21.12.2020

COVAX. Und ein Wunsch ans Christkind

Zum Jahresende beleuchtet brutkasten-Kolumnist Mic Hirschbrich einige Erkenntnisse aus dem Krisenjahr und COVAX, jene Organisation, die dafür sorgt, dass auch ärmere Länder mit Corona-Impfdosen versorgt werden.
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Mic Hirschbrich: COVAX. Und ein Wunsch ans Christkind
(c) misskaterina

Das Jahr 2020 war ein außergewöhnliches. Es hat uns wegen Covid-19 einiges an Kraft abverlangt, aber auch vieles transparent gemacht, das uns davor nicht in dem Umfang bewusst war.

Es hat die Konsequenzen unserer globalen Mobilität nicht als Geld- oder Produktströme visualisiert, sondern mittels Ausbreitungsgeschwindigkeit einer neuen Infektionskrankheit. Zudem hat es die Anfälligkeit viel zu vieler Menschen für obskure Verschwörungstheorien zu Corona ans Tageslicht gebracht. Den Anhängern scheint es evolutionsbiologisch am “Höhlenkompetenz”-Gen zu mangeln, wie neue Studien von Paläoanthropologen nahelegen.

Die Pandemie hat uns darüber hinaus gezeigt, wie fragil unsere Wirtschaft ist, in der knapp 40 Prozent aller Unternehmen keine zwei Monate ohne massive staatliche Unterstützung überlebt hätten und auch sonst hoch rentable Betriebe nur mit selbiger über Wasser bleiben können. Das war wohl für viele von uns die größte Überraschung. Dieser Virus hat uns weiters einiges über unsere gesamthafte Verfassung gelehrt, wieviel Freizeitaktivitäten, Wirtshaus und Konsum wir als Private, als Unternehmer und als Staat offenbar brauchen, damit “der Laden läuft”.

Über wahre und falsche Opfer

Corona hat bei vielen unfassbare Kräfte freigesetzt, in den Kliniken, der privaten und öffentlichen Kinder- und Altenbetreuung sowie zum Retten zahlloser Arbeitsplätze. Es hat aber auch eine bedenklich niedrige Resilienz vieler offenbart, die nicht etwa Opfer sind, weil sie krank wurden, ihnen Nahestehende verloren haben oder um ihre Existenz bangen. Sie sehen und gerieren sich als Opfer, weil sie sich und ihre Umgebung mit einem Stück Stoff um Mund und Nase schützen und ihre Begierden bis zur Eindämmung zügeln müssen. Obendrein sollten sie sich – was für eine Zumutung – von einem “Vollkasko-Staat” kostenlos testen oder impfen lassen. So sehr die wahren Opfer zu bemitleiden sind und wir ihnen Kraft wünschen und Anteilnahme schenken, so sauer stoßen die Pseudo-Opfer dieser Pandemie auf, die durch ihr ewiges Besserwissen und eigensinniges Verhalten, zahlreiche Kollateralschäden verursachen.

Doch während sich ein Teil der Menschen als Opfer sieht, weil er beschützt und finanziell abgesichert, im warmen Zuhause bei ausreichend Nahrung und medizinischer Versorgung, von Playstation, Netflix und Co unterhalten, zuhause bleiben muss, – müht sich ein anderer Teil tagtäglich damit ab, für alle anderen den kommenden Tag zu überstehen. Ebenso echte Opfer sind jene Menschen, die diesem Virus hilflos ausgeliefert sind, ohne medizinische Versorgung, ohne Testmöglichkeiten und ohne Aussicht auf eine erlösende Impfung. Und für die wurde COVAX geschaffen.

COVAX – Im Kampf gegen Corona vereint

Dass man eine Pandemie global bekämpfen soll, leuchtet ein. Vor allem braucht es jene Kräfte, die für eine faire Verteilung von Impfstoffen sorgen. COVAX heißt diese Einrichtung und steht für “Covid-19 Vaccines Global Access”. Von der WHO gegründet, beschleunigt sie die Erforschung der Impfstoffe und sorgt dafür, dass die vulnerablen Zielgruppen ärmerer Länder Zugriff darauf bekommen. 186 Staaten nehmen an COVAX teil, darunter auch rund 100 der sogenannten ersten Welt. Immerhin fünf Milliarden US-Dollar stehen ihr bislang zur Verfügung. Die EU ist mit einer halben Milliarde mit an Bord, die USA dürfte später unter Biden auch noch beitreten.

