04.12.2024
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Das Voting zum “Innovator of the Year” 2024 – Kategorie Startups

Mit dem "Innovator of the Year" zeichnen wir gemeinsam mit unserer Community die innovativsten Köpfe Österreichs aus. Wähle in der Kategorie "Startups" bis 10. Jänner 2025 deine Favoritin oder deinen Favoriten.
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Die österreichische Startup-Szene hat in den vergangenen zwölf Monaten einmal mehr bewiesen, wie viel Innovationskraft und Durchhaltevermögen in ihr steckt. Trotz eines schwierigen wirtschaftlichen Umfelds haben viele Gründer:innen beeindruckende Fortschritte erzielt, ihre Unternehmen vorangetrieben und Lösungen geschaffen, die den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig stärken.

+++ Hier könnt ihr in der Kategorie Scaleups abstimmen +++

Als Leitmedium für die Gestalter:innen der Zukunft starten wir daher bereits zum vierten Mal den “Innovator of the Year” und zeichnen gemeinsam mit unserer Community in den drei Kategorien Startups, Scaleups und Corporate Innovation die innovativsten Köpfe aus.

Den Anfang macht die Kategorie “Startups” mit insgesamt zehn Nominierungen. Die brutkasten-Redaktion ist täglich im Austausch mit den Gründer:innen und hat in mehreren Jurysitzungen eine Shortlist mit jenen erstellt, die 2024 besonders aufgefallen sind. Die Nominierten haben die Redaktion mit innovativen Ideen, Geschäftsmodellen und Produkten besonders überzeugt.

+++ Hier könnt ihr in der Kategorie Corporate Innovation abstimmen +++

Wähle bis 10. Jänner dein:e Favorit:in

Jetzt bist du am Drücker: Wähle bis 10. Jänner 2025 (23:30 Uhr) deine Favoritin oder deinen Favoriten zum “Innovator of the Year”! Jede:r User:in hat eine Stimme und es kann einmal pro Tag und Kategorie abgestimmt werden – es zahlt sich also aus, die eigene Community zu aktivieren! Der “Innovator of the Year” erhält ein brutkasten Medienvolumen in Höhe von 4.100 Euro. Die Gewinner:innen in allen Kategorien werden am 14. Jänner 2025 auf brutkasten.com veröffentlicht.

PollMaker

Anna Abermann | Pona

Anna Abermann | (c) griseldaphotography.com | brutkasten

Anna Abermann, die Gründerin der Bio-Getränkemarke Pona, erlebte 2024 ein Jahr des Neuanfangs. Nachdem ihr Unternehmen, die Pona Sonst Nix GmbH, im Juli 2023 Insolvenz anmelden musste, gelang ihr Anfang 2024 der Neustart. Gemeinsam mit Wolfgang Fojtl, dem Eigentümer der Bio-Frühstücksmarke Verival, gründete sie die Wonderful Biodrinks GmbH, in der sie als Mehrheitsgesellschafterin fungiert. Im Mai 2024 trat die Wonderful Biodrinks GmbH als Sponsor des Vienna Shorts Filmfestivals mit der Marke bitterschön auf, was die aktive Präsenz des Unternehmens in der österreichischen Kulturszene unterstreicht. 

Katharina Unger | Livin Farms

Katharina Unger | (c) Paris Tsitsos / Livin Farms

Katharina Unger, Gründerin und CEO von Livin Farms, trieb 2024 die Expansion ihres Unternehmens entscheidend voran. Der Bau neuer, modular skalierbarer Insektenmastanlagen begann in mehreren europäischen Ländern, darunter Spanien, Österreich, Belgien und Deutschland. Diese Anlagen sind darauf ausgelegt, jährlich bis zu 100.000 Tonnen organisches Material in hochwertiges Insektenprotein umzuwandeln und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Proteinproduktion.

Michael Hofmannrichter I Silana

Michael Hofmannrichter | (c) LinkedIn-Profil

Das Nähroboter-Startup Silana wurde Mitte 2022 von Michael Hofmannrichter (CEO), Michael Mayr (COO) und Anton Peter Wohlgemuth (CTO) gegründet. Das Wiener Unternehmen erhielt im Mai 2024 ein 1,5 Millionen Euro-Investment von einer US-Milliardärs-Familie, den waterdrop-Gründern Martin und Henry Murray, von der Nachhaltigkeitsexpertin in der Textilindustrie Yoobin Jung und dem Sequoia Scout und ex-CGO von N26 Alexander Weber. Knapp vier Monate danach vermeldete Silana den Gewinn von Trigema als Kunden.

