26.04.2019

Customer Experience: Eine App für 8,7 Mio. Österreicher

Die ITSV GmbH ist die IT-Tochter der österreichischen Sozialversicherung und Entwicklerin einer App für ganz Österreich. In Sachen CX (Customer Experience) gelten jedoch besondere Regeln, wenn alle Bewohner des Landes die Zielgruppe sind.
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ITSV GmbH: Dominik Vogel und Saba Elahi arbeiten an der MeineSV “Multipurpose App” - Customer Experience (CX) spielt dabei eine entscheidende Rolle
(c) ITSV GmbH: Dominik Vogel und Saba Elahi arbeiten an der MeineSV “Multipurpose App”

Customer Experience (CX) ist nicht umsonst derzeit eines der großen Buzzwords in der Wirtschaft. Gerade in konkurrenzstarken Branchen sind innerhalb von Anwendungen intuitive Bedienung und das “schnelle ans Ziel kommen” unabdingbar geworden. Als Beispiel kann, wie so oft, die FinTech-Branche herhalten: Dort ist es vorwiegend die Customer Experience, mit welcher sogenannte “Challenger-Banken” gegenüber den alteingesessenen Playern punkten. Der Umkehrschluss – ohne Konkurrenz braucht es keine CX-Bemühungen – ist freilich nicht zulässig.

“Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit – nicht nur, wenn es um Digitalisierung geht, sondern auch bei Innovationen wie neuen Methoden, neuen Wegen oder neue Kooperationen. Auf diese Weise können wir den Kundennutzen in Zeiten der Digitalisierung gezielt erbringen”, sagen unisono Hubert Wackerle und Erwin Fleischhacker, die beiden Geschäftsführer der ITSV GmbH. “Bei der Umsetzung dieser Strategie haben wir schon vor einigen Jahren die Methode CX bei der Analyse unseres Kerngeschäfts kennen und schätzen gelernt”.

+++ MeineSV: Wie die Sozialversicherung sich digitalisiert +++

Customer Experience für die Massenapp

Doch eine Anwendung zu bauen, mit der nicht nur eine spezifische Zielgruppe, sondern die gesamte Bevölkerung gut zurechtkommt, ist eine besondere Herausforderung. Diese Erfahrung mussten bereits einige namhafte Unternehmen in letzter Zeit machen.

Was also braucht es, um eine App für alle Österreicher zu bauen? Bei der ITSV GmbH beschäftigt man sich intensiv mit dieser Frage. “Das tiefe Verständnis der Customer Journeys unserer Kunden bildet die wichtigste Grundlage für die Digitalisierung von Kundenprozessen und macht die sinnvolle Digitalisierung überhaupt erst möglich”, sagt Andrea Khol, Customer Experience Managerin bei der ITSV GmbH. Mit “Kunden” meint sie die 8,7 Millionen Versicherten im Land.

ITSV: Customer Experience Managerin Andrea Khol
(c) ITSV: Customer Experience Managerin Andrea Khol

Für Apps gelten andere Regeln

Eine der Herausforderungen beim Bau einer App ist somit klar, sagt Dominik Vogel, Produktmanager Mobile bei der ITSV GmbH: “Wir brauchen ein System, das für alle Zielgruppen funktioniert – Jung und Alt”. Dabei könne man die bereits etablierten Services von MeineSV in der Desktop-Version allerdings nicht ident umsetzen. “Man verwendet das Handy eben ganz anders als den Computer”, sagt Vogel. Dazu kommt eine weitere Herausforderung: “Der Sicherheitsaspekt spielt bei uns natürlich eine absolut wesentliche Rolle. Alle müssen wissen, dass ihre Daten gut aufgehoben sind”.

Der Zeitpunkt ist entscheidend

In den Prozessen der ITSV GmbH spielt Customer Experience inzwischen eine zentrale Rolle, betont Andrea Khol. In einem “CX-Facilitator Programm” wurden Mitarbeiter quer durch das gesamte Unternehmen weitergebildet. Diese hätten nun das Mindset und die Skills, um Produkte und Services kundenfreundlich zu gestalten, sagt Khol. Entscheidend sei bei Customer Experience-Maßnahmen der Zeitpunkt. “Nur durch die Anwendung von CX-Methoden vor Beginn eines Projektes entstehen schlüssige Anforderungen aus Anwendersicht”, erklärt sie. Das geschieht bei der ITSV GmbH gemeinsam mit den Auftraggebern (Anm.: die heimischen Sozialversicherungsträger) und unter Einbindung von bestehenden und zukünftigen Anwendern der Produkte in einem agilen Konzeptions-Prozess.

