weit können KI-Tools wie ChatGPT das Identifizieren, Validieren und Pitchen neuer Geschäftsideen unterstützen? Ist es realistisch, ein ganzes Semester an Arbeit in ein komprimiertes Wochenendformat zu packen – und wie hoch ist die Qualität der Ergebnisse? In diesem Interview geben die Initiatoren einen Einblick in ihre wichtigsten Erkenntnisse und erklären, wie künstliche Intelligenz das Potenzial hat, den Innovationsprozess grundlegend zu verändern.


brutkasten: Wie kam es zum “AI Bootcamp for Entrepreneurs” – wie ist die Idee entstanden und wie kam es zur Umsetzung?

Daniel Cronin: Die Idee zum “AI Bootcamp for Entrepreneurs” entstand fast beiläufig in einem Gespräch mit meinem langjährigen Freund Peter Keinz. Ich meinte damals: „Ich glaube, wir können den gesamten Venture-Building-Prozess mit Hilfe von KI erheblich beschleunigen.“ Peter reagierte sofort und schlug vor, genau diesen Ansatz einmal zu testen.

Von da an ging es rasant voran: Ich kontaktierte Andreas Lederer, einen Kollegen und KI-Experten, und erwartete zunächst, dass er die Idee aus technischer Sicht relativierte – stattdessen wurde er sofort Teil des Teams, um es in der Praxis auszuprobieren, und brachte das technische Know-how mit ein. Zudem holten wir Thomas Plank ins Boot, dessen umfangreiche Markterfahrung und gemeinsame Gedanken zur digitalen Transformation das Team perfekt ergänzten.

Gemeinsam setzten wir uns das ambitionierte Ziel, das, was normalerweise ein Semester an Arbeit ist, in nur 48 Stunden umzusetzen. Die schnelle und überzeugende Resonanz – unser Kurs „E&I Zone: Artificial Intelligence – AI Bootcamp for Entrepreneurs“ war nahezu sofort ausgebucht – bestätigte uns, dass wir mit diesem komprimierten, praxisnahen Format genau den Nerv der Zeit getroffen haben.

Was war euer Ziel mit dem Bootcamp, als ihr es aufgesetzt habt?

Peter Keinz: Mich persönlich hat die akademische Neugier angetrieben. Als Professor für Entrepreneurship und Innovation, der Venture Building unterrichtet und beforscht, beschäftigt mich die Frage, wie eine höchst disruptive Technologie wie KI mein Feld verändern wird. 

Das Bootcamp – eine Lehrveranstaltung im Rahmen der SBWL (Spezialisierung innerhalb des BWL-Studiums, Anm. d. Red.) “Entrepreneurship und Innovation” der WU Wien – war im Grunde ein erstes Experiment, ein MVP, wenn man so will. Mein Hauptziel war zu lernen: Wie funktionieren die aktuellen Tools? Welchen Mehrwert stiften sie im Venture Building? Wie können angehende Entrepreneure mit KI umgehen? Wir haben jetzt ein paar erste, sehr vielversprechende Eindrücke. 

Im nächsten Schritt fände ich es spannend, sich diesem Thema auch wissenschaftlich anzunehmen. Wie valide sind beispielsweise Informationen, die im Rahmen synthetischer Customer-Discovery-Interviews gewonnen werden, wirklich? Wie verändert sich der Venture Building-Prozess strukturell? Ist die Qualität des Outcomes mit jenen der üblichen Formate vergleichbar, wo Studierende nicht gut 20 Stunden, sondern vier Monate an ihrem Venture arbeiten? Am Ende steht vielleicht die Entwicklung einer gänzlich neuen Venture-Building-Logik oder Methode?

Daniel Cronin: In den letzten Jahren habe ich viel Zeit mit Venture Building sowie mit Transformationsprozessen in Konzernen verbracht. Dabei hatte ich immer wieder das Gefühl, dass enorm viel Zeit darauf verwendet wird, überhaupt erst festzustellen, ob eine Idee tatsächlich verfolgenswert ist oder nicht.  

Gleichzeitig habe ich mich intensiv mit KI beschäftigt und war stets fest davon überzeugt, dass der sogenannte “Fuzzy Frontend” – also der Prozess von der ersten Idee über den Markttest bis zur Erprobung beim Kunden – viel, viel schneller durchlaufen werden muss. Warum? Weil auf diesem Weg zu viel Zeit und Energie verschwendet wird.  