Neben COVAX rittern besonders die reichen Staaten um ausreichend Impfdosen für ihre Bewohner. In vielen dieser reichen Länder ist der Anteil der älteren und besonders vulnerablen Gruppen größer als in den ärmeren Teilen der Erde, was dieses Virus von vielen anderen Krisen unterscheidet. Überraschend ist die Situation in Indien, denn es hat sich, ähnlich wie die EU, mit rund 1,6 Milliarden Dosen etwa 1/5 der global verfügbaren Menge gesichert. 7,25 Milliarden Dosen wurden weltweit und in Summe geordert. Jene Länder mit den höchsten Einkommen haben sich dabei 54 Prozent der verfügbaren Impfstoffe gesichert und jene mit mittleren und niedrigeren Einkommen etwa 23 Prozent.

Die bei weitem meisten Impfdosen hat sich übrigens Kanada reserviert, nämlich 350 Millionen für gerademal 38 Millionen Menschen, also fast neun pro Einwohner. Eine Milliarde Impfdosen sind für Russland und einige russische Föderierte in Produktion. COVAX konnte sich mit bisher 700 Millionen Impfdosen etwa zehn Prozent für die Ärmsten der Welt sichern.

Und noch etwas erscheint interessant. In unserer Wahrnehmung erscheinen die Impfstoffe von Pfizer und Moderna besonders präsent und erfolgreich. Im globalen Vergleich haben diese Unternehmen aber gerademal 711 und 407 Millionen Dosen verkauft. Das ist eigentlich wenig, verglichen mit den Impfstoffen der Oxford University (2,6 Milliarden), Novavax (1,3 Milliarden) und GSK (732 Millionen).

Speed kills less

Im Fall einer Pandemie kann es gar nicht schnell genug gehen, denn die menschlichen und ökonomischen Schäden die Corona anrichtet, sprengen alles, was wir seit dem zweiten Weltkrieg sahen. Und während viele Menschen in den europäischen Wohlstandsländern spekulieren, ob sie sich denn kostenlos testen lassen sollen, ob sie eine kostenlose Stopp-Corona-App nutzen oder ob sie einer Pharmaindustrie vertrauen wollen, die im Rekordtempo Milliarden Menschen vor Krankheiten schützten könnte, drücken andere Länder aufs Tempo, um raus aus der Pandemie zu kommen. China soll bereits eine Million Menschen geimpft haben und mittels digitalem Tracing sowie oft wiederholten Massen-Testungen das Virus weitgehend unter Kontrolle haben. Und auch wenn nicht immer klar ist, wie korrekt die medialen Berichte von dort sind – die zurückgekehrte Mobilität und wirtschaftliche Erholung des Landes dürften die Berichte bestätigen.

Der einst prominenteste Corona-Leugner, US-Präsident Donald Trump, hat “Operation Warp Speed” ins Leben gerufen und mit den Impfungen letzte Woche begonnen. Und Russland will bereits Eine Viertel-Million Menschen mit dem nicht weniger martialisch klingenden Mittel Sputnik geimpft haben.

Der Wunsch ans Christkind

Es stimmt nachdenklich, dass unser Wohlstand uns offenbar viel an Resilienz und Hunger auf Innovation und Geschwindigkeit gekostet hat. Demokratie ist oft kompliziert und ein Staatenbund von 27 demokratischen Staaten erst recht. Aber das kann und darf keine Ausrede sein, dass Autokratien wie China in immer mehr Bereichen erfolgreicher agieren als wir, denn das schwächt das demokratische Prinzip als Ganzes. In einer Autokratie entscheidet die Führung, dass nützliche Tracing-Apps verwendet werden, Pandemie-Tests stattfinden und wichtige Impfungen durchgeführt werden. In einer Demokratie tut das im Wesentlichen der “Demos”, das Volk. Wenn wir aber zu ängstlich, zu langsam oder falsch (re)agieren, dann scheitern wir als Ganzes. Denn egozentrisches Handeln mag in der Ökonomie zum Erfolg führen, in einer Pandemie ist es tödlich.

In vielen sozialen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Fragen ist heute ein schnelles und beherztes Handeln und das Ziehen an einem Strang immens wichtig. Erst vor wenigen Wochen hat der deutsche Virologe Christian Drosten vor neuen Viren-Gefahren gewarnt und immer mehr Experten machen auf Corona-Mutationen aufmerksam. Just dieses Wochenende sind neue aggressive Fälle im Vereinigten
Königreich entdeckt worden
.

Wir haben nicht immer Einfluss darauf, wie verantwortungsvoll andere in der Gesellschaft mit diesem Virus umgehen, und können gut oder schlecht finden, wie die Regierung die Pandemie managt. Wo wir aber großen Einfluss haben, ist bei uns selbst. “Sei der Wandel, den du gerne in anderen sehen würdest”, lautet ein bekannter Spruch. Je mehr also von uns die Stopp-Corona-App (ehrlich) nutzen, die Regeln befolgen und die Impfung befürworten, desto schneller kriegen wir diesen Wahnsinn in den Griff, wenn auch noch lange nicht los. Machen wir dieses Weihnachtswunder möglich.