Michael Kowatschew | Heizma

Michael Kowatschew | (c) LinkedIn-Profil

Achtstellige Verkäufe und einem Team von mittlerweile rund 70 Personen. Und das, obwohl das Unternehmen erst im Frühjahr dieses Jahrs an den Start ging und bislang kein Investment aufgenommen hat. Die Rede ist von Heizma rund um Michael Kowatschew, Alexander Valtingojer und Valentin Perkonigg. Mit seinem Ansatz, Kund:innen einen möglichst einfachen und schnellen Zugang zu Wärmepumpen-Systemen inklusive Förderabwicklung komplett aus einer Hand zu bieten, startete das Unternehmen dieses Jahr in kürzester Zeit durch – und Pläne für eine Erweiterung auf den PV-Bereich liegen bereits am Tisch.

Mona Heiß | Freundeskreis und Under the Hours

Mona Heiß | LinkedIn-Profil

Als Mitgründerin des Wiener Startups Freundeskreis entwickelte Mona Heiß gemeinsam mit Leo Sulzmann und Markus Korn eine pflanzliche Camembert-Alternative namens „Cam-mmh-berta“. Das Produkt wird aus Marillenkernen hergestellt, einem Nebenprodukt der Marillenverarbeitung, und bietet eine vegane sowie laktosefreie Option für Käseliebhaber:innen. Seit Juni 2024 ist „Cam-mmh-berta“ in ausgewählten Wiener Geschäften erhältlich. Mit ihrer Marke „Under the Hours“ brachte Heiß zudem eine nachhaltige Unterwäsche- und Loungewear-Kollektion auf den Markt, die aus Materialien wie Milch- und Orangenfasern besteht. Diese Textilien werden aus überschüssiger oder unbrauchbarer Milch gewonnen, wodurch Lebensmittelabfälle reduziert und umweltfreundliche Alternativen zu synthetischen Fasern geschaffen werden.

Moritz Lechner | New Fluence

Moritz Lechner | (c) LinkedIn-Profil

Mit 14 Jahren war er der damals jüngste Gründer Österreichs und startete sein Startup Freebiebox “aus dem Kinderzimmer heraus”. 2021 starteten Moritz Lechner und sein Co-Founder Chris Pollak mit New Fluence ein neues Unternehmen, das auf die automatisierte Abwicklung von Micro-Influencer-Marketingkampagnen spezialisiert ist. Drei Jahre später – mit mittlerweile rund 50 Mitarbeiter:innen, 10.000 betreuten Influencer:innen einem siebenstelligen EBIT und Kunden wie Coca-Cola, Beiersdorf, C&A oder Waterdrop – folgte dieses Jahr der Millionenexit. Und auch mit dem neuen Eigentümer 1SP Agency aus Deutschland will Lechner weitermachen und das Wachstum vorantreiben.

Patrik Aspermair | Nosi

Patrik Aspermair | (c) LinkedIn-Profil

Bild und Ton gibt es bereits lange in digitaler Form. Ein Sinneseindruck, der bislang dagegen nicht von Computern übernommen werden konnte, sind Gerüche. Das Startup Nosi rund um Patrik Aspermair, Klara Brandstätter und Johannes Bintinger ändert das. Seine elektronische Nase “soll überall dort reingesteckt werden, wo der Mensch seine Nase nicht reinstecken soll oder will”. Fokusbereiche sind etwa Smart Home, Indoor Air Quality, Pflege und Hotellerie. Nach jahrelanger Forschung und Entwicklung macht Nosi mittlerweile seine ersten Schritte am Markt – und hat große Pläne.

Robin Simsa | Revo Foods

Robin Simsa | (c) Revo Foods

Robin Simsa, Gründer und CEO von Revo Foods, hat 2024 bedeutende Fortschritte im Bereich der pflanzlichen Fischalternativen erzielt. Im März stellte das Unternehmen mit “The Kraken” die erste vegane Oktopus-Alternative vor, die durch authentischen Geschmack und Textur überzeugt. Im September eröffnete Revo Foods in Wien die “Taste Factory”, die weltweit größte industrielle Anlage für 3D-Lebensmitteldruck. Diese Einrichtung ermöglicht die Produktion von bis zu 60 Tonnen pflanzlicher Filets und Steaks pro Monat und markiert einen Meilenstein in der additiven Lebensmittelherstellung. Zusätzlich ging Revo Foods eine Kooperation mit dem belgischen Unternehmen Paleo ein, um mithilfe von Präzisionsfermentation innovative Myoglobin-Lösungen für pflanzliche Fischalternativen zu entwickeln.

