01.07.2022

Crypto Weekly #63: Warum BlockFi ein Notverkauf droht – und Celsius am Abgrund steht

Diese Woche: Ein 250-Mio.-Dollar-Kredit dürfte nicht gereicht haben - geht das Lending-Unternehmen BlockFi nun vollständig an die Kryptobörse FTX rund um Gründer Sam Bankman-Fried? Beim Konkurrenten Celsius dürften die Gespräche mit FTX gescheitert sein - wegen einer milliardenschweren Bilanzlücke. Außerdem: Die Eckpunkte des neuen Frameworks der EU zur Krypto-Regulierung.
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The logo of crypto lending platfom BlockFi on a smartphone
Foto: Adobe Stock

Das brutkasten Crypto Weekly ist unser wöchentliches Briefing zum Kryptomarkt und kann hier als Newsletter abonniert werden. Jeden Freitag blicken wir auf die wichtigsten Kursbewegungen und Nachrichten der Krypto-Woche zurück.


Die Kurstafel:

  • Bitcoin (BTC): 19.400 US-Dollar (-8 % gegenüber Freitagnachmittag der Vorwoche)
  • Ethereum (ETH): 1.070 Dollar (-7 %)
  • BNB: 220 Dollar (-3 %)
  • Cardano (ADA): 0,45 Dollar (-5 %)
  • Solana (SOL): 33 Dollar (-14 %)

Erholungsversuch am Markt gescheitert – Umfeld bleibt schwierig

Vergangene Woche war es schon das große Thema hier im Newsletter: “Contagion”, die Ansteckungsgefahr im Kryptosektor. Zahlungsunfähige Kryptofirmen könnten andere mitreißen, die wiederum andere mitreißen – und so weiter und so fort. An vorderster Front im Kampf gegen dieses Szenario: FTX-Gründer Sam Bankman-Fried, der Gelder in angeschlagene Unternehmen steckt. Und da gab es auch diese Woche Neuigkeiten – aber bevor wir dazu kommen, werfen wir vorher einen Blick auf die Kursbewegungen am Markt.

Da war die Richtung in dieser Woche eindeutig: Abwärts. Die Kurse von Bitcoin und Ether sind seit vergangenem Freitag jeweils im hohen einstelligen Prozentbereich gesunken. Für Bitcoin ging es dabei deutlich unter die 20.000-Dollar-Marke bis auf ungefähr 18.800 Dollar. Der Kurs von Ethereums Ether-Token hielt sich nur knapp über der 1.000-Dollar-Schwelle.

Das heißt: Der Erholungsversuch gegen Ende der Vorwoche ist also gescheitert. Schon in der vorigen Ausgabe von Crypto Weekly wurde hier darauf hingewiesen, dass kurzfristige Aufwärtsbewegungen noch keine Trendumkehr bedeuten. Es ist völlig normal, dass es auch in langanhaltenden Bärenmärkten immer wieder zu vorübergehend steigenden Kursen kommt – den “Bärenmarktrallys”.

Veteranen des 2018er-Bärenmarkts werden sich möglicherweise erinnern: Damals ging es praktisch das gesamte Jahr abwärts – kurzfristige Aufwärtsbewegungen erwiesen sich immer trügerisch. Und gegen Ende des Jahres – als viele am Markt ohnehin schon kapituliert hatten und sich damit abgefunden hatten, auf starken Verlusten zu sitzen – brachen die Kurse noch einmal deutlich ein. 

Klar, 2018 war 2018 und jetzt haben wir 2021. Es wäre völlig verfehlt davon auszugehen, dass sich Muster aus einem vorigen Marktzyklus 1:1 wiederholen. Die Rahmenbedingungen – sowohl makroökonomisch als auch innerhalb der Branche – sind jetzt andere als damals. Die Schlussfolgerung aus dem genannten Beispiel sollte aber sein: Vorsicht bei kurzfristigen Kursanstiegen. Ein Bärenmarkt kann eine zähe, langwierige Angelegenheit sein.

