25.07.2023

Was der Data Act für österreichische Startups bedeutet

Interview. Im Juni einigten sich das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten auf den Data Act. Der Rechtsanwalt Arthur Stadler erklärt, was jetzt auf Startups zukommt.
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Foto: Stadler Völkel Rechtsanwälte / Unsplash
Arthur Stadler erklärt, was der Data Act für österreichische Startups bedeutet. Foto: Stadler Völkel Rechtsanwälte / Unsplash

Im Wohnzimmer ist der Staubsauger-Roboter unterwegs, die Apple-Watch am Handgelenk zeichnet Gesundheitsdaten auf, das smarte Türschloss öffnet die Garageneinfahrt. Ob in den eigenen vier Wänden oder in Fabrikshallen – überall entstehen heutzutage Daten. Diese Daten haben auch einen großen wirtschaftlichen Wert, ohne sie geht in der Digital Economy nichts mehr.

Bis zu 80 Prozent der Daten ungenutzt

Ganz eigene Geschäftsmodelle wurden rund um Daten und Geräte aufgebaut: Wer etwa einen Smartwatch kauft, muss oft eine spezielle App dafür verwenden. Elektroautos werden mit ihrer eigenen Software ausgeliefert. Damit soll damit künftig jedoch Schluss sein.

Im Juni haben sich das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten auf den Data Act geeinigt, jetzt steht nur mehr die formelle Bestätigung aus. Der Data Act soll vor allem die Rechtssituation bei Smarten Geräten und dem Internet of Things (IoT) verbessern.

2026 soll er geltend werden und vor allem für Verbraucher:innen einiges verbessern. Aber auch für die Wirtschaft soll sich damit vieles verbessern: Die EU-Kommission erhofft sich von den neuen Regelungen ein BIP-Wachstum von 270 Millarden Euro im Wirtschaftsraum. Denn laut EU-Kommission würden derzeit bis zu 80 Prozent der Daten ungenützt bleiben.

Der Data Act im Detail

brutkasten: Was ändert der Data Act für Startups im Allgemeinen?

Arthur Stadler: Gleich vorweg: Der Data Act befindet sich noch im EU-Gesetzgebungsverfahren. Es kann also noch zu etlichen Änderungen kommen.

Die meisten wesentlichen Verpflichtungen des Data Acts gelten erst ab einer gewissen unternehmerischen Größe (grundsätzlich ab 50 Mitarbeiter und 10 Mio Euro Jahresumsatz/Jahresbilanz), sodass Startups von einem signifikanten Teil der Verpflichtungen des Data Acts grundsätzlich und realistischerweise nicht betroffen sein werden.

Startups kommen aber Rechte und Schutzmaßnahmen zugute. So werden diese etwa insbesondere vor missbräuchlichen Vertragsklauseln im Zusammenhang mit Datenzugang und Datennutzung geschützt (siehe Artikel 13 Data Act). Es soll unverbindliche Standardklauseln geben. Das stärkt die Verhandlungsposition von Startups im Zusammenhang mit der Weitergabe und Nutzung von Daten speziell gegenüber anderen Unternehmen, deren Verhandlungsmacht stärker ist und bietet neue wirtschaftliche Chancen speziell für Startups (Stichwort Datenportabilität).

Was ändert sich dadurch für die Hersteller von smarten Produkten?

Stadler: Der Data Act gilt grundsätzlich auch für Hersteller von smarten Produkten (wenn diese als Produkt im Sinne des Data Acts zu qualifizieren sind), die in der EU in Verkehr gebracht werden. Sofern gewisse Größenschwellen überschritten werden (siehe zuvor), sind diese Hersteller zu verschiedenen Vorgaben verpflichtet.

Insbesondere sind Hersteller dazu verpflichtet, Produkte so zu konzipieren und herzustellen, dass die bei der Nutzung erzeugten Daten für den Nutzer direkt zugänglich sind. Darüber hinaus bestehen vor Abschluss bestimmter Verträge für ein solches Produkt umfangreiche Informationspflichten an den Nutzer. Soweit der Nutzer nicht bereits direkt über das Produkt auf die Daten zugreifen kann, muss der Hersteller, sofern er als Dateninhaber qualifiziert wird, Zugang zu den Daten ermöglichen.