Ein zentrales Ziel für mich war daher, herauszufinden, ob dieser Prozess tatsächlich erheblich schneller möglich ist? Und ob er auch ohne jegliches Vorwissen durchlaufen werden kann? Von beidem war ich überzeugt. Doch es reichte nicht aus, nur daran zu glauben – es musste überprüft werden.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse, die ihr aus der Lehrveranstaltung mitnehmt? Gab es für euch Aspekte, die sich während der Veranstaltung herauskristallisiert haben und die für euch überraschend waren?

Peter Keinz: Überraschend war vor allem, wie versiert unsere Studierenden bereits im Umgang mit KI-Tools sind. Sie sind nicht in die Falle getappt, den Output ungeprüft als „faktisch richtig“ zu übernehmen, sondern haben verschiedene Prompts und Tools getestet, Ergebnisse verglichen und diese mit eigener Recherche validiert. Ihre Kreativität im Einsatz von KI während des Venture Building-Prozesses hat mich ebenfalls beeindruckt – sie haben Einsatzmöglichkeiten identifiziert, die wir als Lehrende so nicht erwartet oder vorhergesehen hatten.

Das zeigt, wie Personen mit dem nötigen Basiswissen KI-Tools auf innovative und unvorhersehbare Weise nutzen können. Auch wenn diese Beobachtungen nicht repräsentativ für alle potenziellen Anwender:innen sind, weil sich die Studierenden unseres Instituts durch überdurchschnittliche Neugier, Offenheit für Technologien und Problemlösungskompetenz auszeichnen, unterstreichen sie doch das enorme und noch nicht voll antizipierbare Potenzial von KI für den Venture Building-Prozess.

Andreas Lederer: Die Lehrveranstaltung hat gezeigt, dass KI-Tools wie ChatGPT und ähnliche Technologien großes Potenzial im Bereich Venture Building haben – wenn sie richtig eingesetzt werden. Die größte Wirkung entfalten sie häufig durch die Verwendung in Kombination mit menschlichem Urteilsvermögen. Ein für mich zentraler Punkt war zum Beispiel, dass KI in der Ideengenerierungsphase das skalierbare Finden neuer Produkt- und Geschäftsansätze ermöglicht.

Die Eigenschaft von KI kreativ zu „halluzinieren“ kann insbesondere in dieser Phase ein echter Vorteil sein, den man auch so sehen und nutzen muss. Das war überraschend: Was oft als Schwäche von KI betrachtet wird, nämlich die Tendenz zu fehlerhaften oder erfundenen Inhalten, kann im kreativen Prozess für den Nutzer einen inspirierenden Mehrwert darstellen.

KI hat sich in dieser ersten Ideenfindungsphase aber auch als sehr gut erwiesen, zum Beispiel in der Rolle als erfahrener und fachkundiger Investor eine große Anzahl erster Ideen substantiell, umfassend und kritisch gegenüber den Teilnehmern zu hinterfragen, um ihnen als zukünftigen Unternehmern rasch eine erste Grundlage für eine Entscheidung zu geben, ob eine bestimmte Idee es wert ist, mehr Arbeit zu investieren, um sie weiter zu verfolgen und umzusetzen. 

KI kann ein mächtiges Werkzeug im Venture Building sein, das es ermöglicht, kreativer und effizienter zu arbeiten. Das Seminar hat aber auch gezeigt, dass es einen bewussten, reflektierten Umgang mit diesen Tools braucht, um echte Innovation und Qualität sicherzustellen. KI kann Prozesse anstoßen und unterstützen – aber der Unternehmergeist, die Beurteilung und vor allem die Entscheidungen und die Umsetzung müssen weiterhin vom Menschen kommen.

Ihr habt euch angesehen, welche Tools im Venture Building Prozess eingesetzt werden können. Welche konkret habt ihr dabei am wertvollsten empfunden und würdet ihr weiter empfehlen? Welche Tools sind möglicherweise überschätzt?

Andreas Lederer: Leistungsfähige Sprachmodelle wie ChatGPT oder Claude haben sich in den meisten Venture Building Phasen als Allrounder und “Schweizer Taschenmesser” der KI-Tools bewährt. 

Für Aufgaben wie Market Research oder Competitor Research haben wir Tools wie Perplexity getestet, die mit Sprachmodellen arbeiten und einen Internetzugang für Echtzeitrecherchen haben. Für die Aufarbeitung und Analyse punktueller Rechercheergebnisse waren die Ergebnisse brauchbar, eine aktuell noch große Schwäche von solchen KI-Tools ist allerdings, dass umfassende – geschweige denn vollständige –  Live-Recherchen im Internet kaum automatisiert möglich sind.

