02.03.2017

Design Thinking: Besser mit der Ungewissheit umgehen

Gastbeitrag. Der Swisscom-Innovationschef und Design Thinking-Experte Michael Lewrick schreibt, anlässlich der Veröffentlichung seines Buches, für den Brutkasten über Digitalisierung, Unternehmenstransformation und die Design-Kriterien der Zukunft.
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(c) fotolia.com - peshkova

Michael Lewrick verantwortet als Chief Innovation Officer der Swisscom das vertikale Großkundengeschäft des Unternehmens. Der Schweizer Telekommunikations-Konzern hat über 20.000 Mitarbeiter und Umsätze im Milliarden-Bereich. Für den Brutkasten beschreibt Lewrick, wie er im Großkonzern als Schnittstelle zu Startups und Innovationseinrichtungen dient und wie der Design Thinking-Ansatz ihm dabei hilft. Kürzlich brachte er gemeinsam mit zwei renommierten Uni-Professoren das “Design Thinking Playbook” heraus, für das eine modernisierte Version des Ansatzes entwickelt wurde.

+++ Design Thinking: Vorher wissen, was die Kunden wollen +++

In erweiterten Ökosystemen denken

Als Chief Innovation Officer geht es für mich vor allem darum, die neuen Entwicklungen und Anforderungen zu verstehen. Diese haben verschiedene Ausprägungen und reichen von veränderten Kunden- und Marktbedürfnissen bis hin zu neuen Strömungen in der Information-Technology (IT). Neue Technologien wie z.B. Blockchain haben grossen Einfluss auf unsere zukünftige Marktrolle als ICT Unternehmen, die Ausgestaltung der Services und Geschäftsmodelle. Hierfür müssen traditionelle Denkmuster durchbrochen, Fähigkeiten adjustiert und in erweiterten Ökosystemen gedacht werden. Ich sehe mich in meiner Rolle als Inside-Outsider und bin somit das das Bindeglied zwischen den internen Innovationssystemen und der externen Welt. Die externe Welt besteht für mich vor allem in Partnerschaften mit Startups, Accelerator-Programmen, Technologiepartnern und Universitäten.

Für Innovationen gibt es klare Erfolgsfaktoren

Es mag altmodisch klingen, aber ich bin fundamental davon überzeugt, dass eine klare Strategie und Vision ein wichtiger Erfolgsfaktor sind. Wer sich fokussiert und sein Team für eine grössere Idee begeistern kann, hat klar einen Vorteil. Bei großen Organisationen wird dies heutzutage oftmals vernachlässigt. Werkzeuge wie Strategic Foresight helfen, diese Kluft zu schließen. Zudem wird die Umsetzung von Ideen oftmals unterschätzt. Meist scheitert es in großen Organisationen an Bürokratie, langsamen Strukturen und traditionellen Organisationsformen. Bei Startups ist ebenfalls das Team und die Fokussierung auf die zu entwickelnde Kernfunktionalität ein wichtiger Erfolgsfaktor. Für alle Unternehmen ist es wichtig, die Bedürfnisse der Kunden und Nutzer zu kennen und zu verstehen. Hier hilft das Design Thinking Mindset.

“Design Thinking hilft uns, die Komplexität zu verstehen und besser mit der Ungewissheit umzugehen.”

Warum Design Thinking?

Design Thinking liegt eine positive Grundeinstellung zugrunde, die hilft, den kreativen Rahmen zu erweitern. So können neue Lösungen und Marktopportunitäten entdeckt und umgesetzt werden. Das Vorgehen im Design Thinking entspricht einer modernen und agilen Arbeitsweise, in der mit Iterationen und in interdisziplinären Teams Problemstellungen bearbeitet werden. Persönlich finde ich die ständige Bestrebung nach neuen Erkenntnissen durch schnelle Experimente mit Nutzern ein wichtiges Instrument und einen zentralen Aspekt im Design Thinking Mindset. Durch diese Neugier lassen sich am Ende bessere Lösungen entwickeln. Auch hilft es uns, die Komplexität zu verstehen und besser mit der Ungewissheit umzugehen. Im Design Thinking Playbook verwenden wir ein modernisiertes Design Thinking Mindset, das stärker auf die Bedürfnisse der Digitalisierung, Umsetzung und Skalierung von Produkten und Services eingeht.

+++ Dossier: Corporate Innovation +++

“Systems Thinking” macht Design Thinking fit für die Digitalisierung

Wir haben das traditionelle Design Thinking Minset auf verschiedenen Ebenen ergänzt. So sind wir zur Überzeugung gekommen, dass Systems Thinking ein zentraler Aspekt ist, sobald wir in Ökosystemen digitale Services entstehen lassen möchten. Die Komplexität und Interaktion der Systeme steigt, und mit Design Thinking alleine, wäre es nicht möglich solche Systeme effizient zu gestalten. Zudem sehen wir großes Potential in der Verknüpfung von Big Data/Analytics und Design Thinking. Durch die Kombination lassen sich bessere Insights generieren und die Lösungsbreite steigt. Zudem gibt es uns die Möglichkeit Beobachtungen und Erkenntnisse zu validieren oder zu simulieren. Die beiden Ansätze komplementieren sich ideal und die Schwächen der einen Methode werden durch die Stärken der anderen kompensiert.

