12.04.2020

Deja(n)-vu: Bildung, Gesundheit, Industrie-Fokus uvm.

Die Woche vor Ostern hat sich in der heimischen Wirtschaft und der Coronakrise wieder einiges getan. Dejan Jovicevic, Herausgeber des brutkasten, nimmt dies zum Anlass und kommentiert in seinem "Deja(n)-vu"-Wochenrückblick die Ereignisse.
/artikel/dejan-vu-bildung-gesundheit-industrie-fokus-uvm
Coronakrise
(c) der brutkasten / AdobeStock

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Zunächst wünsche ich euch frohe Ostern und besinnliche Tage. Ihr wisst ja: Auch wenn wir alle viel lieber mit unseren Familien wären, distanced socialising bedeutet trotzdem nicht social distancing. Machen wir das Beste daraus!

Ich möchte nachfolgend wieder einige Geschehnisse und wesentliche Findings der vergangenen Woche kommentieren und analysieren. Unten blicke ich dabei unter anderem auf unsere Online Roundtables zurück:

  1. Online Roundtable mit der ehem. Bildungsministerin und derzeitigen Sektionschefin (u. a. für Digitalisierung) Iris Rauskala zum Thema E-Learning
  2. Online Roundtable mit dem neuen Generaldirektor der ÖGK (die neun fusionierten Gebietskrankenkassen) zum Thema E-Health
  3. Online Roundtable zum Status der Industrie in der Coronakrise mit den CEOs von Palfinger Global und HENN
  4. Online Roundtable zum Status Quo und Ausblick für die Wirtschaft mit Margarete Schramböck und Harald Mahrer
  5. Online Roundtable mit NOVID20

Bildungsbereich während und nach der Coronakrise

Am Montag haben wir mit Iris Rauskala, sowie den EduTechs MatheHero und eSquirrel über das Thema E-Learning gesprochen. Die ehem. Bildungsministerin und Sektionschefin Rauskala hat dabei eine neue Plattform für die Unterstützung der Lehrer bei der Verwendung der digitalen Tools vorgestellt.

Die Digitalisierung im Bildungsbereich erfährt gerade einen Turbo-Boost. Im Hintergrund stünden aber langjährige Strategien, die jetzt einfach schneller umgesetzt seien, sagt sie. Das deutet also darauf hin, dass die Änderungen von Bestand sind – es wird sich zeigen, in welcher Form.

Die beiden EduTechs in der Runde erfahren exponentielle Wachstumsraten bei den Nutzerzahlen. Das ist ein gutes Signal. Game-based Learning wird auch im Bildungsministerium als wesentlicher Bestandteil des (künftigen) Unterrichts gesehen. Startups können sich bei Iris Rauskala melden, werden vom Ministerium geprüft und kommen dann auf eine Empfehlungsliste.Tolle Entwicklung.

Ein kleiner Stimmungsdämpfer war für mich die wiederholte Betonung, dass Microsoft Office Produkte in allen Schulen ausgerollt wurden und Office 365 die Basis des E-Learnings darstellt. Keine Frage: Microsoft ist (wie andere US-amerikanische Tech-Companies) ein tolles Unternehmen. Ohne dessen Rechenzentren und Cloud-Lösungen hätten wir es in der Krise deutlich schwerer, wie es Michael Zettel, CEO von Accenture Österreich, bei unserer digitalen Wirtschaftskonferenz trefflich ausgeführt hat. Auch die Produkte und Applikationen wie Office 365 funktionieren einfach zuverlässig: Wäre Microsoft Teams nicht so gut ausgerollt worden, würden viele Schüler derzeit kein Unterricht bekommen, so Zettel abschließend.

Aber es gilt auch: Wir erziehen die Jugendlichen auf Staatskosten zu Microsoft. Mic Hirschbrich kommentierte dazu: „Dass wir jetzt in der Krise, die viel Digitalisierung braucht um bewältigt zu werden, auch auf Microsoft setzen, ist pragmatisch und legitim. Ob das „Danke“ z.B. für das Bereitstellen von Lizenzen für Schüler dabei sehr laut ausfallen muss, wenn wir unsere Jungen darauf ausbilden, ist ein anderes Thema.“

+++ #zusammenstärker: Über 1700 Teilnehmer bei digitaler Wirtschaftskonferenz +++

Wir erzeugen damit jedenfalls Konsumenten für US-amerikanische Tech-Produkte, anstatt eigene europäische Lösungen zu entwickeln. Ich darf einen Tweet von Mic zitieren: „Digitale Kompetenz für Schüler vermitteln heißt nicht bloß, Handies, Tablets und Microsoft-Programme bedienen zu können. Damit erziehen wir nur mal Konsumenten. Europa muss wieder lernen, Hard- und Software zu bauen. Und das wird ein sehr harter Weg, der keine Alternativen kennt.“