Solche Tools finden zum Beispiel auf Anweisung punktuell Mitbewerber im Internet und können sie sehr treffend analysieren, aber eine umfassende oder vollständige Recherche der Wettbewerbslandschaft war zum Zeitpunkt des Seminars unseren Erfahrungen nach automatisiert durch KI noch nicht zu erwarten.

Spannend ist allerdings, dass sich alleine in den sechs Wochen nach unserem Seminar mit Google Deep Research (veröffentlicht im Dezember 2024) und OpenAI Deep Research (veröffentlicht im Jänner 2025) zwei KI-Agenten veröffentlicht wurden, die gerade in diesem Punkt große Verbesserungen versprechen. Dadurch zeigt sich, wie unglaublich rasch die Entwicklung momentan voranschreitet.  

Es gibt einige auf VentureBuilding spezialisierte Tools, die unserer Erfahrung aber noch alle Einschränkungen haben. Ein Beispiel: VentureKit. Diese KI verfasst auf Basis einer kurzen Geschäftsidee einen sehr ausführlichen Business Plan, der eher allgemein gehalten aber vom Gefühl auch zu 80 Prozent inhaltlich relevant ist. Wenn man eine fertig konzipierte Idee redaktionell ausarbeiten möchte, hilft diese redaktionelle Unterstützung natürlich enorm. Es bleibt einem aber nicht erspart, die wesentlichen 20 Prozent inhaltlich selbst zu ergänzen.

Und: Am Ende unseres Seminars hatten wir einige bereits sehr stark inhaltlich ausgearbeitete Ideen inkl Business Modell und Zielgruppendefinition. Wir haben dann festgestellt, dass die KI auf Basis so detaillierter Infos nicht gut arbeiten kann. Das reduziert natürlich den Wert, wird aber eine Frage der Zeit sein, bis diese Einschränkungen behoben sind.

Bei Dokumentation und Präsentation wurden einzelne KI-Tools wie fireflies (Dokumentation) oder beautiful ai verwendet, die sich als brauchbare Unterstützung erwiesen haben. Für die Aufarbeitung und Auswertung umfangreicherer Textmengen wurde NotebookLM verwendet, das dafür von vielen Tools die beste Performance geliefert hat. 

Was sind aktuell die größten Probleme oder Herausforderungen, wenn es um den Einsatz von KI-Tools im Venture-Building-Prozess geht?

Peter Keinz: Am Ball zu bleiben! Die Technologie und die entsprechenden Tools entwickeln sich mit einer so großen Geschwindigkeit, dass Wissen, Skills und Strategien, die heute noch wertvoll sind, morgen schon wieder obsolet sein können. Das beginnt bei der Auswahl der „richtigen“ Tools, geht über Promptingstrategien und endet bei der Frage, wofür ich die KI überhaupt einsetzen kann.

Für ein eigenes Gründungsprojekt hatte ich vor eineinhalb Jahren mal das gesamte Fuzzy Frontend des Venture Building-Prozesses durchlaufen. Und zwar ganz klassisch und ohne jegliche KI. Interviews, Tests verschiedener MVPs, Markt- und Konkurrenzanalyse, etc. Als ich den Prozess dann aus reiner Neugierde ein paar Monate später mit KI-Unterstützung wiederholte, waren die Ergebnisse enttäuschend – sehr oberflächlich und wenig valide. Da hätte ich der KI keinen großen Nutzen im Venture Building zugestanden.

Im Zuge der Vorbereitung des Bootcamps habe ich den Prozess jetzt nochmals durchgespielt mit der letzten Generation von Tools und was soll ich sagen: Die Ergebnisse erscheinen höchst valide. Aber wie gesagt: Diese Eindrücke sind jetzt durch wissenschaftliche Untersuchungen zu untermauern.

Die Lehrveranstaltung wurde in 48 Stunden abgehalten. Inwiefern hat dieses Format sich auf die Ergebnisse ausgewirkt?