Design Kriterien der Zukunft: Mensch-Roboter-Beziehung im Fokus

Es wird aber zunehmend wichtig die Mensch-Roboter-Beziehung zu gestalten. Hier geht es um wichtige Fragen der Entscheidungshoheit, Moral und Werte, die die Systeme erlernen müssen. Am Ende ist es eine Vertrauensbeziehung, die wir gestalten und je besser wir diese nach den Bedürfnissen von uns Menschen abbilden, desto erfolgreicher kann der Mensch mit einem Roboter als Team interagieren. Und wenn ich von Robotern spreche, dann sind das autonome Fahrzeuge, Drohnen, Smart Phones bis hin zu Chatbots, die mit uns als Team zunehmend funktionieren.

+++ Mario Herger: “Sie sind arbeitswillig, aber es wird einfach keine Arbeit geben” +++


Zur Person

Dr. Michael Lewrick verantwortet als Chief Innovation Officer, die Wachstums- und Innovationsthemen im vertikalen Grosskundengeschäft bei Swisscom Enterprise Customers in Zürich. Zusammen mit dem Stanford-Professor Dr. Larry Leifer, einem Mitbegründer des Design Thinking-Ansatzes in Stanford und Prof. Dr. Patrick Link von der Hochschule Luzern, ist er Herausgeber des neuen Design Thinking Playbooks, das seit Kurzem im Buchhandel erhältlich ist.

Das Design Thinking Playbook

Das Design Thinking Playbook von Michael Lewrick, Patrick Link und Larry Leifer ist ab sofort im Buchhandel erhältlich. Der Mehrwert für die Leser besteht insbesondere darin, dass bekannte und neue Werkzeuge in den richtigen Kontext gesetzt werden und die ganze Bandbreite des Design Thinkings reflektiert wird. Der Leser erhält zudem u.a. einen Ausblick in die Zukunft, in der neue Designkriterien z.B. in der Mensch-Roboter-Beziehung zunehmend an Bedeutung gewinnen.

www.design-thinking-playbook.com

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Die Projektpartner:innen: von TU Wien, Forschung Burgenland. KEBA und kW-Soltions | (c) kW-Solutions

Bidirektionales Laden eröffnet für E-Autos weitreichende Möglichkeiten, die weit über die klassische Nutzung als Fortbewegungsmittel hinausgehen. Mit dieser Technologie können Elektrofahrzeuge nicht nur Energie aus dem Netz beziehen, sondern auch gespeicherten Strom wieder zurückspeisen. Dadurch werden sie zu mobilen Energiespeichern, die flexibel in verschiedene Szenarien eingebunden werden können – so zumindest in der Theorie. In der Praxis ist bidirektionales Laden in Österreich jedoch noch Zukunftsmusik. Ein neues Forschungsprojekt, an dem das Wiener Startup kW-Solutions beteiligt ist, möchte das nun ändern.

Bidirektionales Laden: Innovationsbedarf in Österreich

Das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützte Projekt Interoperable Communication for Bidirectional Charging (ICBC) hat sich zum Ziel gesetzt, die technischen und formalen Hürden von bidirektionalem Laden zu überwinden.

kW-Solutions-Gründer Korbinian Kasinger erläutert: “Es braucht jemanden, der den Vehicle-to-Grid-Prozess in Österreich durchmoderiert – sowohl technisch als auch formell“, so Kasinger​. Eine Herausforderung ist etwa die Zertifizierung des zurückgespeisten Stroms. “Bei einer PV-Anlage weiß man, dass es Grünstrom ist. Bei Autobatterien ist das nicht so einfach”, so der Gründer.

Technologisch ermöglicht es der Vehicle-to-Grid-Prozess (V2G), Strom aus der Batterie zu entnehmen und zurückzuverkaufen oder dem Regelenergiemarkt zur Verfügung zu stellen. Das ICBC-Projekt soll genau diese Möglichkeiten ausloten und zur Marktreife bringen​.

Das Konsortium hinter ICBC

Hinter dem ICBC-Projekt steht ein Konsortium aus kW-Solutions, der Technischen Universität Wien (TU Wien), Forschung Burgenland und KEBA​. Während die TU Wien für die Entwicklung von Kommunikationsschnittstellen sorgt, untersucht Forschung Burgenland die ökonomischen Vorteile von V2G. KEBA bringt seine Expertise in der Entwicklung von Ladeinfrastruktur-Hardware ein​.

kW-Solutions selbst arbeitet an einer flexiblen Software-Architektur, die V2G-Technologie effizient ins bestehende Netz integrieren soll. Das 2021 gegründete Startup hat sich auf die Bereitstellung intelligenter Ladelösungen für Elektrofahrzeuge spezialisiert.

Ein zentrales Produkt ist die Energiemanagement-Software “Charly”, die speziell für Mehrparteienanlagen entwickelt wurde, um ein effizientes Lastmanagement und eine automatisierte Verrechnung zu ermöglichen. 2023 konnte das Startup eine sechsstellige Finanzierungsrunde abschließen und FSP Ventures für sich gewinnen (brutkasten berichtete). Das Family Office ist an zahlreichen bekannten österreichischen Startups beteiligt, darunter Woom, Agrobiogel, Ecop Technologies oder Swimsol.

Pilotprojekte als nächster Schritt

Das ICBC-Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und soll erste Antworten auf diese Fragen liefern. “In ein bis zwei Jahren werden wir valide Pilotprojekte in Österreich starten“, so Kasinger​. Ein flächendeckender, standardisierter Einsatz von V2G könnte allerdings noch drei bis fünf Jahre dauern​.

Das ICBC-Projekt legt laut Kasinger großen Wert auf praxisnahe Lösungen. In sechs Arbeitsbereichen werden nun Use-Cases, Schnittstellen und Systemarchitekturen entwickelt, um die Marktfähigkeit sicherzustellen​. Bidirektionales Laden könnte laut dem Gründer für Österreich nicht nur die Elektromobilität attraktiver machen, sondern auch zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.


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