Berthold Baurek-Karlic bekräftigt dies: Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass wir in der Coronakrise nicht versuchen auf österreichische Software zu setzen. Und bringt damit sein Investment beim Wiener Startup Grape ins Spiel, das ein Chat-System beispielsweise auch für Schulen anbietet und nicht durchkommt. Ob es beim Grazer Startup Eyeson, für das der Investor Michael Altrichter unermüdlich wirbt, leichter geht, frage ich noch nach.

Versteht mich nicht falsch, ich finde Microsoft großartig und mir meinen Alltag ohne diese Tools und Technologien nicht vorstellen. Aber wir müssen endlich auch damit beginnen, unseren eigenen Startups und Tech Companies eine Chance zu geben. Man muss sie auch nicht gegeneinander ausspielen, vielleicht ist eine Symbiose möglich. Daran müssen wir aber proaktiv denken und es steuern. Sonst „weinen“ wir auch die nächsten 100 Jahre noch, dass wir keine global relevanten Tech-Player in Europa haben.

Gesundheitsbereich während und nach der Coronakrise

Im zweiten Roundtable ging es um die Themen Gesundheit und E-Health. Es war eine spannende Runde mit Uniqa Ventures, Symptoma und Doctorly, gemeinsam mit Bernhard Wurzer, dem Generaldirektor der ÖGK (die neun fusionierten Gebietskrankenkassen). Ich habe Bernhard ohne Vorbesprechung quasi direkt im Roundtable kennengelernt. Und war dementsprechend gefesselt, als er in Fahrt gekommen ist: „Ich hätte selbst gerne eine ÖGK Venture“, oder „Ich will noch mehr mit Startups arbeiten“ sind nur zwei von vielen spannenden Statements. Er dürfte für seine Offenheit für Innovation bekannt sein, aber da waren dann selbst die Insider nochmals überrascht, wie offen er war. Nach dem Roundtable wollte er übrigens sofort Kontaktdaten und alle Details von Symptoma und Doctorly haben.

Ich bin gespannt, was daraus wird. Jedenfalls freut er sich ebenso über den Digitalisierungs-Turbo in der Coronakrise. Wenn es nach ihm geht, bleiben E-Rezept und andere vorübergehende Maßnahmen weiter bestehen – denn wie wolle man es den Menschen nach Corona erklären, dass diese bestens funktionierenden Verbesserungen plötzlich nicht mehr möglich seien? Wow!

Andreas Nemeth, CEO von Uniqa Ventures, hat die Runde initiiert und die Bühne dann eher den HealthTechs überlassen. Uniqa Ventures investiert in Fintechs und Healthtechs, weil sie an die Kraft des Entrepreneurships glauben. Ihre Schützlinge geben ihnen recht.

Symptoma hat nochmals genau erklärt, wie sie auf 96%-ige Treffsicherheit bei der Corona-Diagnose kommen und Doctorly, wie sie die Ordinationen der Ärzte digitalisieren – bald auch in Österreich.

Industrie während und nach der Coronakrise

Mit weXelerate organisieren wir wöchentliche Leaders-Talks, diese Woche zum Thema Industrie mit Andreas Klauser, dem CEO von Palfinger und Martin Ohneberg, CEO von HENN. Awi Lifshitz, CEO weXelerate, hat die Runde initiiert, und es war sehr spannend.

HENN verzeichnete das beste Quartal in der Unternehmensgeschichte und hat sich nun teilweise in die Kurzarbeit verabschiedet: 40-50 Prozent Umsatzeinbruch im April. Martin bleibt aber zuversichtlich, auch in seiner Rolle als IV Präsident für Vorarlberg.

Palfinger hingegen hat nach wie vor eine tolle Auftragslage und gute Aussichten, sie sind bis 8. April auch ohne Kurzarbeit ausgekommen. Andreas bereiten einzig die Lieferketten kleine Sorgen, diese könnten in den kommenden Monaten für Einbrüche sorgen. Bei den Innovationsthemen wird Palfinger weiter am Ball bleiben und keinen Pausenknopf drücken, der neu geschaffene Unternehmensbereich für digitale Transformation, Palfinger 21st, gehöre schlussendlich zu einer der drei Strategie-Säulen des Unternehmens.