Peter Keinz: Den gesamten Venture Building-Prozess in zwei Tage zu packen – eigentlich waren es nur gut 20 Stunden für die Studierenden – ist natürlich ein sehr ambitioniertes Format. In den üblichen Formaten haben die Studierenden für diese Aufgabe wesentlich länger Zeit, da sprechen wir von ein paar Monaten. Insofern war ich überrascht, wie gut die an unserem Demo Day präsentierten Pitches waren! Inhaltlich war alles da, was einen potenziellen Investor interessieren könnte, auch die Storyline der Pitches und die Slides waren top. Da hätte ich kaum einen signifikanten Unterschied zu den „klassisch“ erarbeiteten Pitches gesehen.

Was man aber schon merkt, ist, dass die Studierenden wenig Zeit hatten, all die gesammelte Information auch wirklich kognitiv zu verarbeiten. Es macht einfach einen Unterschied, ob ich mit einer Business Opportunity mehrere Monate beschäftige, sie wirklich aus verschiedensten Perspektiven in Ruhe durchdenken kann, oder aber innerhalb von nur ein paar Stunden eine Unmenge an relevanten Daten generiere und zu verarbeiten versuche.

Da kommt es schnell zum information overload und wichtige Details bleiben auf der Strecke. Das ist dann am Demo Day bei den sehr spezifischen Nachfragen der Investoren schon aufgefallen. Aber wie schon weiter oben erwähnt: Die Idee ist ja auch bisher gar nicht, die „klassischen“ Schritte des Venture Building-Prozesses zu ersetzen, sondern sie zu ergänzen, zu bereichern und zu beschleunigen.

Was waren die interessantesten Business-Ideen, die von Studierenden im Rahmen der Veranstaltung identifiziert wurden? Gab es eine, die euch besonders beeindruckt hat?

Daniel Cronin: Es gab eine ganze Reihe spannender Business-Ideen, doch was mich weitaus mehr fasziniert hat, war die Geschwindigkeit, mit der Pivotierungen stattfinden konnten. Wir kennen alle den alten Grundsatz: “Never love your own product.” In der Regel dauert es jedoch Wochen, wenn nicht sogar Monate, bis eine Gründerin oder ein Gründer die Erkenntnis gewinnt: “Wow, ich habe eine großartige Idee! – nur um wenig später festzustellen:  Oh, ich muss pivotieren.”

Doch was wir in unseren Tests schnell erkannt haben, war etwas vollkommen Neues: Pivotierungen waren hier nicht nur innerhalb weniger Stunden, sondern teilweise sogar innerhalb von Minuten notwendig. Warum? Weil KI als Sparring-Partner genau an diesen Punkt führt – schneller, präziser und mit knallharter Analyse.  

Der vielleicht eindrucksvollste Moment war, als wir in den Gesichtern der Studentinnen und Studenten sehen konnten, wie begeistert sie zunächst von ihren Ideen waren – nur um kurze Zeit später die harte Entscheidung treffen zu müssen. Denn auch wenn die Idee gut war, zeigten die Zahlen, die Daten und das KI-Feedback unmissverständlich: Ja, vielleicht müssen wir das Konzept doch noch einmal überdenken und weiterentwickeln.”  

Diese radikale Beschleunigung des Pivot-Prozesses ist eine der faszinierendsten Auswirkungen der KI auf den Innovationsprozess.

Können KI-gestützte Analysen einen Gründungsprozess „zu generisch“ machen, oder kann KI auch Originalität fördern?

Daniel Cronin: Diese Frage ist äußerst spannend, und ich würde sie aus mehreren Perspektiven betrachten. Der erste Punkt, ist dass KI Gründungen ohne Vorwissen ermöglicht. Das bedeutet konkret: KI kann Menschen die Möglichkeit bieten, großartige Ideen umzusetzen, die sonst niemals realisiert worden wären. Warum? Weil ihnen oft das richtige Umfeld, der fachliche Background oder der Zugang zu einer Hochschule fehlt. Viele scheitern nicht an ihren Ideen, sondern daran, dass ihnen die einfachen, aber essenziellen Werkzeuge fehlen, die man ansonsten nur in einem Entrepreneurship-Institut kennenlernen würde.  

Diese Entwicklung ist spektakulär, weil sie Unternehmertum zugänglicher macht und Menschen mit innovativen Ideen eine echte Chance gibt – unabhängig von ihrem Bildungshintergrund oder ihrem Netzwerk.  

Andererseits muss man auch ganz klar sagen: KI kann halluzinieren. Sie ist in ihrer grundlegendsten Form darauf trainiert, Muster zu erkennen und daraus Vorhersagen zu treffen. Das bedeutet, dass KI oft die wahrscheinlichsten und naheliegendsten Ausgänge bevorzugt.  

