08.02.2021

Deja(n)vú: Waren die Corona-Hilfen zu komfortabel?

Deja(n)vú - die Kolumne von brutkasten-Herausgeber Dejan Jovicevic zu den Highlights der Woche und aktuellen Entwicklungen im brutkasten.
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Heute gebe ich Euch einige Insights unserer Key Player zur wirtschaftlichen Lage der Nation.  

Interview mit dem CEO der Erste Group, Bernd Spalt

Mit dem CEO der Erste Group, Bernd Spalt, habe ich am Montag ein spannendes Interview geführt. Kernfrage: Was müssen wir tun, damit 2021 ein erfolgreiches Jahr sein wird. Er geht – auch nach Rückfrage (hier das gesamte Video) davon aus, dass heuer ein Zeitpunkt des Aufschwungs kommen wird, sobald die Impfung für alle verfügbar sein wird. Er wird zu den relevanten Informationsquellen wohl den besten Zugang haben. 

Das Wiener Beteiligungsmodell findet er als Eigenkapitalmaßnahme spannend, dem Bund würde er nicht raten, langfristige Beteiligungen einzugehen. Sowohl Eigenkapital (wir hätten hier rund 20 verlorene Milliarden gut zu machen) als auch Risikokapital hält er für essentiell am Weg aus der Krise und ruft die Politik auf, rasch bessere Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

Krypto-Assets hält er keine (“Es gibt keine Krypto-Währung“, meint Spalt. Nichts, von dem, was eine Währung ausmache, sei darin enthalten). Am Radar hat er sie als “eine neue Anlageform” aber sehr wohl. Er hat zuversichtlich und motiviert gewirkt, auch off-record. Das soll uns zusätzlich motivieren, Gas zu geben, die Chancen zu suchen und zu nutzen, und uns nicht zurücklehnen. 

Wirtschafts-Runde auf Clubhouse

Am Dienstag hat Ben Ruschin eine starke Wirtschafts-Runde auf Clubhouse organisiert. Die Wirtschaftsministerin, Margarete Schramböck, die Leiterin der Strategiestelle Think Austria, Antonella Mei-Pochtler, der KSV1870 CEO, Ricardo-José Vybiral, die Google Chefin in Österreich, Christine Antlanger-Winter, der MD von Digital Switzerland, Nicolas Bürer, und ich haben uns zum Thema “Was braucht Österreichs Wirtschaft 2021?” unterhalten. 

Spannend: Ricardo-José Vybiral geht nicht von der einer massiven Pleitewelle aus. Hier dürften verschiedene Hilfsmaßnahmen gut gegriffen haben. Er sitzt mit dem KSV jedenfalls an einer guten Datenquelle. Antonella Mei-Pochtler hat sich unter Anderem für Risikokapital stark gemacht – gut so. Die Eigenkapitalstärkung scheint für alle ein “No-Brainer” zu sein – hoffentlich folgen entsprechende Taten. 

Stärkster Wirtschaftseinbruch trotz massiver Corona-Hilfen

Denn Österreich erlebte im Q4/2020 den größten Wirtschaftseinbruch in der EU. Margarete Schramböck erklärte das vor Allem mit dem im EU-Vergleich höchsten Anteil des Winter-Tourismus an der Wirtschaftsleistung. Das ist meines Wissens zutreffend. Was aber auffällt: gleichzeitig haben wir in Österreich mehr als fast alle anderen EU-Länder für Corona-Hilfen ausgegeben. Gibt es da einen Zusammenhang? Ich bin kein Ökonom und glaube, unsere Corona-Hilfen waren wichtig und richtig. Aber waren sie zu komfortabel? Strukturell wurde überdies das “Nichtstun” unterstützt (die Kurzarbeit lässt z.B. keine Arbeit zu), während aus der Krise wohl jene gestärkt hervorgehen, die tun und kämpfen. Ob die einzelnen Hilfeempfänger, die in Südafrika golfen waren, während die Staatshilfen flossen, nur die Ausnahmen, oder doch eine weiter verbreitete Haltung sind, frage ich demnächst Experten – vielleicht nehmen sich Franz Schellhorn und Barbara Blaha kurz Zeit dafür. 