Martin hat als IV Präsident in Vorarlberg eine Blitzumfrage unter den dortigen Betrieben gemacht: es zeige sich schon, dass die Lage ernst sei. Ein Drittel der Betriebe würde in den kommenden Wochen die Produktion auf 0 – 50 Prozent herunterfahren. Aber man sei Imstande, sehr schnell wieder hochzufahren, innerhalb ein bis zwei Wochen kann volle Kapazität geschaffen werden. Ein Thema könnten aber die fehlenden Absatzmärkte werden, wenn das Corona-Problem nicht global rasch gelöst wird, ein Rebound in Österreich, wie von der Regierung geplant, sei wichtig, aber man müsse global zurückkommen.

Über seine Connections in China hat Palfinger übrigens 400.000 Masken für Österreich organisiert, eingeflogen und vorfinanziert – gelebte Corporate Social Responsibility. Bravo!

Andreas und Martin gehen übrigens nicht davon aus, dass die ausbleibenden Investitionen bis Jahresende noch nachgeholt werden können. Es geht nun um Schadensminimierung.

Status Quo und Ausblick für die Wirtschaft mit Margarete Schramböck und Harald Mahrer

Harald Mahrer hat das auch in unserem Roundtbale bei der #zusammenstärker Konferenz bekräftigt. Wenn wir im Bereich der Gesundheitsmaßnahmen weiterhin sehr diszipliniert bleiben, könnten wir uns im Inland gut erholen. Im Export hoffen wir, dass auch andere Ländern sehr konsequent bei den Gesundheitsmaßnahmen werden und auch mit der baldigen Wiederauferstehung der Wirtschaft beginnen können.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ließ im Rahmen dieses Roundtable anklingen, dass es nach der ersten Phase der akuten Hilfsmaßnahmen ein Konjunkturpaket brauchen wird, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Im Rahmen eines Konjunkturpakets könnten insbesondere Investitionen in die Infrastruktur und Bauwirtschaft getätigt werden, so Schramböck. Derzeit sei aber dafür noch viel zu früh, es gehe jetzt um die überlebensnotwendige Liquiditätszufuhr. Harald Mahrer verwendet dazu trefflich das Bild der Blutkonserve für den notleidenden Patienten. Es wird noch dauern, bis die Rehabilitation beginnt.

Ein Punkt, der dem Panel besonders wichtig war: Auch wenn derzeit bereits über die Zeit „nach der Coronakrise“ gesprochen wird, stehe Österreich noch am Anfang. Eine klare Message, die auch Bundeskanzler Kurz am Ostersamstag in einem offenen Brief an Bevölkerung wiederholte: Der Coronavirus ist noch nicht besiegt und wird uns noch über Monate begleiten.

Harald Mahrer brachte es auf den Punkt: Wenn wir bei den gesundheitlichen Maßnahmen nachlassen, könnte es zu einem zweiten Lockdown kommen und das wäre für die Wirtschaft brutal.

Startup Hilfspaket

Für Startups wird übrigens u.a. an einem privat dotierten Runway-Fonds iHv 50 Mio mit Hochdruck gearbeitet. Dafür sollen die Garantien für Überbrückungsfinanzierungen iHv bis zu 80 Prozent vom Staat übernommen werden. Stay tuned, Details dazu – und zu weiteren Maßnahmen – bringen wir bald.

Eines aber gilt sofort: die AWS und FFG arbeiten sehr kulant und so weit es geht unbürokratisch auch an den bestehenden Förderprogrammen. Anträge in aktueller Phase lohnen sich. Das kann ebenso ein super Weg für Liquiditätsbeschaffung sein, ergänzend zu Corona-spezifischen Programmen wie Emergency Call (FFG) oder Überbrückungsgarantien (AWS).

Ebenso werden die Förderstellen bei bereits genehmigten Förderungen kulant vorgehen, was sehr zu begrüßen ist.

Bitte kein Startup Hilfspaket

Nota bene: Lediglich off-record erreichen mich Stimmen – aus der Community – die sich gegen ein Hilfspaket aussprechen. Die Investoren hätten genug Geld und wären dafür verantwortlich, ihre Startups auch in Krisen zu finanzieren, der Staat hat ohnedies bereits finanziell „ordentlich angeschoben“. Damit pflichten sie Robin Kleins „Don’t bail out the startups“ bei. Im Sifted meinte er uA: „Von allen Bedrohungen, die von Covid-19 ausgehen, ist die Bedrohung für Early-Stage-Startups das Geringste, über das wir uns Sorgen machen sollten“.

