20.04.2018

Digitale Bildung: Zwischen Lücken im Lehrplan und kompetenten Kindern

Der dritte und letzte Tag des 4GAMECHANGERS 2018 fand unter dem Titel „4 Future“ statt. Und widmete sich in einer Diskussionsrunde gleich der "Zukunft der Bildung" vor dem Hintergrund der rasend schnell verlaufenden digitalen Revolution.
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Digitale Bildung
(c) fotolia.com - Tierney

Wenn bereits Zweijährige mit dem iPad umgehen, ja Medieninhalte gezielt für kleine Kinder produziert werden, lasse sich daraus nicht zwangsläufig ableiten, dass Kinder bis zum Schuleintritt fit im Umgang mit elektronischen Devices sind. Es bleibe oft beim Entertainment, die “Informationsnutzung” bzw. die “Nutzung für Bedürfnisse der Gesellschaft und Wirtschaft” blieben außen vor, ist Elisabeth Hornberger von der Trendagentur T-Factory sicher. Aufgabe der Schulen wäre es, diese Lücke zu schließen und digitale Bildung zu vermitteln. Dass dafür Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssten, die nicht zuletzt die Lehrenden mit den entsprechenden Skills ausstatte, sei klar.

+++ Digitalisierung der Klassenzimmer: “Wir brauchen Learntastic statt Runtastic” +++

Wenig Budget für digitale Bildung der Lehrenden

“Digitale Bildung ist eine grundlegende Kompetenz wie Lesen, Schreiben und Rechnen – wer das nicht kann, wird im Leben scheitern“, ergänzte Neos-Chef Matthias Strolz. Es sei deshalb beschämend, dass die Bundesregierung “gerade Mal 500.000 Euro” für die Vermittlung digitaler Kompetenzen für den österreichischen Lehrkörper budgetiere – dies wären nicht mehr als vier Euro pro Lehrperson. Den Zustand der Schulen, versuchte er mit einem drastischen Vergleich auf den Punkt zu bringen: “Jede McDonald’s-Filiale hat heute WLAN. Die Schulen werden in 20 Jahren noch nicht alle so weit sein”. Ganz im Gegensatz hätten bereits “mehr als zwölf EU-Länder Coding im Lehrplan”. Sein Ansatz: “Wenn Jugendliche mehrere Stunden pro Tag ins Smartphone schauen, dann will ich, dass die verstehen, was dieses Ding zusammenhält und wie es funktioniert”.

Digitale Bildung
(c) Bernhard Madlener: Die Digitalisierung des Bildungssektors war das Top-Thema beim 3. Tag des 4GAMECHANGERS-Festival.

Smartphones als Werkzeuge, nicht als Unterhalter

Die Bedeutung von Bildung im Unterschied zur Ausbildung strich der Gehirnforscher Bernd Hufnagl hervor: Kinder zu früh mit Smartphones spielen zu lassen und zu “berieseln”, sei eine Gefahr für deren Entwicklung. Jedoch sei er weit entfernt davon, die Geräte zu verbannen: “Wenn wir Kindern den Umgang mit Smartphones als Werkzeugen vermitteln, dann ist das gut”. Die aktive Beschäftigung – im Gegensatz zum passiven Konsum – noch dazu in Interaktion mit anderen, ermögliche nachhaltige Wissensvermittlung. Ein gewisser Kanon im Bereich digitale Bildung schaffe zudem eine Art Grundkonsens: “Eine sich wandelnde Gesellschaft vieler Religionen hat nicht mehr den Kitt einer einzigen Religion”. Ohne selbst besonders religiös zu sein, könnte nach Hufnagls Ansicht “Bildung diese Rolle künftig übernehmen”.

Digitale Generation hängt die Alten ab

Alejandro Plater, CEO von A1, äußerte in einem weiteren Podium zur Bildungsfrage ganz andere Bedenken: “Meine Hauptsorge sind nicht die Kids – meine Sorge sind die älteren Generationen”. Je kompetenter nämlich die Kinder und Jugendlichen im digitalen Bereich wären – und hier sehe er eine gute Entwicklung – desto schlechter sieht es bei den Älteren aus. Was bedeutet, dass sich mittelfristig der Facharbeitermangel verstärken und die Zahl älterer Arbeitsloser steigen wird. In diesem Sinn plädierte er gerade im Bereich der Digitalisierung für Initiativen zur Förderung des lebenslangen Lernens.