Agiles Arbeiten mit Scrum

“In der Umsetzung setzen wir dabei auf die Methode Scrum” erklärt Saba Elahi, Scrum Masterin im Mobile-Team der ITSV GmbH. “Das heißt, das Team arbeitet in zweiwöchigen Sprints und holt sich danach immer direkt Feedback bei den Auftraggebern”. Diese Form des agilen Arbeitens biete für die Auftraggeber enorme Vorteile. “Sie sind durch die regelmäßige Abstimmung ständig eingebunden und so kann der gesamte Prozess nicht in die falsche Richtung abdriften”, sagt Elahi.

“Von Anfang an höhere Treffsicherheit durch Einbindung der Stakeholder”

“Was diesen CX-Ansatz für uns so spannend macht, ist, dass schon von Beginn an die verschiedenen Stakeholder mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen gemeinsam an einem Tisch sitzen und daher die Treffsicherheit bereits von Anfang an größer ist”, so Andrea Khol. Diese Stakeholder sind Personen, die mit dem jeweiligen Service direkt zu tun haben, also Fachabteilungen, Kundenbetreuer, Service-Line, Produktentwicklung der Kundenorganisation sowie die eigenen Entwickler und Projektmanager.

Neue MeineSV “Multipurpose App”

Zum Einsatz kommen diese Methoden bei der ITSV GmbH auch bei der neuen MeineSV App, die im Herbst gelauncht werden soll. Sie soll als “Multipurpose App” Funktionen der derzeit zwei verfügbaren Apps mit weiteren Features kombinieren, etwa das e-Rezept oder eKOS, die neue elektronische Zuweisung. Der digitale Kanal ist für die Auftraggeber in der Sozialversicherung von hoher Relevanz: Bereits jetzt werden mehr als zehn Prozent der Wahlarztrechnungen für die Kostenerstattung über digitale Kanäle bei den Sozialversicherungen eingereicht – in Wien sind es mehr als 30 Prozent.

Mehrstufiger Prozess

In Sachen Customer Experience setzt die ITSV GmbH auf einen mehrstufigen Prozess. “Wir haben dabei von Beginn an Testkandidaten von außen herangezogen, von denen wir in strukturierten Tiefeninterviews Feedback einholen”, erklärt Dominik Vogel. Ende 2018 gab es eine erste CX-Studie mit Versicherten, um herauszufinden, ob Einzel-Apps oder eine Gesamt-App mit mehreren Funktionen besser sind. Dabei wurde auch das Wording für bestimmte Themen getestet. “Das ist bei unseren Kunden ein Riesenthema, denn der ‘SV-Sprech’ ist nicht für alle verständlich” erzählt Andrea Khol. Im März folgte dann mit einem inzwischen entwickelten Klickdummy ein User Experience-Test mit Interviews. “Die Ergebnisse fließen jetzt in den finalen Prototypen ein, der ausprogrammiert wird. Vor dem Launch werden wir einen weiteren UX-Test mit dem Prototypen im Testsystem machen”, so Dominik Vogel.


Über die ITSV GmbH

2004 wurde die ITSV GmbH gegründet und ist seitdem unter der Leitung von Hubert Wackerle und Erwin Fleischhacker eines der erfolgreichsten IT-Unternehmen in Österreich. Know-how im SV- und IT-Bereich, sowie jahrelange Erfahrung mit einer zentral organisierten föderalen Struktur bringen enormes Wissen über Vernetzungsstrategien. Langfristige Sicherheit der Daten zu gewährleisten ist eine große Herausforderung, die bisher vorbildhaft und anforderungskonform gemeistert wurde.

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Die Austrian AI Landscape von Clemens Wasner (EnliteAI, AI Austria) zeigt AI-Startups und -Unternehmen aus der heimischen Startup-Szene. Das Branding dazu wurde von Andreas M. Keck, Kopf und Gründer von “beamr. brand consulting studio” pro-bono durchgeführt. Es ist bereits die insgesamt achte Ausgabe der österreichischen KI-Landschaft.

AI Landscape 2024 wird größer als ihre Vorgänger

“Heuer gibt es 70 neue Unternehmen, ein Novum in dieser Größenordnung. Es ist ein internationales Phänomen, denn die Eintrittsbarriere für die Gründung eines KI-Unternehmens ist gesunken. Ein Grund ist, dass viele Basistechnologien als ‘open source’ verfügbar sind und nicht mehr von Grund auf selbst entwickelt werden müssen”, erklärt Wasner die gestiegene Anzahl an KI-Unternehmen in Österreich.

Besonders im Bereich “Corporate Early Adopters” zeigt sich eine starke Steigerung. “Unternehmen, die teilweise 100 Jahre alt sind, haben eigene AI-Business-Units aufgebaut, eigene Teams zusammengestellt und sind Joint Ventures eingegangen. AI ist schlussendlich in der Realwirtschaft angekommen”, so der AI-Experte weiter.

