22.11.2016

dieBOX: Coworking-Pionierarbeit in St.Pölten

„dieBox“ ist Niederösterreichs erster Coworking Space. Juliane Fischer besuchte einen Ort, der die wachsende St.Pöltner Gründerszene um sich scharen will.
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Nicole Mayer & Matthias Nolz- das Team des Coworkingspace dieBOX

Vor sechs Jahren hat sich Matthias Nolz im Baumeistergewerbe selbstständig gemacht. Zum konzentrierten Arbeiten musste er weg von Daheim. Er mietete sich mit seiner Kollegin eine kleine Wohnung als Büro. Für Kundentermine war das nicht ideal. „Wo treffen wir uns?“ hieß es dann immer. Und oft lag der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Wien und den niederösterreichischen Städten bei der Autobahnraststätte dazwischen. Wenig gemütlich also. Aus dieser Situation heraus entstand vor drei Jahren Niederösterreichs erster Coworking Space.

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Neongrüner Komplex im Wohnviertel

(c) dieBOX
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Fährt man vom historischen Zentrum St.Pöltens durch das Viertel mit den Einfamilienhäusern, den Villen und den Rechtsanwaltskanzleien in Richtung Süden der Stadt, so taucht zwischen Wohnanlagen ein flaches langgezogenes Gebäude auf. In seiner neongrünen Farbe ist es kaum zu übersehen. Mit Post-Its hat jemand einen Like-Daumen an die Fensterscheibe geklebt. Im Vorraum empfängt einen die Graffitiwand vom Haus- und Hofkünstler, dem St.Pöltner Florian Nährer, der hier immer wieder Vernissagen veranstaltet.

Neues Leben für “versandelte” Konsum-Zentrale

2013 hat der gebürtige St.Pöltner Matthias Nolz dieses Haus erstanden, umgebaut und adaptiert. Rundherum ist eine ruhige Wohnanlage, aus der die Kinder schon herausgewachsen sind und die neue Generation noch nicht eingezogen ist. „Vor drei Wochen haben sie 40-jähriges Jubiläum gefeiert“, erzählt Nolz. Es sei ein friedliches Nebeneinander, meint er. „Die waren sogar froh. Weil bevor wir gestartet haben, ist dieser Gebäudeteil sieben Jahre leer gestanden und dementsprechend versandelt. Die Fassade war schon ganz abgebröselt.“ 1976 als Druckerei errichtet, war es später lange Zeit die Österreich-Zentrale der Lebensmittelkette „Konsum“. Der letzte Mieter war das „Ambulatorium Sonnenschein“, ein Therapiezentrum.

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„Ihnen fällt die Decke auf den Kopf”

Jetzt ist das 480 Quadratmeter große Gemeinschaftsbüro „dieBOX“ eine Plattform, wo Unternehmensgründer landen können. Die Idee hinter dem Konzept erklärt Nolz folgendermaßen: „Wir möchten Jungunternehmern, Startups, Freiberuflern oder Studenten die ersten Schritte zur bzw. in die Selbstständigkeit erleichtern.“ Aus eigener Erfahrung weiß er, dass vielen gerade in der Gründungsphase das Heimbüro zu klein wird. „Ihnen fällt sprichwörtlich die Decke auf den Kopf. Daher sind sie oftmals gezwungen, sich in ein Büro einzumieten, was aber sehr teuer werden kann“, sagt Matthias Nolz.

Doppelt so viel weiterbringen wie im Homeoffice

(c) dieBOX
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Angezogen hat das schon einige klassische EPUs – einen Küchenplaner, Grafiker und Webdesigner, einen Architekten und den Außendienstmitarbeiter eines Getränkeherstellers, der meint hier doppelt so viel weiterzubringen wie im Homeoffice mit vier Kindern. Manche Unternehmen, wie beispielsweise eine Schalungstechnikfirma, mieten auch tageweise für Schulungen und Seminare. „Die haben ihren Sitz in Amstetten und fahren für Meeting nicht bis Wien, sondern treffen sich oft bei uns in der Mitte“, sagt Nicole Mayer, Mitarbeiterin bei „dieBOX“. Hier haben sie die nötige Ruhe und Infrastruktur; keinen Konsumzwang, aber trotzdem Kaffee.