Dazu kommt: Es sind derzeit keine Faktoren ersichtlich, die als als dauerhafte Kurstreiber für eine Trendumkehr am Markt sorgen könnten. Der aktuelle Krypto-Bärenmarkt ist Teil eines größeren Abverkaufs auch in anderen Assetklassen – dessen Auslöser auf der Makroebene lagen: 

  • die Zinserhöhungen in den USA
  • der Krieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft
  • anhaltende Probleme mit den globalen Lieferketten. 

Diese Probleme bestehen weiterhin.

Und in diesem Umfeld kamen dann kryptospezifische Entwicklungen als zusätzliche Belastungsfaktoren: Zuerst der Terra-Luna-Kollaps – und dann folgten eine ganze Reihe an Nachrichten über Kryptofirmen, die in massive finanzielle Schwierigkeiten bis hin zur Zahlungsunfähigkeit gerieten. Zusammengefasst: Das ist definitiv kein Marktumfeld, in dem man von einer raschen Erholung mit starken Kursanstiegen ausgehen sollte.

BlockFi: Kommt jetzt der Notverkauf an FTX zum Spottpreis?

Und damit sind wir auch schon wieder beim großen Thema am Markt: Die jüngsten Entwicklungen rund um strauchelnde Kryptofirmen. Eine ganze Reihe an Unternehmen war da in den vergangenen Monaten massiv unter Druck gekommen. 

Einige der prominentesten Fälle:

  • das Lending-Unternehmen Celsius setzte sämtliche Auszahlungen aus
  • diesem Beispiel folgte auch der Konkurrent Babel
  • sowie die Krypto-Derivatenbörse CoinFLEX
  • der Kryptobroker Voyager Digital limitierte Auszahlungen und musste einen 750 Mio. Dollar schweren Notfallkredit von Alameda Research, dem Tradingunternehmen von FTX-Gründer Sam Bankman-Fried, aufnehmen
  • und auch die Lending-Plattform BlockFi war auf einen 250 Mio.-Dollar-Kredit von FTX angewiesen

Diese 250 Mio. Dollar waren aber offenbar noch nicht genug. Wie CNBC am Donnerstag berichtete, soll das Unternehmen kurz vor einer Übernahme durch FTX stehen. 

Und angesichts der kolportierten Bewertung würde es sich dabei wohl um einen Notverkauf handeln: CNBC zitierte einen Insider, wonach sich der Kaufpreis nur auf 25 Mio. Dollar belaufen könnte. Ein zweiter zitierter Insider nannte dagegen einen Preis von 50 Mio. Dollar. Die Branchenseite The Block wiederum berichtete, dass sich FTX mit dem in der Vorwoche öffentlich gewordenen 250-Mio.-Dollar-Kredit eine Option auf 50 Prozent von BlockFi gesichert habe – und die restlichen 50 Prozent für 25 Mio. Dollar dazu kaufen würde.

BlockFi-CEO Zac Prince meldete sich rasch nach Veröffentlichung des CNBC-Berichts auf Twitter zu Wort und dementierte in einem Tweet, dass das Unternehmen für 25 Mio. Dollar verkauft werden würde. Das Dementi ist dabei recht spezifisch formuliert – das von The Block berichtete und durchaus realistisch klingende Szenario wäre damit jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Unabhängig vom konkreten Kaufpreis: Klar ist jedenfalls, dass die Bewertung von BlockFi bei einer solchen Übernahme massiv sinken würde. Im März 2021 war das Unternehmen, wie damals berichtet, in einer 350 Mio. Dollar schweren Series-D-Runde noch mit 3 Mrd. Dollar bewertet worden. 

Schon Anfang Juni hatte es in der Branche Gerüchte gegeben, dass BlockFi eine “Downround”, also eine Finanzierungsrunde zu einer gesenkten Bewertung, verhandeln würde. Damals war noch von 1 Mrd. Dollar die Rede. Nun dürfte es noch einmal deutlich niedriger werden. 

Milliardenlücke: FTX dürfte nicht an Celsius-Kauf interessiert sein – und Kryptofonds 3AC wird liquidiert

Bei einem anderen Lending-Unternehmen dürfte Bankman-Fried dagegen jedenfalls passen: Celsius. Dort sind für Kundinnen und Kunden seit mittlerweile drei Wochen keine Auszahlungen mehr möglich. Wirkliche Fortschritte bei einer möglichen Rettung des Unternehmens wurden seither keine bekannt. Ab und zu veröffentlicht Celsius einen Blogartikel, in dem im Wesentlichen bekräftigt wird, dass man an den Problemen arbeite und die verfügbaren Optionen prüfe – so auch diese Woche. 