Doch was bedeutet das für Innovation? Könnte es dazu führen, dass KI nur bestehende Erfolgsmodelle reproduziert und wahre Originalität unterdrückt? Nicht unbedingt. Denn am Ende des Tages trifft immer der Mensch die Entscheidung. Die KI dient lediglich als Sparring-Partner, der Ideen in kürzester Zeit herausfordert und den Nutzer zwingt, neue Perspektiven einzunehmen.  

Insofern sehe ich KI als eine enorme Möglichkeit, Originalität zu fördern – aber nur, wenn der Purpose stark genug ist. Wie in allen Bereichen gilt: Der wahre Antrieb für eine Gründung muss aus einer tiefen Überzeugung kommen.  Ohne einen klaren Purpose, ohne das brennende innere Verlangen, ein wirklich relevantes Problem zu lösen, bleibt eine Idee schwach – ganz egal, wie gut die KI sie weiterentwickelt. Innovation braucht Mut, Leidenschaft und einen klaren inneren Antrieb.  

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Daniel Cronin, Peter Keinz und Andreas Ledere
Daniel Cronin, Peter Keinz und Andreas Lederer | Foto: Andreas Lederer

Wie KI die Entstehung neuer Geschäftsideen beschleunigen und gleichzeitig fundiertere Entscheidungen ermöglichen kann, beschäftigt Unternehmer:innen und Wissenschaftler:innen weltweit. Vor diesem Hintergrund startete an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) ein experimentelles Format: das „AI Bootcamp for Entrepreneurs“, das im Rahmen der Lehrveranstaltung „E&I Zone: Artificial Intelligence“ im Dezember an der Wirtschaftsuniversität Wien erstmals stattfand und nun diese Woche seine Wiederholung findet.

Die Idee dahinter: In nur 48 Stunden sollte der gesamte „Venture Building“-Prozess durchlaufen werden – von der ersten Konzeptskizze bis zum ausgereiften Pitch. Initiiert haben das Projekt AustrianStartups-Co-Founder Daniel Cronin, WU-Associate-Professor Peter Keinz, KI-Experte Andreas Lederer und Tributech-CEO Thomas Plank.

Gemeinsam mit ihren Studierenden wagten die Initiatoren ein praxisnahes Experiment: Wie weit können KI-Tools wie ChatGPT das Identifizieren, Validieren und Pitchen neuer Geschäftsideen unterstützen? Ist es realistisch, ein ganzes Semester an Arbeit in ein komprimiertes Wochenendformat zu packen – und wie hoch ist die Qualität der Ergebnisse? In diesem Interview geben die Initiatoren einen Einblick in ihre wichtigsten Erkenntnisse und erklären, wie künstliche Intelligenz das Potenzial hat, den Innovationsprozess grundlegend zu verändern.


brutkasten: Wie kam es zum “AI Bootcamp for Entrepreneurs” – wie ist die Idee entstanden und wie kam es zur Umsetzung?

Daniel Cronin: Die Idee zum “AI Bootcamp for Entrepreneurs” entstand fast beiläufig in einem Gespräch mit meinem langjährigen Freund Peter Keinz. Ich meinte damals: „Ich glaube, wir können den gesamten Venture-Building-Prozess mit Hilfe von KI erheblich beschleunigen.“ Peter reagierte sofort und schlug vor, genau diesen Ansatz einmal zu testen.

Von da an ging es rasant voran: Ich kontaktierte Andreas Lederer, einen Kollegen und KI-Experten, und erwartete zunächst, dass er die Idee aus technischer Sicht relativierte – stattdessen wurde er sofort Teil des Teams, um es in der Praxis auszuprobieren, und brachte das technische Know-how mit ein. Zudem holten wir Thomas Plank ins Boot, dessen umfangreiche Markterfahrung und gemeinsame Gedanken zur digitalen Transformation das Team perfekt ergänzten.

Gemeinsam setzten wir uns das ambitionierte Ziel, das, was normalerweise ein Semester an Arbeit ist, in nur 48 Stunden umzusetzen. Die schnelle und überzeugende Resonanz – unser Kurs „E&I Zone: Artificial Intelligence – AI Bootcamp for Entrepreneurs“ war nahezu sofort ausgebucht – bestätigte uns, dass wir mit diesem komprimierten, praxisnahen Format genau den Nerv der Zeit getroffen haben.

Was war euer Ziel mit dem Bootcamp, als ihr es aufgesetzt habt?

Peter Keinz: Mich persönlich hat die akademische Neugier angetrieben. Als Professor für Entrepreneurship und Innovation, der Venture Building unterrichtet und beforscht, beschäftigt mich die Frage, wie eine höchst disruptive Technologie wie KI mein Feld verändern wird. 

Das Bootcamp – eine Lehrveranstaltung im Rahmen der SBWL (Spezialisierung innerhalb des BWL-Studiums, Anm. d. Red.) “Entrepreneurship und Innovation” der WU Wien – war im Grunde ein erstes Experiment, ein MVP, wenn man so will. Mein Hauptziel war zu lernen: Wie funktionieren die aktuellen Tools? Welchen Mehrwert stiften sie im Venture Building? Wie können angehende Entrepreneure mit KI umgehen? Wir haben jetzt ein paar erste, sehr vielversprechende Eindrücke. 

Im nächsten Schritt fände ich es spannend, sich diesem Thema auch wissenschaftlich anzunehmen. Wie valide sind beispielsweise Informationen, die im Rahmen synthetischer Customer-Discovery-Interviews gewonnen werden, wirklich? Wie verändert sich der Venture Building-Prozess strukturell? Ist die Qualität des Outcomes mit jenen der üblichen Formate vergleichbar, wo Studierende nicht gut 20 Stunden, sondern vier Monate an ihrem Venture arbeiten? Am Ende steht vielleicht die Entwicklung einer gänzlich neuen Venture-Building-Logik oder Methode?

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Gleichzeitig habe ich mich intensiv mit KI beschäftigt und war stets fest davon überzeugt, dass der sogenannte “Fuzzy Frontend” – also der Prozess von der ersten Idee über den Markttest bis zur Erprobung beim Kunden – viel, viel schneller durchlaufen werden muss. Warum? Weil auf diesem Weg zu viel Zeit und Energie verschwendet wird.  

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Peter Keinz: Überraschend war vor allem, wie versiert unsere Studierenden bereits im Umgang mit KI-Tools sind. Sie sind nicht in die Falle getappt, den Output ungeprüft als „faktisch richtig“ zu übernehmen, sondern haben verschiedene Prompts und Tools getestet, Ergebnisse verglichen und diese mit eigener Recherche validiert. Ihre Kreativität im Einsatz von KI während des Venture Building-Prozesses hat mich ebenfalls beeindruckt – sie haben Einsatzmöglichkeiten identifiziert, die wir als Lehrende so nicht erwartet oder vorhergesehen hatten.

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Andreas Lederer: Die Lehrveranstaltung hat gezeigt, dass KI-Tools wie ChatGPT und ähnliche Technologien großes Potenzial im Bereich Venture Building haben – wenn sie richtig eingesetzt werden. Die größte Wirkung entfalten sie häufig durch die Verwendung in Kombination mit menschlichem Urteilsvermögen. Ein für mich zentraler Punkt war zum Beispiel, dass KI in der Ideengenerierungsphase das skalierbare Finden neuer Produkt- und Geschäftsansätze ermöglicht.

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KI hat sich in dieser ersten Ideenfindungsphase aber auch als sehr gut erwiesen, zum Beispiel in der Rolle als erfahrener und fachkundiger Investor eine große Anzahl erster Ideen substantiell, umfassend und kritisch gegenüber den Teilnehmern zu hinterfragen, um ihnen als zukünftigen Unternehmern rasch eine erste Grundlage für eine Entscheidung zu geben, ob eine bestimmte Idee es wert ist, mehr Arbeit zu investieren, um sie weiter zu verfolgen und umzusetzen. 

KI kann ein mächtiges Werkzeug im Venture Building sein, das es ermöglicht, kreativer und effizienter zu arbeiten. Das Seminar hat aber auch gezeigt, dass es einen bewussten, reflektierten Umgang mit diesen Tools braucht, um echte Innovation und Qualität sicherzustellen. KI kann Prozesse anstoßen und unterstützen – aber der Unternehmergeist, die Beurteilung und vor allem die Entscheidungen und die Umsetzung müssen weiterhin vom Menschen kommen.

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Andreas Lederer: Leistungsfähige Sprachmodelle wie ChatGPT oder Claude haben sich in den meisten Venture Building Phasen als Allrounder und “Schweizer Taschenmesser” der KI-Tools bewährt. 

Für Aufgaben wie Market Research oder Competitor Research haben wir Tools wie Perplexity getestet, die mit Sprachmodellen arbeiten und einen Internetzugang für Echtzeitrecherchen haben. Für die Aufarbeitung und Analyse punktueller Rechercheergebnisse waren die Ergebnisse brauchbar, eine aktuell noch große Schwäche von solchen KI-Tools ist allerdings, dass umfassende – geschweige denn vollständige –  Live-Recherchen im Internet kaum automatisiert möglich sind.

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Spannend ist allerdings, dass sich alleine in den sechs Wochen nach unserem Seminar mit Google Deep Research (veröffentlicht im Dezember 2024) und OpenAI Deep Research (veröffentlicht im Jänner 2025) zwei KI-Agenten veröffentlicht wurden, die gerade in diesem Punkt große Verbesserungen versprechen. Dadurch zeigt sich, wie unglaublich rasch die Entwicklung momentan voranschreitet.  

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Bei Dokumentation und Präsentation wurden einzelne KI-Tools wie fireflies (Dokumentation) oder beautiful ai verwendet, die sich als brauchbare Unterstützung erwiesen haben. Für die Aufarbeitung und Auswertung umfangreicherer Textmengen wurde NotebookLM verwendet, das dafür von vielen Tools die beste Performance geliefert hat. 

Was sind aktuell die größten Probleme oder Herausforderungen, wenn es um den Einsatz von KI-Tools im Venture-Building-Prozess geht?

Peter Keinz: Am Ball zu bleiben! Die Technologie und die entsprechenden Tools entwickeln sich mit einer so großen Geschwindigkeit, dass Wissen, Skills und Strategien, die heute noch wertvoll sind, morgen schon wieder obsolet sein können. Das beginnt bei der Auswahl der „richtigen“ Tools, geht über Promptingstrategien und endet bei der Frage, wofür ich die KI überhaupt einsetzen kann.

Für ein eigenes Gründungsprojekt hatte ich vor eineinhalb Jahren mal das gesamte Fuzzy Frontend des Venture Building-Prozesses durchlaufen. Und zwar ganz klassisch und ohne jegliche KI. Interviews, Tests verschiedener MVPs, Markt- und Konkurrenzanalyse, etc. Als ich den Prozess dann aus reiner Neugierde ein paar Monate später mit KI-Unterstützung wiederholte, waren die Ergebnisse enttäuschend – sehr oberflächlich und wenig valide. Da hätte ich der KI keinen großen Nutzen im Venture Building zugestanden.

Im Zuge der Vorbereitung des Bootcamps habe ich den Prozess jetzt nochmals durchgespielt mit der letzten Generation von Tools und was soll ich sagen: Die Ergebnisse erscheinen höchst valide. Aber wie gesagt: Diese Eindrücke sind jetzt durch wissenschaftliche Untersuchungen zu untermauern.

Die Lehrveranstaltung wurde in 48 Stunden abgehalten. Inwiefern hat dieses Format sich auf die Ergebnisse ausgewirkt?

Peter Keinz: Den gesamten Venture Building-Prozess in zwei Tage zu packen – eigentlich waren es nur gut 20 Stunden für die Studierenden – ist natürlich ein sehr ambitioniertes Format. In den üblichen Formaten haben die Studierenden für diese Aufgabe wesentlich länger Zeit, da sprechen wir von ein paar Monaten. Insofern war ich überrascht, wie gut die an unserem Demo Day präsentierten Pitches waren! Inhaltlich war alles da, was einen potenziellen Investor interessieren könnte, auch die Storyline der Pitches und die Slides waren top. Da hätte ich kaum einen signifikanten Unterschied zu den „klassisch“ erarbeiteten Pitches gesehen.

Was man aber schon merkt, ist, dass die Studierenden wenig Zeit hatten, all die gesammelte Information auch wirklich kognitiv zu verarbeiten. Es macht einfach einen Unterschied, ob ich mit einer Business Opportunity mehrere Monate beschäftige, sie wirklich aus verschiedensten Perspektiven in Ruhe durchdenken kann, oder aber innerhalb von nur ein paar Stunden eine Unmenge an relevanten Daten generiere und zu verarbeiten versuche.