Pionierarbeit für überschaubare Gründerszene

Für Nolz steht ein Zusatznutzen besonders im Vordergrund: „Der Coworkingspace soll auch Synergien entstehen lassen durch den Branchenmix.“ Deswegen veranstaltet „dieBOX“ im Loungebereich Koch- und Grillworkshops oder –  wie kommende Woche – ein Maronifest mit Musik und Kunst. Mit seinem Coworkingspace will Nolz aufzeigen, was möglich wäre. Er denkt an branchenübergreifende Interaktion und Networking mit den anderen Selbstständigen – eine Szene, die in St.Pölten erst in den Kinderschuhen steckt. Allein die Begriffsetablierung sei schwierig gewesen, erzählt er. Das sei Pionierarbeit in St. Pölten, wo die Gründerszene überschaubar, aber schon halbwegs gut vernetzt erscheint. Man lädt sich gegenseitig zu Veranstaltungen ein und promotet einander auf Facebook.

Kaffee, Suppen und eine prämierte Getränkemarke

Da gibt’s den „Felix Kaffee“ und die frisch eröffnete „Stoffgärtnerei“, die Mädels von Supperiör, die nach einem erfolgreichen Einstieg nun ihr Geschäftslokal ausbauen und zu den Bio-Suppen auch Frühstück anbieten. Oder die jungen Burschen, die mit ihrem Getränk „Bärnstein“ beim heurigen Staatspreis Patent den zweiten Platz in der Kategorie “Marke des Jahres” geholt haben. „Beim Bärnstein-Logo waren wir dabei“, sagt der „dieBOX“-Gründer stolz. „Der Grafiker ist bei uns in der Box gesessen und wir haben die ersten Proben testen dürfen bevor sie auf den Markt gekommen sind“, freut er sich. „Das ist halt das Tolle. Wir haben die Energie mitbekommen.“

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(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR
(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR / tech2b / My Esel / Simventure

Der Begriff “Co-Working-Space” wäre bei TECH HARBOR in Linz eindeutig zu kurz gegriffen. Viel zu kurz gegriffen. Denn hochwertige Büroräume für Startups gibt es an den zwei Standorten TECHCENTER und NEUE WERFT zwar durchaus. In einem üblichen Co-Working-Space würde man aber wohl sehr schnell an die Grenze stoßen, wenn man dort eine Serienproduktion für Fahrräder oder eine Produktionsstätte für hochpräzise chirurgische Geräte aufbauen wollte.

Genau das und noch viel mehr passiert in den TECH HARBOR-Standorten. Sie bieten Hardware-Startups mit komplexen technischen Anforderungen und teilweise viel Platzbedarf eine Heimat. Große Werkstattbereiche, Techlabs für Forschung und Entwicklung und Lagermöglichkeiten machen dabei den entscheidenden Unterschied.

My Esel: Vom Prototypen bis zur Serienproduktion im TECHCENTER

Ein Unterschied, der etwa dem mittlerweile einer breiten Öffentlichkeit bekannten Holzfahrrad-Startup My Esel mehr als nur die ersten Schritte ermöglichte. “In der Zeit im TECHCENTER fand die Entwicklung von den ersten Prototypen hin zur Serienproduktion statt”, erzählt Gründer Christoph Fraundorfer. 2016 sei nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne von dort aus der Markstart erfolgt. “Parallel wurde an der Optimierung der Rahmenkonstruktion und an den My Esel E-Bikes gearbeitet. 2019 konnten noch aus dem TECHCENTER die ersten E-Bikes ausgeliefert werden.”

Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) TECH HARBOR
Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) My Esel

Ebenfalls im Jahr 2019 Jahr zog My Esel dann um. “In Traun fanden wir in den ehemaligen Produktionsstätten der Carrera-Brillen unseren neuen Standort. Inzwischen nutzen wir hier über 800 Quadratmeter und konnten 2023 mit etwas mehr als 1.000 Bikes zirka 2.7 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften”, erzählt Fraundorfer.

Simventure: Im TECH HARBOR-Standort zum Wingsuit-Simulator

Die Räumlichkeiten im TECHCENTER blieben danach freilich nicht leer. Auch aktuell arbeiten viele spannende Startups im TECH HARBOR-Standort und schreiben die Erfolgsgeschichten der Zukunft. Einer der Mieter ist etwa Simventure. Das Startup baut Geräte, mit denen Extremsportarten vollimmersiv simuliert werden können. Das erste dieser Geräte – WingSim – simuliert den Flug in einem Wingsuit – in Realität bekanntlich ein hochriskantes Unterfangen.

“Seit dem Einzug im TECHCENTER Anfang 2023 haben wir die Hard- und Software für unseren Prototypen entwickelt. Wir haben diesen Prototypen im Techlab gebaut und umfangreich getestet. Nun können wir den Demonstrator Kunden und potentiellen Investoren vorführen. Wir haben den Firmenwert seit dem Einzug vervielfacht”, sagt Gründer Norman Eisenköck.