Dem Hersteller wird auch zusätzlich vorgeschrieben, nicht personenbezogene Daten nur auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Nutzer zu nutzen. Diese dürfen weiters nicht zu jedem beliebigen Zweck genützt werden. Es gibt hier spezielle Einschränkungen (vgl. Artikel 4 (6) Data Act). Darüber hinaus gibt es Regelungen zur Datenweitergabe an Dritte. So existiert das Recht des Nutzers durch die Nutzung des Produkts erzeugte Daten, die sich beim Dateninhaber befinden, einem Dritten bereitzustellen. Das führt für Hersteller smarter Produkte zu einem größeren Konkurrenzdruck, wird doch Datenportabilität vereinfacht. Dritte, die solcherart Daten erhalten, sind in der Nutzung der Daten jedoch eingeschränkt. Damit soll ein gewisses Gleichgewicht der Interessen, trotz Weitergabe von Daten, geschaffen werden.

Neu sind auch Verpflichtungen zur Bereitstellung von Daten für öffentliche Stellen wegen außergewöhnlicher Notwendigkeit. Diese Neuregelungen gelten zwar nicht für kleine Unternehmen und Kleinstunternehmen (wie etwa Startups), doch sehen sie für davon erfasste Unternehmen zusätzliche Datenbereitstellungspflichten vor.

Sieht die Regelung vor, dass alle Daten ausgelesen werden dürfen? Darf man dann z.B. einfach den Quellcode des Tesla-Autopiloten einsehen und kopieren?

Der Datenzugriff begrenzt sich auf die bei der Nutzung erzeugten Daten. Ausnahmen davon können insbesondere gegenüber öffentlichen Stellen im Falle außergewöhnlicher Notwendigkeit bestehen. Sofern man überhaupt davon ausgehen mag, dass unter “Daten” auch ein Quellcode subsumierbar ist, würde ein auf den Quellcode bezogenes Auslesebegehren auf Basis des Data Act bereits aufgrund der Einschränkung auf die bei der Nutzung erzeugten Daten scheitern, da der Quellcode üblicherweise vorab statisch existiert und ausgeführt wird (Trennung: statischer Quellcode und dynamische/variable Nutzerdaten).

Wie gesagt, kann es sicherlich im EU-Gesetzgebungsprozess noch zu Änderungen kommen. Darüber hinaus sind Einschränkungen etwa zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und funktionierendem Wettbewerb zu beachten.

Werden Geschäftsgeheimnisse im Data Act ausreichend geschützt?

Der Data Act sieht zwar unterschiedliche Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor. Trotzdem kann eine gewisse Unsicherheit der betroffenen Unternehmen nicht gänzlich geleugnet werden.

Nachdem sich der Rechtsakt noch im Gesetzgebungsverfahren befindet, kann es hier auch noch zu Änderungen im Zusammenhang mit dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen kommen, sodass letztlich erst die Praxis zeigen wird, wie gut der Schutz tatsächlich funktioniert. Ähnlich wie auch im Datenschutzrecht werden die Gerichte in Zweifelsfällen zu klären haben, wie weit der Schutz reicht.

Der Data Act soll laut EU-Kommission Innovationen begünstigen. Aber wofür und wie dürfen die Daten überhaupt verwendet werden?

Der leichtere Zugang zu erfassten Daten wird eine größere Auswahl an Diensten Dritter begünstigen. Diese könnten ihre Leistungen dann möglicherweise sogar preisgünstiger oder zu besserer Qualität anbieten. Davon können Startups profitieren, da diese mit den Daten arbeiten und entsprechende Leistungen anbieten werden können. So ist etwa denkbar, dass sich die Nutzer vernetzter Produkte für einen günstigeren Reparatur- und Wartungsanbieter (etwa ein Startup) entscheiden – oder sie selbst entsprechende Wartungen bzw Reparaturen durchführen. Es gelten jedoch auch hier gewisse Einschränkungen.