Sabine Niedermüller und Simone Mérey | Heldyn

Sabine Niedermüller und Simone Mérey | (c) Heldyn

Sabine Niedermüller und Simone Mérey, Gründerinnen des Wiener Pflege-Startups Heldyn, konnten 2024 bedeutende Fortschritte erzielen. Neben der Expansion nach Salzburg im Herbst bauten sie insbesondere den B2B-Bereich aus. Heldyn bietet nun gezielt Pflege- und Therapiedienstleistungen für Geschäftskunden wie Spitäler, Pflegeheime und Hauskrankenpflegeanbieter an, um flexibel auf Bedarfsspitzen und Dienstausfälle zu reagieren. Diese Weiterentwicklung wurde durch eine sechsstellige Finanzierung im November unterstützt, an der sich neben neuen Investoren wie der Weilburg Ventures GmbH auch bestehende Geldgeber wie die AS²K Beteiligungs GmbH von Sebastian Kurz beteiligten.

Sophie Bolzer | Audvice

Sophie Bolzer hat Audvice gegründet © Audvice
Sophie Bolzer | (c) Audvice

Sophie Bolzer ist Gründerin des Salzburger Startups Audvice, das eine Plattform für Corporate-Podcasts und Audio-Kommunikation in Unternehmen entwickelt. Im September wurde Audvice vom deutschen Unternehmen Hype1000, einem führenden Anbieter im Bereich Corporate Podcasting, vollständig übernommen. Bolzer bleibt bis Ende des Jahres operativ tätig und wird anschließend in beratender Funktion für das Unternehmen tätig sein.


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03.01.2025

Zahn um Zahn im Unternehmen: Von unerkannten Konflikten und mangelnden Skills

Unerforschte Weiten sind es eigentlich keine mehr: Im heimischen Startup-Ökosystem häuft sich die Anzahl von Lebensberater:innen, Mediator:innen und Coaches. Konfliktlösungsmanagement ist längst kein Fremdwort mehr und gehört zu einer modernen Unternehmensführung dazu – in der Theorie. In der Praxis sieht es etwas anders aus: Nicht jeder Konflikt wird als solcher wahrgenommen oder erkannt.
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Konflikte, Konflikte in Unternehmen, Mediation, Mediator, ostal
(c) Stock.Adobe/gnublin - Es gibt verschiedene Arten von Unternehmenskonflikten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe unseres Jubiläum-Printmagazins – “Wegbereiter”. Eine Downloadmöglichkeit findet sich am Ende des Artikels.


Es war nur eine Bemerkung am Rande – doch sie schwillt an und gärt wie verfaulendes Obst. Und sie wird bleiben, wird weitere Verletzungen aufnehmen und wachsen; sich steigern, bis sie zum Problem und dann klar benennbar für alle zu einem fassbaren Begriff wird. Erst dann wird man es Konflikt nennen, obwohl der Beginn schon viel früher vollzogen war. Mit dieser einen Bemerkung am Rande.

Laut Definition im Duden ist ein Konflikt „das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen, Interessen oder eine ähnlich entstandene schwierige Situation, die zum Zerwürfnis führen kann“. Dies ist auch die allgemeine Auffassung im kollektiven Bewusstsein von Gesellschaften. Dabei wird aber oft übersehen, dass ein Konflikt je nach Bereich weitaus mehr Ebenen hat.

Für Jürgen Dostal, Konfliktexperte und Gründer von Proconsens.at, sind es im unternehmerischen Umfeld andere Dynamiken als im Privaten, die vor allem das Arbeitsklima massiv beeinflussen können. Personen fühlen sich seinen Erkenntnissen nach in ihren Werten oder im Handeln eingeschränkt oder gar gemobbt, während anderen oftmals gar nicht bewusst sei, dass es eine Art von negativer Interaktion gegeben hat. Da kann es zu interpersonellen oder gar IntergruppenKonflikten (Abteilungen, Teams) kommen, mit der möglichen Folge, sich gegeneinander auszuspielen – ohne die wahren Gründe für die Unstimmigkeiten zu thematisieren.