Startups in der (Post-Lockdown) Pole Position, Investoren wieder aktiv

Startups haben wir in der Clubhouse-Runde tendenziell in der Pole Position gesehen (den Ausnahmen müssen wir helfen) – manche profitieren schon jetzt von der Krise, manche sind super aufgestellt für den Aufschwung, zumal die Digitalisierung überall an Speed gewonnen hat. “A gmahde Wiesn” ist es natürlich für niemanden, vielmehr ein Rund-um-die-Uhr-Einsatz – aber die Chancen sind da. Schwieriger ist es mit der Remote-Neukundenakquise bei größeren Auftragsvolumina – hoffentlich geht’s bald wieder.

Auch die Investoren sind (wieder) sehr aktiv. Hansi Hansmann meinte in einer anderen Runde auf meine diesbezügliche Frage, die große Zurückhaltung habe zu Beginn der Coronakrise gut drei Monate lang gedauert. Dann habe man gesehen, dass die (Investment-)Welt auch remote funktioniere – und die Investments gingen weiter, auch bzw. vor Allem auch außerhalb des eigenen Portfolios. Calm Storm, Uniqa Ventures, der Helvetia Fonds – um nur die aktuelleren Gespräche zu nennen – investieren (viel) intensiver als vor Corona.   

Impfstoff als Wirtschaftsretter, Datenschutz als Mörder

Lieber Impfstoff – all eyes on you. Sobald wir den Impfstoff für alle haben, kommt der Wirtschaftsaufschwung – so die herrschende Meinung. In diesem Sinne finde ich den gestrigen Tweet unseres Bundeskanzlers Sebastian Kurz sehr wichtig: Bei der Zulassung von Impfstoffen dürfe es keine geopolitischen Tabus geben. 

Die erfolgreiche Bekämpfung der Gesundheitskrise ist natürlich essentiell für die Lösung der Wirtschaftskrise. Ich kann es daher nicht akzeptieren, dass wir bei dieser Bekämpfung in Österreich auf die Digitalisierung verzichten. Unser Kolumnist, Mic Hirschbrich, spricht in seiner aktuellen Kolumne “Clubhouse ja – Stopp Corona na?” von einer “nationalen Katastrophe”, dass wir die Stopp-Corona App ins Bodenlose fallen lassen. Das ist diplomatisch formuliert. Den Vorwurf mache ich allerdings uns allen. Uns Bürger sehe ich da mindestens genauso in der Pflicht wie die Politik. Mein Kommentar vom 20.3.2020 “Coronakrise dauert Monate und kostet Milliarden – es ginge auch anders” hat an Aktualität leider kaum verloren.

Die Politik hätte zugleich dran bleiben, mehr Ownership für die App übernehmen sollen. Die App ist in der aktuellen Fassung eine super Grundlage, läuft open source, ist datenschutzrechtlich sicher (dazu haben wir mit Max Schrems, Gerry Foitik, Lisa Seidl, Michael Cik und Michael Zettel bereits im März ausführlich diskutiert) – aber nicht existent. Es fehlt an Interaktion, an User Experience, an nützlichen Features. Mic macht in seinem Beitrag spannende Vorschläge für neue Erweiterungen in der App, wie z.B. um die Test-Ergebnisse. 

Es hat mich allerdings die Stimme erreicht, “die Ministerien” würden jegliche Erweiterung aus Datenschutzgründen bremsen. Bei einer App, die datenschutzrechtlich unbedenklich ist – und Menschenleben massiv retten kann, wie man z.B. in Singapur sieht. Das geht mir nicht in den Kopf. Liebe Leute: Das kostet uns als Gesellschaft sowohl Leben als auch Milliarden. Ich erwarte mir hier ein rasches Umdenken!  

Die gebrannten Kinder der “Gamestop-Revolution”

Nicht ganz Milliarden hat einige die “Gamestop-Revolution” gekostet, wie Niko Jilch in seiner Kolumne schreibt: Die gebrannten Kinder der “Gamestop-Revolution”. Wie immer ein sehr lesenswerter Beitrag. 

Ich wünsche euch einen guten Wochenstart! Beim geht’s um 8:30 Uhr mit meinem Clubhouse Jour Fixe “Montagskaffee für Startups” los. Um 20:00 Uhr hoste ich dann den dritten Medienstammtisch, dieses Mal mit dem Schwerpunkt Medieninnovation rund um Video, Datenjournalismus und Faktencheck. Mit dabei sind u.A. Melisa Erkurt, Corinna Milborn und Sara Grasel – um dieses Mal absichtlich nur die Frauen zu nennen. 

Euer Dejan

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Syncraft HQ
Syncraft Standort in Schwaz, Tirol (c) Syncraft

Der europäische Green-Deal verpflichtet alle EU-Länder, den Klimawandel bis 2050 mit Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu bekämpfen. Auch Unternehmen müssen deshalb nachhaltig werden.

Ein großer Teil der heimischen Treibhausgasemissionen entsteht jedoch nach wie vor in der Energiegewinnung. Hier möchte das Tiroler Scaleup Syncraft ansetzen. Mit Firmensitz in Schwaz, konzentriert sich das Unternehmen auf den Bau sogenannter Rückwärtskraftwerke. Doch was genau steckt hinter diesem Konzept? brutkasten hat dazu mit Syncraft gesprochen.

“Wollen nachhaltigen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems leisten”

Kohlekraftwerke benötigen fossile Kohle, um Energie zu erzeugen. Dabei wird jedoch sehr viel CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen. Syncrafts Rückwärtskraftwerke kehren diesen Prozess um. Die Kraftwerke wandeln ungenutztes Wald-Restholz in Energie um, doch das bei der Verbrennung entstandene CO2 wird in Kohle gespeist. Dabei spricht das Unternehmen von “grüner Kohle”.

Die Kohle speichert rund 30 Prozent des im Holz enthaltenen CO2 dauerhaft. Das Endprodukt kann anschließend in Baumaterialien wie Beton verwendet werden. Ebenfalls kann die Kohle zur Defossilisierung weiterverwertet werden, indem sie in anderen Industrien fossile Kohlenstoffe ersetzt.

Bereits 2016 zeigte eine Studie der FH Vorarlberg das Potenzial von Holzkohle als Kohlenstoffsenker. Diese sogenannte „grüne Kohle“ dient nicht nur als effektiver CO2-Speicher, sondern findet in verschiedensten Bereichen Anwendung – von der Landwirtschaft bis hin zur Bauindustrie. Syncraft möchte dieses Wissen nutzen, um seine Technologie kontinuierlich zu verbessern. Aufklärung und Forschung rund um die Einsatzmöglichkeiten von grüner Kohle, auch bekannt als „Biochar“, haben sich mittlerweile zu einem zentralen Bestandteil des Geschäftsmodells entwickelt.

„Unser Ziel ist es, einen nachhaltigen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems zu leisten“, sagt Syncraft-Gründer Marcel Huber. Huber hat 2007 einen Schwebefestbettvergaser an der Hochschule MCI Innsbruck entwickelt – die patentierte Technologie, auf welcher das Unternehmen ruht. Zwei Jahre später gründete Huber Syncraft als Spin-off. 2014 gingen die ersten Rückwärtskraftwerke in Südtirol und Vorarlberg in Betrieb. Bis heute realisierte Syncraft mehr als 40 Rückwärtskraftwerke – unter anderem in Kroatien, Italien und Japan.

Neue Anlage in Gänserndorf

Mit rund 60 Mitarbeitenden konzentriert sich Syncraft auf die Kernbereiche des Kraftwerksbaus, der Forschung & Entwicklung, des Vertrieb und der Verwaltung. Der neue Firmensitz in Schwaz wurde 2024 eröffnet und soll ausschließlich mit erneuerbaren Energiequellen laufen.

Zu den jüngsten Erfolgen zählt die Eröffnung eines Rückwärtskraftwerks in Gänserndorf, Niederösterreich. Die Anlage versorgt das Fernwärmenetz mit 750 kW Wärme und speist 500 kW Elektrizität ins öffentliche Netz ein.

Darüber hinaus konnte Syncraft den Energy Globe Austrian Award 2024 in der Kategorie Wasser gewinnen. Wasser deshalb, da die Kohle auch dafür verwendet wird, um Abwasser zu reinigen, sagt das Unternehmen. Mit dem Projekt “Smarte Abwasserreinigung mittels Pulverkohle” konnten sich Syncraft gegen rund 300 andere Umweltprojekte durchsetzen.

Offen für Investor:innen

Syncraft hat sich mittlerweile zu einem profitablen Scaleup entwickelt. Seit der Gründung wirtschaftet das Unternehmen laut eigener Aussage mit den gleichen Gesellschaftern. Da Syncraft als Spin-off an der Hochschule MCI Innsbruck entstanden ist, zählt dazu auch MCI selbst.

Für die Zukunft hat sich Syncraft das Ziel gesetzt, sich noch weiter zu entwickeln und weiter zu wachsen. “Sollte uns also in Zukunft ein interessantes Investitionsangebot erreichen, werden wir uns dieses auf jeden Fall genauer anschauen”, so das Unternehmen.

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