Ein frohes Fest wünscht Mic!

Zum Autor

Mic Hirschbrich ist CEO des KI-Unternehmens Apollo.AI, beriet führende Politiker in digitalen Fragen und leitete den digitalen Think-Tank von Sebastian Kurz. Seine beruflichen Aufenthalte in Südostasien, Indien und den USA haben ihn nachhaltig geprägt und dazu gebracht, die eigene Sichtweise stets erweitern zu wollen. Im Jahr 2018 veröffentlichte Hirschbrich das Buch „Schöne Neue Welt 4.0 – Chancen und Risiken der Vierten Industriellen Revolution“, in dem er sich unter anderem mit den gesellschaftspolitischen Implikationen durch künstliche Intelligenz auseinandersetzt.

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Cocoon Capital Advisory Sebastian Kurz - Startups und Beteiligungen - Dream Security
Sebastian Kurz | (c) EVP via Wikimedia Commons

Vor gut zwei Jahren co-gründete der österreichische Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz das Cybersecurity-Startup Dream Security. Mit an Bord ist Shalev Hulio, Ex-CEO der Spionagefirma NSO. Bereits zum Start holte sich das Unternehmen 20 Millionen US-Dollar Kapital. Kurz hielt danach ein Drittel der Anteile.

Investment an Gaza-Grenze

Im November 2023 holte sich Dream ein neues Investment in Höhe von 33,6 Millionen US-Dollar. Kurz hielt danach noch rund 20 Prozent der Anteile. Das Kapital kam primär von den Bestandsinvestoren Aleph und Group 11 – beide aus Israel. Kurz darauf bezifferte das Wall Street Journal die Bewertung der Kurz-Startups mit rund 200 Millionen US-Dollar.

“Die heutige Cyberlandschaft erfordert innovative Ansätze, um aktuellen Bedrohungen effektiv und zielgerichtet zu begegnen. Dank dieser Finanzierungsrunde sind wir in der Lage, weiterhin rasch zu wachsen”, kommentierte der Ex-Kanzler in einem Statement, das brutkasten damals erhielt.

Seither zeigt der eskalierte Gaza-Konflikt Auswirkungen auf Dream Security. So war CEO Shalev Hulio zum Zeitpunkt des letztjährigen Investments selbst als Reservist in der israelischen Armee tätig. Unterschrieben wurde der damalige Investment-Vertrag von Hulio in Uniform an der Grenze zu Gaza.

125 Millionen US-Dollar Umsatz

Im November 2023 zählte das Unternehmen noch 70 Mitarbeiter:innen – 60 davon in Israel. Mittlerweile sei die Belegschaft auf 150 Mitarbeitende gewachsen. “Ihr seid der Grund dafür, dass wir heute dort stehen, wo wir sind”, so der Ex-Kanzler in einem seiner jüngsten LinkedIn-Postings. Gedankt wird auch den bisherigen Investor:innen, darunter Dovi Frances, der Group 11 und Michael Eisenberg, Partner bei Aleph. Überdies verkündet Ex-Kanzler Kurz, mit Dream bereits “über 125 Millionen US-Dollar Umsatz in Europa, dem Nahen Osten und Asien” erreicht zu haben.

Party in der Wüste

Darüber hinaus schreibt Kurz auf LinkedIn: “Für uns als Österreicher war es eine neue Erfahrung, eine Party in der Wüste zu feiern, und dazu noch dem Thema entsprechend gekleidet zu sein… das hat auf jeden Fall eine Menge Spaß gemacht!” Gefeiert wurden die genannten Meilensteine laut dem Posting im Rahmen eines “Tribe-Events”.

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COVAX. Und ein Wunsch ans Christkind

  • Dieses Jahr hat die Konsequenzen unserer globalen Mobilität nicht als Geld- oder Produktströme visualisiert, sondern mittels Ausbreitungsgeschwindigkeit einer neuen Infektionskrankheit.
  • Zudem hat es die Anfälligkeit viel zu vieler Menschen für obskure Verschwörungstheorien zu Corona ans Tageslicht gebracht.
  • 186 Staaten nehmen an COVAX teil, darunter auch rund 100 der sogenannten ersten Welt.
  • Immerhin fünf Milliarden US-Dollar stehen ihr bislang zur Verfügung.
  • Neben COVAX rittern besonders die reichen Staaten um ausreichend Impfdosen für ihre Bewohner.

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