Was müssen Startups künftig bei der Entwicklung von smarten Produkten beachten?

Nachdem ein Wachstum eines Startups möglich ist, sollten auch die aufgrund der Größenschwellen noch nicht erfassten Startups ihre Produkte, Prozesse und Services auf den Data Act anpassen. So kann mühsamer späterer Anpassungsbedarf vermieden werden. Dementsprechend sollten Startups im Zusammenhang mit dem Data Act etwa darauf achten, Produkte bereits so zu konzipieren und herzustellen, dass bei der Nutzung erzeugte Daten für den Nutzer standardmäßig einfach, sicher und – soweit relevant und angemessen – direkt zugänglich sind.

Die neuen Regeln sollen nicht für Klein- und Kleinstunternehmen gelten. Aber für alle anderen. Welche Folgen drohen bei Nichteinhaltung?

Ähnlich wie auch im Datenschutzrecht besteht auch im Zusammenhang mit dem Data Act das Recht auf Beschwerde bei einer zuständigen Behörde. Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten Vorschriften zu Sanktionen bei Verstößen gegen den Data Act erlassen. Unter Umständen kommt den Aufsichtsbehörden sogar das Recht zu Geldbußen bis zu 20 Mio. Euro bzw. bis zu vier Prozent des weltweiten Gesamtjahresumsatzes des Unternehmens zu verhängen. Darüber hinaus sind auch Schadenersatzklagen denkbar.

Die Krypto-Szene befürchtet, dass mit dem Data Act ein “Kill Switch” eingeführt wird. Was ist darunter zu verstehen und wie begründet sind diese Befürchtungen?

Im technischen Kontext kann unter einem sogenanntem “Kill Switch” eine Art “Notaus-Funktion” verstanden werden, die beispielsweise zu einer Unterbrechung oder zum Ausschalten einer Maschine oder dergleichen führt.

Die Befürchtungen der Krypto-Szene stützen sich vorwiegend auf den Artikel 30 des Data Acts. Dieser regelt wesentliche Anforderungen an intelligente Verträge für gemeinsame Datennutzungen und sieht für solcherart erfasste “Verträge” etwa vor, dass es Möglichkeiten zur sicheren Beendigung und Unterbrechung geben soll. Hier sieht die Krypto-Szene teilweise Herausforderungen bei der tatsächlichen Umsetzung im Krypto-Bereich.

Auch aus unserer Sicht bedarf es noch der ein oder anderen Anpassung bzw Konkretisierung des derzeitigen Entwurfs des Data Acts. Neben den durch die Krypto-Szene monierten Aspekten sollte etwa auch sichergestellt werden, dass die Definition des intelligenten Vertrags im Artikel 2 Ziffer 16 nicht überschießend und allfällige weitere Begriffsverweisungen akkurat sind.

Bei der Verfügbarmachung von Daten sollen die sogenannten FRAND-Bedingungen gelten. Was ist das und wie hält man sich daran?

Der Begriff FRAND steht für fair, reasonable and non-dicriminatory und war bisher eher aus anderen Rechtsgebieten bekannt. Im Lichte des Data Acts versteht man sinnverwandte Umstände bzw Grundsätze auf deren Basis Datenzugang gewährt werden soll. Konkret sieht etwa Artikel 8 Absatz 1 des Data Act faire, angemessene und nichtdiskriminierende Bedingungen für die Datenbereitstellung vor. Konkretisierungen dazu finden sich etwa in Kapitel IV des Data Act.

Zusammengefasst sollte der Dateninhaber sicherstellen, dass zuvor genannte Grundsätze eingehalten und keine missbräuchlichen Klauseln verwendet werden. Die Verwendung der versprochenen Standardklauseln kann hier hilfreich sein.

Zur Person

Arthur Stadler ist Datenschutzexperte und Partner bei Stadler Völkel Rechtsanwälte.

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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