Das Simventure-Team baut im TECHCENTER seine Simulatoren | (c) Simventure

Das TECHCENTER biete die idealen Voraussetzungen für das Startup und seine Wachstumsherausforderungen, so der Simventure-Gründer. “Ein Startup ist während der Unternehmensgründung und dem Unternehmens-Aufbau Schwankungen im Bedarf an Büroflächen und – in unserem Fall – eines Mechatronik Labors unterworfen. Die Flexibilität des TECHCENTER hat uns geholfen, diese Schwankungen sehr gut zu berücksichtigen.” Und die Infrastruktur diene nicht nur dem Team zur Arbeit, sondern biete auch schöne Repräsentationsräume, um Partner und Kunden zu empfangen.

cortEXplore: Von der NEUEN WERFT zu Yale und MIT als Kunden

Absolute HighTech-Produkte sind auch aus dem Standort NEUE WERFT schon vielfach hervorgegangen. Bis 2024 hatte dort etwa das Startup cortEXplore seinen Sitz, das eine Technologie für Gehirn-OPs für Forschungszwecke entwickelt hat. “Wir verkaufen unsere Technologie international in die EU, die USA und China und haben Kunden wie die US-Unis Berkeley, Yale und MIT”, sagt Gründer Stefan Schaffelhofer. Diesen April wurde das Unternehmen mehrheitlich von einem internationalen Medizintechnikkonzern übernommen.

Den Grundstein dafür legte cortEXplore am TECH HARBOR-Standort. “Wir haben in der NEUEN WERFT gestartet. Wir hatten zunächst Platz für die Entwicklung, hatten aber auch später ein Lager dort und Platz für Assemblierungen unserer Produkte”, erinnert sich der Gründer. “Es ist die optimale Location in Linz. Sie ist gut für Anlieferungen und den Versand der Produkte. Und es gibt Räumlichkeiten für Veranstaltungen und die Einladung von Kunden.”

cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon
cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon

Everest Carbon: “Unser Fortschritt übertrifft unsere Erwartungen”

Und auch in der NEUEN WERFT kamen seitdem viele spannende Unternehmen nach, etwa Everest Carbon, das diesen Sommer eingezogen ist. “Momentan entwickeln wir unser erstes Produkt, einen digitalen Umweltsensor für die Bindung von CO2 in Projekten basierend auf dem Prozess des beschleunigten Verwitterns, und testen es in Feldern hier in der Umgebung”, erklärt Gründer Matthias Ginterseder.

In der NEUEN WERFT baue man seit dem Einzug den primären Forschungs- und Produktionsstandort auf. “Wir sind gerade dabei, unser Team in der NEUEN WERFT zu vervollständigen, um Anfang nächsten Jahres die Produktionszahlen unserer ersten Produktlinie bedeutend erhöhen zu können”, sagt der Everest Carbon-Gründer. “Unser Fortschritt dabei übertrifft unsere Erwartungen, nicht zuletzt wegen der proaktiven Unterstützung durch Georg Spiesberger und sein Team hier im TECH HARBOR.” Und auch die Location selbst sei “hervorragend” für das Startup: “Das flexible Platzangebot sowie die zahlreichen Events, helfen uns sehr dabei, unsere Bedürfnisse in verschiedenen Entwicklungsstadien zu decken”, so Ginterseder.

Everest Carbon baut in der NEUEN WERFT gerade seine Produktion auf | (c) TECH HARBOR

Große Zukunftspläne – vom TECH HARBOR in die ganze Welt

Die Voraussetzungen für große Zukunftspläne und weitere Erfolgsgeschichten, wie die oben genannten, sind damit also perfekt gegeben. Der Everest Carbon-Gründer gibt einen Einblick: “Wir wollen in naher Zukunft unser erstes Produkt am Markt etablieren und unsere Technologie als eine bahnbrechende Lösung für zukunftsträchtige Formen von negativen Emissionen etablieren.”

Auch Simventure will am TECH HARBOR-Standort noch viel erreichen, wie Gründer Norman Eisenköck erklärt: “Wir werden weiterhin sowohl die Büroflächen als auch das Techlab für die Entwicklung weiterer Bewegungsplattformen nutzen. Es ist geplant, das weitere Wachsen des Teams und der Produktlinien im TECHCENTER zu machen.” Der erste WingSim werde aber schon bald ins Ars Electronica Center übersiedelt, um dort – ganz in der Nähe – für Kundenvorführungen zur Verfügung zu stehen. “Im Techlab werden dann neue Produkte entwickelt”, so der Gründer.

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