Die Konfliktarten

Passend dazu hat das HR-Startup Personio eine Unterteilung des Begriffs in verschiedene Punkte vorgenommen. Konflikte können in Unternehmen zwischen Mitarbeiter:innen gleicher Ebene (Kolleg:innen) entstehen, zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden oder zwischen ganzen Teams bzw. Abteilungen. Das Konfliktmanagement unterscheidet daher zwischen einer ganzen Reihe von Konfliktarten.

Bei Sachkonflikten handelt es sich um unterschiedliche Auffassungen in Sachfragen, etwa um die beste Methode, eine Aufgabe zu erledigen, oder welches Feature als Nächstes in ein Produkt eingebaut werden soll.

Beziehungskonflikte nennt man den Zustand, wenn das zwischenmenschliche Verhältnis gestört ist. Sie fußen meist auf negativen Erlebnissen oder Vorurteilen und sind oft nur Ausdruck anderer, unterbewusster Konflikte. Missverständnisse in der Kommunikation sind eine weitere Konfliktart, in der beteiligte Parteien schlicht falsche Schlüsse aus dem Gesagten ziehen.

Ressourcenkonflikte nennt man es, wenn Mitarbeiter:innen die Verteilung der Unternehmensressourcen persönlich als ungerecht empfinden.

Bei Zielkonflikten wiederum prallen verschiedene Abteilungen aufeinander – etwa wenn eine mit Kürzungen zu hadern hat, die andere jedoch auf die Arbeit ihrer Kolleg:innen angewiesen ist, um Firmenziele zu erreichen (z. B. Development vs. Vertrieb).

Wertekonflikte sind indes geprägt von persönlichen Moralvorstellungen, die zu Zwistigkeiten führen können, wenn Führungskräfte oder die Belegschaft entgegen persönlicher Einstellungen handeln.

Die Studie „Konfliktkultur in Österreichs Unternehmen“, die Jürgen Dostal und sein Team mit 300 Teilnehmer:innen (66 Prozent Führungskräfte) ausgearbeitet haben, zeigt eines der Grundprobleme in unternehmensspezifischen Konfliktfällen: Leader subsumieren im Wesentlichen unterschiedliche Interessenslagen (77 Prozent) bzw. Interaktionen, bei denen sich mindestens zwei Akteur:innen beeinträchtigt sehen, als Konflikt. Nur 48 Prozent der Befragten folgen der Auffassung, dass ein Konflikt auch dann vorliegt, wenn sich von mehreren Personen lediglich eine beeinträchtigt sieht. Damit würden rund die Hälfte der Manager:innen spezielle Vorfälle wie Mobbing oder das „Getroffensein von Bemerkungen“ nicht als Konflikt ansehen – mit möglichen weitreichenden Folgen.

Was innen passiert, bleibt innen

Hier geht es, in anderen Worten, um Beispiele, in denen sich Personen durch vereinzelte Aussagen von Kolleg:innen oder Führungskräften irritiert fühlen und ihre Irritation nicht artikulieren; oder, falls doch, die Situation nicht als „Konflikt aus dem Inneren“ wahrgenommen wird. Ungelöste und unterbewusste (unerkannte) Konflikte beeinträchtigen das Arbeitsklima, weiß Dostal. Sie senken die Zufriedenheit am Arbeitsplatz und auch die Produktivität, erhöhen die Fluktuation im Team, erzeugen Stress und gefährden die Gesundheit (Anstieg der Krankenstände); was schlussendlich zu einer schlechteren Qualität im Unternehmen führt und stark dem Firmenimage schadet.

Konflikte
(c) Proconsens.at – Jürgen Dostal von Proconsens.at

„Dort, wo Konflikte bestehen, ziehen sich Menschen zurück“, sagt er, „mit negativen Auswirkungen. Spannend ist ja, dass über 60 Prozent unserer Befragten sagen, dass sie nicht mit entsprechenden Skills ausgestattet sind, um Konflikte zu lösen.“ Dabei wären es laut dem Mediator ganz einfache Kommunikationsfähigkeiten, die es braucht, um Probleme anzugehen. „Es ist nicht kompliziert“, führt Dostal weiter aus. „Man muss sich Zeit nehmen und kommunizieren. Es geht nicht darum, den Konflikt ‚wegzureden‘, sondern um ein aktives Zuhören und ein Verstehen, worum es den beteiligten Personen geht. Das Problem hier ist, dass jahrzehntelang Führungskräfte bestellt wurden, nicht um zu führen; sie wurden aus einer traditionellen Rolle des Expertentums heraus rekrutiert, aber ohne in Führungsskills zu investieren. Viele Gründe für Konflikte liegen jedoch spezifischer vergraben und brauchen Skills, um erkannt zu werden.”

Für Diana-Maria White, Rechtsanwältin, Verteidigerin in Zivil- und Strafsachen und Wirtschaftsmediatorin, sind Konflikte im Job-Kontext etwas „strukturell Normales, wie sie bereits im Oktober 2023 im brutkasten-Talk erklärte. Man gehe mit fremden Menschen eine Bindung ein, die man privat gar nicht kenne. „Die Eskalation des Konflikts kommt dann durch subjektive Befindlichkeiten“, sagte sie damals. „Er geht manchmal aus Nichtigkeiten los und schaukelt sich auf. Wenn der Konflikt verfestigt ist, bekomme ich ihn teilweise nicht mehr gelöst.“

Eskalationsstufen beim Konflikt

Der Konfliktforscher Friedrich Glasl beschreibt in diesem Sinne die Eskalation eines Konflikts in neun Stufen, die sich in drei Hauptphasen gliedern. Die erste Phase ist geprägt von gelegentlichen Spannungen bis hin zu heißen Debatten, in denen sich Streitende gegenseitig unter Druck setzen. Hier können dem Forscher zufolge Konflikte noch konstruktiv gelöst werden.

Die zweite Phase öffnet das Persönliche – das Ziel ist nun, den Konflikt zu gewinnen; dabei werden Werkzeuge wie Drohungen, Sanktionen und Machtspiele eingesetzt. In so einem Fall wird eine Partei als „Verlierer“ aus dem Konflikt scheiden, was zu einem zerrütteten Arbeitsklima und gestörtem Arbeitsverhältnis führt – mit Auswirkungen auf die Produktivität.

In der dritten und heftigsten Phase wollen alle Beteiligten einander nur noch schaden – und sie riskieren damit sogar den eigenen Untergang und den des ganzen Unternehmens. In Zahlen können laut Dostal 72 bis 75 Prozent aller Konflikte gelöst werden.

„Eine Führungskraft kann allerdings nur bis zur Eskalationsstufe 4 helfen, darüber braucht es Mediatoren“, sagt er. „Bei Stufe 7 bis 9 braucht es Expertenteams, da geht es nur mehr ums Vernichten des anderen.“

Für Dostal ist eine Unternehmensmediation unparteiisch und ermöglicht die Entwicklung eines Spektrums von Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven mit den größtmöglichen Überschneidungen zwischen Streitenden.

„Wir sprechen unterschiedliche Sprachen, geben Worten unterschiedliche Bedeutungen mit, je nach Erfahrung, Werten, Alter, Hintergrund“, erklärt Dostal. „Am Arbeitsplatz, mit all dem Konkurrenzdenken, kann Emotion eine ganz riesige Rolle spielen. Mediatoren übersetzen, paraphrasieren und stellen die Umstände für die Parteien klarer dar. Es geht darum, ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erzeugen.“

Ein ungelöster Konfliktfall

Der Konfliktexperte erinnert sich an einen Fall, der nicht gelöst werden konnte, um präziser zu erläutern, was Unternehmer:innen heute fehlt. Die Causa damals befasste sich mit der Auflösung eines Dienstverhältnisses eines jungen Mitarbeiters, der mehr als 50 Prozent Fehlzeiten zu Buche stehen hatte. Das Spannende an dem jungen Mann war sein Selbstbild, das jedoch nicht mit der Außenwahrnehmung übereinstimmte.

„Die Person hat gedacht, sie könne Dinge viel besser als die anderen, müsse nichts Neues lernen und sei zum Führen bestimmt“, erinnert sich Dostal. „Sie konnte aber nicht nachweisen, dass sie diese Dinge tatsächlich beherrscht.“

Der Mediator sieht in dem jungen Mann von einst ein typisches „Goldlöffelkind“, dem man ständig unreflektiert positives Feedback gegeben hatte – und damit die „Self Perception“ fütterte, fehlerfrei zu sein.

„Niemand agiert fehlerfrei“, betont Dostal. „Doch der junge Mann konnte Kritik nicht annehmen. Es war spannend zu beobachten, denn die Wahrnehmung des jungen Mitarbeiters ist seine persönliche Realität; und das müssen Arbeitgeber realisieren und lernen, mit Menschen umzugehen.