Schülerinnen lehren Lehrer

Einen besonderen Ansatz zur Stärkung der digitalen Kompetenz bei den Lehrenden vermittelte Dorothee Ritz, General Managerin von Microsoft Österreich. Es gebe bald in jeder Mittelschulklasse drei bis vier Jugendliche, die Experten im beliebten Online-Spiel „Minecraft“ sind, und weitere die zumindest ein bisschen programmieren könnten. In einer Art “Buddy-System”, könnten sie den Lehrenden digitale Bildung vermitteln, wonach diese wiederum befähigt wären, das ganze in ihren Unterricht einzubauen. Eine Vertiefung dieses partnerschaftlichen Ansatzes, der freilich auch einen Abbau von Hierarchien verlangen würde, scheiterte leider an der fortgeschrittenen Uhrzeit.

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(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR
(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR / tech2b / My Esel / Simventure

Der Begriff “Co-Working-Space” wäre bei TECH HARBOR in Linz eindeutig zu kurz gegriffen. Viel zu kurz gegriffen. Denn hochwertige Büroräume für Startups gibt es an den zwei Standorten TECHCENTER und NEUE WERFT zwar durchaus. In einem üblichen Co-Working-Space würde man aber wohl sehr schnell an die Grenze stoßen, wenn man dort eine Serienproduktion für Fahrräder oder eine Produktionsstätte für hochpräzise chirurgische Geräte aufbauen wollte.

Genau das und noch viel mehr passiert in den TECH HARBOR-Standorten. Sie bieten Hardware-Startups mit komplexen technischen Anforderungen und teilweise viel Platzbedarf eine Heimat. Große Werkstattbereiche, Techlabs für Forschung und Entwicklung und Lagermöglichkeiten machen dabei den entscheidenden Unterschied.

My Esel: Vom Prototypen bis zur Serienproduktion im TECHCENTER

Ein Unterschied, der etwa dem mittlerweile einer breiten Öffentlichkeit bekannten Holzfahrrad-Startup My Esel mehr als nur die ersten Schritte ermöglichte. “In der Zeit im TECHCENTER fand die Entwicklung von den ersten Prototypen hin zur Serienproduktion statt”, erzählt Gründer Christoph Fraundorfer. 2016 sei nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne von dort aus der Markstart erfolgt. “Parallel wurde an der Optimierung der Rahmenkonstruktion und an den My Esel E-Bikes gearbeitet. 2019 konnten noch aus dem TECHCENTER die ersten E-Bikes ausgeliefert werden.”

Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) TECH HARBOR
Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) My Esel

Ebenfalls im Jahr 2019 Jahr zog My Esel dann um. “In Traun fanden wir in den ehemaligen Produktionsstätten der Carrera-Brillen unseren neuen Standort. Inzwischen nutzen wir hier über 800 Quadratmeter und konnten 2023 mit etwas mehr als 1.000 Bikes zirka 2.7 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften”, erzählt Fraundorfer.

Simventure: Im TECH HARBOR-Standort zum Wingsuit-Simulator

Die Räumlichkeiten im TECHCENTER blieben danach freilich nicht leer. Auch aktuell arbeiten viele spannende Startups im TECH HARBOR-Standort und schreiben die Erfolgsgeschichten der Zukunft. Einer der Mieter ist etwa Simventure. Das Startup baut Geräte, mit denen Extremsportarten vollimmersiv simuliert werden können. Das erste dieser Geräte – WingSim – simuliert den Flug in einem Wingsuit – in Realität bekanntlich ein hochriskantes Unterfangen.

“Seit dem Einzug im TECHCENTER Anfang 2023 haben wir die Hard- und Software für unseren Prototypen entwickelt. Wir haben diesen Prototypen im Techlab gebaut und umfangreich getestet. Nun können wir den Demonstrator Kunden und potentiellen Investoren vorführen. Wir haben den Firmenwert seit dem Einzug vervielfacht”, sagt Gründer Norman Eisenköck.