Na bum! Startups sehen das natürlich anders, nach einer Blitzumfrage des Think Tanks AustrianStartups sehen sich 85 Prozent direkt von der Coronakrise betroffen und hoffen auf einen Rettungsschirm.

Wobei der angesprochene Runway Fonds genau dem Gedanke Robin Kleins folgt, wenn er meint: „Stellt sicher, dass nur die Startups und Scaleups, die weiterhin den Rückhalt der bestehenden Investoren haben, von der Unterstützung des Staates profitieren.“.  

Mir fehlen hier die marktwirtschaftlichen Grundlagen, um mir schnell eine fundierte Meinung zu bilden, deshalb sage ich „Im Zweifel für den Angeklagten“ und appelliere für rasche Umsetzung des Rettungsschirms. Es scheint mir ein schlechter Zeitpunkt für Experimente zu sein, aber reden wir nochmal in einem halben Jahr darüber. 

Anti-Corona App NOVID20

Sehr spannend war auch der Deep Dive mit den Initiatoren von NOVID20. Sie bauen quasi die südkoreanische Anti-Corona App nach, diese hatte dort eine beeindruckende Wirkung erzielt. Die App wurde nach unseren Privacy- und Datenschutz-Maßstäben gebaut und in der Zwischenzeit in Georgien gelauncht. In Österreich könnten einzelne Features in die App des Roten Kreuzes eingebaut werden.

In der Woche davor haben wir einen Online Roundtable zu Tech und Datenschutz in der Coronakrise u.a. mit dem Roten Kreuz & Accenture (hat die App gebaut) organisiert und in Slido eine Abstimmung durchgeführt. Hier die Ergebnisse der 111 Stimmen:

Die Ergebnisse finde ich leider ernüchternd, ich hätte mir mehr Zustimmung gewünscht!

ETFs als Thema in der Serie „Junges Geld“

Unsere „finanzwirtschaftliche Edelfeder“, Niko Jilch, hat sich in seiner Kolumne diese Woche mit ETFs beschäftigt. Hochspannend. Twitter war begeistert, und das soll ja was heißen ;).

Digitale Wirtschaftskonferenz #zusammenstärker

Und abschließend noch ein paar Worte zu einem weiteren Highlight der Woche: unsere digitale Wirtschaftskonferenz #zusammenstärker. Über dieses Thema habe ich diese Woche bereits ein paar Mal geschrieben, daher fasse ich mich an dieser Stelle kurz: Es war großartig, und wir bleiben am Format voll dran – stay tuned.

Liebe Grüße, bleibt gesund – und so gut es geht zu Hause!

Euer Dejan
Deine ungelesenen Artikel:
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
/artikel/no-hype-ki-folge-5
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
/artikel/no-hype-ki-folge-5

„No Hype KI“ wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie „No Hype KI“ diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

„Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“

„Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. „Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören“, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als „Key Technology“ im KI-Bereich. Für „Women in AI“ spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: „Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.“ Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was „open“ sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: „Wir setzen genau so auf hybrid.“

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. „Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden“, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in „Compliance-Fallen“ führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: „Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.“ Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: „Man kann nicht immer gleich die neueste ‚bleeding edge‘-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.“

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. „Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich“, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. „KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht“, so Böttcher.

„Rechenleistungs-Hunger“ von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. „Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur“, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der „Rechenleistungs-Hunger“ sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: „Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.“ Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. „Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar“, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. „Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben“, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: „Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.“

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: „Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.“ Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. „Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann“, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. „Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist“, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? „Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen“, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: „Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.“ Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die „Pioniere“ im Unternehmen. „AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen“, so Ratheiser.

„Einfach einmal ausprobieren“

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: „Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.“ Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: „Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.“ Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
27.01.2025

Open Source und KI: „Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören“

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.

„No Hype KI“ wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie „No Hype KI“ diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

„Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“

„Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen“, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. „Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören“, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als „Key Technology“ im KI-Bereich. Für „Women in AI“ spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: „Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.“ Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was „open“ sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: „Wir setzen genau so auf hybrid.“

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. „Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden“, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in „Compliance-Fallen“ führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: „Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.“ Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: „Man kann nicht immer gleich die neueste ‚bleeding edge‘-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.“

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. „Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich“, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. „KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht“, so Böttcher.

„Rechenleistungs-Hunger“ von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. „Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur“, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der „Rechenleistungs-Hunger“ sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: „Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.“ Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. „Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar“, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. „Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben“, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: „Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.“

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: „Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.“ Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. „Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann“, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. „Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist“, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? „Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen“, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: „Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.“ Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die „Pioniere“ im Unternehmen. „AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen“, so Ratheiser.

„Einfach einmal ausprobieren“

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: „Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.“ Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: „Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.“ Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

No Hype KI
Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag