15.03.2022

Dark Side of Entrepreneurship: Was Robin Hood und Uber gemeinsam haben

Teil 1 von 3: In einer idealen Welt stimmen Recht und Moralempfinden natürlich überein. In der realen nicht immer.
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Uber, Taxi
© Unsplash

Serie “The Dark Side of Entrepreneurship”: In drei Teilen beleuchtet Nikolaus Franke illegales, aber legitimes Unternehmertum. Franke ist wissenschaftlicher Leiter des Professional MBA Entrepreneurship & Innovation der WU Executive Academy. Beim Stichwort „Entrepreneur“ denkt man unweigerlich an unternehmerische Helden wie Elon Musk, Steve Jobs und Jeff Bezos, die durch ihre Innovationskraft für Fortschritt, Wohlstand und Beschäftigung sorgen. Doch auch jenseits des gesetzlichen Rahmens oder bestehender Konventionen finden Innovatoren neue Geschäftsmöglichkeiten, die sie mit Kreativität und Energie erfolgreich nutzen. Weltweit untersuchen daher immer mehr Forschungsprojekte, welche Formen von „Dark Entrepreneurship“ es gibt, was man von ihnen lernen kann und unter welchen Bedingungen die dunkle Seite des Unternehmertums sogar gesellschaftlichen Nutzen stiften und damit die helle Seite stärker strahlen lässt.


Lange Zeit haben sich die Wirtschaftswissenschaften auf den Bereich der Wirtschaft konzentriert, der sich innerhalb geltender Gesetze – legal – und gesellschaftlicher Wertvorstellungen – legitim – abspielt. Dies gilt auch für Entrepreneurship und Innovation. Doch es existiert auch eine Welt jenseits dieses Rahmens. Schätzungen zufolge macht sie bis zu 17% des Bruttoinlandsproduktes in Industrienationen und bis zu 40% in Entwicklungsländern aus. Welche Rolle spielen hier Entrepreneurship und Innovation?

Hierzu ist es nötig, zwischen Legalität und Legitimität zu unterscheiden. In einer idealen Welt stimmen Recht und Moralempfinden natürlich überein. In der realen nicht immer.

Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das formale Gesetz nur den Interessen einiger weniger dient. Ein „Gesetzloser“ wie Robin Hood, der sich für die soziale Gerechtigkeit einsetzt, handelt nicht legal nach den herrschenden rechtlichen Rahmenbedingungen, wird aber aufgrund seines Tuns von weiten Teilen der Gesellschaft als legitim empfunden.

Illegal, aber legitim: „Informal Entrepreneurship”

Eine wissenschaftliche Fallstudie zeigt exemplarisch, welcher gesellschaftliche Nutzen von „Informal Entrepreneurship” ausgehen kann. In der verarmten Provinz Anhui in den 1970er Jahren kamen kreative chinesische Bauern auf die Idee, das zwangskollektivierte Land insgeheim untereinander aufzuteilen und eigenverantwortlich zu bewirtschaften. Dieses Geschäftsmodell einer Quasi-Privatisierung war eindeutig illegal. Die kommunistische Wirtschaftsordnung war ideologisch auf Planwirtschaft und gemeinschaftlichen Besitz ausgerichtet. Die Wirkung der Innovation war aber überaus positiv. Schon im ersten Jahr erreichten die Ernteerträge der „informellen Entrepreneure“ die der letzten fünf Jahre zusammengenommen. Dieser beträchtliche Erfolg blieb der Regierung nicht verborgen. Sie beeinflussten die große Reform des Agrarsystems 1984 maßgeblich und führten dazu, dass die Gesetzgebung sehr viel stärker auf Privatbesitz setzte – mit segensreichen Wirkungen für Millionen von Menschen.

„Informal Entrepreneurship” kann auch bei uns zu sinnvollen Reformen führen

Ideologie spielt in der Gesetzgebung westlicher Volkswirtschaften zweifellos eine geringere Rolle als im kommunistischen China. Auch macht unsere demokratische Gesellschaftsordnung Gesetze unwahrscheinlich, die nur einer kleinen Elite dienen. Dennoch ist auch bei uns nicht jede formale Regelung gesellschaftlich sinnvoll. In New York führte die Regulierung des Transportwesens beispielsweise dazu, dass eine Taxilizenz mit über einer Million US Dollar gehandelt wurde. Die hohen Kosten führten zu hohen Eintrittsbarrieren, geringem Wettbewerb und damit zu geringer Kundenorientierung und schlechter Qualität. Uber und Lyft umgingen viele der Regelungen, indem sie sich als Technologieunternehmen positionierten. Viele Städte und Länder reagierten auf den Druck, den diese neue Art der Dienstleistung ausübte, und reformierten die Bestimmungen. Ähnliche Wirkungen gingen von vielen anderen Entrepreneuren der sogenannten Shared Economy aus, wie Airbnb oder der File Sharing Plattform Pirate Bay. Je größer die technologische Änderungsgeschwindigkeit ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass Gesetze und Bestimmungen veraltet sind und sinnvollen Innovationen im Weg stehen. Informelle Entrepreneure können also Treiber des Wandels sein.

Drei Dinge, die wir vom „Informal Entrepreneurship” lernen können

  1. Radikalität und Nonkonformismus

Charakteristisch für die informellen Entrepreneure ist ihre Radikalität. Sie orientieren sich nicht an bestehenden Regelungen und ihren engen Spielräumen. Sie stellen die Welt, wie sie ist, in Frage und definieren sie neu. Sie sind Nonkonformisten. Diese geistige Unabhängigkeit und Offenheit ist für jeden Entrepreneur sinnvoll. Innovationen sind schöpferische Zerstörungen, und nur wer in der Lage ist, weitsichtig und visionär über den Tellerrand hinaus zu denken, hat das Zeug zum großen Unternehmer.

2. Pragmatismus

Ein zweites Merkmal ist ihr Pragmatismus. Sie suchen den Sinn, nicht die Regelkonformität. Der Sinn, das eigentliche Ziel, der übergeordnete Nutzen leitet ihr Handeln. Einen Schuss dieses „Informal Entrepreneurship” braucht auch heute jeder Manager, der etwas verändern will. Je größer das Unternehmen und je zentralistischer es organisiert ist, desto ausufernder ist die Menge an bürokratischen Regelungen. Ein sehr erfolgreicher Manager drückte es mir gegenüber so aus: „Wenn ich wirklich alle Vorschriften wortwörtlich einhalten würde, dann wäre ich 24 Stunden pro Tag damit beschäftigt, Formulare auszufüllen“.

3. Der ethische Kompass

Die dritte wichtige Folgerung ist, dass Entrepreneure einen guten ethischen Kompass benötigen. Was ist legitim? Für wen ist es legitim und nach welchen Maßstäben? In welcher Weise werden gesellschaftliche Kosten oder Risiken mit gesellschaftlichem Nutzen „verrechnet“? Es ist klar, dass diese Fragen nicht einfach zu beantworten sind, und die Einschätzung eines Entrepreneurs möglicherweise durch Eigennutzmotive beeinflusst sind. Dies zeigt die Wichtigkeit von Ethik auch in der Entrepreneurship-Ausbildung. Im schlechtesten Fall ist die „Legitimität“ sonst eine billige Ausrede, die die beiden Formen des Dark Entrepreneurship ermöglicht, die wir in den nächsten beiden Teilen dieser Serie behandeln.

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Das Wiener Startup PowerBot automatisiert den physischen Stromhandel an Strombörsen. Damit leistet es einen Beitrag zur Energiewende. CEO Helmut Spindler hat uns vergangenen April mehr über die Technologie erzählt.

Das SaaS-Unternehmen wurde im Jahr 2020 von Felix Diwok, Manuel Giselbrecht und Helmut Spindler gegründet. Mit dem Ziel, Handelsabläufe an den europäischen Strombörsen zu automatisieren und zu verbessern. Und damit die Energiewende voranzutreiben. CEO Spindler war jahrelang als Berater für Energiemarktfragen tätig. Als Spin-off der Energiemarktberatung Inercomp GmbH entstand dann 2020 PowerBot.

Exit an norwegischen Tech-Konzern

Am gestrigen Mittwoch verkündete das Wiener Startup, vom “europäischen Marktführer für Energiesoftware, Volue, offiziell übernommen” worden zu sein. Eine konkrete Summe wird nicht genannt. Gemeinsam habe man sich das Ziel gesetzt, den Markt “im algorithmischen kurzfristigen Stromhandel” anzuführen.

Das Käufer-Unternehmen Volue positioniert sich als Technologielieferant grüner Energie. Das norwegische Unternehmen arbeitet an Lösungen zur Optimierung von Produktion, Handel, Verteilung und Verbrauch von Energie.

Co-Founder Diwok hielt bislang 37,5 Prozent, Spindler und Giselbrecht je 18,74 Prozent. Auch das Partnerunternehmen der Armstrong Consulting GmbH unter Geschäftsführer Roger Armstrong hielt bislang 25,01 Prozent der Firmenanteile.

Schrittweise Integration

Mit dem Kauf des Wiener Energy-Startups soll das bestehende Portfolio von Volue erweitert werden. Die Integration soll Schrittweise erfolgen, ab Jänner 2025 sei die PowerBot-Lösung vollständig in das Volue-Portfolio integriert.

Volue-CEO Trond Straume wird in einem LinkedIn-Post von PowerBot zitiert: „Diese Übernahme ist ein entscheidender Schritt auf unserem Weg, bis 2030 der führende SaaS-Anbieter für das globale Energiesystem zu werden. Die hochmoderne Plattform von PowerBot ergänzt den Volue Algo Trader perfekt, indem sie Quants befähigt und unsere Expansion über Westeuropa hinaus beschleunigt.“

Das Wiener Energy-Startup soll fortan die bestehende Lösung des Käufers – namentlich “Volue Algo Trader Power” ergänzen. Dabei handelt es sich um eine SaaS-Lösungen für den kurzfristigen Stromhandel, kurz für “Intraday”-Stromhandel.

“Keinen besseren Partner”

Wie PowerBot weiter vermeldet, soll die Integration die Entwicklung von traderfreundlichen Benutzeroberflächen und Lösungen für Unternehmen begünstigen. PowerBot wird dabei eng mit dem Team rund um die SaaS-Lösung Volue Algo Trader Power zusammenarbeiten.

Für das PowerBot-Team sei der Exit “nur der nächste wichtige Schritt auf dem Weg des Wachstums”, heißt es. Auch weiterhin soll das bestehende PowerBot-Team, darunter Helmut Spindler, Maximilian Kiessler und Jakob Ahrer, “die Entwicklung des Produkts weiter vorantreiben und für Kontinuität und Innovation sorgen”. Das Startup will indes bereits baldige neue Produkte auf dem Markt verkünden.

Helmut Spindler, CEO von PowerBot, kommentiert: „Wir haben in den letzten Jahren ein unglaubliches Wachstum erlebt, und um weiter zu skalieren und zu internationalisieren, brauchten wir einen starken Partner. Volue ist aufgrund seiner umfassenden Branchenkenntnisse und seiner gemeinsamen Vision die perfekte Wahl. Ich könnte mir keinen besseren Partner vorstellen“.

Stärken kombinieren

Mittlerweile soll das Wiener Energy-Startup über 85 Kunden in 26 Ländern vorweisen. Handeln soll es derzeit an neun Börsen. Das Team sei 25-köpfig und in Wien sitzend. Auch die Zertifizierungen ISO 27001 und SOC2 Typ 2 – beides Zertifizierungen für Cybersicherheit und Datenschutz – weise man vor.

Roland Peetz, SVP von Volue Energy Software, fügt hinzu: „Indem wir unsere Stärken kombinieren, schaffen wir ein unübertroffenes Angebot, das den Anforderungen des sich schnell verändernden Stromhandelsmarktes gerecht wird.“

Aus dem Archiv: PowerBot-CEO Helmut Spindler im Studio

Der PowerBot-CEO und Mitgründer Helmut Spindler war zu Gast im brutkasten Studio.

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