Das Simventure-Team baut im TECHCENTER seine Simulatoren | (c) Simventure

Das TECHCENTER biete die idealen Voraussetzungen für das Startup und seine Wachstumsherausforderungen, so der Simventure-Gründer. “Ein Startup ist während der Unternehmensgründung und dem Unternehmens-Aufbau Schwankungen im Bedarf an Büroflächen und – in unserem Fall – eines Mechatronik Labors unterworfen. Die Flexibilität des TECHCENTER hat uns geholfen, diese Schwankungen sehr gut zu berücksichtigen.” Und die Infrastruktur diene nicht nur dem Team zur Arbeit, sondern biete auch schöne Repräsentationsräume, um Partner und Kunden zu empfangen.

cortEXplore: Von der NEUEN WERFT zu Yale und MIT als Kunden

Absolute HighTech-Produkte sind auch aus dem Standort NEUE WERFT schon vielfach hervorgegangen. Bis 2024 hatte dort etwa das Startup cortEXplore seinen Sitz, das eine Technologie für Gehirn-OPs für Forschungszwecke entwickelt hat. “Wir verkaufen unsere Technologie international in die EU, die USA und China und haben Kunden wie die US-Unis Berkeley, Yale und MIT”, sagt Gründer Stefan Schaffelhofer. Diesen April wurde das Unternehmen mehrheitlich von einem internationalen Medizintechnikkonzern übernommen.

Den Grundstein dafür legte cortEXplore am TECH HARBOR-Standort. “Wir haben in der NEUEN WERFT gestartet. Wir hatten zunächst Platz für die Entwicklung, hatten aber auch später ein Lager dort und Platz für Assemblierungen unserer Produkte”, erinnert sich der Gründer. “Es ist die optimale Location in Linz. Sie ist gut für Anlieferungen und den Versand der Produkte. Und es gibt Räumlichkeiten für Veranstaltungen und die Einladung von Kunden.”

cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon
cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon

Everest Carbon: “Unser Fortschritt übertrifft unsere Erwartungen”

Und auch in der NEUEN WERFT kamen seitdem viele spannende Unternehmen nach, etwa Everest Carbon, das diesen Sommer eingezogen ist. “Momentan entwickeln wir unser erstes Produkt, einen digitalen Umweltsensor für die Bindung von CO2 in Projekten basierend auf dem Prozess des beschleunigten Verwitterns, und testen es in Feldern hier in der Umgebung”, erklärt Gründer Matthias Ginterseder.

In der NEUEN WERFT baue man seit dem Einzug den primären Forschungs- und Produktionsstandort auf. “Wir sind gerade dabei, unser Team in der NEUEN WERFT zu vervollständigen, um Anfang nächsten Jahres die Produktionszahlen unserer ersten Produktlinie bedeutend erhöhen zu können”, sagt der Everest Carbon-Gründer. “Unser Fortschritt dabei übertrifft unsere Erwartungen, nicht zuletzt wegen der proaktiven Unterstützung durch Georg Spiesberger und sein Team hier im TECH HARBOR.” Und auch die Location selbst sei “hervorragend” für das Startup: “Das flexible Platzangebot sowie die zahlreichen Events, helfen uns sehr dabei, unsere Bedürfnisse in verschiedenen Entwicklungsstadien zu decken”, so Ginterseder.

Everest Carbon baut in der NEUEN WERFT gerade seine Produktion auf | (c) TECH HARBOR

Große Zukunftspläne – vom TECH HARBOR in die ganze Welt

Die Voraussetzungen für große Zukunftspläne und weitere Erfolgsgeschichten, wie die oben genannten, sind damit also perfekt gegeben. Der Everest Carbon-Gründer gibt einen Einblick: “Wir wollen in naher Zukunft unser erstes Produkt am Markt etablieren und unsere Technologie als eine bahnbrechende Lösung für zukunftsträchtige Formen von negativen Emissionen etablieren.”

Auch Simventure will am TECH HARBOR-Standort noch viel erreichen, wie Gründer Norman Eisenköck erklärt: “Wir werden weiterhin sowohl die Büroflächen als auch das Techlab für die Entwicklung weiterer Bewegungsplattformen nutzen. Es ist geplant, das weitere Wachsen des Teams und der Produktlinien im TECHCENTER zu machen.” Der erste WingSim werde aber schon bald ins Ars Electronica Center übersiedelt, um dort – ganz in der Nähe – für Kundenvorführungen zur Verfügung zu stehen. “Im Techlab werden dann neue Produkte entwickelt”, so der Gründer.

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