Konkret geht es öfter auch darum, gewisse Dinge aus der Vergangenheit einer Person zu kompensieren. Dazu muss man eine neue Art des Führens lernen. Als ‚Arschloch-Chef’ – Sternekoch Tim Raue hat den Begriff geprägt – hat man heute keinen Erfolg mehr. Es braucht keinen mehr, der brüllt, sondern einen, der konstruktives Feedback liefern kann; auch bei Menschen, die Schwierigkeiten haben, mit Kritik umzugehen.“

„Konflikte benötigen Reife“

Alles andere könne zu einer veritablen Persönlichkeitskrise führen, in der sich vor allem junge Personen verletzt zurückziehen. „Um Konflikte zu lösen, benötigt es Reife“, so Dostal. Eine Reife, über die Lisa Smith vom Lieferketten-Startup Prewave verfügt, ruft man sich ihre Worte aus dem November 2023 in Erinnerung: Ein Jahr zuvor war sie mit ihrem Scaleup in ein größeres Office gezogen und musste mit ihrem FlexDesk-System über 100 Leute unter einen Hut bringen.

„Da sind ein paar Sachen aufgekommen und wir haben versucht, aufeinander zuzugehen“, erzählte sie damals über den Firmenumzug. Für die Gründerin war es in diesen Konfliktsituationen wichtig, das Gespräch zu suchen und als ersten Schritt herauszufinden, was überhaupt passiert ist, so ihr Zugang: „In größeren Firmen wird das aber immer schwieriger. Wichtig ist, das Gegenüber zu verstehen, damit man konstruktiv zusammenarbeiten kann; um den gemeinsamen Blick auf den Weg in die Zukunft zu richten und den Konflikt zu begraben.“

Prewave hat in der Vergangenheit bei Streitfällen konkret die HR-Abteilung involviert und die Parteien zu direkten Gesprächen geladen. „So direkt wie möglich und nicht über die Team-Leads“, betonte Smith. „Wir überlegen uns immer, was eine rasche, pragmatische Lösung sein kann.“

Kämpfe und Warnzeichen

Weniger pragmatisch war ein anderes Beispiel aus Dostals Erlebnisrepertoire: Ein Unternehmen hatte es für eine gute Idee gehalten, konkurrierende Ziele zwischen den Abteilungen auszurufen, und hat die einzelnen Abteilungen gegeneinander ausgespielt. „Man wollte sehen, ob sie in der Lage sind, mehr Energie aufzubringen“, erinnert sich der Mediator. „Sie haben sich jedoch hart bekämpft; letztendlich gab es nur Stillstand.“

Deswegen sei es gemäß eines modernen Leaderships nicht nur essenziell, sich Konfliktlösungsskills, wie oben beschrieben, anzueignen, sondern auch auf Warnzeichen zu achten – wie es Personio in seiner Ausführung vorschlägt.

Warnzeichen sind: Mitarbeiter:innen reden nicht mehr miteinander. Sie äußern sich negativ und herablassend übereinander. Mitarbeitende zeigen in ihrer Mimik und ihrer Körpersprache Ablehnung. Sie missachten bewusst Entscheidungen oder Arbeitsanweisungen – und reagieren aggressiv; beim kleinsten Anlass gibt es Streit.

„Wenn Konflikte am Arbeitsplatz frühzeitig erkannt und konstruktiv behandelt werden, wirken sie sich durchaus positiv auf ein Unternehmen aus“, rät Personio. „Konflikte zeigen, wo Veränderungsbedarf besteht, und erhöhen den Druck auf die Beteiligten, zu handeln. Sie zwingen, sich im Konfliktmanagement mit möglichen Lösungen auseinanderzusetzen. Dabei werden oft neue, kreative Ansätze gefunden.“

Positiv sei, so Dostal, dass sich Führungskräfte und Mitarbeitende im DACH-Raum entsprechende Skills zur Konfliktlösung wünschen. „Es gibt eine hohe Bereitschaft, besser mit Konflikten umzugehen“, sagt er. „Wenn die Effektivität im Umgang mit Konflikten nicht besteht, führt dies zu schwerwiegenden Problemen, die in Unternehmen für weitaus höhere Kosten sorgen können, als wenn man Grundlagen schafft und Führungskräfte mit Konfliktlösungsskills ausstattet – und zwar mit jenen, die auch mit unterschiedlichen Werten, Emotionen und Hintergründen umgehen können.“


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