Die AI Landscape Austria 2024

(c) EnliteAI, AI Austria, Andreas M. Keck (beamr) – Die gesamte Austrian AI Landscape.

Cybersecurity-Bereich steigt

Allgemein ist festzustellen, dass sich – entgegen der letzten Jahre – mehr Firmen mit “Cybersecurity & Defence” beschäftigen. Die Gründe dafür sind, dass es einerseits, wie erwähnt, mehr Open-Source-Modelle gibt, auf die man zurückgreifen kann, ohne selbst Basis-Modelle entwickeln zu müssen. Andererseits hat der Ukraine-Krieg ein Bewusstsein für diese Branche geschaffen.

Die EU hat etwa am 15. März 2024 das Arbeitsprogramm für den European Defence Fund veröffentlicht. Die offizielle Ausschreibung wurde am 20. Juni geöffnet, eine Einreichung war bis zum 5. November 2024 möglich. Diese Ausschreibung war mit 1,1 Milliarden Euro dotiert, wovon 40 Millionen Euro für disruptive Technologien und 67 Millionen Euro für KMU vorgesehen sind.

AI Landscape: GenAI als Treiber

Einen anderen Faktor für die Steigerung der Anzahl an KI-Firmen in Österreich sieht Wasner darin, dass viele Unternehmen in der Vergangenheit auf Automatisierung gesetzt hätten. Belege erkennen, den E-Mail-Posteingang lesen und ins CRM schieben – das sei mit der eigenen Technologie natürlich limitiert gewesen, durch Generative AI und LLMs (Large Language Models) wären nun sehr viele in diesem Bereich tätig. “Das ist etwas, das weltweit parallel passiert”, so Wasner. “Und Chatbots oder Dashboards beinhaltet.”

Auch bemerkenswert ist, dass im Bereich “Life Science” mittlerweile 30 Unternehmen aus Österreich vertreten sind. Für den KI-Experten “wenig verwunderlich”, da es hierzulande mit LISAvienna, INITS und mit dem Science Park Graz gleich drei Ökosysteme gibt, die in diesem Feld “Firmen produzieren”.

Zudem ist der Proptech-Bereich auffällig stark geworden, was wiederum an der Nutzung von LLMs liegt, zum Beispiel wenn es um die Auswertung von Dokumenten rund um Bauprojekte geht. Überall dort, wo man auf unstrukturierte Daten treffe – Baupläne, etc. – sei nun GenAI vermehrt einsatzbar und das ganze Proptech-Feld gehe “durch die Decke”. Insgesamt, so Wasner, gebe es heuer einfach mehrere große Themenfelder in der heimischen AI Landscape.

Beachtlich sei zudem, dass in der KI-Branche wenig Firmen pleite gegangen sind. “Dieses Jahr habe ich im Vergleich zum Vorjahr nur drei, vier Firmen herunternehmen müssen”, sagt er. “Davor waren es rund 30.”

Doch der KI-Experte warnt vor zu großer Euphorie. Er sieht den Moment jetzt als “Ruhe vor dem Sturm” und erwartet eine Konsolidierungswelle für das kommende Jahr. In diesem Sinne prognostiziert er einen Akquise-Trend, der uns bevorsteht. Größere Firmen würden, so seine Einschätzung, Unternehmen aus der Sparte “Operations & Search” aufkaufen, weil sich deren Angebot als replizierbares Business für Dienstleister auszeichne (Knowledge-Management, Bots, Suche mit LLMs).

Mehr Deregulierung, aber…

Was den europäischen Standort betrifft, wünscht sich Wasner mehr Deregulierung, allerdings nicht unbedingt auf der KI-Seite, wie er sagt. Europas KI-Problem liege vor allem im Umstand begründet, dass es hier schwieriger sei, zu gründen bzw. etwa Mitarbeiterbeteiligungen schwerer zu implementieren wären. “In Europa gibt es 27 Rechtsformen bei der Unternehmensgründung, das ist einfach nicht ‘investible'”, sagt er. Auch seien die Finanzierungen zu gering, vor allem dann, wenn man eine KI-Foundation baue. Mistral aus Frankreich wäre da der einzige Ausreißer, was europäische Top-KI-Firmen betreffe.

Als zweiten Punkt nennt Wasner, dass sich die “Compute-Infrastruktur” als zu klein für den europäischen Raum zeige und es von der EU-Seite Investitionen von mindestens 20 Milliarden Euro – wenn nicht mehr – bräuchte, um im KI-Konzert der Großen eine Chance zu haben. Der dritte und letzte Faktor, den Wasner in Sachen Wettbewerbsfähigkeit erwähnt, ist, auf “skilled immigration” zu setzen, um die besten Talente ins Land zu holen, wie er sagt: “Das allerdings geht nur, wenn man die ersten beiden Punkte löst.”

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