Da kommt es schnell zum information overload und wichtige Details bleiben auf der Strecke. Das ist dann am Demo Day bei den sehr spezifischen Nachfragen der Investoren schon aufgefallen. Aber wie schon weiter oben erwähnt: Die Idee ist ja auch bisher gar nicht, die „klassischen“ Schritte des Venture Building-Prozesses zu ersetzen, sondern sie zu ergänzen, zu bereichern und zu beschleunigen.

Was waren die interessantesten Business-Ideen, die von Studierenden im Rahmen der Veranstaltung identifiziert wurden? Gab es eine, die euch besonders beeindruckt hat?

Daniel Cronin: Es gab eine ganze Reihe spannender Business-Ideen, doch was mich weitaus mehr fasziniert hat, war die Geschwindigkeit, mit der Pivotierungen stattfinden konnten. Wir kennen alle den alten Grundsatz: “Never love your own product.” In der Regel dauert es jedoch Wochen, wenn nicht sogar Monate, bis eine Gründerin oder ein Gründer die Erkenntnis gewinnt: “Wow, ich habe eine großartige Idee! – nur um wenig später festzustellen:  Oh, ich muss pivotieren.”

Doch was wir in unseren Tests schnell erkannt haben, war etwas vollkommen Neues: Pivotierungen waren hier nicht nur innerhalb weniger Stunden, sondern teilweise sogar innerhalb von Minuten notwendig. Warum? Weil KI als Sparring-Partner genau an diesen Punkt führt – schneller, präziser und mit knallharter Analyse.  

Der vielleicht eindrucksvollste Moment war, als wir in den Gesichtern der Studentinnen und Studenten sehen konnten, wie begeistert sie zunächst von ihren Ideen waren – nur um kurze Zeit später die harte Entscheidung treffen zu müssen. Denn auch wenn die Idee gut war, zeigten die Zahlen, die Daten und das KI-Feedback unmissverständlich: Ja, vielleicht müssen wir das Konzept doch noch einmal überdenken und weiterentwickeln.”  

Diese radikale Beschleunigung des Pivot-Prozesses ist eine der faszinierendsten Auswirkungen der KI auf den Innovationsprozess.

Können KI-gestützte Analysen einen Gründungsprozess „zu generisch“ machen, oder kann KI auch Originalität fördern?

Daniel Cronin: Diese Frage ist äußerst spannend, und ich würde sie aus mehreren Perspektiven betrachten. Der erste Punkt, ist dass KI Gründungen ohne Vorwissen ermöglicht. Das bedeutet konkret: KI kann Menschen die Möglichkeit bieten, großartige Ideen umzusetzen, die sonst niemals realisiert worden wären. Warum? Weil ihnen oft das richtige Umfeld, der fachliche Background oder der Zugang zu einer Hochschule fehlt. Viele scheitern nicht an ihren Ideen, sondern daran, dass ihnen die einfachen, aber essenziellen Werkzeuge fehlen, die man ansonsten nur in einem Entrepreneurship-Institut kennenlernen würde.  

Diese Entwicklung ist spektakulär, weil sie Unternehmertum zugänglicher macht und Menschen mit innovativen Ideen eine echte Chance gibt – unabhängig von ihrem Bildungshintergrund oder ihrem Netzwerk.  

Andererseits muss man auch ganz klar sagen: KI kann halluzinieren. Sie ist in ihrer grundlegendsten Form darauf trainiert, Muster zu erkennen und daraus Vorhersagen zu treffen. Das bedeutet, dass KI oft die wahrscheinlichsten und naheliegendsten Ausgänge bevorzugt.  

Doch was bedeutet das für Innovation? Könnte es dazu führen, dass KI nur bestehende Erfolgsmodelle reproduziert und wahre Originalität unterdrückt? Nicht unbedingt. Denn am Ende des Tages trifft immer der Mensch die Entscheidung. Die KI dient lediglich als Sparring-Partner, der Ideen in kürzester Zeit herausfordert und den Nutzer zwingt, neue Perspektiven einzunehmen.  

Insofern sehe ich KI als eine enorme Möglichkeit, Originalität zu fördern – aber nur, wenn der Purpose stark genug ist. Wie in allen Bereichen gilt: Der wahre Antrieb für eine Gründung muss aus einer tiefen Überzeugung kommen.  Ohne einen klaren Purpose, ohne das brennende innere Verlangen, ein wirklich relevantes Problem zu lösen, bleibt eine Idee schwach – ganz egal, wie gut die KI sie weiterentwickelt. Innovation braucht Mut, Leidenschaft und einen klaren inneren Antrieb.  

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