19.06.2018

crate.io: 11 Mio. US-Dollar Investment für Vorarlberger Startup

In Dornbirn gestartet hat crate.io seinen Hauptsitz mittlerweile ins Silicon Valley verlegt. Nun schloss das Startup, das eine Open Source-Datenbank für den IoT-Bereich entwickelt hat, eine Series A-Finanzierungsrunde mit Silicon Valley-VCs ab. Wir sprachen mit Co-Founder und CEO Christian Lutz.
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(c) crate.io: Die Gründer Jodok Batlogg und Christian Lutz

Rund sechs Millionen US-Dollar hatte man in den bisherigen Finanzierungsrunden aufgestellt. Nun holte sich das in Dornbirn gegründete Startup crate.io, das eine auf Maschinendaten spezialisierte Echtzeit-Datenbank-Lösung für den IoT-Bereich entwickelt hat, in einer Series A-Runde weitere elf Millionen US-Dollar Kapital. Die Runde führt Zetta Ventures aus San Francisco unter Beteiligung von Deutsche Invest Equity, Chalfen Ventures, Momenta Partners und Charlie Songhurst an. Auch die bestehenden Investoren Draper Esprit, Vito Ventures und Solomon Hykes (Docker Gründer) nahmen teil. Was die dafür abgegebenen Anteile angeht, wird crate.io-Co-Founder und CEO Christian Lutz gegenüber dem Brutkasten nicht ganz konkret: “25 bis 30 Prozent sind bei solchen Runden üblich und da bewegen auch wir uns”.

+++ Archiv: Crate: Vorarlberger holen 4 Mio. Dollar in den USA +++

“Haben einige Angebote aus Europa abgelehnt”

Die Auswahl der Investoren sei dabei wohl überlegt. “Wenn man in unserem Bereich tätig ist, muss man zeigen, dass man im Valley besteht”, sagt Lutz. “Daher war es uns auch extrem wichtig, Silicon Valley-VCs an Bord zu bekommen”. Es ginge noch mehr um das Netzwerk als um das Kapital. “Wir haben einige Angebote aus Europa abgelehnt – das war durchaus riskant”, erzählt der Gründer. Und der Ansatz habe sich praktisch sofort bewährt. “Wir waren zum Beispiel kürzlich bereits beim CEO-Summit von Zetta eingeladen, wo die CEOs aller Portfolio-Unternehmen und noch weiterer erfolgreicher Silicon Valley-Unternehmen eingeladen sind. Da sind wir gleich mit fünf neuen Projekten herausgekommen”.

Riesige Wunschliste von Kunden

Der Unternehmenssitz wurde bereits vor einiger Zeit von Dornbirn nach San Francisco verlegt. Dabei räumt Lutz ein: “Mein Herz schlägt weiterhin in Vorarlberg”. Das Investment werde, natürlich nicht nur deswegen, auch stark dem Standort in Dornbirn zugute kommen, wo ein “massiver Ausbau” und weitere Stellen für Entwickler geplant seien. Auch in Berlin werde man ausbauen. “Insgesamt investieren wir primär in das Produkt. Wir haben eine riesige Wunschliste von Kunden”, sagt der CEO. Daneben werde Geld in die Vermarktung fließen. “Wir brauchen weitere ‘Lighthouse-Kunden’, die in unterschiedlichen Branchen zu Multiplikatoren werden”.

Bis 2017 “jungfräulich, was Umsätze angeht”

Zahlende Kunden hat crate.io im Moment übrigens rund 30. Der größte ist IT-Security-Gigant McAfee. Bis Anfang 2017 bot man die Datenbanklösung als reines Open Source-Produkt an. Dann brachte das Startup seine Crate DB Enterprise heraus. “Bis dahin waren wir jungfräulich, was Umsätze angeht”, sagt Lutz. Seitdem konnte man aber durchstarten. Momentan liegt crate.io bei einem wiederkehrenden Jahresumsatz von rund einer Million US-Dollar. Den will man heuer verdoppeln bis verdreifachen. Zuletzt unterschrieb crate.io einen Vertrag mit Microsoft und ist nun Co-Sell-Partner. Auch davon verspricht Lutz sich viel.

Vorarlberger Kunden ohne “Ländle-Connection”

Unter den größten Kunden sind mit Alpla und Zumtobel auch zwei Vorarlberger Industrie-Konzerne. Mit einer “Ländle-Connection” hat das aber, folgt man Lutz, nichts zu tun. “Bei beiden war es so, dass der Kontakt von den amerikanischen Unternehmens-Teilen hergestellt wurde. Die sind dann erst darauf gekommen, dass wir auch Vorarlberger sind”. Sie nutzen die Lösung des Startups, die in Echtzeit Sensoren-Daten aus Maschinen aggregiert und auswertet, um Störungen frühzeitig zu erkennen und besser prognostizieren zu können. “Unsere Lösung funktioniert aber nicht nur mit Maschinen-Daten im eigentlichen Sinn”, erklärt Lutz. “McAfee macht etwa die IT-Security-Überwachung von unzähligen Firmen, darunter mehrere Fortune 500-Konzernen, in Echtzeit und nutzt dafür unter anderem unser Produkt”.

crate.io mit Potenzial in vielen Bereichen

Potenzielle Einsatzmöglichkeiten gebe es also noch sehr viele – trotz des Fokus auf Maschinen-Daten. Die Lösung wird dabei sowohl Cloud-basiert, als auch stationär angeboten. Potenzial sieht Lutz etwa im Bereich selbstfahrender Autos. “Da braucht es zwar eine enorme Computer-Power im Auto selber, was ganz sicher nicht unsere Domäne ist. Aber für all die Daten, die im Hintergrund gespeichert werden und etwa zur Analyse des Verkehrs dienen sollen, ist crate eine mögliche Lösung”, sagt der Gründer. Einen Kunden in dem Bereich aus Singapur habe man bereits. Auch die Daten von Fitness-Trackern könnte man mit der Software aggregiert auswerten. “Runtastic wäre ein super Kunde für uns”, sagt Lutz.

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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