Besonders aussagekräftig ist dies aber natürlich nicht. 

Interessanter war da schon ein weiterer Bericht von The Block: Demnach soll FTX Gespräche mit Celsius zu einem möglichen Deal geführt haben – entweder über eine Form von finanzieller Unterstützung (möglicherweise in Form eines Kredits wie bei BlockFi) oder über einen direkten Kauf.

Allerdings: Nachdem man sich bei FTX die Zahlen von Celsius näher angesehen hat, dürfte die Kryptobörse die Lust verloren haben. In Bilanz würden 2 Mrd. US-Dollar fehlen, hieß es in dem Bericht von The Block unter Verweis auf Insider. 

Einen Schritt weiter ist der Kryptofonds Three Arrows Capital (3AC): Ein Gericht auf den britischen Virgin Islands habe seine Liquidation angeordnet, berichtete Sky News. Der Fonds ist demnach zahlungsunfähig. Das Unternehmen Teneo soll dem Bericht zufolge jetzt mit der Abwicklung beauftragt worden sein.

Dazu werden üblicherweise die noch vorhandenen Assets verkauft, um zumindest Teile der ausstehenden Kredite begleichen zu können. Allerdings ist zum jetzigen Zeitpunkt zumindest öffentlich nicht bekannt, wie viele Assets noch vorhanden sind und welche Gläubiger bedient werden können.

EU einigt sich auf Kryptoregulierung: Das sind die Eckpunkte

Abseits aller Marktturbulenzen gab es diese Woche auch Neuigkeiten im Bereich der Krypto-Regulierung – und zwar aus Brüssel. Dort haben Verhandlungsteams des Europäischen Parlaments und der EU-Ratspräsidentschaft eine vorläufige Einigung zum geplanten Regulierungsrahmen “Market in Crypto-Assets” (MiCA) erzielt. Der Rat und das Parlament müssen die Einigung noch absegnen, dann startet das formale Prozedere zur Umsetzung. Ein Inkrafttreten wird derzeit für 2024 erwartet.

Was bringt MiCA inhaltlich? Eine ganze Reihe an Dingen, die nach Ansicht der EU für einen besseren Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten sorgen soll. Anbieter von Stablecoins werden sich künftig bei der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) registrieren müssen. Außerdem müssen sie sicherstellen, dass die Stablecoins immer ausreichend gedeckt sind und jeder Anleger zu jeder Zeit seine Stablecoins wieder zurücktauschen kann.

Abseits von Stablecoin-Unternehmen sieht MiCA vor, dass Anbieter von Krypto-Dienstleistungen eine Zulassung brauchen, um in der EU aktiv werden zu können – dies soll auf nationaler Ebene geschehen, wobei die nationalen Behörden bei den größten Anbietern regelmäßig Informationen an die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) übermitteln sollen.

Darüber hinaus sollen Krypto-Anbieter haftbar gemacht werden, wenn sie Assets von Anlegerinnen und Anlegern verlieren. Auch müssen sie Information zur Umwelt- und Klimafreundlichkeit bestimmter Krypto-Assets bereitstellen.

Unabhängig von MiCA hatte die EU-Institutionen bereits einen Tag zuvor eine vorläufige Einigung zu neuen Bestimmungen zum Transfer von Krypto-Assets erzielt. Diese sieht unter anderem vor, dass Kryptobörsen Daten über jegliche Transaktionen von einem Anbieter zu einem anderen speichern müssen. Bei Überweisungen zu selbstverwalteten Wallets ist der Anbieter verpflichtet zu prüfen, wem die Wallet gehört – und zwar dann, wenn die Überweisung mehr als 1.000 Euro beträgt und der Kunde/die Kundin angibt, dass es seine/ihre eigene Wallet ist. Soweit einmal die Vorgaben – wie effektiv diese dann in der Realität umgesetzt werden können, ist eine andere Frage.


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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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